Zusammenfassung

LGBTI, d. h. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle, sollten ihre Identität ausleben können, ohne diskriminiert oder angegriffen zu werden. Dies sollte uns allen ein Anliegen sein – und zwar aus mindestens drei Gründen. Der erste und wichtigste Grund ist ethischer Natur. Unsere sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Geschlechtsmerkmale sind integrale Bestandteile unseres Selbst. Damit LGBTI ihr Leben leben können, ohne sich verstellen zu müssen, muss gewährleistet sein, dass sie keine Angriffe oder Benachteiligungen fürchten müssen, wenn ihre geschlechtliche oder sexuelle Identität bekannt wird. Der zweite Grund ist wirtschaftlicher Natur. Die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen behindert die wirtschaftliche Entwicklung auf verschiedene Weise. Mobbing in der Schule kann beispielsweise dazu führen, dass LGBTI weniger in ihre Kompetenzentwicklung investieren. Sind sie Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt, zahlen sich ihre Bildungsinvestitionen zudem weniger aus. Außerdem reduziert die Diskriminierung von LGBTI die Wirtschaftsleistung, weil dadurch talentierte und qualifizierte Kräfte vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Zudem leidet ihre psychische und physische Gesundheit, was ihre Produktivität beeinträchtigt. Der dritte Grund, warum die Sicherung der Rechte und Chancen von LGBTI ein vorrangiges Anliegen darstellen sollte, ist gesellschaftlicher Natur: Eine stärkere Akzeptanz von LGBTI dürfte zu weniger normativen Geschlechtervorstellungen führen, was einen positiven Effekt auf die Geschlechtergleichstellung insgesamt haben dürfte.

Dieser Bericht bietet einen umfassenden Überblick darüber, inwieweit die Gleichstellung von LGBTI im OECD-Raum gesetzlich gesichert ist und mit welchen ergänzenden Maßnahmen die Rechte und Chancen dieser Personengruppen gestärkt werden können. Dazu wird zunächst der Rechtsrahmen umrissen, der für die Gleichstellung sexueller und geschlechtlicher Minderheiten entscheidend ist. Anschließend wird untersucht, ob die entsprechenden Rechtsvorschriften in den OECD-Ländern in Kraft sind und wo noch Verbesserungsbedarf besteht. Im letzten Kapitel des Berichts werden dann allgemeinere Maßnahmen beschrieben, die die gesetzlichen Bestimmungen zur Gleichstellung von LGBTI flankieren sollten, um deren Rechte und Chancen zu stärken.

Der Schutz von Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsmerkmale bedeutet nicht, dass für sie neue oder besondere Rechte geschaffen werden sollten. Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen sollten schlicht die gleichen Rechte zuerkannt werden, die alle Menschen nach den internationalen Menschenrechtsstandards genießen. Diese Standards bilden den Kern von Verträgen, Übereinkommen oder Chartas, die von der Europäischen Union, den Vereinten Nationen, dem Europarat oder der Organisation Amerikanischer Staaten verabschiedet und von OECD-Ländern unterzeichnet und ratifiziert wurden.

Aus der Anwendung dieser Standards auf LGBTI ergeben sich zwei Kategorien rechtlicher Bestimmungen zur Sicherung ihrer Rechte und Chancen:

  • Allgemeine Bestimmungen, die für die Gleichstellung von LGBTI insgesamt maßgeblich sind: 1. Schutz von LGBTI vor Diskriminierung, 2. Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte von LGBTI, 3. Schutz von LGBTI vor Gewalt, 4. Schutz im Ausland verfolgter LGBTI-Geflüchteter und 5. Für LGBTI zuständige Gleichstellungsstellen, Ombudsstellen oder Menschenrechtskommissionen.

  • Gruppenspezifische Bestimmungen, die die besonderen Teilhabehindernisse beseitigen sollen, mit denen bestimmte Teile der LGBTI-Population konfrontiert sind:

    • LGB-spezifische Bestimmungen: 1. Gleichbehandlung einvernehmlicher gleich- und verschiedengeschlechtlicher sexueller Handlungen, 2. Verbot von Konversionstherapien, 3. Rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, 4. Gleiche Adoptionsrechte und 5. Gleicher Zugang zu künstlicher Befruchtung

    • TI-spezifische Bestimmungen: 1. Keine Einstufung von Transgeschlechtlichkeit als psychische Erkrankung in nationalen klinischen Klassifikationen, 2. Personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts, 3. Keine medizinischen Auflagen für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts, 4. Nichtbinäre Geschlechtsoption in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren und 5. Aufschub medizinisch nicht notwendiger geschlechtsnormierender Behandlungen oder chirurgischer Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen

Der Bericht zeigt, dass alle OECD-Länder in den vergangenen zwei Jahrzehnten echte Fortschritte auf dem Weg zur Gleichstellung von LGBTI erzielt haben. Gemessen am Anteil der oben genannten gesetzlichen Bestimmungen, der in den einzelnen Ländern bereits verabschiedet wurde, war die rechtliche Gleichstellung von LGBTI im OECD-Durchschnitt 2019 zu 53 % gewährleistet. Die OECD-Länder können dabei in drei Gruppen eingeteilt werden:

  • Länder mit schwachen Ergebnissen, die sowohl beim Grad der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI im Jahr 2019 als auch bei den seit 1999 erzielten Gleichstellungsfortschritten unter dem Durchschnitt liegen (14 Länder)

  • Länder mit mittleren Ergebnissen, deren Position im Verhältnis zum OECD-Durchschnitt sich ausgehend von der bisherigen Entwicklung in naher Zukunft zum Besseren (1 Land) oder zum Schlechteren (3 Länder) verändern könnte

  • Länder mit guten Ergebnissen, die sowohl beim Grad der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI im Jahr 2019 als auch bei den seit 1999 erzielten Gleichstellungsfortschritten über dem Durchschnitt liegen (17 Länder)

Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI und mehreren anderen Entwicklungen:

  • Gesellschaftliche Akzeptanz von LGBTI: Länder, in denen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten eher akzeptiert werden, verabschieden mit höherer Wahrscheinlichkeit gesetzliche Bestimmungen zur Sicherung der Chancen und Rechte von LGBTI – und solche gesetzlichen Änderungen führen wiederum zu einer positiveren Einstellung gegenüber diesen Personengruppen.

  • Geschlechtergleichstellung: Gesetzliche Bestimmungen zugunsten von LGBTI gehen mit einer größeren Gleichstellung der Geschlechter insgesamt einher, ganz gleich, ob diese an der Akzeptanz der Geschlechtergleichstellung, dem Frauenanteil in den Parlamenten, der Frauenerwerbsbeteiligung oder dem Verdienstgefälle zwischen Frauen und Männern gemessen wird.

  • Wirtschaftliche Entwicklung: Eine Verbesserung der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI vom Durchschnittswert der drei diesbezüglich am schlechtesten abschneidenden OECD-Länder auf den Durchschnittswert der drei am besten abschneidenden Länder geht mit einem Anstieg des realen Pro-Kopf-BIP um rd. 3 200 USD einher.

Selbst die am besten abschneidenden Länder sind noch nicht am Ziel angelangt: Viele der für die Gleichstellung von Transgender und Intersexuellen relevanten Bestimmungen sind z. B. nur in einer kleinen Zahl dieser Länder in Kraft.

Die nationalen Aktionspläne, die derzeit in einem Drittel der OECD-Länder durchgeführt werden, enthalten mehrere komplementäre Maßnahmen, mit denen die Rechte und Chancen von LGBTI gestärkt werden können:

  • Mechanismen, mit denen gewährleistet werden soll, dass LGBTI-orientierte gesetzliche Bestimmungen in den Bereichen Bekämpfung von Diskriminierung, Hassverbrechen und Hassreden sowie Asylrecht wirklich wirksam sind. Dazu gehören beispielweise Schulungen für Polizeibeamt*innen im Umgang mit gegen LGBTI gerichteter Hasskriminalität.

  • Maßnahmen zur Schaffung einer Gleichstellungskultur in Bildung, Arbeitswelt und Gesundheitswesen (wobei es um mehr geht als nur die Durchsetzung der in diesen Bereichen geltenden Antidiskriminierungsgesetze)

  • Maßnahmen zur Förderung und Sicherung der Akzeptanz von LGBTI-Anliegen in der Öffentlichkeit, z. B. gut konzipierte Sensibilisierungskampagnen

Außerdem sollten erhebliche Anstrengungen unternommen werden, um LGBTI in den nationalen Statistiken besser zu repräsentieren und sichtbarer zu machen. Solange es an Daten zu sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität und Variationen der Geschlechtsmerkmale fehlt, kann sich die Politik bei ihren Bemühungen um die Gleichstellung von LGBTI, wenn überhaupt, nur auf wenige sachdienliche Informationen stützen.

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