3. Strategie

Um ein einheitliches und umfassendes Integritätssystem für den öffentlichen Dienst aufzubauen, braucht es zunächst eine gute Strategie. Diese ist kein Selbstzweck, sondern ein Mittel zum Zweck. Der Prozess der Strategieentwicklung ist deshalb genauso wichtig wie die Strategie selbst. Ein inklusiver und rigoroser Strategieentwicklungsprozess kann dabei helfen, strategische Ziele zu setzen, die für die Menschen und die Wirtschaft relevant sind, die zeitliche Abfolge der Maßnahmen transparent festzulegen, um den wichtigsten Integritätsrisiken zu begegnen, und die nötige Datengrundlage zu schaffen, um die kosteneffizientesten Maßnahmen mit den besten Erfolgsaussichten zu finden. Darüber hinaus sind Strategien eine gute Möglichkeit, Engagement zu zeigen und die institutionellen Verantwortlichkeiten festzulegen. Führt eine Strategie – beispielsweise aufgrund mangelhafter Umsetzung – allerdings zu keinen sichtbaren Erfolgen, verliert sie im besten Fall an Bedeutung und erschüttert im schlechtesten Fall das Vertrauen in den Staat.

Deshalb fordert die OECD die Länder in ihrer Empfehlung für Integrität im öffentlichen Leben auf, einen „strategischen Ansatz für den öffentlichen Sektor [zu] entwickeln, der auf Fakten basiert und dessen Ziel die Minderung von Risiken für Integrität im öffentlichen Leben ist, insbesondere indem sie

  1. a) strategische Ziele und Prioritäten für das öffentliche Integritätssystem setzen, die sich auf einen risikobasierten Ansatz im Hinblick auf Verstöße gegen öffentliche Integritätsstandards stützen und Faktoren berücksichtigen, die zu wirksamen Maßnahmen im Bereich der Integrität im öffentlichen Leben beitragen,

  2. b) Benchmarks und Indikatoren erarbeiten sowie glaubwürdige und relevante Daten zum Umsetzungsstand, zur Leistung und zur allgemeinen Wirksamkeit des öffentlichen Integritätssystems erheben“ (OECD, 2017[1]).

Ein strategischer Ansatz für Integrität im öffentlichen Leben ist ein Ansatz, der formalisiert ist und in Absprache mit den beteiligten Akteuren im Rahmen bestehender Strategieentwicklungsverfahren formuliert wird, der auf Fakten beruht, eine systemweite Perspektive einnimmt und sich auf die wichtigsten Integritätsrisiken konzentriert. Um die Voraussetzungen für ethisches Verhalten zu verbessern, wird bei Integritätsstrategien zunehmend auf ein Gleichgewicht aus werte- und vorschriftenorientierten Ansätzen geachtet. Ein umfassender Ansatz kann zahlreiche strategische Ziele zur Minderung von Integritätsrisiken beinhalten, die systematisch in bestehende Regierungsstrategien einbezogen werden. Obwohl es in manchen Ländern eine einheitliche nationale Integritäts- oder Antikorruptionsstrategie gibt, heißt das nicht, dass ein strategischer Ansatz zwangsläufig in einem einzelnen Strategiepapier zusammengefasst sein muss. Unabhängig von seiner Form besteht ein strategischer Ansatz für Integrität im öffentlichen Leben immer aus folgenden Bausteinen:

  • Problemanalyse: Ermittlung, Analyse und Minderung von Risiken

  • Strategieentwicklung: Festlegen von Prioritäten, politische Beratung und Koordinierung

  • Entwicklung von Indikatoren einschließlich Ausgangswerten, Meilensteinen und Zielwerten

  • Erstellung des Aktionsplans, Verteilung von Zuständigkeiten und Kostenplanung

  • Umsetzung, Monitoring, Evaluierung und Mitteilung der Monitoring- und Evaluierungsergebnisse (einschließlich Evaluierungsergebnisse vor der Umsetzung)

Die Wahl eines risikobasierten Ansatzes wirkt sich nicht nur auf die Strategieentwicklung und -umsetzung, sondern auch auf das Monitoring und die Evaluierung aus. Ein besonderer Schwerpunkt des risikobasierten Ansatzes liegt auf der Problemanalyse. Hier geht es darum, die Risiken mit dem größten Schadenspotenzial für Integrität zu identifizieren und anschließend genau zu analysieren. Wichtig ist dabei auch die Erkenntnis, dass Prioritäten gesetzt werden müssen und nicht alle Probleme gleichzeitig angegangen werden können. Mithilfe solider Fakten können schließlich fundierte Entscheidungen darüber getroffen werden, welche strategischen Ziele Vorrang haben.

Der Prozess der Problemanalyse – bei dem es um die Ermittlung, die Analyse und die Minderung der Risiken geht – ist eng mit dem Prozess der Risikoabschätzung verknüpft, der in Kapitel 10 im Rahmen des Risikomanagements näher beleuchtet wird. Es handelt sich dabei allerdings um verschiedene Prozesse, die es zu unterscheiden gilt. Das Risikomanagement ist ein „technischer“ Prozess: Hier geht es um das Konzipieren und Anpassen von Maßnahmen zur Bewältigung von Integritätsrisiken. Bei der Problemanalyse geht es stattdessen darum, anhand der Ergebnisse der Risikoabschätzung eine Integritätsstrategie zu formulieren, die anschließend auf nationaler, subnationaler, sektorspezifischer oder institutioneller Ebene umgesetzt wird. Im Rahmen der Problemanalyse kann auch auf ressortübergreifende und gesamtgesellschaftliche Risiken eingegangen werden und es können Strategien zur Minderung dieser Risiken ermittelt werden.

Die Problemanalyse lehnt sich also an die Kernelemente des Risikomanagements – Risikoabschätzung einschließlich Ermittlung, Analyse und Minderung der Risiken – an:

  • Risikoermittlung – Identifizierung verschiedener Arten von Integritätsrisiken (Bestechung, Vetternwirtschaft, unentschuldigtes Fernbleiben, Verstöße im Zusammenhang mit Interessenkonflikten, Vergabebetrug usw.) innerhalb eines Verfahrens oder Systems auf der Grundlage eines Risikomodells

  • Risikoanalyse – u. a. Abschätzung der Wahrscheinlichkeit und der Auswirkungen der einzelnen Risiken

  • Risikominderung – auf der Grundlage der Ergebnisse der Risikoanalyse Umsetzen von Maßnahmen zur Risikoeindämmung sowie Monitoring und Evaluierung dieser Maßnahmen

Ziel der Problemanalyse ist es, einerseits Probleme und ihre Ursachen, aber auch Herausforderungen und Ansatzpunkte für mögliche Reformen zu finden. In jedem Fall soll ermittelt werden, welche spezifischen Arten von Integritätsverletzungen es gibt, welche Akteure vermutlich beteiligt sind, wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeit des Risikos liegt und mit welchen Auswirkungen bei einem Risikoeintritt zu rechnen ist. Die wirksamsten Maßnahmen zur Risikominderung werden erst ausgewählt, nachdem die Strategie und der dazugehörige Aktionsplan entwickelt wurden.

Viele bestehende Methoden und Techniken zur Problemanalyse sind zeit- und ressourcenaufwendig und erfordern möglicherweise spezielle Fachkenntnisse. Im ersten Schritt muss das zuständige Team einen realistischen Plan für die Datenerhebung erstellen, um sich auf zuverlässige Daten stützen zu können (UNODC, 2015[2]). Eine Schlüsselfrage, die sich zu Beginn des Prozesses stellt, ist dabei, ob die Problemanalyse extern vergeben oder intern durchgeführt werden soll oder ein kombinierter Ansatz gewählt wird. Jede Option hat Vor- und Nachteile, je nach Kontext, verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen sowie Umfang des Vorhabens (siehe Tabelle 3.1). Und egal für welche Methode man sich entscheidet: Eine sorgfältige Problemanalyse braucht Zeit. Denn die relevanten Daten liegen selten schon vor und die betroffenen staatlichen und anderen Akteure müssen unbedingt in die Gestaltung, Umsetzung und Ergebnisse der Analyse einbezogen werden. Für die Gültigkeit (Validität), Akzeptanz und Rechenschaft ist das von großer Bedeutung.

Anstatt sie gebündelt darzustellen, werden strategische Integritätsziele oft an verschiedenen Stellen unterschiedlicher Dokumente verschiedener Behörden genannt. Je nach Verwaltungsstruktur ist es deshalb empfehlenswert, regelmäßig ein behördenübergreifendes Gremium – beispielsweise eine gemeinsame Taskforce aus Mitgliedern relevanter Stellen der Zentralregierung und Vertreter*innen von Aufsichtsbehörden – damit zu beauftragen, einen Analysebericht über die Integritätsrisiken im öffentlichen Dienst zu erstellen. Ein solcher Bericht könnte beispielsweise Empfehlungen enthalten und die Prioritäten für das öffentliche Integritätssystem insgesamt darlegen (Kasten 3.1).

Eine weitere Überlegung vor Beginn der Problemanalyse ist außerdem, welcher bzw. welche Analyserahmen und welche Datenquellen sich dafür eignen (für eine Übersicht der möglichen Optionen siehe Johnson, J. und T. Soreide (2013[5]); OECD (2019[6]; 2009[7]); UNDP (2015[8]); UNODC (2013[9]). Gängige Methoden der Strategieentwicklung sind u. a. die SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats), PESTLE (Political, Economic, Sociological, Technological, Legal and Environmental factors) und die Problembaumanalyse (für nähere Ausführungen zu SWOT und PESTLE siehe (OECD, 2018[3])). Strukturierte Rahmen wie diese können den Gedankenaustausch im Team und mit externen Akteuren fördern. Allerdings: Nur weil ein Prozess inklusiv ist, führt er noch nicht zu belastbaren Daten. Folgende Informationsquellen können für die Ermittlung und Analyse von Integritätsrisiken hilfreich sein:

  • Mitarbeiter*innen-, Haushalts- und Unternehmensumfragen

  • sonstige Befragungen wie Benutzer*innenumfragen oder Umfragen lokaler Forschungsinstitute

  • Daten aus öffentlichen Registern (z. B. Strafregister, Register von Prüfstellen und nationaler Statistikämter)

  • veröffentlichte Forschungsergebnisse nationaler und internationaler Einrichtungen oder wissenschaftliche Arbeiten (Artikel, Berichte, Arbeitspapiere, wirtschaftspolitische Analysen usw.)

  • Auftragsforschung

  • von internationalen Organisationen und Forschungseinrichtungen entwickelte Indikatoren

  • Interviews und Fokusgruppen mit betroffenen Personen

  • Risikoabschätzungen von Ministerien und anderen Regierungsstellen zu jeweils eigenen Programmen

Die aufgeführten Quellen können dabei helfen, potenzielle Integritätsrisiken zu ermitteln, doch nicht alle sind dafür geeignet, das Ausmaß oder die Auswirkungen einer bestimmten Risikoart zu untersuchen. So können Verwaltungsdaten aus öffentlichen Registern und verlässliche Umfragedaten z. B. dafür genutzt werden, den Risikograd zu bestimmen und zu analysieren, während die Diskussion in einer Fokusgruppe eher dafür geeignet ist, verschiedene Arten von Risiken zu erkennen.

In Estland führte das Justizministerium beispielsweise mehrfach Umfragen zu Ethik, Korruption und Vertrauen durch und leitete daraus seine Antikorruptionsstrategie für 2013-2020 ab (Kasten 3.2).

Prüfberichte internationaler Organisationen können ebenfalls wertvolle Informationen für Problemanalysen und politische Empfehlungen liefern. Beispiele dafür sind etwa der Mechanismus zur Überprüfung der Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC), die Bewertungen der Staatengruppe gegen Korruption des Europarats (GRECO), die Bewertungen der Arbeitsgruppe der OECD für Bestechungsfragen (WGB) und die Integrity Reviews der OECD.

Besteht einmal ein klares Bild über den aktuellen Kontext, die Erfolge und die Herausforderungen eines Landes bzw. einer Einrichtung bei der Bekämpfung unethischen Verhaltens, können strategische Prioritäten für die nächsten Schritte und realistische Ziele definiert werden. An vielen Stellen fehlt es in der Integritäts- und Antikorruptionsarbeit noch an einer umfassenden Diagnose bestehender Integritätsrisiken, deren Ergebnisse anschließend in die strategische Planung einfließen könnten (UNODC, 2015[2]; UNDP, 2014[13]; Hussmann, K., H. Hechler und M. Peñailillo, 2009[14]). Die Folge: Die Prioritäten bei der Strategieentwicklung werden nicht nach objektiven Kriterien festgelegt, wodurch die Wirksamkeit des Integritätssystems im Hinblick auf die Risikominderung beeinträchtigt wird (OECD, 2018[15]). Indem sie die wichtigsten Integritätsrisiken bereits während der Problemanalyse ermitteln, stoßen die politischen Entscheidungsträger*innen hingegen einen Reflektionsprozess darüber an, welche potenziellen Auswirkungen der Eintritt eines bestimmten Risikos hätte und welche Mittel und Kompetenzen erforderlich wären, um dessen Folgen entgegenzuwirken (OECD, 2018[16]). Ohne eine sorgfältige Problemanalyse fällt es schwer, eine sinnvolle und realistische Strategie auf die Beine zu stellen. Genauso wichtig ist aber auch, bei der Strategieentwicklung die Ergebnisse der Problemanalyse einfließen zu lassen und die strategischen Ziele systematisch an der Evidenzlage auszurichten und sie danach zu priorisieren (OECD, 2005[17]).

Nach einer umfassenden Problemanalyse ist der nächste Schritt, eine Strategie zur Minderung der ermittelten Risiken zu entwickeln. Ob Einheitskonzept oder systematische Einbindung von Integrität in bestehende politische Pläne und Strategien – bei der Wahl der Art der Strategie ist vor allem eine einheitliche Linie zwischen den Einrichtungen, politischen Maßnahmen und Zielen wichtig. Ein Einheitskonzept hat möglicherweise eine größere Signalwirkung. Die Zentralisierung der Anstrengungen kann dabei zudem die Koordinierung und systemweite Umsetzung der Strategie erleichtern. Wie nachstehend beschrieben, bringen Einheitskonzepte in der Praxis jedoch verschiedene Herausforderungen bei der Umsetzung mit sich und erfordern einen klaren Fokus und einen geeigneten institutionellen Rahmen.

Die systematische Einbindung von Integritätsmaßnahmen in bestehende politische Pläne und Strategien ist allerdings ebenfalls nicht unproblematisch. Damit ein strategischer Ansatz für Integrität im öffentlichen Leben, der auf der systematischen Einbindung des Integritätsgedankens beruht, tatsächlich wirksam ist, müssen zunächst primäre (erstrangige) Ziele1 für eine strategieübergreifende Risikominderung festgelegt werden und muss zweitens eine ausreichende „Flächendeckung“ gewährleistet werden, damit der Ansatz systemweit greift.

Unabhängig von der Art der Strategie ist es bei ihrer Ausarbeitung in jedem Fall hilfreich, einen systematischen und inklusiven Ansatz zu verfolgen, um 1. Ziele und Prioritäten zu setzen und sich 2. mit allen beteiligten Akteuren zu beraten und die Zusammenarbeit mit ihnen zu koordinieren.

Ob Einheitskonzept oder Strategie der systematischen Einbindung – strategische Ziele sind ein wichtiger Bezugspunkt für alle, die an der Umsetzung der Strategie beteiligt sind. Sie bilden die Grundlage für die Indikatoren und Zielwerte, anhand deren die Strategie evaluiert wird. Die Ziele müssen der Gesamtvision für Integrität im öffentlichen Leben entsprechen und gleichzeitig mit sektorspezifischen Politiken vereinbar sein. Strategische Ziele, ob allgemein oder spezifisch, sind unmittelbar an die Ergebnisse der Problemanalyse geknüpft und die Indikatoren, ihre Ausgangs- und Zielwerte sind an diesen Zielen ausgerichtet. Für wichtige Integritätsrisiken, die im Rahmen der Problemanalyse ermittelt werden, sollten zunächst primäre Ziele definiert werden, die dann in einem zweiten Schritt in spezifischere sekundäre Ziele, Maßnahmen, Indikatoren, Meilensteine und Zielwerte aufgeschlüsselt werden.

In folgenden Bereichen ist ein Integritätsrisikomanagement in der Regel sinnvoll:

  • Personalmanagement, insbesondere im Umgang mit Verstößen gegen öffentliche Integritätsstandards

  • Verwaltung öffentlicher Finanzen, insbesondere Bekämpfung von Betrug und Misswirtschaft

  • Rahmenbedingungen für Innenrevision und allgemeines Risikomanagement

  • öffentliche Auftragsvergabe

Zu einem systemweiten strategischen Ansatz gehören neben diesen Querschnittsbereichen auch primäre strategische Ziele zur Risikominderung in bestimmten Sektoren – wie Gesundheit, Bildung, Wohnen, Steuern, Zoll und Infrastruktur. In Anerkennung der wichtigen Rolle des Privatsektors, der Zivilgesellschaft und jedes Einzelnen, sich im Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung an die Werte der Integrität im öffentlichen Leben zu halten – wie unter dem Stichwort „gesamtgesellschaftlich“ (Kapitel 5) der OECD-Empfehlung erläutert – erstreckt sich ein strategischer Rahmen für Integrität im weiteren Sinne auch über den öffentlichen Sektor hinaus. In Kasten 3.3 wird dazu beispielhaft der ressortübergreifende Ansatz zur Entwicklung einer Antikorruptionsstrategie in Finnland beschrieben. Ein weitreichender strategischer Rahmen könnte also auch auf die Minderung öffentlicher Integritätsrisiken im Privatsektor, in öffentlichen und staatseigenen Unternehmen, in öffentlich-privaten Partnerschaften sowie im Austausch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen abzielen.

Alle Akteure, die für die Umsetzung von Teilen der Strategie verantwortlich sind, sollten angemessen am Strategieentwicklungsprozess beteiligt werden. Wie in Kapitel 2 erörtert, sind für die Umsetzung der einzelnen Elemente einer Strategie immer Behörden, Dienststellen, Referate und Beschäftigte verschiedener Staatsgewalten verantwortlich. Ob die Strategie erfolgreich umgesetzt werden kann, hängt deshalb wesentlich vom Rückhalt und der aktiven Unterstützung der Beteiligten ab.

Eine Möglichkeit, eine einheitliche Strategie für verschiedene Beteiligte zu entwickeln, ist die Übertragung der Federführung für das Strategiepapier an einen Ausschuss, der für die Ausarbeitung des Entwurfs eine gewisse Unabhängigkeit genießt und sich beispielsweise aus Vertreter*innen relevanter öffentlicher Einrichtungen zusammensetzt. Vertreter*innen der Zivilgesellschaft – etwa von Wirtschafts- und Berufsverbänden, Thinktanks oder der Wissenschaft – können ebenfalls eingeladen werden, entweder als vollwertige Mitglieder oder als Beobachter*innen mitzuarbeiten (Kasten 3.4). Die Einbindung einer möglichst großen Bandbreite an Meinungen kann dabei helfen, eine gemeinsame Vision zu entwickeln und die Legitimität der Strategie zu stärken, wodurch auch der Rückhalt in der Bevölkerung gesteigert werden kann (UNODC, 2015[2]). Die Wirtschaft, zivilgesellschaftliche Organisationen, die Medien, die Wissenschaft und die breite Öffentlichkeit können wertvolle Ideen beisteuern – und das nicht nur in der Phase der Strategieentwicklung, sondern auch im Rahmen des Monitorings und der Evaluierung (UNDP, 2014[13]).

Den Vorsitz des Strategieentwicklungsgremiums sollte jemand führen, der das richtige Format, die nötige Legitimität und ausreichenden politischen Einfluss besitzt, um die Arbeit des Gremiums und die Strategie selbst voranzubringen (UNODC, 2015[2]). Die Antikorruptionsstrategie des Vereinigten Königreichs stammt beispielsweise aus der Feder der Gemeinsamen Antikorruptionsstelle (JACU) im Innenministerium, während die finnische Antikorruptionsstrategie von einer ressortübergreifenden Gruppe entwickelt wurde, die Polizeikräfte, Kommunalvertreter*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen umfasste (Pyman, M. und S. Eastwood, 2018[4]).

In jedem Fall sollte das Gremium, das mit dem Festlegen der Strategie und der entsprechenden Integritätsziele für die öffentliche Verwaltung beauftragt wird, die Einbeziehung folgender Stellen in Erwägung ziehen: Antikorruptionsbehörden, Oberster Rechnungshof, zentrale Einrichtung für Innenrevision, Ombudsstellen, Polizei, Behörden für öffentliche Auftragsvergabe, Steuer- und Zollbehörden, Strafverfolgungs- und Behörden der Justizverwaltung. Bei öffentlichen Konsultationen sollte die Öffentlichkeit Zugang zu sämtlichen Unterlagen erhalten, einschließlich Ergebnissen aus Gesetzesfolgenabschätzungen und Weißbüchern. Außerdem sollte erläutert werden, inwiefern Anregungen aus der Öffentlichkeit und den einzelnen Organisationen in der Endfassung des Strategiepapiers berücksichtigt wurden bzw. warum sie gegebenenfalls keine Berücksichtigung fanden.

Werden bei der Durchführung ressortübergreifender oder öffentlicher Konsultationen etablierte Verfahren befolgt, kann die öffentliche Akzeptanz der vorgesehenen Maßnahmen erhöht und die Vereinnahmung des Themas durch starke Interessengruppen (policy capture) vermieden werden (vgl. Kapitel 13). Darüber hinaus empfiehlt es sich bei Strategien zur Stärkung der Integrität im öffentlichen Dienst, „keine Mühen zu scheuen“, um möglichst breite Bevölkerungsteile einzubinden, z. B. über offene Formate wie Townhall-Meetings bzw. Bürger*innenversammlungen oder über Social Media. Strategien können auf verschiedenen staatlichen Ebenen umgesetzt werden; dies fördert Akzeptanz und Zusammenarbeit (UNODC, 2015[2]). Auf nationaler ebenso wie auf subnationaler (d. h. auf regionaler und kommunaler) Ebene kann es für die einzelnen Ministerien, Behörden und anderen Stellen von Vorteil sein, eigene Strategien zu entwickeln, um die Integritätsrisiken in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich zu mindern. Im Interesse einer systemweiten Perspektive sollte jedoch ein breiterer, umfassenderer und koordinierter Ansatz verfolgt werden. Es wird deshalb empfohlen, die Strategien immer auf Regierungsebene zu verabschieden, d. h. auf der Ebene des Minister*innenrats oder eines gleichwertigen Gremiums der Exekutive.

Dabei ist es hilfreich, neue mit bestehenden Strategien abzustimmen. So können in der Integritätsstrategie für ein örtliches Krankenhaus beispielsweise nicht nur der spezifische Kontext (Zahl der Beschäftigten, besonders risikobehaftete Situationen usw.), sondern auch die sektorspezifischen Integritätsstrategien des Gesundheitsministeriums oder allgemeine, auf Regierungsebene beschlossene Strategien für den öffentlichen Dienst berücksichtigt werden.

Zu einem strategischen Ansatz müssen auch Leistungsindikatoren gehören – samt Ausgangswerten (Baselines), Meilensteinen und Zielwerten. Diese Indikatoren sollen die strategischen Ziele widerspiegeln, die teils im Strategiepapier oder im Aktionsplan enthalten sein können. Das Festlegen von Indikatoren ist ein schrittweiser Prozess, der dazu beitragen kann, die strategische Zielsetzung auf den verschiedenen Ebenen sowie die Maßnahmen des Aktionsplans zu verbessern.

Indikatoren – und insbesondere die entsprechenden Ausgangswerte, Meilensteine und Zielwerte – werden bei der Strategieentwicklung oft vernachlässigt bzw. zu spät festgelegt, um tatsächlich hilfreich zu sein. Diejenigen, die für die Umsetzung der Strategie zuständig sind, haben daher oft keinen klaren Fahrplan dafür, welche konkreten Ziele angestrebt und wie diese erreicht werden sollen. Das macht es auch für staatliche und nichtstaatliche Akteure schwierig, den Erfolg der Strategie zu messen, Fortschritte beim Erreichen der strategischen Ziele zu bewerten und gegebenenfalls erforderliche Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.

Ziel eines Indikators ist die Verbesserung der Vergleichbarkeit über einen bestimmten Zeitraum. Vergleiche (Benchmarkings) zeigen, wie wirksam einzelne Maßnahmen der Strategie oder anderer Bereiche des öffentlichen Integritätssystems sind. Für den nationalen Kontext bietet sich hier z. B. eine Vorher-nachher-Studie an, wobei die Indikatorenbestimmung und die Datenerhebung allerdings deutlich vor Umsetzung der Strategie erfolgen müssen. Eine weitere Möglichkeit ist ein Mit-und-ohne-Vergleich zwischen einer Experimentalgruppe und einer Kontrollgruppe, in der keine strategischen Maßnahmen umgesetzt wurden.2 Indikatoren für interne Vergleiche sind relativ selten, wobei das Benchmarking innerhalb von Organisationen ohnehin nur mit großer Sorgfalt und unter Berücksichtigung der jeder Vergleichsmethode eigenen Einschränkungen erfolgen sollte. Die OECD Public Integrity Indicators können dazu dienen, die Umsetzung einer Strategie zu beobachten, oder können als Anregung für die Entwicklung weiterer Indikatoren herangezogen werden.

Bei der Entwicklung der Indikatoren gilt es die Unzulänglichkeiten der „klassischen Indikatoren“ zu berücksichtigen, die in Kasten 3.53 näher beleuchtet werden und bislang als die wichtigsten Gradmesser für Korruption und Korruptionsbekämpfung dienten. Die meisten bestehenden Indikatoren sind nämlich weitgehend von sekundären Datenquellen abhängig, die auf Sachverständigenurteilen beruhen; es fehlt ihnen ein theoretischer oder normativer Rahmen, der festlegt, was genau gemessen werden soll (Oman, C. und C. Arndt, 2006[19]).

Umfragen – unter öffentlich Bediensteten, Unternehmen, der Öffentlichkeit oder einzelnen Interessengruppen – können wertvolle Informationen liefern, um integritätspolitische Maßnahmen zu untermauern. Sie sind ein Messinstrument, das gezielt darauf ausgelegt werden kann, die Kultur und Herausforderungen einzelner Länder und Einrichtungen widerzuspiegeln. Laut der OECD Strategic Human Resources Management Survey wird Integrität am Arbeitsplatz in 16 Mitgliedsländern im Rahmen von Mitarbeiter*innenumfragen abgefragt (OECD, 2017[20]). Ob eigene Integritätsumfrage oder Erweiterung bestehender Umfragen um ein „Integritätsmodul“ – Umfragen legen bestimmte Muster korrupter Verhaltensweisen offen und liefern wertvolle Informationen über die Zufriedenheit mit einzelnen Diensten, das Vertrauen in öffentliche Institutionen und andere relevante Fragen. In den Niederlanden bildet eine umfassende Mitarbeiter*innenumfrage z. B. das Herzstück der Agenda für künftige Integritätspolitiken (Kasten 3.6). Länderübergreifende Studien können zudem verlässliche Daten liefern, die in nationale Strategien einfließen und bei sorgfältiger Vorgehensweise sogar als nationale Ausgangslage (Baseline) dienen können (Kasten 3.7). Andere Informationen wie z. B. die Angaben in nationalen Datenregistern können für die Indikatoren ebenfalls relevant sein, sofern die Daten nach angemessenen Qualitätsstandards erhoben wurden.

Nachdem die strategischen Ziele, die Indikatoren und die Zielvorgaben festgelegt wurden, müssen im nächsten Schritt konkrete Maßnahmen geplant werden, um die Ziele zu erreichen. Das ist der Aktionsplan.

Aktionspläne sind für jede Strategie der öffentlichen Verwaltung sinnvoll und jedes Land hat seine eigenen Leitlinien dafür, was einen guten Plan ausmacht. Integritätsstrategien bringen diesbezüglich keine besonderen Herausforderungen mit sich. Um zu betonen, wie wichtig ein evidenz- und risikobasierter Ansatz sowie die finanzielle Tragfähigkeit der Strategie sind, und da die Umsetzung einer Integritätsstrategie oft von vielen verschiedenen Akteuren abhängt, sollte ein Aktionsplan folgende Merkmale umfassen (vgl. auch Europarat (2013[25])):

  • Ergebnisindikatoren mit Ausgangswerten, Meilensteinen und Zielvorgaben, geknüpft an strategische Ziele und Tätigkeiten

  • Bestimmung zumindest einer federführenden Einrichtung je Ziel

  • Beschreibung der Regelungen für das Monitoring, die Berichterstattung und die Evaluierung

  • Nutzung von Verwaltungsdaten bestehender öffentlicher Register (z. B. von Informationssystemen für das Personalmanagement, Vergabedatenbanken, Prüfungsberichten, Risikoregistern, Gerichts- und Strafverfolgungsstatistiken)

  • Nutzung von Daten aus Mitarbeiter*innen-, Haushalts- und Unternehmensumfragen

  • Durchführung von Maßnahmen auf subnationaler Ebene (soweit für das jeweilige strategische Ziel wichtig)

  • Schätzung der Kapital- und operativen Kosten

  • Bestimmung von Zusatzkosten (einschließlich Kostenschätzung)

  • mehrjährige Finanzpläne mit Verknüpfung zum mittelfristigen Ausgabenrahmen

  • öffentliche Einsehbarkeit des gesamten Aktionsplans einschließlich entsprechender Monitoringberichte (siehe Abschnitt 3.2.5)

Der Aktionsplan sollte so einfach wie möglich gestaltet werden, damit auch Leser*innen außerhalb des öffentlichen Dienstes auf Anhieb erkennen, welche Maßnahmen wann ergriffen werden, wer dafür zuständig ist und wie ihre Wirkung gemessen wird (Hoppe, 2013[26]). Selbst bei scheinbar simplen Aufgaben wie der Erstellung eines neuen Verhaltenskodex kann es hilfreich sein, den Prozess in einzelne Arbeitsschritte zu gliedern (z. B. Erstellung des Entwurfs, Abstimmung, Freigabe und Verbreitung).

Damit Integritätsstrategien und die dazugehörigen Aktionspläne Wirkung zeigen, müssen sie nicht nur umfassende Reformen enthalten, sondern auch konkrete Mittel und Wege für deren Umsetzung, Monitoring und Evaluierung aufzeigen. Wie in Kapitel 2 erläutert, sollte ein genau bezeichnetes Gremium, Ministerium oder Referat (gegebenenfalls. gemeinsam mit anderen Stellen) diese Aufgabe übernehmen. Unabhängig vom institutionellen Aufbau braucht es für jede Strategie eine zentrale Koordinierungsstelle, die für die Umsetzung, das Monitoring und die Evaluierung der Strategie und des Aktionsplans sowie für die entsprechende Berichterstattung verantwortlich ist.

Die Einrichtungen, die die Integritätsstrategie und den Aktionsplan aufsetzen, sind nicht zwangsläufig auch für die Umsetzung (der einzelnen Teilbereiche) zuständig (OECD, 2017[20]), sodass es zu Umsetzungslücken kommen kann. Broschüren über die einzelnen Richtlinien zu verteilen ist nicht genug, wenn die praktische Umsetzung der Eigeninitiative und dem persönlichen Urteil der Bediensteten überlassen wird (Hussmann, 2007[27]). Für die Umsetzung der Integritätsstrategie ist es deshalb enorm wichtig, die verschiedenen Akteure unter einer gemeinsamen Vision zu vereinen und ihre Maßnahmen zur Stärkung der Integrität im öffentlichen Leben zu koordinieren.

In manchen Ländern sind die Fachministerien und -abteilungen verpflichtet, maßgeschneiderte Programme zur Korruptionsprävention zu erstellen, die auf ihre spezifischen internen und externen Risiken zugeschnitten sind. Jede Einrichtung ist anders und je nach Auftrag, Personal, Budget, Infrastruktur und IT-Entwicklungsstand stellen sich auch die Integritätsrisiken anders dar. So besteht bei Ministerien, die für Sozialleistungen zuständig sind, z. B. ein höheres Betrugsrisiko, wohingegen bei Ressorts mit hohen Vergabeausgaben (wie Gesundheit oder Verteidigung) die Korruptionsrisiken im Zusammenhang mit der Auftragsvergabe höher sind. Selbst wenn eine Strategie von mehreren Einrichtungen umgesetzt wird, braucht es dennoch einen zentralen Mechanismus für das Monitoring. Monitoringberichte sollten

  • regelmäßig und fristgerecht erscheinen bzw. öffentlich zugänglich gemacht werden,

  • über die Fortschritte beim Erreichen der Indikatoren und Zielvorgaben laut Aktionsplan informieren,

  • darüber informieren, inwieweit die Maßnahmen aus dem Aktionsplan bereits umgesetzt wurden,

  • Schlussfolgerungen und Empfehlungen für Führungskräfte enthalten,

  • mit einschlägigen Gremien einschließlich mit nicht staatlichen Akteuren diskutiert werden.

Viele Behörden überschätzen ihre Leistung bei der Programmumsetzung. Zudem funktioniert das Monitoring bei vielen Strategien nur bedingt, weil die umsetzenden Einrichtungen ihre eigenen Fortschritte bewerten sollen. Die Stelle, die für die Koordinierung der Strategieumsetzung zuständig ist, sollte daher möglichst für eine unabhängige Beurteilung der Fortschritte sorgen. In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, eine Einrichtung um eine vorläufige Selbstevaluierung zu bitten und die Ergebnisse anschließend mit einer unabhängigen Evaluierung oder Prüfung zu vergleichen (die z. B. durch die Koordinierungsstelle, eine andere Dienststelle oder eine externe Beobachtungsstelle, etwa eine zivilgesellschaftliche Gruppe oder externe Berater*innen, durchgeführt wird). Ein Vorteil dabei ist, dass die umsetzende Einrichtung so u. U. lernen kann, ihre Leistung besser einzuschätzen (UNODC, 2015[2]). Ein Beispiel dafür findet sich in Kasten 3.8.

Um die Wirksamkeit einer Integritätsstrategie richtig zu messen, müssen die Regeln für die Evaluierung genau festgelegt sein.5 Die entsprechenden Mechanismen sind häufig im politischen Entscheidungsprozess für staatliche Maßnahmen institutionalisiert (Jacob, S., S. Speer und J. Furubo, 2015[28]). Evaluierungsmechanismen werden in verschiedenen Stadien des politischen Verfahrens definiert und geplant, bevor konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Genau zu wissen, welche Daten für die Evaluierung erhoben werden und wann und wie einzelne Maßnahmen evaluiert werden, ist für die Gestaltung und Umsetzung der Maßnahmen von großer Bedeutung. Die Evaluierungsmechanismen müssen unbedingt vor Umsetzung der Maßnahmen festgelegt werden, um Messbarkeit, aussagekräftige Fortschrittsberichte und Rechenschaft zu gewährleisten. Teilweise kann es zwar zu Überschneidungen mit den Daten kommen, die in der Ex-ante-Phase zur Risikoermittlung und -bewertung erhoben wurden, doch das Monitoring und die Evaluierung dienen einem anderen Zweck: Hier geht es darum, dass die umsetzenden Akteure Rechenschaft darüber ablegen, was sie bisher erreicht haben und wie effizient sie dabei waren. Ähnlich wie die Problemanalyse kann die Evaluierung intern oder extern erfolgen. Es ist auch möglich, nur Teile des Prozesses auszulagern. Welche Option vorzuziehen ist, hängt vom Zweck der Evaluierung und den verfügbaren Ressourcen ab. Interne Evaluierungen fördern die Selbstreflektion und den internen Lernprozess, sind kostengünstiger und lassen sich schneller durchführen. Gleichzeitig gelten sie jedoch als weniger objektiv. Zudem haben interne Mitarbeiter*innen oft weder die Zeit noch die Kompetenzen, eine gründliche Evaluierung durchzuführen. In Tabelle 3.2 sind die Vor- und Nachteile der einzelnen Vorgehensweisen aufgeführt.

Die Evaluierungsberichte für die Integritätsstrategien sollten öffentlich zugänglich gemacht werden und es empfiehlt sich, nichtstaatliche Akteure entweder als Evaluatoren oder im Rahmen einer formellen Qualitätssicherung einzubinden.6 Beim Erstellen der Evaluierungsberichte sollte aktiv von Monitoringdaten Gebrauch gemacht werden, denn Ziel der Evaluierung ist es, bestehende Ansätze und Praktiken zu verbessern, z. B. indem hilfreiche Impulse für Folgemaßnahmen geliefert werden.

Das Monitoring und Messen des Nutzens der Integritätsstrategie reicht indessen nicht aus. Wichtig ist auch, dass Fortschritte und Ergebnisse gegenüber internen und externen Akteuren (einschließlich der breiten Öffentlichkeit) klar kommuniziert werden. Dies stärkt die Rechenschaft, erhöht die Glaubwürdigkeit der Integritätsanstrengungen und regt neue Antikorruptions- und Integritätsmaßnahmen an. Solche Informations- und Kommunikationsmaßnahmen können Teil der Aktionspläne der Länder sein, wobei neben klassischen Formaten wie Bürger*innenversammlungen und öffentlichen Anhörungen auch neue Kanäle wie Social Media genutzt werden sollten (UNODC, 2015[2]).

Die Kommunikationsarbeit sollte starten, sobald die Integritätsstrategie umsetzungsbereit ist. Dabei empfiehlt es sich, die Inhalte und den Umsetzungsplan für die Strategie sowie die dafür verantwortlichen Gremien so breit wie möglich zu kommunizieren. Das schafft nicht nur Transparenz, sondern sorgt auch für eine breitere Unterstützung in der Öffentlichkeit. Gleichzeitig wird in der Öffentlichkeit die Erwartung erzeugt, dass die an der Reform Beteiligten ihren Verpflichtungen nachkommen. Über die Strategie und die Fortschritte bei der Umsetzung kann die Öffentlichkeit über die Medien, öffentliche Websites oder gezielte öffentliche Informationsveranstaltungen, aber auch über zivilgesellschaftliche Organisationen informiert werden (OSZE, 2016[29]). In Kapitel 5 wird näher auf die Entwicklung und Umsetzung einer wirksamen Kommunikationsstrategie eingegangen.

Je nachdem, ob eine einheitliche nationale Strategie gewählt wird oder die Integritätsziele in bestehende Strategien eingebunden werden, stellen sich bei der Umsetzung der Strategie verschiedene Herausforderungen. Unabhängig davon, in welcher schriftlichen Form die Strategie festgehalten wird, ist es in der Konzeptionsphase indessen sehr wichtig, hohe Verantwortliche für das Vorhaben zu gewinnen. Übertrieben rigide Regeln sollten vermieden werden, der Schwerpunkt sollte vielmehr auf der Förderung eines Kulturwandels liegen.

Ohne Engagement auf der obersten Politik- und Führungsebene dürfte eine Integritätsstrategie vermutlich weder wirksam noch auf Dauer umsetzbar sein (vgl. Kapitel 1). Um in Politik und Verwaltung für die nötige Unterstützung der Strategie und der geplanten Reformen zu sorgen, hat es sich bewährt, Vertreter*innen aller betroffenen Behörden, Ministerien und Stellen in die Strategieentwicklung einzubeziehen (OSZE, 2016[29]). Die Einbindung der für die Umsetzung, die Durchsetzung und das Monitoring der geplanten Maßnahmen zuständigen Akteure in diesen Prozess hat u. a. den Vorteil, die Zusammenarbeit in diesen drei für die Wirksamkeit des Integritätssystems entscheidenden Bereichen zu verbessern (UNODC, 2015[2]). Die Einbeziehung von Vertreter*innen einer höheren bzw. zentralen staatlichen Stelle kann ebenfalls dazu beitragen, das Engagement für die Umsetzung der Strategie zu erhöhen (vgl. Kapitel 2).

Insbesondere bei nationalen Integritätsstrategien sind eine geeignete institutionelle Struktur und sichtbare politische Entscheidungsträger*innen wichtig, die sich dezidiert für Integrität einsetzen. Strategische Ziele mögen sinnvoll sein, doch ohne angemessene Verwaltungsstrukturen, Prozesse, IT-Systeme und Datenregister sowie personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen bleiben sie unerreichbar. Bei der Zielsetzung müssen die Strategieentwickler*innen deshalb versuchen, die Erwartungen mit der Umsetzungskapazität – d. h. der benötigten Zeit und den verfügbaren Mitteln – in Einklang zu bringen (Europarat, 2013[25]). Unrealistische „Wunschlisten“ gilt es zu vermeiden. Die Festlegung kurz-, mittel- und langfristiger Ziele mit einer klaren zeitlichen Abfolge der Umsetzungsschritte hilft dabei, Prioritäten zu setzen.

Sollen Integritätsziele in bestehende politische Strategien eingebunden werden, ist die Frage des institutionellen Gefüges, der Personalausstattung und der Finanzierung häufig weniger problematisch. Die Herausforderung liegt hier eher darin, ressortübergreifend Ergebnisse zu erzielen und für Zusammenarbeit zu sorgen. Aus Angst, Schwachstellen im Integritätssystem offenlegen zu müssen, können Fachministerien z. B. vor einer engeren Zusammenarbeit mit Aufsichtsbehörden, Antikorruptionsstellen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen zurückschrecken. Bei solchen Ansätzen ist es deshalb umso wichtiger, ein behördenübergreifendes Gremium mit der Erstellung regelmäßiger Berichte über die Integritätsrisiken im öffentlichen Dienst zu beauftragen. Diese Berichte sollten Empfehlungen und Prioritäten für das gesamte öffentliche Integritätssystem enthalten. Andernfalls bleibt die Risikoermittlung und -analyse auf einzelne Untersysteme der Verwaltung beschränkt.

Eine häufige Herausforderung bei allen Arten von Integritätsstrategien ist das Gleichgewicht zwischen einem vorschriften- bzw. konformitätsorientierten und einem werteorientierten Ansatz. Die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen zur Stärkung der Integrität im öffentlichen Leben wurden in letzter Zeit vielerorts schon geschaffen. Allerdings setzen viele Länder dabei sehr stark auf Compliance- und Durchsetzungsmechanismen.

Ziel einer Integritätsstrategie sollte es sein, mehr Integrität im öffentlichen Leben zu erreichen – und nicht nur Korruption und Fehlverhalten in Schach zu halten. Bei complianceorientierten Ansätzen geht es hauptsächlich darum, dass administrative Verfahren und Vorschriften eingehalten werden, indem Mindestanforderungen gesetzt werden. Das schafft zwar die nötigen Rahmenbedingungen, doch eine Integritätsstrategie, die auch auf Werten aufbaut, erzeugt ein Umfeld, in dem ethisch korrektes Verhalten positiv gefördert wird. Ziel ist es, einen gemeinsamen Wertekompass zu erstellen, nach dem sich Funktionen, Abteilungen und Teams bei ihren Entscheidungen richten können (siehe Tabelle 3.3).

Literaturverzeichnis

[18] CSD (2014), Civil Society Involvement in Drafting, Implementing and Assessing Anticorruption Policies: Best Practices Manuel, Centre for the Study of Democracy, Sofia, https://csd.bg/fileadmin/user_upload/publications_library/files/22103.pdf.

[22] Europäische Kommission (2017), “Special Eurobarometer 470: Corruption”, Offenes Datenportal der EU, https://data.europa.eu/euodp/data/dataset/S2176_88_2_470_ENG (Abruf: 24. Januar 2020).

[25] Europarat (2013), Designing and Implementing Anti-Corruption Policies – Handbook, Europarat, Straßburg, https://rm.coe.int/16806d8ad7.

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[12] Justiitsministeerium (2016), “Survey brief”, in Korruptioon Eestis 2016, S. 40-44, https://www.korruptsioon.ee/sites/www.korruptsioon.ee/files/elfinder/dokumendid/survey_summary_in_english.pdf.

[11] Justiitsministeerium (2013), Anti-Corruption Strategy 2013-2020, https://www.korruptsioon.ee/sites/www.korruptsioon.ee/files/elfinder/dokumendid/estonian_anti-corruption_strategy_2013-2020.pdf.

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[3] OECD (2018), “Toolkit for the preparation, implementation, monitoring, reporting and evaluation of public administration reform and sector strategies: Guidance for SIGMA partners”, SIGMA Papers, No. 57, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/37e212e6-en.

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[32] OECD (2013), “Development Results: An Overview of Results Measurement and Management”, Briefing Note, OECD, Paris, https://www.oecd.org/dac/peer-reviews/Development-Results-Note.pdf.

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[4] Pyman, M. und S. Eastwood (2018), Analysing the anti-corruption approaches of the 26 top-ranked countries: An opportunity for a new generation of strategies, Norton Rose Fulbright, https://www.nortonrosefulbright.com/-/media/files/nrf/nrfweb/imported/countries-curbing-corruption---top-26-report.pdf?la=en&revision=cd44489d-caee-4db9-b7e3-c150da13106d.

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[8] UNDP (2015), User’s Guide to Measuring Corruption and Anticorruption, Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, New York, https://www.undp.org/content/dam/undp/library/Democratic%20Governance/Anti-corruption/Users-Guide-Measuring-Corruption-Anticorruption.pdf.

[13] UNDP (2014), Anti-corruption Strategies: Understanding What Works, What Doesn’t and Why? Lessons learned from the Asia-Pacific region, Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, New York, https://www.undp.org/content/dam/undp/library/Democratic%20Governance/Anti-corruption/UNDP%20ACS%20Asia%20Pacific%20%20Anti-corruption%20Strategies.pdf.

[2] UNODC (2015), The United Nations Convention against Corruption. National Anti-Corruption Strategies: A Practical Guide for Development and Implementation, Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, Wien, https://www.unodc.org/documents/corruption/Publications/2015/National_Anti-Corruption_Strategies_-_A_Practical_Guide_for_Development_and_Implementation_E.pdf.

[9] UNODC (2013), The United Nations Convention against Corruption: A Resource Guide on State Measures for Strengthening Corporate Integrity, Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, Wien, https://www.unodc.org/documents/corruption/Publications/2013/Resource_Guide_on_State_Measures_for_Strengthening_Corporate_Integrity.pdf.

[23] Vereinte Nationen (2012), Erklärung der Tagung der Generalversammlung auf hoher Ebene über Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene, A/RES/67/1, Vereinte Nationen, New York, https://www.un.org/Depts/german/gv-67/band1/ar67001.pdf.

[24] Weltbank (o. J.), “Enterprise Surveys”, Datenportal, http://www.enterprisesurveys.org/data (Abruf: 24. Januar 2020).

Anmerkungen

← 1. Primäre oder erstrangige Ziele sind solche, die formell von einem Ministerrat oder einem ähnlichen Gremium verabschiedet werden und für alle staatlichen Stellen bzw. ressortübergreifend verbindlich sind.

← 2. Ein mögliches Anwendungsbeispiel dafür wäre zum Beispiel ein Integritätsprogramm in Schulen, das als Teil der Strategie durchgeführt wird und aufgrund mangelnder Ressourcen zuerst in ausgewählten Kommunen (Experimentalgruppe) und nach Evaluierung der Pilotphase in weiteren Kommunen (Kontrollgruppe) durchgeführt wird.

← 3. Nähere Ausführungen zu den Einschränkungen finden sich im Themenpapier der G20 zu Korruptionsbekämpfung und Wirtschaftswachstum (G20 Issues Paper on Corruption and Economic Growth) (OECD, 2013[31]) sowie im UNDP User’s Guide to Measuring Corruption and Anticorruption (UNDP, 2015[8]).

← 4. Das Global Corruption Barometer wie auch regionale Barometer liefern nützliche Hinweise über die Verbreitung von Bestechung in verschiedenen Sektoren und zeigen ein Stimmungsbild zu den Antikorruptionsmaßnahmen der öffentlichen Verwaltung. Aufgrund von Finanzierungsengpässen und operativen Einschränkungen kann es bei den Stichproben allerdings zu Verzerrungen wie z. B. einer Überrepräsentation städtischer Bevölkerungsgruppen kommen und häufig sind die Ergebnisse im Zeitverlauf nicht vergleichbar.

← 5. Beim Monitoring werden kontinuierlich und systematisch Daten zu spezifischen Indikatoren gesammelt, um zu beobachten, inwieweit man sich einem gewissen Ziel nähert. Bei einer Evaluierung geht es darum, ein laufendes oder abgeschlossenes Projekt, Programm oder Maßnahmenpaket einschließlich seiner Konzeption, Umsetzung und Ergebnisse systematisch und objektiv zu bewerten. Im Gegensatz zum Monitoring wird bei der Evaluierung der Wert einer Maßnahme und ihrer Ergebnisse beurteilt (OECD, 2013[32]). Für weitere Informationen über das Leistungsmonitoring in Politik und Verwaltung siehe OECD (2009[30]).

← 6. Das Instrumentarium der Europäischen Kommission zur Förderung der Qualität der öffentlichen Verwaltung (Quality of Public Administration Toolbox) aus dem Jahr 2017 enthält viele Beispiele, wie die aktive Beteiligung von Interessengruppen an der Evaluierung öffentlicher Politik gestärkt werden kann: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=738&langId=en&pubId=8055&type=2&furtherPubs=no.

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