6. Innovationen im Unternehmenssektor und Wissensflüsse

6.1. Wissen ist eine der strategisch bedeutsamsten Unternehmensressourcen. Wie Wissen erworben und eingesetzt wird, ist für Unternehmen, die direkt oder indirekt an Innovationsaktivitäten beteiligt sind, besonders wichtig (vgl. Unterabschnitt 2.2.2). Wissensflüsse umfassen sowohl die bewusste als auch die zufällige Übertragung von Wissen. Wissensaustausch (im engeren Sinn manchmal als Wissenstransfer bezeichnet) ist die bewusste Übertragung von Wissen von einem Akteur auf einen anderen (OECD, 2013).

6.2. Grund für das Interesse an Wissensflüssen ist, dass Wissen von vielen verschiedenen Akteuren eines Innovationssystems generiert, verbreitet und genutzt wird. Dazu zählen Unternehmen, Hochschulen, öffentliche Forschungseinrichtungen, Kund*innen, die Produktinnovationen nutzen, sowie Privatpersonen. Unternehmen beziehen Wissen für ihre Innovationsaktivitäten aus externen Quellen (Chesbrough, 2003; Dahlander und Gann, 2010). Darüber hinaus können auch Informationen ausgetauscht werden. Sie sind aber nur nützlich, wenn sie richtig verstanden und in Wissen verwandelt werden können.

6.3. Unternehmen können Wissen sowohl innerhalb ihrer organisatorischen Grenzen als auch extern erlangen, z. B. von ihren wichtigsten Kunden, von Investoren, Fachleuten und anderen Gruppen, die potenzielle neue Wissensquellen darstellen (Enkel, 2010).

6.4. Die treibenden Faktoren für Wissensflüsse und die Bildung von Wissensnetzwerken haben sich aufgrund neuer Technologien und Geschäftsmodelle verändert. Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien haben die Kosten für das Vervielfältigen, Speichern und Verbreiten von Daten und Informationen erheblich reduziert. Dadurch wurden pekuniäre und nichtpekuniäre Modelle der Wissensbeschaffung und -verwertung ermöglicht. Neue Methoden und Plattformen helfen dabei, Wissen und andere Innovationsinputs aus vielfältigen Quellen zu beziehen. Dazu zählen beispielsweise das Crowdsourcing von Ideen und Problemlösungen (z. B. durch Anreize wie Preise, Auszeichnungen, Wettbewerbe und Hackathons – d. h. Veranstaltungen, bei denen Entwickler*innen gemeinsam an spezialisierten Softwarelösungen arbeiten), Crowdfunding sowie die Nutzung von Online-Plattformen, um Nutzerkommentare und -vorschläge zu Waren und Dienstleistungen einzuholen. Rechte des geistigen Eigentums können zur Schaffung von Wissensmärkten genutzt werden, die Wissensflüsse fördern und zugleich sicherstellen, dass Wissensschaffende von ihren Investitionen in die Entwicklung neuen Wissens profitieren.

6.5. Die Erfassung von Wissensflüssen zwischen Unternehmen und anderen Akteuren des Innovationssystems kann zu einem besseren Verständnis der Wissensflüsse beitragen, sowohl was ihre relative Bedeutung bei der Arbeitsteilung in Innovationsaktivitäten angeht (vgl. Unterabschnitt 3.2.2) als auch im Hinblick auf branchenspezifische Unterschiede zwischen Wissensnetzwerken, Veränderungen dieser Netzwerke im Zeitverlauf, den Effekt von Wissensflüssen auf die Innovationsergebnisse und die Methoden, die Unternehmen bei der Verwaltung ihrer Wissenskapazitäten anwenden. Daten zu Wissensflüssen können Politikberater*innen und Unternehmensmanager*innen helfen, die Chancen und Grenzen solcher Wissensflüsse zu erkennen und Faktoren zu identifizieren, die es Unternehmen ermöglichen, externes Wissen zu integrieren.

6.6. Dieses Kapitel behandelt die Erfassung von Wissensflüssen und damit zusammenhängenden Austauschbeziehungen zwischen Unternehmen und anderen Akteuren des Innovationssystems, wie in Kapitel 2 beschrieben. Abschnitt 6.2 erläutert den konzeptionellen Rahmen und die Beweggründe für die Erfassung von Wissensflüssen und offener Innovation. Der Rahmen betrachtet die Innovationstätigkeit im Unternehmenssektor als stark verteilten Prozess, der auf gesteuerten Wissensflüssen über Organisationsgrenzen hinweg beruht.

6.7. Abschnitt 6.3 stellt konkrete Ansätze für die Messung von Wissensflüssen im Rahmen von Innovationserhebungen vor. Neben Erhebungen müssen für die Erfassung von Wissensflüssen und der Diffusion von Innovationen häufig auch andere Daten herangezogen werden, um die Zusammenhänge zwischen Akteuren, Outputs und Ergebnissen zu erkennen. Die Vorschläge für die Datenerhebung umfassen folgende Aspekte: die Rolle anderer Unternehmen oder Organisationen bei der Entwicklung und Einführung von Innovationen durch das betreffende Unternehmen (vgl. Kapitel 3), die externe Verwertung der Innovationsaktivitäten des betreffenden Unternehmens (vgl. Kapitel 4), kollaborative Innovationsaktivitäten, die wichtigsten Ideen- und Informationsquellen für Innovationen und die Erfassung von Registrierungsaktivitäten und Transaktionen im Bereich des geistigen Eigentums. Darüber hinaus wird darauf eingegangen, wie Verbindungen zwischen Unternehmen und Hochschulen sowie öffentlichen Forschungseinrichtungen und die Hemmnisse und Herausforderungen für Wissensflüsse mit externen Akteuren erfasst werden können. Abschnitt 6.4 bietet einen kurzen Überblick über die Empfehlungen.

6.8. Die Diffusion von Innovationen bezeichnet zum einen den Prozess der Verbreitung von Ideen, die Produkt- und Prozessinnovationen zugrunde liegen (Diffusion von Innovationswissen), und zum anderen die Einführung solcher Produkte oder Prozesse in anderen Unternehmen (Diffusion von Innovationsoutput). Die Einführung eines Produkts oder Prozesses in einem Unternehmen kann eine Innovation bewirken, wenn sich diese Produkte oder Prozesse merklich von den bisherigen Produkten oder Prozessen des Unternehmens unterscheiden (wie in Kapitel 3 definiert). In einigen Fällen können dadurch die bisherigen Produkte und Prozesse vollständig ersetzt oder obsolet werden.

6.9. Sowohl der Prozess als auch die Ergebnisse der Diffusion von Innovationen sind für Politik und Forschung von Interesse, da die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen von Ideen und Technologien durch ihre Diffusion verstärkt werden. Dies gilt insbesondere, wenn bei ihrer Nutzung Synergien und Komplementaritäten entstehen. Die Diffusion von Innovationen kann auch Wissensflüsse generieren, die zu weiteren Innovationen führen, z. B. wenn die Erfahrungen aus der Anwendung eines neu eingeführten Prozesses wesentliche Verbesserungen hervorbringen (Rosenberg, 1982; Hall, 2005). Die voraussichtliche Geschwindigkeit und Art der Diffusion von Innovationen wirkt sich auch auf Innovationsanreize aus.

6.10. Auf Basis der in diesem Handbuch bereits vorgestellten Konzepte sind Unternehmen aktiv an der Diffusion von Innovationen beteiligt, wenn sie

  • Produkte oder Prozesse ohne bzw. ohne wesentliche zusätzliche Veränderungen einführen, sofern sich diese Produkte oder Prozesse merklich von ihren zuvor angebotenen Produkten oder genutzten Prozessen unterscheiden. In diesem Fall handelt es sich lediglich um Unternehmensneuheiten.

  • Produkte oder Prozesse entwickeln, die auf den Ideen, Erfahrungen, Produkten oder Prozessen anderer Unternehmen oder Akteure aufbauen, sich von diesen aber unterscheiden.

  • anderen die Nutzung ihrer Innovationen oder des entsprechenden Wissens ermöglichen, z. B. indem sie anderen Unternehmen die Rechte des geistigen Eigentums oder das implizite Wissen für die praktische Anwendung der Innovationen oder des Wissens zur Verfügung stellen.

6.11. Alle Unternehmen sind an Wissensinteraktionen mit anderen Akteuren beteiligt. Ein Wissensnetzwerk besteht aus den wissensbasierten Interaktionen oder Verbindungen zwischen verschiedenen Unternehmen und gegebenenfalls anderen Akteuren. Es umfasst Wissenselemente, Repositorien und Akteure, die Wissen suchen, übermitteln und generieren. Diese sind durch Beziehungen miteinander verbunden, die den Erwerb, den Transfer und die Generierung von Wissen ermöglichen, beeinflussen oder einschränken (Phelps, Heidl und Wadhwa, 2012). Die beiden Hauptkomponenten von Wissensnetzwerken sind die Wissensform und die Akteure, die Wissen aufnehmen, zur Verfügung stellen oder austauschen.

6.12. Wissen kann beispielsweise durch Datenbanken, Softwareprogramme, Patente, Publikationen, öffentliche Präsentationen, Know-how oder in anderer Form erfasst bzw. gegenständlich gemacht werden. Es kann nach folgenden Kriterien klassifiziert werden:

  • danach, inwiefern das Wissen kodifiziert oder implizit ist und wie leicht das Wissen dementsprechend weitergegeben und unmittelbar verwertbar gemacht werden kann (Polanyi, 1958; von Hippel, 1988). Dies hat Auswirkungen auf die Rivalität bei der Nutzung des Wissens. Sofern das Wissen kodifiziert ist und kostengünstig kopiert werden kann, führt eine verstärkte Nutzung durch andere Unternehmen oder Personen nicht dazu, dass die Menge des zur Nutzung verfügbaren Wissens abnimmt. Kodifiziertes Wissen kann durch Artikel, Bücher, Formeln, Modelle, Unterlagen, Datenbanken und Rechte des geistigen Eigentums wie z. B. Patente weitergegeben werden. Implizites Wissen hingegen existiert oft nur in den Köpfen der Personen, die dieses Wissen nutzen (Breschi und Lissoni, 2001). Dies ist der Fall, wenn die Wissensträger ihr Wissen weder kodifizieren noch durch Vorträge oder Besprechungen verfügbar machen.

  • nach der Ausschließbarkeit, d. h. der Möglichkeit, andere an der Nutzung des Wissens zu hindern. Bei implizitem Wissen und Wissen, das nur mit umfassender Fachkenntnis zu verstehen ist, liegt eine partielle Ausschließbarkeit vor. Ausschließbarkeit bei der Wissensnutzung kann durch Übertragung und Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, aber auch auf andere Weise, z. B. durch Geheimhaltung, Vereinbarungen oder gesellschaftliche Normen entstehen.

  • inwiefern es sich um bereits existierendes oder prospektives Wissen handelt, d. h., ob das Wissen erst noch geschaffen werden muss. Vereinbarungen über die gemeinsame Generierung neuen Wissens, z. B. durch Kollaborationen, umfassen in der Regel Zusagen, sich aktiv an der Produktion neuen Wissens und am Austausch von bestehendem Wissen, das für die Realisierung dieses Ziels erforderlich ist, zu beteiligen.

6.13. Unterschiedliche Wissensformen können einander ergänzen, was Anreize für Wissensflüsse und in einigen Fällen für eine Bündelung der Rechte des geistigen Eigentums an Komplementärwissen schafft.

6.14. Alle Organisationen, deren Repräsentant*innen oder Einzelpersonen können an Wissensflüssen beteiligt sein. Die verschiedenen Entitäten und Personen, mit denen ein Unternehmen interagiert, können nach mehreren Kriterien klassifiziert werden:

  • wirtschaftliche Tätigkeit (z. B. Wirtschaftszweig) der Akteure in Wissensflüssen, da die Form des ausgetauschten Wissens, der Konkurrenzdruck bei der Beschaffung oder Schöpfung neuen Wissens und die Ausschließbarkeit in den einzelnen Wirtschaftszweigen unterschiedlich sind.

  • institutionelle Zugehörigkeit des Akteurs (vgl. Abschnitt 5.2). Der Akteur könnte beispielsweise eine öffentliche Forschungseinrichtung, ein eigenständiges Unternehmen oder ein Unternehmen sein, das Teil eines inländischen oder multinationalen Konzerns ist. Die institutionelle Zugehörigkeit beeinflusst die Eigentümerschaft und die Kontrolle über das Wissen und dessen Nutzung sowie die wesentlichen Finanzierungsquellen für die Schaffung von Wissen und die Wissensquellen, die dem Akteur zur Verfügung stehen.

  • Wissenslieferant oder -nutzer: Akteure können Wissen nutzen, liefern oder suchen. Sie können auch Wissenslieferanten und -nutzer zugleich sein.

  • Kapazitätsattribute: Diese bestimmen die Absorptionskapazität von Personen oder Organisationen für die Anwendung von Wissen, das von anderen Akteuren erlangt wird. Dazu können sowohl Akteure zählen, die über Eigentumsverhältnisse mit dem Unternehmen verbunden sind, als auch unabhängige Akteure, wie z. B. Hochschulen oder andere Unternehmen (vgl. Abschnitt 5.3).

  • Verbundenheit oder Nähe bzw. Distanz zwischen den einzelnen Akteuren, wie z. B. Eigentumsverhältnisse, räumliche Nähe, frühere Wissensflüsse oder Zugehörigkeit zu denselben Netzwerken. Bei der Suche nach einem geeigneten Distanzkriterium für die Prüfung oder Vorhersage der Wahrscheinlichkeit von Wissensflüssen muss häufig auf Kriterien zurückgegriffen werden, die auf formellen Beziehungen (z. B. Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Lieferkette) oder Ähnlichkeiten zwischen den Akteuren beruhen.

6.15. Wissensflüsse können ohne explizite Vereinbarung zwischen den beiden Parteien (dem Wissensschaffenden und dem Wissensempfangenden) stattfinden, z. B. wenn ein Unternehmen die Innovationen eines Wettbewerbers nachkonstruiert (Reverse Engineering) oder wenn Beschäftigte eines Unternehmens Wissen erlangen, indem sie Publikationen lesen. Alternativ dazu können Wissensflüsse auch absichtlich über formelle Verbindungen zwischen zwei oder mehr Beteiligten erfolgen. Beispiele hierfür sind Verbindungen durch Eigentumsverhältnisse oder die Beteiligung an einem Kollaborationsvorhaben. Beabsichtigte Wissensflüsse können auch informell, z. B. in Form von Gesprächen bei Messen oder Konferenzen stattfinden. In einigen Fällen verlangen Rechtsvorschriften die Offenlegung von Informationen. Beispielsweise müssen in einigen Märkten Daten zu Produktmerkmalen bereitgestellt werden und bei Patentanmeldungen müssen Erfindungen umfassend beschrieben werden.

6.16. Unbeabsichtigte Wissensflüsse können zu einer unerwünschten Weitergabe von Informationen an Wettbewerber führen. Einige Arten von Wissensflüssen können illegal sein, wie etwa Wissen, das durch Industriespionage erlangt wird. Unternehmen können nicht verhindern, dass das in Patenten enthaltene Wissen an Wettbewerber fließt; sie können jedoch Schadenersatz für die unzulässige Nutzung von Wissen fordern, das durch Rechte des geistigen Eigentums geschützt ist.

6.17. Es ist wichtig, zwischen absichtlichen Ex-post-Wissensflüssen auf der Grundlage bestehenden Wissens und Ex-ante-Wissensflüssen zur Schaffung neuen Wissens zu unterscheiden. Bei letzteren sind die Folgen weniger vorhersehbar. Sie erfordern daher eine explizite oder implizite Vereinbarung über die Schaffung und Verteilung zukünftigen Wissens und des damit verbundenen Werts.

6.18. Tabelle 6.1 führt Mechanismen für beabsichtigte Wissensflüsse unter Ex-post-Bedingungen (bestehendes Wissen) und Ex-ante-Bedingungen (prospektives Wissen) auf. Transaktionen mit bestehendem Wissen gliedern sich in separate Mechanismen für Rechte des geistigen Eigentums und Mechanismen, bei denen das Wissen in Transaktionen enthalten ist, die andere Waren und Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Letztere umfassen u. a. Wissenstransfers durch den Erwerb von anderen Unternehmen oder Anlagegütern. Auch Transaktionen zur Schaffung von prospektivem Wissen können unterteilt werden in Vereinbarungen, bei denen ein Unternehmen einen Lieferanten mit der Bereitstellung von bedarfsspezifischem Wissen beauftragt, und Vereinbarungen, bei denen beide Parteien an der gemeinsamen Entwicklung eines Wissensprodukts mitwirken.

6.19. Vereinbarungen zur Bereitstellung von Wissen an einen anderen Akteur können auf unterschiedlichen Formen der Vergütung beruhen. Dazu zählen beispielsweise eine spätere finanzielle Vergütung, die Erbringung von Gegenleistungen, ein Tausch gegen andere Arten von Wissen oder ein Miteigentum an Rechten des geistigen Eigentums. Die Akteure können auch nichtmonetäre Vorteile anstreben, wie z. B. einen Reputationsgewinn, oder sie können möglicherweise „kostenloses“ Wissen mit anderen proprietären Leistungen bündeln. Wissen kann darüber hinaus ohne Erwartung einer Vergütung bereitgestellt werden, beispielsweise wenn das Wissen frei verfügbar gemacht wird oder zwischen verbundenen Unternehmen geteilt wird.

6.20. Wie wichtig Wissensflüsse – sowohl von außen in die Unternehmen hinein als auch von innen nach außen – sind, um die Effizienz der unternehmerischen Innovationsaktivitäten zu steigern, ist seit Jahrzehnten bekannt (Kline und Rosenberg, 1986; Teece, 1986) und wurde in früheren Ausgaben dieses Handbuchs erörtert. Die erste Innovationserhebung der Europä-ischen Gemeinschaft (CIS) von 1992/1993 enthielt bereits Fragen zur unternehmensinternen Nutzung von externem technischem Wissen und zur Weitergabe von internem technischem Wissen. Das Konzept der Open Innovation (Chesbrough, 2003) unterstreicht die Vorteile für Unternehmen, wenn sie zielgerichtete Wissenszu- und -abflüsse nutzen, um interne Innovationen zu beschleunigen bzw. die Märkte für die externe Nutzung von Innovationen zu vergrößern. Das Paradigma der Open Innovation hat verdeutlicht, in welchem Maße sich Wissensproduktion und -nutzung auf verschiedene Akteure verteilen und wie wichtig der Zugang zu Wissen aus spezialisierten Netzwerken und Märkten ist (Arora, Fosfuri und Gambardella, 2001).

6.21. Im Wissenschafts- und Innovationskontext gibt es zwar mehrere unterschiedliche Interpretationen des Offenheitsbegriffs (vgl. Kasten 6.1), Open Innovation ist jedoch ein nützliches übergreifendes Konzept, um bestehende und prospektive Formen von Wissensflüssen über die Grenzen innovationsaktiver Unternehmen hinweg zusammenzufassen.

6.22. Das Open-Innovation-Konzept unterscheidet Wissensflüsse von außen nach innen (Inbound) und von innen nach außen (Outbound). Sie werden wie folgt definiert:

  • Inbound-Wissensflüsse (auch Outside-In genannt) liegen vor, wenn ein Unternehmen externes Wissen erwirbt und in seine Innovationsaktivitäten integriert. Dies umfasst Aktivitäten zum Erwerb und zur Beschaffung von Wissen, die zum Teil in Kapitel 4 beschrieben werden.

  • Outbound-Wissensflüsse (auch Inside-Out genannt) liegen vor, wenn ein Unternehmen anderen Unternehmen oder Organisationen bewusst ermöglicht, sein Wissen oder seine Ideen in ihren eigenen Innovationsaktivitäten zu nutzen, zu integrieren oder weiterzuentwickeln. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Unternehmen seine Technologie, Patente oder Prototypen an ein anderes Unternehmen lizenziert.

6.23. Unternehmen, die Outbound- und Inbound-Wissensflüsse kombinieren, werden gelegentlich auch als ambidextre Unternehmen beschrieben (Cosh und Zhang, 2011). Diese Unternehmen wirken an gekoppelten oder gemeinschaftlichen Prozessen mit, die die Suche nach neuen Wissensquellen und neue Kombinationen von unternehmensinternem und -‍externem Wissen umfassen können. Innovationskollaborationen sind ein Beispiel für einen gekoppelten Prozess, bei dem alle Partner sowohl an Inbound- als auch an Outbound-Wissensflüssen beteiligt sind. Daten zur Nutzung von Inbound- und Outbound-Wissensflüssen können helfen, die Position von Unternehmen in Innovationsnetzwerken zu bestimmen.

6.24. Outbound-Innovationsaktivitäten werden – vor allem in amtlichen Statistiken – nur selten erfasst. Outbound-Strategien werden von Unternehmen eingesetzt, die durch Verkauf oder Lizenzierung ihres Wissens oder ihrer Erfindungen an andere Unternehmen Einnahmen erwirtschaften, sowie von Wissensdienstleistern, die auf Auftragsbasis Forschung und experimentelle Entwicklung (FuE) oder damit verbundene Leistungen für Dritte erbringen. Outbound-Strategien können auch darin bestehen, dass das betreffende Unternehmen anderen Unternehmen oder Kunden das Recht verleiht, seine Innovationen kostenlos zu nutzen. Das Unternehmen kann davon profitieren, wenn seine Innovationen in einem Standard angewandt werden, der den Markt des Unternehmens vergrößert, oder wenn ihm die Anwendung seiner Innovationen durch Dritte eine dominierende Marktstellung verschafft, die für den Verkauf anderer Leistungen genutzt werden kann.

6.25. Diese drei Konzepte werden zwar häufig synonym verwendet, sie können jedoch unterschiedliche Bedeutungen haben. Für die Zwecke dieses Handbuchs gilt jeweils folgende Definition.

6.26. Kooperation liegt vor, wenn zwei oder mehr Beteiligte vereinbaren, die Verantwortung für eine Aufgabe oder eine Reihe von Aufgaben zu übernehmen, und zur Umsetzung dieser Vereinbarung Informationen zwischen den Beteiligten ausgetauscht werden. Ein innovationsaktives Unternehmen kooperiert mit einem anderen Unternehmen, wenn es Ideen oder Inputs von diesem anderen Unternehmen bezieht und ihm zu diesem Zweck eine detaillierte Beschreibung seiner Bedürfnisse liefert.

6.27. Kollaboration erfordert koordinierte Aktivitäten verschiedener Beteiligter zur Lösung einer gemeinsam definierten Problemstellung, wobei alle Partner einen Beitrag leisten. Kollaboration setzt die explizite Festlegung gemeinsamer Ziele voraus und kann Vereinbarungen über die Verteilung der Inputs, der Risiken und des potenziellen Nutzens umfassen. Kollaboration kann neues Wissen generieren, ohne zwangsläufig zu einer Innovation zu führen. Jeder Partner in einer Kollaborationsvereinbarung kann das daraus resultierende Wissen für unterschiedliche Zwecke nutzen.

6.28. Ko-Innovation oder „Coupled Open Innovation“ liegt vor, wenn die Kollaboration zweier oder mehrerer Partner in eine Innovation mündet (Chesbrough und Bogers, 2014). Ein wichtiger Aspekt für die Messung von Innovationen ist dabei, dass es bei Addition aller Innovationen, die von den Unternehmen einer Grundgesamtheit gemeldet werden, zu einer Überschätzung kommen könnte. Der Umfang der Überschätzung hängt von der Zahl der Ko-Innovationen ab.

6.29. Allianzen, Konsortien, Joint Ventures und andere Formen von Partnerschaften sind allesamt Mechanismen für Wissensflüsse, die für Innovationsaktivitäten genutzt werden können, wenngleich jeder dieser Mechanismen für andere Zwecke eingesetzt werden kann. In Allianzen und Konsortien beteiligen sich Unternehmen mit anderen Organisationen an einer gemeinsamen Aktivität oder bündeln ihre Ressourcen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Die Beteiligten bleiben rechtlich eigenständig. Die Kontrolle des Konsortiums über die einzelnen Mitglieder beschränkt sich im Allgemeinen auf Aktivitäten, die das gemeinsame Vorhaben betreffen, insbesondere die Gewinnaufteilung. Ein Konsortium wird durch einen Vertrag errichtet, der die Rechte und Pflichten der einzelnen Konsortiumsmitglieder beschreibt. Joint Ventures entstehen, wenn zwei oder mehr Unternehmen Mittel (Kapital) in die Gründung eines dritten Unternehmens investieren, das ihr gemeinsames Eigentum ist und auf das sie auch den Zugang zu einigen ihrer eigenen Ressourcen, z. B. geistigem Eigentum, übertragen können.

6.30. Wissensmanagement ist die Koordination aller Aktivitäten, mit denen eine Organisation Wissen innerhalb und außerhalb der Organisation steuert, kontrolliert, erfasst, nutzt und teilt. Das Management interner und externer Wissensflüsse wird in Kapitel 5 erörtert.

6.31. Die Komplexität von Wissensflüssen bringt praktische Herausforderungen für die Messung mit sich. Unternehmen können wissensbasierte Verbindungen mit verschiedenen Akteuren an verschiedenen Orten eingehen und in den einzelnen Phasen des Innovations- und Diffusionsprozesses unterschiedliche Arten von Wissensobjekten nachfragen. Sie können eine Vielzahl von Vereinbarungen über den Austausch von Wissen abschließen. Zudem können sich Unternehmensgrenzen durch Fusionen, Übernahmen und Veräußerungen verändern. Dies kann sich auch auf die Struktur der internen und externen Wissensflüsse auswirken. Angesichts dieser Komplexität liefert der subjektbasierte Ansatz der Messung von Innovationen möglicherweise nicht genug Details, um Veränderungen der Wissensquellen im Zeitverlauf zu verfolgen. Für die Forschung in diesem Bereich könnte der in Kapitel 10 erörterte objektbasierte Ansatz geeigneter sein.

6.32. Einige Unzulänglichkeiten der Erhebungsdaten zu Wissensflüssen lassen sich durch Verknüpfung mit anderen Datenquellen beheben, z. B. mit Daten zu gemeinschaftlichen Erfindungen oder gemeinschaftlichem Eigentum an intellektuellen Vermögenswerten sowie Ko-Publikationen. Auch administrative Transaktionsdaten, die Verbindungen zwischen Käufern und Verkäufern aufzeigen, können genutzt werden, um bestimmte Arten von wissensbasierten Interaktionen abzubilden.

6.33. Die Empfehlungen in diesem Abschnitt behandeln die Messung von sowohl internen Wissensflüssen (innerhalb eines Unternehmens und zwischen Unternehmen, die durch Eigentumsverhältnisse miteinander verbunden sind) als auch externen Wissensflüssen zwischen nicht verbundenen Unternehmen oder Organisationen. Wissensflüsse zwischen Tochtergesellschaften multinationaler Unternehmen sind ein Sonderfall von großem Interesse für Forschung und Politik, der besondere Aufmerksamkeit erfordert.

6.34. Sowohl nicht innovationsaktive als auch innovationsaktive Unternehmen können ihr Umfeld regelmäßig nach potenziell innovationsrelevantem Wissen absuchen und anderen Unternehmen innovationsrelevantes Wissen bereitstellen. Es wird empfohlen, Daten zu diesen Aktivitäten zu erheben, um eine Untererfassung der Inbound- und Outbound-Wissensflüsse zu verhindern und Untersuchungen der Innovationsneigung zu erleichtern. Weitere Einzelheiten zu Wissensflüssen dürften nur bei innovationsaktiven Unternehmen von Belang sein.

6.35. In Kapitel 4 wird empfohlen, qualitative Daten über die Nutzung externer Anbieter für sieben Arten von Innovationsaktivitäten zu erheben. Die Daten zu externen Anbietern geben Auskunft über Wissensflüsse von externen Quellen an das Unternehmen, z. B. Design-, Schulungs- oder FuE-Dienstleistungen, bei denen Wissen Bestandteil der Dienstleistung ist oder die dem Unternehmen neues Wissen liefern, das für die Entwicklung von Innovationen genutzt werden kann.

6.36. Arbeitsteilung bei Innovationsaktivitäten (vgl. Unterabschnitt 3.2.2) ermöglicht es den Unternehmen, Wissen, notwendige Fähigkeiten und komplementäre Ressourcen für ihre Innovationsaktivitäten von anderen Unternehmen oder Organisationen zu erwerben.

6.37. Wie in Tabelle 6.2 dargestellt, können Erhebungen Informationen über die relativen Beiträge zu Innovation von internen und externen Quellen erfassen. Die Bandbreite reicht dabei von Innovationen, die replizieren, was bereits von anderen Unternehmen oder Organisationen genutzt wird, bis hin zu vollständig unternehmensintern entwickelten Innovationen. Die Musterfrage in Tabelle 6.2 unterscheidet zwischen expliziten „Imitationsinnovationen“ (Antwortoption a), Innovationen, die ein gewisses Maß an internen Innovationsaktivitäten erfordern (Option b), Innovationen, die erheblichen externen Input erfordern (Option c), und Innovationen mit externem Input durch Kollaborationen mit anderen Unternehmen oder Organisationen (Option d). Die letzte Kategorie (Antwortoption e) betrifft größtenteils intern entwickelte Innovationen. Innovationen, die sowohl internes als auch externes Wissen nutzen (Option b, c und d), weisen nicht zwangsläufig mehr oder weniger neuartige Eigenschaften auf als überwiegend intern entwickelte Innovationen (Option e). Sie können aber auf einen höheren Spezialisierungsgrad hindeuten.

6.38. Für die Datenerhebung kann die Zahl der Optionen in Tabelle 6.2 je nach Forschungs- und Politikinteresse angepasst werden. Beispielsweise könnten b und c zu einer Antwort zusammengefasst werden oder Option e könnte aufgeschlüsselt werden, um die Rolle externer Quellen speziell für die Implementierungsphase zu ermitteln.

6.39. Kognitive Tests lassen darauf schließen, dass es schwierig ist, präzise Angaben zur Rolle anderer Akteure bei Innovationen zu erhalten, insbesondere für einzelne Phasen des Innovationsprozesses (Galindo-Rueda und Van Croysen, 2016). Dies ist z. T. darauf zurückzuführen, dass Befragte unter der „Entwicklung von Innovationen“ den gesamten Innovationsprozess, einschließlich der Implementierung, verstehen. Dies deckt sich nicht mit der FuE-basierten Interpretation von Entwicklung, die sich ausschließlich auf die Entwicklung von Ideen, Konzepten oder Designs bezieht, wie in der Definition der experimentellen Entwicklung im Frascati-Handbuch der OECD von 2015 (OECD, 2015b) – vgl. auch den Abschnitt zu FuE in Kapitel 4. Um unterschiedliche Auslegungen zu vermeiden, sollte bei Fragen zur Rolle interner und externer Quellen angegeben werden, welche Antwortoptionen Entwicklungs- und Implementierungsaktivitäten umfassen.

6.40. Die Optionen in Tabelle 6.2 decken ein breites Spektrum von Strategien zur Integration von externem Wissen ab. Sie ermöglichen es beispielsweise zu untersuchen, ob Dienstleistungsinnovationen tendenziell häufiger oder seltener externe Inputs erfordern als Wareninnovationen und ob und worin sich die Strategien der Wissensbeschaffung für Prozessinnovationen und Produktinnovationen unterscheiden.

6.41. Da ein Unternehmen mehrere Produkt- oder Prozessinnovationen aufweisen kann, sollten bei der Frage nach Inbound-Wissensflüssen in Tabelle 6.2 Mehrfachantworten zugelassen werden. Die Antwortpersonen könnten aber auch gebeten werden, aus den aufgeführten Optionen die am häufigsten verwendete auszuwählen. Alternativ dazu kann der in Kapitel 10 beschriebene objektbasierte Ansatz verwendet werden, um zu ermitteln, welche Methode bei der wirtschaftlich wertvollsten Innovation des Unternehmens genutzt wurde.

6.42. Die Daten zu Inbound-Wissensflüssen können helfen, andere Daten darüber, ob das betreffende Unternehmen über Unternehmensneuheiten oder Marktneuheiten verfügt, zu interpretieren. Innovationen der Kategorie b oder c sind mit größerer Wahrscheinlichkeit Marktneuheiten, während Innovationen, auf die Option a zutrifft, mit größerer Wahrscheinlichkeit Unternehmensneuheiten sind. Innovationen der Kategorie a können jedoch auch Marktneuheiten sein, z. B. wenn der Markt des Unternehmens eine lokal begrenzte Region ist. Es wird empfohlen, zusätzlich zu den Daten in Tabelle 6.2 auch Daten zum Markt des jeweiligen Unternehmens zu erheben (vgl. Unterabschnitt 5.3.1), um zu ermitteln, wie Marktneuheiten entwickelt werden.

6.43. Die Befragten könnten die Rolle anderer Unternehmen oder Organisationen bei den Innovationen ihres Unternehmens unterschätzen, insbesondere wenn das ursprüngliche Konzept extern erworben wurde, die Entwicklungsarbeit aber intern stattfand. Um einer solchen Untererfassung entgegenzuwirken, sollte Option e – größtenteils intern entwickelte Innovationen – im Anschluss an die anderen Antwortoptionen aufgeführt werden.

6.44. Es wird empfohlen, Daten über die verschiedenen Quellen von Wissenszuflüssen und den Standort der Wissensquellen zu erheben. Um die internationale Vergleichbarkeit von Innovationsdaten sicherzustellen, empfiehlt sich die Verwendung der institutionellen Klassifikation des Frascati-Handbuchs 2015 (OECD, 2015b: Kapitel 3), wie in Tabelle 6.3 ersichtlich.

6.45. Wie in Tabelle 6.3 dargestellt, können die institutionellen Sektoren der Frascati-Klassifikation für Politik- und Forschungszwecke weiter aufgeschlüsselt werden.

  • Es ist ratsam, bei den Wissensquellen zwischen verbundenen und nicht verbundenen Unternehmen zu unterscheiden.

  • Wichtig ist auch, zwischen privaten Haushalten und ihren in dieser Eigenschaft handelnden Mitgliedern einerseits und anderen privaten Organisationen ohne Erwerbszweck andererseits zu unterscheiden.

  • Forschungsinstitute, die auf Basis ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit definiert sind, stellen eine Gruppe von hohem politischem Interesse dar. Sie sind in allen Frascati-Sektoren anzutreffen (vgl. Unterabschnitt 2.4.1). Empfehlungen für die Messung dieser Wissensflüsse finden sich nachstehend in Unterabschnitt 6.3.4.

6.46. Der Standort der Quelle kann weiter unterteilt werden; so kann „Inland“ beispielsweise aufgeschlüsselt werden nach lokalen Quellen und Quellen, die „andernorts im selben Land“ liegen. „Übrige Welt“ lässt sich in größere Gebiete wie z. B. die Europäische Union, Freihandelszonen, Kontinente usw. unterteilen.

6.47. Daten zu Outbound-Wissensflüssen, d. h. von innerhalb des Unternehmens nach außen, wurden bislang nur selten erfasst, auch wenn die erste CIS Fragen zum Outbound-Technologietransfer durch Lizenzierung von geistigem Eigentum, Beratungs- oder FuE-Dienstleistungen, den Verkauf von Anlagen, Kommunikation mit anderen Unternehmen und Arbeitskräftemobilität enthielt. Das Problem bei der Datenerhebung zu Outbound-Wissensflüssen ist, dass die Antwortpersonen möglicherweise nicht wissen, ob das Wissen ihres Unternehmens in den Innovationen eines anderen Unternehmens verwendet wurde, außer in Fällen, in denen explizite Vereinbarungen über einen Wissensaustausch unterzeichnet wurden, z. B. um laufende Lizenzgebühren für die Lizenzierung geistigen Eigentums zu erhalten. In früheren Erhebungen verwendete Kategorien wie z. B. „Arbeitskräftemobilität“ oder „Kommunikation mit anderen Unternehmen“ sind ungenau und stehen nicht zwangsläufig in direktem Zusammenhang mit einem Wissenstransfer von dem befragten zu einem anderen Unternehmen. Beispiele direkter Mechanismen für Wissensflüsse von innen nach außen sind in Tabelle 6.4 aufgeführt.

6.48. Fragen zu Outbound-Wissensflüssen sind im Prinzip für alle Unternehmen, unabhängig von ihrem Innovationsstatus, relevant.

6.49. Option a in Tabelle 6.4 betrifft professionelle und spezialisierte Wissensdienstleister in allen Fachgebieten, wie z. B. FuE-, Software-, Konstruktions-, Design- und Kreativdienstleistungen. Option b und c in Tabelle 6.4 beziehen sich auf die Aktivitäten von Unternehmen aller Sektoren, die aus ihrem Wissen Wert schöpfen, indem sie es entweder auslizenzieren oder kostenlos für die Nutzung durch Dritte bereitstellen. Diese Fragen können helfen, diese Strategien und die damit verbundenen Wissensflüsse zu erfassen.

6.50. Informationen über Outbound-Wissensflüsse können helfen, die Angaben zu Produktinnovationen von Unternehmen zu interpretieren, die im Bereich der Unternehmensdienstleistungen und kreativen Dienstleistungen tätig sind. Diese Unternehmen könnten das ihren Kunden zur Verfügung gestellte Wissen unter bestimmten Umständen als Produktinnovation betrachten.

6.51. Eine Frage zu Outbound-Wissensflüssen kann durch Fragen nach den Arten von Empfängerorganisationen gemäß den Kategorien in Tabelle 6.3 (einschließlich Haushalte) ergänzt werden. Um Untersuchungen zur systemweiten Verteilung von Innovationsanstrengungen zu erleichtern, können Daten zu den Einnahmen aus Outbound-Wissensflüssen im Referenzjahr erhoben werden.

6.52. Innovationen können durch Kollaboration oder Ko-Innovation entwickelt werden. Angesichts der Bedeutung dieser Innovationsmethoden im Kontext der offenen Innovation wird empfohlen, Daten zu den Arten von Kollaborations- oder Ko-Innovationspartnern zu erheben. Hierfür wird eine modifizierte Version des Gliederungsschemas von Tabelle 6.3 vorgeschlagen, die nicht verbundene Unternehmen in Lieferanten, Kunden usw. aufschlüsselt und den Standort der Kollaborationspartner erfasst (Tabelle 6.5). Wenn möglich, können separate Daten zu Ko-Innovationen und Kollaborationen erhoben werden. Es wird jedoch nicht empfohlen, Daten zu Kooperationen zu erheben. Da Kollaborationen als Zwischenprodukte Wissen oder Standards hervorbringen können, die nicht in Innovationen genutzt werden, sind Fragen zu Kollaborationen für alle Unternehmen relevant, die während des Beobachtungszeitraums innovationsaktiv sind.

6.53. Die in Tabelle 6.5 aufgeführten Punkte erfassen qualitative, räumlich gegliederte Informationen zu Kollaborationspartnern. Dies kann durch die Frage ergänzt werden, welche Art von Kollaborationspartner im Beobachtungszeitraum den wertvollsten Beitrag zu den Innovationsaktivitäten des Unternehmens leistete (vgl. auch Kapitel 10).

6.54. Es wird empfohlen, Daten zur Bedeutung einer Vielzahl unterschiedlicher Ideen- und Informationsquellen für Innovationen zu erheben. Tabelle 6.6 führt entsprechende Quellen auf.

6.55. Diese Liste ist umfangreicher als die Liste der möglichen Kollaborationspartner, weil sie auch unbelebte Datenquellen wie Publikationen, die sich keinen bestimmten Akteuren zuordnen lassen, sowie unternehmensinterne Quellen umfasst. Alternativ könnte gefragt werden, ob Innovationen des Unternehmens ohne das Wissen aus einer oder mehreren der in der Tabelle aufgeführten Quellen nicht möglich gewesen wären (Mansfield, 1995).

6.56. Bei der Datenerhebung können Sondermodule oder separate Fragebögen eingesetzt werden, um politikrelevante Informationen über eine Vielzahl an wissensbasierten Beziehungen zu bestimmten Akteuren im Innovationssystem zu erfassen. Kanäle für wissensbasierte Interaktionen zwischen Unternehmen und Hochschulen sowie öffentlichen Forschungseinrichtungen sind für die Politik von besonderem Interesse.

6.57. Hochschulen sind in jedem der drei im System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Vereinten Nationen (SNA 2008) definierten institutionellen Sektoren (Unternehmen, Staat und Private Organisationen ohne Erwerbszweck) anzutreffen und können öffentliche oder private Einrichtungen sein. Im Frascati-Handbuch bilden Hochschulen als Sonderfall einen eigenen Hauptsektor, der auch Forschungsinstitute umfasst, die von Hochschulen kontrolliert oder verwaltet werden.

6.58. Für öffentliche Forschungseinrichtungen (auch als öffentliche Forschungsinstitute bezeichnet) existiert zwar keine formelle Definition, sie müssen jedoch zwei Kriterien erfüllen, nämlich 1. FuE als wirtschaftliche Haupttätigkeit betreiben (Forschung) und 2. unter staatlicher Kontrolle stehen (formelle Definition des öffentlichen Sektors). Private Forschungsinstitute ohne Erwerbszweck sind daher ausgeklammert.

6.59. Öffentliche Forschungseinrichtungen sind in den SNA-Sektoren Unternehmen, Staat und Private Organisationen ohne Erwerbszweck anzutreffen. Öffentliche Forschungseinrichtungen im Unternehmenssektor sind öffentliche Unternehmen, die ebenso wie private, marktorientierte Forschungsinstitute in den Erfassungsbereich von Innovationserhebungen fallen. Öffentliche Forschungseinrichtungen im Staatssektor können unterschiedlich enge Verbindungen mit Ministerien und Behörden aufweisen. Öffentliche Forschungseinrichtungen im Sektor Private Organisationen ohne Erwerbszweck verkaufen ihre Produkte nicht zu wirtschaftlich signifikanten Preisen. Sie werden weder von Einheiten des Staats- noch des Unternehmenssektors kontrolliert, können aber einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen aus diesen Quellen beziehen.

6.60. In einigen Fällen kann es bei nationalen Erhebungen zweckmäßig sein, nicht nur die Verbindungen zu staatlich kontrollierten Forschungseinrichtungen zu erfassen, sondern auch zu privaten Forschungsinstituten, deren FuE-Aktivitäten in hohem Maße von direkter oder indirekter staatlicher Förderung abhängen.

6.61. Tabelle 6.7 enthält eine Liste mit möglichen Kanälen, über die Unternehmen Wissen mit Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen austauschen können. Dies kann die Erhebung separater Daten für die einzelnen Arten von Einrichtungen, die oft unterschiedliche Rollen im Innovationssystem wahrnehmen, erleichtern. Fragen nach den Kanälen für den Wissensaustausch können durch Fragen nach dem Standort und der räumlichen Nähe der Hochschulen/öffentlichen Forschungseinrichtungen, mit denen das Unternehmen interagiert, ergänzt werden.

6.62. Unternehmen können Rechte des geistigen Eigentums nutzen, um Wissensflüsse nach innen und außen sowie den Wissensaustausch zu erleichtern. Auch nicht innovative Unternehmen können Rechte des geistigen Eigentums auf diese Weise nutzen, z. B. wenn sie über geistiges Eigentum verfügen, das vor dem Beobachtungszeitraum geschaffen wurde. Sie sollten daher in die Datenerhebung über die Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums einbezogen werden. Tabelle 6.8 führt verschiedene Möglichkeiten der Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums auf.

6.63. Innovationshemmnisse, die auf das Politik- und Regulierungsumfeld und Arbeitsmarktbedingungen zurückzuführen sind, werden in Abschnitt 7.6 im Rahmen der Untersuchung externer Einflüsse auf Innovationen im Unternehmenssektor behandelt. Bei Wissensflüssen bestehen zwei spezielle Arten von Herausforderungen (vgl. Tabelle 6.9). Dabei handelt es sich erstens um Faktoren, die das Unternehmen davon abhalten, bei der Produktion oder beim Austausch von Wissen mit anderen Beteiligten zu interagieren. Zweitens sind unerwünschte Auswirkungen möglich, wenn andere Organisationen auf das von dem Unternehmen produzierte Wissen zugreifen oder es nutzen. Dazu zählen Verletzungen der Rechte des geistigen Eigentums des Unternehmens sowie legale Strategien, die es Wettbewerbern ermöglichen, das Wissen des Unternehmens zu verwerten.

6.64. Dieses Kapitel erörtert verschiedene Merkmale von Wissensflüssen, die für die Politik und andere Forschungszwecke relevant sind. Nachstehend werden Empfehlungen für die allgemeine Datenerhebung von allen Unternehmen aufgeführt. Andere in diesem Kapitel behandelte Arten von Daten können Gegenstand von gesonderten Datenerhebungen sein.

6.65. Zu den wichtigsten Fragen für die Datenerhebung zählen:

  • Innovationsbeitrag von Inbound-Wissensflüssen (Tabelle 6.2)

  • Innovationskollaborationspartner nach Standort (Tabelle 6.5)

  • Ideen- und Informationsquellen für Innovationen, jedoch ohne Details zu internen Ressourcen (Tabelle 6.6)

  • Hemmnisse für Wissensinteraktionen (Tabelle 6.9, Teil A)

6.66. Zusätzliche Fragen für die allgemeine Datenerhebung (bei ausreichend Platz bzw. Ressourcen) umfassen:

  • Quellen der Inbound-Wissensflüsse für Innovationen nach Standort (Tabelle 6.3)

  • Outbound-Wissensflüsse (Tabelle 6.4)

  • Kanäle für wissensbasierte Interaktionen zwischen Unternehmen und Hochschulen/ öffentlichen Forschungseinrichtungen (Tabelle 6.7)

  • Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums für Wissensflüsse (Tabelle 6.8)

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