1. Engagement

Das Engagement der oberen Politik- und Verwaltungsebenen für Integrität im öffentlichen Leben gewährleistet, dass das öffentliche Integritätssystem in den übergeordneten Rahmen für öffentliche Verwaltung und Governance eingebunden ist. Es sorgt dafür, dass Einrichtungen, die zentral für die Umsetzung einzelner Elemente des Integritätssystems zuständig sind, personell und materiell angemessen ausgestattet sind, um die Integritätsagenda auf eine nachhaltige Grundlage zu stellen (Brinkerhoff, 2000[1]). Ein klares Bekenntnis hochrangiger Politiker*innen sowie anderer Führungskräfte fördert zudem die Kohärenz und Nachvollziehbarkeit des Integritätssystems. Engagement für Integrität wird unter Beweis gestellt, wenn integritätsstärkende Reformen Teil der Agenda der oberen Politik- und Verwaltungsebenen sind und wenn diese Reformen auf fundierten Analysen beruhen, die der Vielschichtigkeit der Integritätsproblematik Rechnung tragen, anstatt nur kurzfristige Lösungen mit hoher Öffentlichkeitswirkung anzubieten (Brinkerhoff, 2000[1]).

In ihrer Empfehlung zu Integrität im öffentlichen Leben fordert die OECD die Länder daher auf, „ihr Engagement für die Verbesserung von Integrität im öffentlichen Leben und den Abbau von Korruption auf den höchsten Politik- und Führungsebenen des öffentlichen Sektors unter Beweis [zu] stellen, insbesondere indem sie

  1. a) sicherstellen, dass das öffentliche Integritätssystem Integrität im öffentlichen Leben definiert, unterstützt, kontrolliert und stärkt und in den übergeordneten Rahmen für öffentliche Verwaltung und Governance integriert wird,

  2. b) sicherstellen, dass es angemessene gesetzgeberische und institutionelle Rahmen gibt, damit Organisationen des öffentlichen Sektors die Möglichkeit haben, Verantwortung für den effektiven Umgang mit der Integrität ihrer Handlungen und der Integrität der für diese Handlungen zuständigen Beschäftigten zu übernehmen,

  3. c) klare Erwartungen im Hinblick auf die höchsten Politik- und Führungsebenen wecken, die das öffentliche Integritätssystem durch beispielhaftes persönliches Verhalten unterstützen, wozu auch ein hohes Maß an Anstand bei der Erledigung offizieller Aufgaben gehört“ (OECD, 2017[2]).

Aus der Sicht von Politik und Verwaltung bedeutet Engagement, ineinandergreifende Integritätsreformen durch notwendige gesetzgeberische und institutionelle Regelwerke zu untermauern, in denen die einzelnen Verantwortlichkeiten klar definiert sind. Voraussetzung dafür ist der Einsatz für Integrität auf den oberen Ebenen von Politik und Verwaltung, wobei Folgendes gegeben sein muss:

  • Das öffentliche Integritätssystem definiert, fördert, kontrolliert und setzt Integrität im öffentlichen Leben durch und ist in den übergeordneten Rahmen für öffentliche Verwaltung und Governance eingebunden.

  • Die gesetzlichen und institutionellen Rahmenbedingungen ermöglichen es den Einrichtungen und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, im Umgang mit Integrität Verantwortung zu übernehmen.

  • An die Politiker*innen und Führungskräfte der höchsten Ebenen werden klare Erwartungen gestellt, die im Dienstalltag sichtbar erfüllt werden.

Unter einem öffentlichen Integritätssystem im weiteren Sinne – also einem System zur Stärkung der Integrität im öffentlichen Leben – sind die Rechtsvorschriften und Institutionen zu verstehen, die Integrität in der öffentlichen Verwaltung definieren, fördern, überwachen und durchsetzen. Eine klare Definition ist dabei die Grundvoraussetzung dafür, dass das Integritätssystem die gewünschte Wirkung erzielt. Erst wenn auf den höchsten Politik- und Führungsebenen ein waches Bewusstsein dafür besteht, welche Integritätsrisiken die Strukturen der öffentlichen Verwaltung und Governance bergen (vgl. Kapitel 10), kann der Begriff der Integrität im öffentlichen Leben definiert werden (siehe Kasten 1.1). Die Verantwortlichkeiten, Strategien und Standards für integres Handeln, aus denen sich das System zusammensetzt, hängen maßgeblich davon ab, auf welches gemeinsame Verständnis von Integrität sich die Führungskräfte in der Politik und in der öffentlichen Verwaltung einigen (vgl. Kapitel 2, 3 und 4). Eine gemeinsame Definition sorgt zudem bei allen Akteuren innerhalb des Integritätssystems für Klarheit, und zwar sowohl im Hinblick auf das Ziel ihrer Funktionen und Tätigkeiten als auch auf die angestrebte Zukunftsvision für das System.

Ist der Integritätsbegriff einmal definiert, braucht es Engagement auf hoher Ebene, um Integrität im öffentlichen Sektor zu fördern, zu kontrollieren und durchzusetzen. Im Kern muss ein System zur Förderung von Integrität im öffentlichen Leben sicherstellen, dass die öffentlich Bediensteten ihre Aufgaben und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Integrität verstehen und dass die erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen sowie geeignete Leitlinien zur Verfügung stehen, um die Integrität in der öffentlichen Verwaltung zu wahren. Wichtig sind außerdem ein strategischer Ansatz für Integrität im öffentlichen Leben, hohe Verhaltensstandards, die Mobilisierung der Gesellschaft, Führungsstärke, Leistungsorientierung, Kapazitätsaufbau und Sensibilisierung sowie eine offene Organisationskultur (vgl. Kapitel 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9). Die Kontrolle von Integrität im öffentlichen Leben setzt einen wirksamen Rechenschaftsmechanismus voraus, in dessen Rahmen die Festlegung, Umsetzung und Bewertung der Verpflichtungen zu Integrität koordiniert, überwacht und geprüft werden. Dazu braucht es ein geeignetes Risikomanagement, Innenrevisionen, eine interne und externe Aufsicht sowie die Beteiligung externer Interessengruppen (vgl. Kapitel 10, 12 und 13). Bei der Durchsetzung von Integrität im öffentlichen Leben geht es schließlich darum, Integritätsverletzungen aufzudecken, zu verfolgen und zu bestrafen, wobei sowohl disziplinar- und verwaltungsrechtliche als auch zivil- und strafrechtliche Verfahren zum Einsatz kommen (vgl. Kapitel 11).

Die Stärkung von Integrität beschränkt sich allerdings nicht auf diese Kernelemente (vgl. Kapitel 2) oder eine einzelne Institution. Vielmehr sind eine ganze Reihe von Akteuren (z. B. die Abteilungen Finanzen, Recht, Innenrevision, Personalmanagement und Auftragsvergabe) gefordert, integres Verhalten in der öffentlichen Verwaltung und Governance zu verankern. Die unmittelbare Förderung, Kontrolle und Durchsetzung von Integrität im öffentlichen Leben gehört zwar nicht zu ihren Hauptaufgaben, doch ohne sie funktioniert das System nicht. Damit die Umsetzung des Integritätssystems gelingt, müssen die Kern- und Zusatzelemente des Systems in den übergreifenden Rahmen für die öffentliche Verwaltung und Governance integriert werden. Zur Förderung dieser Integration gibt es verschiedene Möglichkeiten:

  • Aufbau und Umsetzung eines fairen Systems für die Einstellung, Auswahl, Bewertung und Beförderung öffentlich Bediensteter auf allen Ebenen sowie stärkere Offenheit und Rechenschaftspflicht der Verfahren (vgl. Kapitel 7), beispielsweise durch spezifische Leistungsmechanismen für Führungskräfte und deren Einbindung in das Governance-System (OECD, 2018[3]).

  • Verfolgung eines risikobasierten Ansatzes für Integrität im öffentlichen Leben sowie Einrichtung von Funktionen und Verfahren für Innenrevision, Inspektion und Rechnungsprüfung (vgl. Kapitel 10)

  • Verschärfung der Rechenschaftspflicht öffentlicher Einrichtungen und Bediensteter durch externe Aufsichtsfunktionen und -verfahren sowie Einrichtung von Verfahren für Beschwerden und Anschuldigungen (vgl. Kapitel 12)

  • Förderung der Kapazitäten, Unterstützung und Weiterbildung der öffentlich Bediensteten auf allen Ebenen, um die für sie geltenden hohen Verhaltensstandards zu erklären, sowie Anwendung dieser Standards im gesamten öffentlichen Dienst und gegenüber externen Partnern (vgl. Kapitel 4 und 8)

  • Schaffung eines offenen und sicheren Umfelds, in dem die obersten Führungsebenen von Politik und Verwaltung durch geeignete Maßnahmen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter*innen aktiv einbezogen, gestärkt und dazu ermutigt werden, ihre Ideen und Vorbehalte ohne Furcht vor Sanktionen zu äußern, und sich zügig und glaubwürdig mit diesen Stellungnahmen auseinandersetzen (vgl. Kapitel 9)

Sich für Integrität im öffentlichen Leben einzusetzen, bedeutet für den Staat und die Politik auch, im rechtlichen und institutionellen Rahmen klar zu verankern, dass alle öffentlichen Einrichtungen für die Wahrung von Integrität verantwortlich sind. In Kapitel 2 werden die konkreten Verantwortlichkeiten innerhalb des Integritätssystems ausführlich beschrieben. Die Zuständigkeiten werden klar verteilt und es werden verschiedene Mechanismen vorgestellt, um in der Umsetzungsphase für Zusammenarbeit zu sorgen. Vor dem Abstecken der einzelnen Zuständigkeiten kann es jedoch sehr hilfreich sein, den Grundsatz zu verankern, dass jede Einrichtung des öffentlichen Dienstes für Integrität verantwortlich ist, um für mehr Eigenverantwortung und Rückhalt zu sorgen.

In manchen Ländern wird den öffentlichen Einrichtungen in erster Linie durch die Gesetzgebung Verantwortung für Integrität übertragen (Kasten 1.2). In anderen wird auf einen institutionellen Rahmen gesetzt, etwa auf eine Integritätsstrategie oder einen Antikorruptionsplan. In der Tschechischen Republik beispielsweise wird im aktuellen Antikorruptionsplan die Rolle jedes einzelnen Ministeriums festgelegt und ein Regierungsrat bestimmt, der die Korruptionsbekämpfung und Maßnahmen zur Stärkung der Integrität im öffentlichen Leben auf nationaler Ebene koordiniert (Office of the Government of the Czech Republic, 2018[4]).

Eine andere Möglichkeit zur Übertragung von Integritätsverantwortung besteht darin, im Rechts- oder institutionellen Rahmen die Rolle öffentlich Bediensteter als Wächter*innen von Integrität festzuschreiben, beispielsweise durch das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Dienstes. In Australien etwa verpflichtet das Gesetz für den öffentlichen Dienst von 1999 alle öffentlich Bediensteten dazu, die Werte des öffentlichen Dienstes einzuhalten. Dazu gehören u. a. auch „ethische“ Werte wie Führungsstärke, Vertrauenswürdigkeit und integres Verhalten in allen Belangen. Die Leiter*innen der Behörden sind darüber hinaus verpflichtet, sich für die Einhaltung der Values and Employment Principles des australischen öffentlichen Dienstes einzusetzen (Australian Government, 1999[7]). Das slowakische Gesetz für den öffentlichen Dienst von 2017 enthält ebenso wichtige Grundsätze, die von allen Bediensteten zwingend einzuhalten sind. Dazu gehört insbesondere das Neutralitätsprinzip, nach dem öffentlich Bedienstete verpflichtet sind, dem öffentlichen Interesse zu dienen und dieses vor eigene Interessen zu stellen (Government of the Slovak Republic, 2017[8]). Institutionelle Rahmen, die eine klare Beschreibung der Integritätsrollen öffentlich Bediensteter enthalten, könnten auch Verhaltens- oder Ehrenkodizes umfassen, wie in Kapitel 4 erläutert.

Das politische Engagement für Integrität ist eng an das Verhalten hochrangiger Politiker*innen geknüpft. Sie spielen eine entscheidende Rolle dabei, das Vertrauen in den Staat zu stärken. Gemeint sind hier insbesondere Präsident*innen und Premierminister*innen sowie gewählte und nicht gewählte hochrangige Entscheidungsträger*innen im öffentlichen Dienst. Ihr Engagement und ihr Bekenntnis zu Integrität im öffentlichen Leben hat einen doppelten Nutzen: Erstens signalisieren sie gegenüber anderen Amtsträger*innen und der Allgemeinheit, dass der Staat sich eingehend mit Integrität als Frage der Governance auseinandersetzt, und zweitens tragen sie durch die Bereitstellung der angemessenen finanziellen, personellen und technischen Mittel zum besseren Funktionieren des Integritätssystems bei. Um Engagement auf den obersten Ebenen von Politik und Verwaltung zu sichern, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Die an die obersten Ebenen von Politik und Verwaltung gerichteten Integritätserwartungen sind im rechtlichen und institutionellen Rahmen verankert bzw. kodifiziert.

  • Es sind politische Instrumente und Verfahren vorhanden, die die Führungskräfte in Politik und Verwaltung unterstützen und es ihnen ermöglichen, ihr persönliches Engagement für hohe Verhaltensstandards im Dienstalltag zu zeigen.

Von den politischen und anderen Führungskräften in der öffentlichen Verwaltung wird erwartet, dass sie im Dienst der Öffentlichkeit handeln. Es ist daher nur folgerichtig, dass auf den oberen Politik- und Führungsebenen die höchsten Standards gelten. Integritätsverletzungen wie Bestechung, Vetternwirtschaft und Begünstigungspolitik werden in der Regel in eigenen Rechtsvorschriften behandelt, die gemeinsam einen Korpus an gesetzlichen Erwartungen an das Verhalten höchstrangiger Amtsträger*innen und anderer öffentlich Bediensteter bilden. Gelten höhere Verhaltensstandards, werden diese speziell an die Anforderungen einer bestimmten Position angepasst. Diese Standards beziehen sich auf die Erwartungen sowie die Korruptionsrisiken, die mit dieser Funktion verbunden sind (Kasten 1.3).

Bei hochrangigen (ernannten oder gewählten) Führungskräften empfiehlt sich in Bezug auf die Erfüllung klarer Erwartungen die Rechtsverankerung folgender Standards:

  • integres Verhalten

  • Dienst am öffentlichen Interesse

  • Vorbeugung und Bewältigung von Interessenkonflikten und integritätsbezogenen Verstößen

  • Rechenschaftspflicht in Bezug auf ausgeübte Funktionen

Durch maßgeschneiderte Mechanismen kann die Umsetzung dieser Standards garantiert werden. Beispiele dafür sind:

  • Einführung eines risikobasierten Ansatzes für Minister*innenämter und Regulierung von Interessenkonflikten, was u. U. auf die politischen Berater*innen der Minister*innen ausgedehnt werden muss, um potenzielle Interessenkonflikte zu verringern

  • Offenlegung von Vermögenswerten, Interessen, entgegengenommenen Geschenken und in Anspruch genommenen Vorteilen

  • Verbot oder Einschränkung bestimmter Nebentätigkeiten während der Amtszeit

  • Regulierung des Wechsels von der Politik in die Wirtschaft, vor allem durch Karenzzeiten und Einschränkungen für die Beschäftigung nach dem öffentlichen Dienst, insbesondere in Bezug auf Wirtschaftszweige, für die während der Amtszeit eine Zuständigkeit bestand

Spezifische Rechenschafts-, Prüfungs- und Durchsetzungsmechanismen gewährleisten hohe Integritätsstandards und tragen dazu bei, potenzielle Schwierigkeiten zu vermeiden, Verstöße aufzudecken und diese zu ahnden. Die Vermögenserklärung hochrangiger Politiker*innen und von Führungskräften in der Verwaltung ist dabei nur einer der möglichen Mechanismen (Kasten 1.4).

Ähnlich sollten auch gewählte oder ernannte politische Amtsträger*innen (wie Premierminister*innen, Präsident*innen, Minister*innen, Abgeordnete usw.) sich dazu verpflichten, bei der Ausübung ihres Mandats hohe Verhaltensstandards einzuhalten. Diese Standards können etwa im Rechts- oder institutionellen Rahmen und/oder in internen Dokumenten wie Geschäftsordnungen im Einzelnen erörtert werden. Zu ihnen gehören:

  • integres Verhalten

  • Dienst am öffentlichen Interesse und Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten, insbesondere in Bezug auf unvereinbare Funktionen und Tätigkeiten sowohl während der Amtszeit als auch danach

  • Rechenschaftspflicht gegenüber der Öffentlichkeit

Die hohen Standards, die für die politischen Amtsträger*innen auf höchster Ebene gelten, lassen sich u. a. durch folgende Maßnahmen umsetzen:

  • Ausarbeitung, Überprüfung und Einhaltung hoher Verhaltensstandards im Kongress bzw. Parlament

  • Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten sowie Kodifizierung von Unvereinbarkeiten, Verboten und Einschränkungen von Nebentätigkeiten außerhalb der Amtsausübung

  • ausführliche Darlegung der Immunität bzw. der parlamentarischen Privilegien, die die Abgeordneten während ihrer Amtszeit vor einer zivil- oder strafrechtlichen Verfolgung schützen, sowie Festlegen von Vorschriften zur Aufhebung dieser Immunität im Rechtsrahmen oder in der Geschäftsordnung, wobei darauf zu achten ist, dass das Recht der Abgeordneten auf Regierungskritik gewahrt wird, kriminelle Handlungen allerdings nicht geschützt werden (GRECO, 2017[10])

  • Regulierung der Offenlegung von Vermögenswerten und/oder Interessen

  • Offenlegung entgegengenommener Geschenke und in Anspruch genommener Vorteile

  • Erhöhung der Transparenz von Gesetzgebungsverfahren (z. B. von Folgenabschätzungen, Vorschlägen, Sitzungen ständiger oder nicht ständiger Ausschüsse, Änderungen und Abstimmungen) sowie ihrer Begleitumstände (z. B. Haushalt, Vergütungen und sonstige Leistungen, Geschenke und Bewirtung) sowie Regelung des Zugangs zum Gesetzgebungsverfahren und der Einflussnahme darauf

  • Beaufsichtigung und Überwachung der Umsetzung dieser Vorschriften, Standards und Instrumente, um die Rechenschaftspflicht, Prüfung, Durchsetzung und Wirksamkeit des Systems zu gewährleisten und zu verbessern

Grundsätzlich lässt sich festhalten: Je höher und politisch exponierter eine Position oder Zuständigkeit, desto strenger die Kontrolle und Rechenschaftspflicht. Neben gesetzgeberischen Maßnahmen können auch Verhaltens- und Ehrenkodizes, bei denen das unterschiedliche Maß an Exponiertheit und Verantwortung der einzelnen Führungspositionen berücksichtigt wird, zur Einhaltung höherer Verhaltensstandards beitragen (Kasten 1.5).

Eine Gesellschaft kann ihre Erwartungen an das Verhalten hochrangiger Führungskräfte in Politik und Verwaltung zwar gesetzlich verankern, doch die Umsetzung dieser Erwartungen erfordert einen aufrichtigen politischen Willen, Integritätsverletzungen als ernsthaftes Problem zu erkennen, in die Stärkung von Integrität zu investieren und Integrität fest in der Reformagenda zu verankern. Politischer Wille bedeutet in diesem Zusammenhang „die Selbstverpflichtung von Akteur*innen, Maßnahmen zu ergreifen, um bestimmte Ziele – in diesem Fall weniger Korruption – zu erreichen, und die Kosten dieser Maßnahmen langfristig zu tragen“ (Brinkerhoff, 2010[12]).

Ob eine aufrichtige Unterstützung für ein Integritätssystem gegeben ist, lässt sich an verschiedenen Faktoren ablesen – beispielsweise daran, mit welcher analytischen Schärfe vorgegangen wird, inwieweit Unterstützer*innen mobilisiert werden oder wie beständig die Anstrengungen sind (Brinkerhoff, 2000[1]). So kann die analytische Schärfe, die im Rahmen einer Reformstrategie angewandt wird, etwa ein Indikator für die Ernsthaftigkeit sein, mit der sich die Führungsspitzen dem Thema Integrität widmen. Ein schwaches Engagement für Integrität im öffentlichen Leben kann sich beispielsweise daran zeigen, dass Reformen nicht zielgerichtet oder sehr kurzfristig angelegt sind oder die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und institutionellen Gegebenheiten des betreffenden Landes bzw. der betreffenden Einrichtung nicht ausreichend berücksichtigt werden. Stoßen hochrangige Führungskräfte in Politik und Verwaltung hingegen Reformen an, mit denen kurz- und langfristige Probleme angegangen werden und die evidenzbasiert sind, d. h. die auf Daten aus Integritätsrisikobewertungen, öffentlichen Meinungsumfragen und internationalen Vergleichsstudien beruhen, ist das ein starkes Signal für eine sichtbare Unterstützung.

Darüber hinaus lässt sich das Engagement von Politiker*innen und Führungskräften in der Verwaltung auch daran erkennen, ob und inwieweit sie wichtige Interessengruppen in die Gestaltung und Umsetzung der Integritätsstrategie für den öffentlichen Dienst einbeziehen (vgl. Kapitel 3 und 5). Hochrangige Führungskräfte, die offen für Impulse von außen sind, zeigen, dass sie bereit sind, zentrale Probleme zu benennen und zielgerichtete, sachlich fundierte Lösungsstrategien zu entwickeln (Brinkerhoff, 2000[1]). Die Zusammenarbeit mit Interessengruppen kann für die Führungsspitzen außerdem ein wichtiges Unterstützer*innennetzwerk bedeuten, mit dessen Hilfe potenzielle Widerstände gegen die Reformen leichter überwunden werden können. Sind Interessengruppen in der Lage, hochrangige Führungskräfte für ihre Maßnahmen und die Umsetzung der Reformen wirkungsvoll zur Rechenschaft zu ziehen, ist das ebenfalls ein Zeichen, dass der politische Wille zu Veränderungen da ist (Johnston, M. und S. Kpundeh, 2002[13]; Corduneanu-Huci, C., A. Hamilton und I. Ferrer, 2013[14]).

Auch die Bereitstellung angemessener personeller, finanzieller und technischer Mittel für die Umsetzung von Maßnahmen sowie ein regelmäßiges Monitoring und regelmäßige Überprüfungen der Reformen sind ein Zeichen der Unterstützung, sofern die Ergebnisse genutzt werden, um die Strategie zu verfeinern (Brinkerhoff, 2010[12]; Brinkerhoff, 2000[1]). Stehen ausreichend Ressourcen zur Verfügung und wird die Reformstrategie auf der Grundlage regelmäßiger Evaluierungen und Überwachungen immer wieder angepasst, ist das ein klares Zeichen für das Engagement hoher Führungskräfte, eine nachhaltige Reformagenda für Integrität im öffentlichen Leben umzusetzen.

Welche Herausforderungen sich konkret stellen, hängt immer vom Kontext ab. Ein kritischer Punkt ist jedoch generell das Engagement der oberen Ebenen von Politik und Verwaltung. Es kann vorkommen, dass sich Spitzenpolitiker*innen und hohe Verwaltungsbeamt*innen überhaupt nicht für Integrität im öffentlichen Dienst einsetzen oder dass sie kurzfristige, reaktive Lösungen gegenüber langfristigen Strategien vorziehen, die mehr Zeit und Geld kosten. Mit kurzfristigen Maßnahmen wie einem neuen Gesetzesentwurf oder der Einrichtung eines neuen Gremiums oder einer neuen Dienststelle können hochrangige Amtsträger*innen schnell reagieren und Engagement für Integrität im öffentlichen Leben zeigen. So hilfreich solche Maßnahmen auch sein mögen, bedarf es zur Lösung festgefahrener Probleme jedoch häufig kostenintensiverer und zeitaufwendiger langfristiger Reformen. Da sich aus solchen Reformen nicht unbedingt sofort politisches Kapital schlagen lässt, neigen manche Politik- und Verwaltungsverantwortliche dazu, sie zu umgehen oder hinauszuzögern. Sichtbares Engagement für Integrität im öffentlichen Leben setzt indessen voraus, dass die obersten Politik- und Verwaltungsverantwortlichen die notwendigen Reformen tatsächlich umsetzen, seien sie kurz- oder langfristig.

Um gegen einen Mangel an konkretem Engagement vorzugehen – ob er sich nun in Nichthandeln oder in zu kurz greifenden Lösungen äußert –, braucht es eine fundierte Ursachenanalyse und die Mitarbeit wichtiger Interessengruppen. Wichtig ist zudem ein kontinuierlicher Monitoring- und Prüfungsmechanismus (vgl. Abschnitt 1.2.3). Auch Maßnahmen zur Rechenschaftslegung können zu einem nachhaltigen Engagement beitragen. Aufsichtsorgane wie z. B. die obersten Rechnungskontrollbehörden können das Niveau und die Qualität der erzielten Leistungen und Ergebnisse unabhängig bewerten. Solche Einrichtungen können Empfehlungen zur weiteren Stärkung des Integritätssystems aussprechen und dem Parlament oder der Regierung Bericht über die Qualität der Reformen erstatten (vgl. Kapitel 12). Andere externe Organe wie Wirtschaftsverbände und zivilgesellschaftliche Vereinigungen können Rechenschaft seitens der staatlichen Führungsebenen einfordern und sie so unter Druck setzen, notwendige Reformen umzusetzen.

Darüber hinaus gibt es Instrumente, um hochrangige Führungskräfte dazu zu bringen, über ihr eigenes Verhalten Rechenschaft abzulegen. Werden die oberen Ebenen von Politik und Verwaltung beispielsweise dazu gezwungen, ihre persönlichen Interessen offenzulegen, und werden diese auch überprüft, kann das zur Vermeidung und Bewältigung von Interessenkonflikten sowie zu objektiven Entscheidungen beitragen. Solche Maßnahmen können auch eine gute Möglichkeit sein, die Bevölkerung von der Notwendigkeit von Reformen zu überzeugen, vor allem wenn sie ergeben, dass die oberen Ebenen von Politik und Verwaltung Integrität keine hohe Priorität einräumen. Derartige Mechanismen sind neben angemessenen Sanktionen bei Regelverstößen ein wirksames Instrument, um das Engagement von Führungskräften in Politik und Verwaltung zu überwachen und Rechenschaft von ihnen zu verlangen.

Literaturverzeichnis

[7] Australian Government (1999), Public Service Act 1999, https://www.legislation.gov.au/Details/C2019C00057 (Abruf: 24. Januar 2020).

[6] BMI (2014), Regelungen zur Integrität, Bundesministerium des Innern, Berlin, https://korruptionspraevention.desy.de/sites/sites_desygroups/sites_extern/site_korruptionspraevention/content/e77628/e77629/e77631/integritaet_ger.pdf.

[12] Brinkerhoff, D. (2010), “Unpacking the concept of political will to confront corruption”, U4 Brief, No. 1, U4 Anti-Corruption Resource Centre, Bergen, https://www.u4.no/publications/unpacking-the-concept-of-political-will-to-confront-corruption.pdf.

[1] Brinkerhoff, D. (2000), “Assessing political will for anti-corruption efforts: An analytic framework”, Public Administration and Development, Vol. 20/3, S. 239-252, https://doi.org/10.1002/1099-162X(200008)20:3%3C239::AID-PAD138%3E3.0.CO;2-3.

[14] Corduneanu-Huci, C., A. Hamilton und I. Ferrer (2013), Understanding Policy Change: How to Apply Political Economy Concepts in Practice, Weltbank, Washington, D.C., https://doi.org/htt://dx.doi.org/10.1596/978-0-8213-9538-7.

[5] G20 Anti-Corruption Working Group (2018), Compendium on Measures to Encourage Public Organisations to Implement Anti-Corruption Policy.

[8] Government of the Slovak Republic (2017), Law 55/2017 on Civil Service, https://www.slov-lex.sk/pravne-predpisy/SK/ZZ/2017/55/20190701 (Abruf: 10. September 2019).

[11] Government of the United Kingdom (2018), Ministerial Code, Cabinet Office, London, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/672633/2018-01-08_MINISTERIAL_CODE_JANUARY_2018__FINAL___3_.pdf.

[10] GRECO (2017), Corruption Prevention: Members of Parliament, Judges and Prosecutors – Conclusions and Trends, Europarat, Straßburg, https://rm.coe.int/corruption-prevention-members-of-parliament-judges-and-prosecutors-con/16807638e7 (Abruf: 24. Januar 2020).

[9] HATVP (o. J.), “Ethics of Public Officials”, Haute Autorité pour la transparence de la vie publique, Paris, https://www.hatvp.fr/en/high-authority/ethics-of-publics-officials/ (Abruf: 1. August 2019).

[13] Johnston, M. und S. Kpundeh (2002), Building A Clean Machine: Anti-corruption Coalitions and Sustainable Reform, Weltbank, Washington, D.C., http://documents1.worldbank.org/curated/en/661541468771713991/pdf/286390Clean0machine0WBI0WP.pdf.

[3] OECD (2018), OECD Draft Policy Framework on Sound Public Governance, OECD, Paris, https://www.oecd.org/gov/draft-policy-framework-on-sound-public-governance.pdf.

[2] OECD (2017), OECD-Empfehlung des Rats zu Integrität im öffentlichen Leben, OECD, Paris, https://www.oecd.org/gov/ethics/recommendation-public-integrity.

[4] Office of the Government of the Czech Republic (2018), “Vládní koncepce boje s korupcí na léta 2018 až 2022”, Ministry of Justice und Chairman of the Legislative Council of the Government, Office of the Government of the Czech Republic, https://korupce.cz/protikorupcni-dokumenty-vlady/na-leta-2018-az-2022/ (Abruf: 22. August 2019).

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