3. Die Auswirkungen der Zukunft der Arbeit auf den Berliner Arbeitsmarkt

In der gesamten OECD tragen Megatrends wie Digitalisierung, Automatisierung und künstliche Intelligenz (KI) zu einer der tiefgreifendsten Transformationen der lokalen Arbeitsmärkte seit Jahrzehnten bei. Wie anderswo auch werden sich diese Tendenzen in Berlin stark und nachhaltig auf den Arbeitsmarkt auswirken. Während die Folgen dieser Trends bereits spürbar sind, beschleunigt die COVID-19-Pandemie die Digitalisierung und Automatisierung noch weiter. Angesichts der geltenden Abstandsregeln arbeiten Millionen Beschäftigte im Homeoffice. Telearbeit oder hybride Beschäftigungsverhältnisse dürften, wie es scheint, in einem nicht zu vernachlässigenden Maße auch über die Pandemie hinaus Bestand haben. COVID-19 fungiert hier offenbar als Katalysator für nachhaltige Veränderungen bei der Arbeitsweise von Unternehmen und Menschen, die den technologischen Wandel dazu nutzen, innovative Lösungen zu finden, um weiter arbeiten zu können.

Vor diesem Hintergrund wird die Zukunft der Arbeit und die damit einhergehenden Veränderungen für einige Menschen und Branchen in Berlin mit größeren Risiken verbunden sein als für andere. Die Pandemie hat bereits bestehende strukturelle Probleme auf dem Berliner Arbeitsmarkt wie Qualifikationsdefizite, Qualifikationsungleichgewichte und eine Polarisierung zwischen gut bezahlten und prekären Arbeitsplätzen zusätzlich verschärft. Solide Strategien für die Weiterbildung und die Entwicklung von Kompetenzen sind ein unverzichtbares politisches Instrument, das dazu beitragen kann, diese Probleme anzugehen und sicherzustellen, dass Berlin auf die Zukunft der Arbeit und die neuen Arten von Arbeitsplätzen und alternativen Arbeitsmodellen wie Teilzeitarbeit, die weiter zunehmen werden, vorbereitet ist.

Bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Krise und der anschließenden Erholung müssen die politischen Entscheidungsträger*innen in Berlin neue Lösungen bieten. Für einen starken und nachhaltigen wirtschaftlichen Wiederaufbau müssen diese Lösungen nicht nur die direkten wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, sondern auch die strukturellen Herausforderungen des Arbeitsmarktes angehen. Das Kapitel, das diese Trends und Herausforderungen analysiert, ist wie folgt strukturiert. Zunächst werden darin die Auswirkungen der Automatisierung auf den lokalen Arbeitsmarkt in Berlin untersucht. Zweitens beschreibt es, wie sich die Arbeitsplatzpolarisierung auf die Verfügbarkeit verschiedener Arten von Arbeitsplätzen auswirkt. Schließlich zeigt es Trends hinsichtlich der Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse auf, die für den Einzelnen sowohl Chancen als auch neue Herausforderungen mit sich bringen.

Die Arbeitsmärkte in den OECD-Ländern haben sich in den letzten Jahrzehnten strukturell erheblich verändert. Angetrieben durch neue Technologien, Produkte und Konsummuster sind verschiedene neue Arten von Arbeitsplätzen entstanden. Die Beschäftigung in einigen traditionellen Branchen ist dagegen andererseits rückläufig. Infolgedessen hat sich die Art der Qualifikationen, die Unternehmen suchen und die Arbeitnehmende benötigen, um beruflich erfolgreich zu sein, verändert. Globale Megatrends wie Automatisierung und Digitalisierung, die sich während der COVID-19-Pandemie zusätzlich beschleunigt haben, werden diesen Strukturwandel der Wirtschaft weiter vorantreiben und zu einer Zukunft der Arbeit unter deutlich anderen Vorzeichen führen. Die Pandemie war ein Katalysator für Veränderungen, da Unternehmen und Beschäftigte neue Arbeits- und Kooperationsformen angenommen haben – von einer plötzlichen Zunahme der Telearbeit bis hin zu einer deutlich weiteren Verbreitung digitaler Technologien und Dienstleistungen. Diese Entwicklungen werden, zumal sie zumindest teilweise fortbestehen dürften, sich maßgeblich auf die Praxis unserer Arbeit und die erforderlichen Qualifikationen auswirken.

Die Automatisierung wird eine der bedeutendsten Transformationen der Arbeitsmärkte in den OECD-Ländern seit Jahrzehnten bewirken. Einerseits bietet die Automatisierung von Produktionsprozessen neue Möglichkeiten und steigert die Produktivität, wodurch sich Wohlstand und Lebensstandard erhöhen. Andererseits birgt sie neue und ungleiche Risiken für Arbeitnehmende, da es sich dabei um einen qualifikationslastigen technologischen Wandel handelt. Sie kommt einigen Beschäftigten zwar tendenziell zugute (vor allem hochqualifizierten Arbeitskräften), hat aber auch das Potenzial, die Arbeitsplätze anderer Beschäftigter (vor allem Arbeitskräfte mit geringen oder mittleren Qualifikationen) zu ersetzen oder stark zu verändern. Die Automatisierung wird dazu führen, dass bestimmte Aufgaben und Arbeitsplätze ersetzt werden, was die Gefahr mit sich bringt, dass einige Beschäftigte nicht von den Vorteilen, die die Automatisierung bietet, profitieren können, sondern angesichts des sich verändernden Arbeitsmarktes und der Qualifikationsanforderungen Schwierigkeiten haben könnten, einen neuen Arbeitsplatz zu finden (OECD, 2018[1]). Daher könnte die Automatisierung die bestehenden sozioökonomischen Ungleichheiten sogar noch verschärfen, wenn die Löhne für einige Arbeitsplätze als Folge der Automatisierung sinken und die Polarisierung der Arbeitswelt in allen Qualifikationsarten weiter zunimmt (Acemoglu and Autor, 2011[2]).

Im gesamten OECD-Raum sind etwa 46 % der Arbeitsplätze von der Automatisierung bedroht. Etwa 14 % der Arbeitsplätze sind hochgradig automatisierbar (d.h. die Automatisierungswahrscheinlichkeit liegt bei über 70 %). Für weitere 32 % der Arbeitsplätze besteht ein erhebliches Risiko, stark von der Automatisierung betroffen zu werden, was heißt, dass die zu diesen Arbeitsplätzen gehörenden Aufgaben und die dafür erforderlichen Qualifikationen sich stark verändern dürften. Im Durchschnitt sind die Metropolregionen in den OECD-Ländern eher weniger stark von der Automatisierung betroffen, da Arbeitsplätze dort eher im Dienstleistungssektor angesiedelt sind. In einigen Metropolregionen Spaniens, Italiens und Deutschlands ist das Automatisierungsrisiko für Arbeitsplätze jedoch noch höher als im OECD-Durchschnitt (Abbildung 3.1).

Das Risiko der Arbeitsplatzautomatisierung betrifft fast jeden zweiten Arbeitsplatz in Berlin. Im Vergleich zu anderen großen Metropolregionen im OECD-Raum besteht für Arbeitsplätze in Berlin ein relativ hohes Automatisierungsrisiko (Abbildung 3.1). Insgesamt sind 14 % der Arbeitsplätze in Berlin in hohem Maße automatisierbar, weitere 33 % der Arbeitsplätze dürften sich durch die Automatisierung erheblich verändern (s. Kasten 3.1 mit einer ausführlichen Erläuterung der Berechnung der Automatisierungsrisiken). Unter vergleichbaren Metropolregionen weisen nur Barcelona, Madrid, Mailand und Hamburg einen höheren Anteil an Arbeitsplätzen, die wahrscheinlich automatisiert oder maßgeblich transformiert werden, auf. Am anderen Ende des Spektrums scheinen die Arbeitsmärkte in Oslo und London den Auswirkungen der Automatisierung besser zu trotzen – hier werden nur etwa 28 % bzw. 29 % der Arbeitsplätze betroffen sein.

Berlin weist im Bundesländervergleich den geringsten Anteil an automatisierungsgefährdeten Arbeitsplätzen auf. In Berlin ist sowohl der Anteil der Arbeitsplätze mit hohem Automatisierungsrisiko als auch der Anteil der Arbeitsplätze, die sich erheblich verändern werden, niedriger als in jedem anderen Bundesland (Abbildung 3.2). Sie liegen jedoch immer noch über dem OECD-Durchschnitt. In Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern ist die Gefahr, dass Arbeitsplätze automatisiert werden, am größten, wobei für über 50 % der Arbeitsplätze entweder ein hohes Automatisierungsrisiko oder ein Risiko erheblicher Veränderungen besteht. Insgesamt sind die Automatisierungsrisiken in den deutschen Bundesländern größer als im OECD-Raum, was zum Teil auf den höheren Anteil von Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland zurückzuführen ist.

Das Berufsprofil der lokalen Arbeitsmärkte trägt zu einer Erklärung bei, warum das Automatisierungsrisiko innerhalb Deutschlands und zwischen den OECD-Metropolregionen unterschiedlich ist. Berufliche Unterschiede spiegeln vor allem unterschiedliche Industriestrukturen der Regionen oder Metropolregionen wider. In Sektoren wie der Landwirtschaft, dem Baugewerbe, der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, dem verarbeitenden Gewerbe oder dem Verkehr ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass Arbeitsplätze durch die Automatisierung verloren gehen (Kasten 3.1). Deutsche Regionen, für die ein höheres Automatisierungsrisiko besteht als für Berlin, sind tendenziell stärker auf Beschäftigung in solchen Sektoren angewiesen. Fast 60 % der Beschäftigten in Berlin arbeiten in einem Sektor mit geringem Automatisierungsrisiko, während nur etwa 38 % in Sektoren mit hohem Risiko tätig sind (Abbildung 3.3). Im Gegensatz dazu beträgt in Thüringen der Anteil der Beschäftigten in Branchen mit hohem Automatisierungsrisiko 25 %, während nur 40 % der Beschäftigten in Branchen mit geringem Automatisierungsrisiko arbeiten. Für die Beschäftigten in Berlin besteht ein geringere Automatisierungsrisiko, weil viele von ihnen in Berufen und Branchen arbeiten, die weniger Routineaufgaben beinhalten, z. B. im Bereich Fachdienstleistungen und wissenschaftliche Dienstleistungen, im Finanzwesen oder im Immobiliensektor.

Vielversprechend ist, dass der Großteil der zuletzt in Berlin geschaffenen Arbeitsplätze in Berufen mit geringem bis mittlerem Automatisierungsrisiko angesiedelt ist. Seit 2011 ist die überwiegende Mehrheit der neuen Arbeitsplätze in Berufen mit hohen Qualifikationsanforderungen entstanden, für die ein geringeres Automatisierungsrisiko besteht (Abbildung 3.4). So stieg beispielsweise die Zahl der Arbeitsplätze für Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie um rund 70.000. Ebenso schuf die Berliner Wirtschaft auch 55.000 Arbeitsplätze für pädagogische Fachkräfte, für Berufe also, für die nicht nur hohe Qualifikationsanforderungen gelten, sondern die auch ein relativ geringes Automatisierungsrisiko aufweisen. Berufe mit geringen Qualifikationsanforderungen, die sich gegenüber der Automatisierung als robuster erwiesen, wie z. B. persönliche Dienstleistungen, schnitten besser ab als besonders anfällige gering qualifizierte Berufe. Die jüngsten Entwicklungen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen tragen dazu bei, das Automatisierungsrisiko für die Berliner Arbeitnehmenden zu senken. Die Daten zur Schaffung von Arbeitsplätzen machen jedoch auch deutlich, dass die Möglichkeiten für Geringqualifizierte schrumpfen, da in Berufen, die Menschen mit niedrigem Bildungsstand Arbeitsplätze bieten, wenig bis gar kein Beschäftigungswachstum zu verzeichnen ist.

Digitale Kompetenzen werden im Zuge von Automatisierung und Digitalisierung in Berlin immer wichtiger. Digitale Kompetenzen sind für Menschen unerlässlich, um ihre Chancen zu maximieren, effizient am Arbeitsplatz zu arbeiten, und zudem unverzichtbar, wenn es darum geht, Produktivität und Wachstum in Berlin zu sichern. Digitale Kompetenzen sind besonders wichtig für die Gruppen, die am stärksten von Entlassungen bedroht sind, da neue Arbeitsplätze zunehmend grundlegende oder weitergehende digitale Kompetenzen und die Fähigkeit zur Arbeit in einem technologieintensiven Umfeld voraussetzen. Um die Beschäftigungsfähigkeit gefährdeter Gruppen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern, könnte sich Berlin interessante lokale Initiativen wie die Local Digital Skills Partnership in Lancashire im Vereinigten Königreich genauer ansehen, die darauf abzielen, Arbeitnehmenden in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft die begehrten digitalen Kompetenzen zu vermitteln (Kasten 3.3).

Schon vor Beginn der COVID-19-Pandemie durchliefen die meisten Volkswirtschaften in den OECD-Ländern dramatische Veränderungen auf ihren Arbeitsmärkten. In den letzten Jahrzehnten fand auf den Arbeitsmärkten im OECD-Raum eine zunehmende Polarisierung statt. Der Anteil der Beschäftigung in Arbeitsplätzen mit mittlerem Qualifikationsniveau ist gegenüber Arbeitsplätzen mit höherem oder niedrigerem Qualifikationsniveau deutlich zurückgegangen (OECD, 2017[8]). Zu hochqualifizierten Arbeitsplätzen gehören Manager*innen, Fachkräfte und Techniker*innen; zu den Arbeitsplätzen mit mittlerer Qualifikation gehören Büroangestellte, Handwerker*innen und verwandte Berufe, Maschinenführer*innen und Monteure; bei den Arbeitsplätzen mit geringer Qualifikation finden sich einfache Berufe, Beschäftigte im Dienstleistungssektor und Verkaufspersonal in Geschäften und Märkten. In fast allen OECD-Ländern ist die Arbeitsplatzpolarisierung in erster Linie durch eine Verschiebung hin zu Berufen mit hohen Qualifikationsanforderungen gekennzeichnet (OECD, 2019[9]).

Die berufliche Polarisierung ist nicht nur Teil der sich auf dem Arbeitsmarkt vollziehenden Transformationen, sondern stellt die Gesellschaften in OECD-Ländern auch vor soziale Herausforderungen. Sie gibt Anlass zu Sorgen in der Öffentlichkeit angesichts zunehmender Ungleichheit in den OECD-Ländern. Arbeitsplätze mit mittlerem Qualifikationsniveau wurden in der Vergangenheit mit einem Lebensstil der Mittelschicht und sozioökonomischer Mobilität für künftige Generationen assoziiert. In den letzten Jahren hat sich die allgemeine Verteilung von Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt jedoch in Richtung höher qualifizierter Arbeitsplätze verschoben, da der Bereich der Berufe mit hohen Qualifikationsanforderung inzwischen schneller wächst als Berufe mit mittlerem und niedrigem Qualifikationsniveau, wodurch sich auch das Verhältnis zwischen Qualifikationen und Einkommensklassen verändert hat. Arbeitnehmende mit mittleren Qualifikationen sind daher heute eher in den unteren als in den mittleren Einkommensklassen zu finden (OECD, 2019[9]). Darüber hinaus weist die Lohnstruktur in vielen OECD-Ländern heute – statt eines Wachstums an beiden Enden der Lohnstruktur – eine wachsende Kluft zwischen Spitzenverdiener*innen und anderen Beschäftigten auf.

Der auf Qualifikationen ausgerichtete technologische Wandel hat im OECD-Raum zu einer stärkeren Polarisierung des Arbeitsmarktes geführt. In den Großstädten, die in der Regel bei den Transformationen auf dem Arbeitsmarkt führend sind, ist dies besonders auffällig. In allen OECD-Metropolregionen vollzieht sich eine zunehmende Polarisierung der Arbeitsmärkte in Arbeitsplätze für Hoch- und Niedrigqualifizierte. Arbeitsplätze mit mittleren Qualifikationsanforderungen verschwinden im Gegensatz dazu vielerorts sehr schnell. Alle 17 betrachteten OECD-Metropolregionen, einschließlich Berlins, haben seit 2000 in relativen Zahlen Arbeitsplätze für mittlere Qualifikationen eingebüßt (Abbildung 3.6). Im Durchschnitt ist der Anteil der Beschäftigten in solchen Arbeitsplätzen zwischen 2000 und 2018 um mehr als 7 Prozentpunkte zurückgegangen. In den meisten dieser Metropolregionen wurden Arbeitsplätze mit mittlerem Qualifikationsanforderungen sowohl durch Arbeitsplätze für Hochqualifizierte als auch durch Arbeitsplätze für Niedrigqualifizierte ersetzt, wobei erstere den größten relativen Zuwachs an Arbeitsplätzen verzeichnen konnten. In 16 Metropolregionen wurden Arbeitsplätze mit mittlerem Qualifikationsniveau größtenteils durch Arbeitsplätze mit hohem Qualifikationsniveau ersetzt.

Im Vergleich zu anderen OECD-Metropolregionen verschwanden in Berlin weniger Arbeitsplätze für mittlere Qualifikationen. Seit 2000 ist der Anteil der Arbeitsplätze für mittlere Qualifikation um 2,7 Prozentpunkte gesunken (Abbildung 3.6). Ein signifikanter Anstieg bei den hochqualifizierten Arbeitsplätzen (+ 4,9 Prozentpunkte) hat den Verlust bei den Arbeitsplätzen für mittlere Qualifikationen jedoch mehr als kompensiert. Im Gegensatz zu den meisten vergleichbaren OECD-Metropolregionen ist der Anteil von Arbeitsplätzen für Geringqualifizierte in Berlin nicht gleichzeitig gestiegen. Der Anteil der Arbeitsplätze für Geringqualifizierte ging hingegen nur um 2,2 Prozentpunkte zurück. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich auf dem Berliner Arbeitsmarkt eine Verschiebung hin zu hochqualifizierten Arbeitsplätzen vollzogen hat, wobei die Zahl der Arbeitsplätze für Personen mit mittlerer und geringer Qualifikation in ähnlichem Maße rückläufig ist.1

Der grüne Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ist eine weitere maßgebliche Entwicklung, die die Arbeitsmärkte in den kommenden Jahrzehnten prägen wird. Um das politische Ziel, die Emissionen zu reduzieren und eine Netto-Null-Wirtschaft zu etablieren, zu erreichen, ist entschlossenes Handeln vieler Länder weltweit erforderlich. Diese Maßnahmen, zu denen der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und der Übergang zu erneuerbaren Energien gehört, werden sich zwangsläufig auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar machen. Arbeitsplätze und Wirtschaftszweige, die den grünen Wandel unterstützen, könnten einen Aufschwung erleben, während andere, emissionsintensive Sektoren wie die chemische Industrie oder Teile des verarbeitenden Gewerbes von Arbeitsplatzverlusten oder zumindest einem erheblichen Strukturwandel betroffen sein könnten.

Die Chancen und Herausforderungen, die der grüne Wandel mit sich bringt, werden auf den lokalen Arbeitsmärkten sehr unterschiedlich ausfallen. Aufgrund von Unterschieden in der Wirtschaftsstruktur und hinsichtlich es Anteils der Arbeitsplätze in verschiedenen Sektoren werden einige lokale Arbeitsmärkte erheblichen Risiken gegenüberstehen, während andere von Aufschwung grüner Sektoren profitieren könnten. Der Mangel an eindeutigen empirischen Daten zu grünen Arbeitsplätzen und Kompetenzen in den einzelnen Regionen erschwert derzeit noch eine Bewertung der Bereiche, in denen der grüne Wandel neue wirtschaftliche Möglichkeiten außerhalb der erneuerbaren Energien bieten könnte. Betrachtet man jedoch eine Teilmenge emissionsintensiver Arbeitsplätze, so lässt sich abschätzen, in welchem Ausmaß Arbeitsplätze in allen OECD-Regionen durch die Umstellung auf eine Netto-Null-Wirtschaft gefährdet sein könnten.

Für Berlin scheinen nur geringfügige Beschäftigungsrisiken infolge des Netto-Null-Übergangs zu bestehen. Abbildung 3.7 liefert Daten zum Anteil der Arbeitsplätze in vier Sektoren des verarbeitenden Gewerbes, die im Durchschnitt ein hohes Maß an Emissionen mit sich bringen. Diese Sektoren sind Verkehr, Kohleförderung und sonstiger Bergbau, chemische und Kunststoffindustrie sowie anderes verarbeitendes Gewerbe. In Berlin kommen diese Sektoren nur auf rund 0,8 % der Gesamtbeschäftigung und damit auf den niedrigsten Anteil in allen deutschen Bundesländern. Entsprechend liegt der Anteil der Beschäftigten in diesen Sektoren auch weit unter dem OECD-Durchschnitt von 2,2 %. In dem Maße, in dem sich diese Arbeitsplätze als „braune Arbeitsplätze“ einstufen lassen, die durch den Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft mit einem erhöhten Risiko rechnen müssen, scheint der Berliner Arbeitsmarkt relativ gut geschützt zu sein. Die entsprechende Dominanz des Dienstleistungssektors in der Berliner Wirtschaft bietet einen zusätzlichen Schutz vor negativen Erschütterungen durch den grünen Wandel, der sich am stärksten auf Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe auswirken dürfte. Geht man noch einen Schritt weiter, so könnte der grüne Wandel in Berlin in der Tat neue wirtschaftliche Chancen bieten, die von den jungen Arbeitskräften und der dynamische Unternehmerszene der Stadt getragen würden.

Die Transformation der Arbeitswelt verändert auch die Qualifikationen, die Unternehmen benötigen. Infolgedessen könnte so eine Diskrepanz zwischen der Nachfrage nach bestimmten Kompetenzen und dem Angebot entstehen, das auf der Ausbildung und den Qualifikationen der Arbeitskräfte beruht. Da Kompetenzen und ihr effektiver Einsatz eine wesentliche Triebkraft für wirtschaftliche Entwicklung und Produktivität sind, könnten zunehmende Qualifikationsdefizite und -lücken den wirtschaftlichen Wohlstand und das Wachstum Berlins beeinträchtigen. In der OECD lässt sich ein beträchtlicher Teil der Unterschiede in der Arbeitsproduktivität zwischen den Ländern unter anderem mit Qualifikationslücken erklären (Adalet McGowan and Andrews, 2017[12]). Analysen auf Branchenebene zeigen, dass Unternehmen in Branchen mit größeren Qualifikationsdefiziten tendenziell eine geringere Arbeitsproduktivität aufweisen (Adalet McGowan and Andrews, 2015[13]). Entscheidend ist, dass Qualifikationen auch für die Resilienz von Bedeutung sind, Arbeitnehmende dank ihren Qualifikationen flexibler auf sich verändernde Arbeitsmärkte und Wirtschaftskrisen reagieren können.

Arbeitnehmende so für die Arbeitsplätze auszuwählen, dass sie ihre Kompetenzen dort bestmöglich einsetzen können, ist ein wesentliches Element funktionierender Arbeitsmärkte. Ein Missverhältnis zwischen den Qualifikationen der Beschäftigten und den für ihre Arbeitsplätze geltenden Anforderungen kann sich hingegen negativ auswirken – von geringerer Arbeitszufriedenheit, niedrigeren Löhnen und geringerer Arbeitsproduktivität bis hin zu ungenutztem Potenzial des Humankapitals (OECD, 2018[1]). Ein Missverhältnis im Hinblick auf die vorhandenen Qualifikationen ist eine der Ursachen für solche Qualifikationsdefizite. Es entsteht dann, wenn der Bildungsstand der Arbeitnehmenden über (Überqualifikation) oder unter (Unterqualifikation) dem Niveau liegt, das normalerweise für die Bewältigung der Aufgaben am Arbeitsplatz erforderlich ist.

Qualifikationsdefizite sind in Berlin weit verbreitet. Rund 41 % aller Beschäftigten in Berlin haben einen Arbeitsplatz, der nicht ihrem Qualifikationsniveau entspricht (Abbildung 3.8). Zweiundzwanzig Prozent der Beschäftigten in Berlin haben einen Job, für den sie formal überqualifiziert sind. Weitere 19 % scheinen für ihre Tätigkeit nicht ausreichend qualifiziert zu sein, d. h. sie verfügen nicht über die Fähigkeiten und Qualifikationen, die normalerweise für die Ausübung ihrer Position erwartet werden. Im Vergleich zu ausgewählten großen und wirtschaftlich bedeutenden OECD-Metropolregionen weist Berlin den zweithöchsten (von 13 untersuchten) Grad an Qualifikationsdefiziten auf, was die starke Diskrepanz zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage in der lokalen Wirtschaft verdeutlicht. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen Beschäftigte überqualifiziert sind, wenn Beschäftigte also unterhalb ihres Bildungsstands arbeiten – der Wert liegt hier deutlich über den OECD- und EU-Durchschnittswerten von 17 % bzw. 13 %.

Qualifikationslücken und -defizite hemmen bereits jetzt die Berliner Wirtschaft. Angesichts der sich rasch verändernden Nachfrage nach neuen Kompetenzen und der Entstehung neuer Arten von Arbeitsplätzen könnte sich das Problem weiter verschärfen, wenn nicht dagegen angegangen wird. Es ist daher wichtiger denn je, ein robustes System der Weiterbildung und Ausbildung zu etablieren, das allen Personen und Unternehmen flexible Möglichkeit zur Teilnahme bietet. Dank einem solchen System können Arbeitnehmende neue Fähigkeiten erwerben, sich umschulen lassen oder bestehende Fähigkeiten erweitern, um sie auf den neuesten Stand der Entwicklung zu bringen. Eine wichtige Voraussetzung für den Umgang mit und die Abfederung von Qualifikationsdefiziten und -lücken besteht darin, fundierte Daten über den lokalen Arbeitsmarkt zu erheben. Mehrere öffentlich zugängliche Instrumente liefern solche Daten, die von politischen Entscheidungsträger*innen genutzt werden können, um die regionale Nachfrage nach Arbeitskräften im Blick zu behalten, was dazu beiträgt, eine wirksame Politik zu gestalten (Abbildung 3.5).

Auf vielen Arbeitsmärkten im OECD-Raum vollzieht sich ein allmählicher Übergang weg von traditionellen unbefristeten Verträgen. Die Anzahl atypischer Arbeitsverhältnisse, wozu auch Zeitarbeit, Teilzeitarbeit oder Selbstständigkeit gehören, hat zugenommen (siehe Kasten 3.6 mit Informationen zur Definition atypischer Beschäftigung). Der Wandel der Verbraucherpräferenzen und neue technologische Entwicklungen sind zwei wichtige Faktoren, die die Zunahme von atypischen Beschäftigungsformen erklären. Letztes ermöglicht es den Unternehmen, ihre Arbeitsplätze flexibler zu gestalten und Aufgaben auszulagern, einschließlich der Einstellung von Zeitarbeitskräften oder freiberuflichen Mitarbeiter*innen. Ersteres hat dazu geführt, dass sich die Unternehmen zunehmend auf Just-in-time-Lieferungen und maßgeschneiderte Dienstleistungen verlegen.

Atypische Beschäftigung bringt neue Chancen, aber auch Herausforderungen für die lokalen Arbeitsmärkte mit sich. Sie bietet einigen Arbeitnehmenden die Möglichkeit, eine Beschäftigung zu finden oder flexibler zu sein, verschlechtert aber auch die Arbeitsbedingungen für andere. Einerseits können atypische Beschäftigungsverhältnisse die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern und die Flexibilität der Arbeitnehmenden generell erhöhen. Sie können so dazu beitragen, die Erwerbsquote zu verbessern, insbesondere für diejenigen, die sonst keinen Zugang zum Arbeitsmarkt hätten. So können Frauen beispielsweise berufliche und private Verpflichtungen besser miteinander vereinbaren. Atypische Beschäftigung kann zudem den Übergang von der Schule ins Berufsleben erleichtern, indem sie jungen Menschen ein Sprungbrett ins Erwerbsleben bietet (OECD, 2018[14]). Andererseits sind atypische Beschäftigungsverhältnisse häufig mit schlechteren Arbeitsbedingungen verbunden, d. h. mit geringerer Arbeitsplatzsicherheit, höheren Einkommensschwankungen und einem langsameren beruflichen Aufstieg.

In den meisten OECD-Ländern haben atypische Beschäftigungsverhältnisse seit 2000 zugenommen. Befristete Arbeitsverträge sind in den OECD-Ländern inzwischen immer häufiger anzutreffen, vor allem bei jungen Arbeitnehmenden (Abbildung 3.9 Bild A). Der Anteil der Beschäftigten im OECD-Raum unter 26 Jahren, die einen befristeten Arbeitsvertrag haben, ist von 17 % im Jahr 1980 auf 25 % im Jahr 2016 gestiegen. Darüber hinaus ist auch der Anteil der Teilzeitbeschäftigten deutlich gestiegen (Abbildung 3.9 Bild B). Während dieser Trend größtenteils auf den Eintritt von Frauen in den Arbeitsmarkt zurückzuführen ist, für die es in der Vergangenheit oft schwierig war, Familie und Beruf zu vereinbaren, hat die Teilzeitarbeit auch bei Männern zugenommen.

In Berlin haben Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse in ähnlichem Maße zugenommen wie in Deutschland insgesamt. Im Jahr 2019 waren rund 26 % der Stellen Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse, was einem Anstieg um 6 Prozentpunkte gegenüber 2002 entspricht (Abbildung 3.10). In Deutschland insgesamt liegt der Anteil der Teilzeitbeschäftigung an der Gesamtbeschäftigung etwas höher, nämlich bei 27 %. Im Vergleich der EU27-Länder ist der Anteil der Teilzeitbeschäftigung in Berlin und Deutschland relativ hoch. Im Durchschnitt haben 18 % der 16- bis 64-Jährigen in der EU27 eine Teilzeitstelle. Dieser Unterschied lässt sich mit mehreren Gründen erklären. So ist etwa der Anteil der Frauen an den Teilzeitbeschäftigten hoch. Eine Teilzeitbeschäftigung kann demnach ein Mittel sein, um eine gute Work-Life-Balance zu erreichen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu gewährleisten. In Ländern wie den Niederlanden, der Schweiz, Deutschland, dem Vereinigten Königreich oder Norwegen lässt sich der Anstieg bei der Teilzeitbeschäftigung teilweise damit erklären, dass mehr Frauen am Arbeitsmarkt teilhaben; Frauen arbeiten dabei mehr als doppelt so häufig wie Männer in Teilzeit, und durchschnittlich fast ein Viertel der Frauen – häufig Mütter – arbeitet in Teilzeit (OECD, 2020[16]). Eine Teilzeitbeschäftigung ist jedoch oft auch mit Nachteilen verbunden.

Teilzeitbeschäftigte genießen in den OECD-Ländern eine niedrigere Arbeitsplatzsicherheit und erzielen eher niedrigere Stundenlöhne (OECD, 2018[17]). Die Armutsquoten sind bei Teilzeitbeschäftigten tendenziell höher als bei Arbeitnehmenden in Normalarbeitsverhältnissen. Während im Durchschnitt 10 % der Teilzeitbeschäftigten in einem Haushalt mit einem verfügbaren Jahreseinkommen von weniger als 50 % des nationalen Medianeinkommens leben, trifft das nur auf 3 % der Beschäftigten in Normalarbeitsverhältnissen zu (OECD, 2020[16]). Hinzu kommt, dass Teilzeitbeschäftigte eher seltener an Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen, was sich negativ auf ihr künftiges Einkommen auswirkt. Eine geringere Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen bedeutet auch, dass sich Teilzeitbeschäftigte weniger gut an die Zukunft der Arbeit und die sich ändernden Qualifikationsanforderungen anpassen können. Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt dargelegt, verändern Automatisierung und Digitalisierung die Bedarfe des Arbeitsmarktes und die Kompetenzprofile, die Arbeitgebende suchen. Teilzeitbeschäftigte sind weniger gut in der Lage, über die Nutzung von Lernmöglichkeiten zur Umschulung oder Höherqualifizierung auf diese Entwicklungen zu reagieren.

Eine weitere Dimension der atypischen Beschäftigung ist die Selbständigkeit, die in Berlin stark zugenommen hat. Mehr als 13 % aller Erwerbstätigen in Berlin sind selbständig, Berlin ist damit das Bundesland mit der höchsten Selbständigenquote in Deutschland (Abbildung 3.11). Selbstständigkeit ist in Berlin nicht nur viel weiter verbreitet als in anderen Teilen Deutschlands, sondern hat in den letzten 15 Jahren noch zugenommen, während sie in Deutschland insgesamt rückläufig ist. Der Anteil der Selbstständigen stieg in Berlin zwischen 2004 und 2019 von rund 11,7 % auf 13,4 %, während er bundesweit von 9,8 % auf 8,5 % sank. Im Jahr 2019 war der Anteil der Selbstständigen unter den Erwerbstätigen in Berlin ähnlich hoch wie im Durchschnitt der EU27-Länder. Im Gegensatz zur Entwicklung der Berliner Wirtschaft ist die Selbständigenquote in der EU27 von 2004 bis 2019 jedoch deutlich zurückgegangen. Ein Faktor, der zum Anstieg der Selbstständigkeit in Berlin beiträgt, ist die Herausbildung der Digitalwirtschaft. Einige Selbstständige in der Digitalwirtschaft konnten von neuen Märkten und Möglichkeiten profitieren, wenn sie als unabhängige Fachkräfte oder Freiberufler*innen Arbeit mit hohem Mehrwert fanden. Für andere hingegen nimmt die Selbstständigkeit in der digitalen Wirtschaft prekäre Formen an, da einige nur für einen einzigen Kunden arbeiten, ohne dass sie jedoch die Vorteile eines formellen Arbeitgebenden-Arbeitnehmenden-Verhältnisses genießen könnten, einschließlich Sozialversicherung oder Arbeitsbestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmenden.

Während der COVID-19-Pandemie stieg in Berlin die Nachfrage nach digitalen Kompetenzen sprunghaft an. Im Zuge der Umstellung auf Telearbeit wurden neue Technologien eingeführt und weithin technologische Lösungen für Arbeitselemente wie z. B. Besprechungen übernommen, die aufgrund der geltenden Abstandsregeln nur eingeschränkt realisierbar waren. Dieser Schub, der Unternehmen und Arbeitnehmende dazu gezwungen hat, mit neuen Arbeitsformen zu experimentieren und für die Erledigung einiger Aufgaben auf virtuelle Methoden zu setzen, dürfte nachhaltige Auswirkungen haben. Er hat deutlich gemacht, wie wichtig es inzwischen ist, in einem digitalen Umfeld arbeiten zu können, und damit die Nachfrage nach digitalen Kompetenzen erhöht.

In Berlin ist ein deutlicher Anstieg der Zahl neuer Arbeitsplätze zu verzeichnen, für die weitergehende Kompetenzen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) erforderlich sin. Vom Beginn der Pandemie bis Ende 2020 stieg der Anteil der Stellenausschreibungen in Berlin, die fortgeschrittene IKT-Kenntnisse erfordern, von 26 % auf 33 % (Abbildung 3.12). Solche Arbeitsstellen erfordern spezielle Fähigkeiten wie Programmieren, Codieren und Datenanalyse (weitere Einzelheiten in Kasten 3.7). Während in vielen deutschen Städten während der Pandemie eine wachsende Nachfrage nach IKT-Kenntnissen zu verzeichnen war, stieg die Nachfrage in Berlin besonders schnell an, was darauf hindeutet, dass Berlin möglicherweise eine schnellere Transformation seiner lokalen Wirtschaft erlebt als andere Orte in Deutschland. Ein Blick auf die in Stellenausschreibungen genannten Anforderungen an die Bewerber*innen bietet eine zeitgemäße Alternative zur Messung des Arbeitskräftebedarfs und des sich verändernden Qualifikationsmix‘ in der Berliner Wirtschaft.

Im Gegensatz zu fortgeschrittenen digitalen Kompetenzen wie Programmierung oder Datenanalyse ist die Nachfrage nach eher grundlegenden digitalen Kompetenzen nicht gestiegen. Nicht für alle digitalen Kompetenzen ließ sich ein deutlicher Anstieg der Nachfrage registrieren, während Unternehmen und Beschäftigte gleichzeitig digitale Arbeitsweisen übernehmen mussten. Die Nachfrage nach allgemeinen digitalen Kompetenzen, die ausschließlich einfache IKT-Kenntnisse umfassen, z. B. Kenntnisse in MS Excel, blieb weitgehend konstant (Abbildung 3.13). Die relative Bedeutung dieser Kompetenzen ist seit 2015 sogar rückläufig, was wahrscheinlich darauf hindeutet, dass diese Kompetenzen zunehmend als selbstverständlich angesehen werden. Sie scheinen zu einer Mindestanforderung für viele Arbeitsplätze in Berlin zu werden.

Umfassende Daten zu den digitalen Kompetenzen der Berliner Arbeitskräfte fehlen, alternative Maßnahmen können jedoch eine Annäherung bieten. Im Idealfall könnten umfassende Erhebungen bei erwachsenen Arbeitnehmenden oder Unternehmen aufzeigen, inwieweit einzelne Personen über die notwendigen digitalen Fähigkeiten verfügen, um in der lokalen Wirtschaft erfolgreich zu sein. Die meisten dieser Datenquellen sind jedoch entweder auf subnationaler Ebene nicht repräsentativ (z. B. das OECD-Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC)) oder bieten keine systematischen Anhaltspunkte für Lücken bei den digitalen Kompetenzen, wie dies bei Arbeitgebendenerhebungen für Berlin der Fall ist. Um sich der Frage nach grundlegenden digitalen Kompetenzen anzunähern, könnte die regelmäßige Nutzung des Internets eine gangbare Alternative bieten. In Berlin, wie auch in anderen OECD-Metropolregionen, hat die Internetnutzung im Verlauf des letzten Jahrzehnts nicht nur zugenommen, sondern ist im Leben der meisten Menschen inzwischen allgegenwärtig (Abbildung 3.14).

Während die meisten Berliner das Internet regelmäßig nutzen, erledigt fast die Hälfte der Berliner Bevölkerung grundlegende Aufgaben nicht online. Im Vergleich zu anderen OECD-Metropolregionen wie Oslo, London, Brüssel oder Hamburg scheinen in Berlin viel mehr Menschen keine sozialen Netzwerke zu nutzen, Produkte online zu kaufen oder zu verkaufen oder Online-Banking zu verwenden. Für diese Unterschiede könnten zwar mehrere Faktoren maßgeblich sein, doch die Daten könnten auch darauf hindeuten, dass viele Menschen in Berlin nicht über die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, um Aufgaben online zu erledigen. Dies wiederum könnte auf einen Mangel an digitalen Kompetenzen hindeuten, die über die minimalen Fähigkeiten hinausgehen, die erforderlich sind, um das Internet lediglich für einfachste Aufgaben wie Browsing oder Suchanfragen zu nutzen. Im weiteren Sinne scheinen diese Daten die weit verbreitete Ansicht der Berliner Arbeitgebenden zu bestätigen, dass viele Beschäftigte oder Arbeitssuchende die Anforderungen an die digitalen Fähigkeiten, die für viele Arbeitsplätze inzwischen gelten, nicht erfüllen.

Literatur

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[13] Adalet McGowan, M. and D. Andrews (2015), “Labour Market Mismatch and Labour Productivity: Evidence from PIAAC Data”, OECD Economics Department Working Papers, No. 1209, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/5js1pzx1r2kb-en.

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[4] Nedelkoska, L. and G. Quintini (2018), “Automation, skills use and training”, OECD Social, Employment and Migration Working Papers, No. 202, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/2e2f4eea-en.

[7] OECD (2021), Future-Proofing Adult Learning in London, United Kingdom, OECD Reviews on Local Job Creation, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/c546014a-en.

[10] OECD (2021), OECD Regional Outlook 2021: Addressing COVID-19 and Moving to Net Zero Greenhouse Gas Emissions, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/17017efe-en.

[16] OECD (2020), OECD Employment Outlook 2020: Worker Security and the COVID-19 Crisis, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/1686c758-en.

[6] OECD (2020), Preparing for the Future of Work in Canada, OECD Reviews on Local Job Creation, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/05c1b185-en.

[9] OECD (2019), Under Pressure: The Squeezed Middle Class, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/689afed1-en.

[1] OECD (2018), Good Jobs for All in a Changing World of Work: The OECD Jobs Strategy, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264308817-en.

[14] OECD (2018), Job Creation and Local Economic Development 2018: Preparing for the Future of Work, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264305342-en.

[17] OECD (2018), OECD Employment Outlook 2018, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/empl_outlook-2018-en.

[8] OECD (2017), OECD Employment Outlook 2017, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/empl_outlook-2017-en.

[15] OECD (2015), In It Together: Why Less Inequality Benefits All, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264235120-en.

Anmerkung

← 1. Der technologische Wandel ist eine der Hauptursachen für das Verschwinden von Arbeitsplätzen im mittleren Qualifikationssegment. Die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) bietet vor allem für Arbeitsplätze mit mittleren Qualifikationsanforderungen Ersatz. Technologische Entwicklungen und ihre Fähigkeit, Routineaufgaben zu übernehmen, sind folglich Triebkräfte der Arbeitsplatzpolarisierung, da sich Technologie über die Qualifikationsverteilung hinweg in unterschiedlichem Maße auf Arbeitsplätze auswirkt. Über alle Branchen, Berufe und Bildungsniveaus hinweg ist die Digitalisierung mit einem geringeren Arbeitseinsatz bei manuellen und kognitiven Routineaufgaben verbunden. Inzwischen können im Zuge des technologischen Wandels und der Digitalisierung aber auch immer mehr nicht-routinemäßige kognitive Aufgaben übernommen werden (Autor, Levy and Murnane, 2003[19]). Da Arbeitsplätze mit mittlerer Qualifikation, wie Büro- und Produktionstätigkeiten, häufig Routineaufgaben umfassen, sind sie leichter zu automatisieren. Im Gegensatz dazu umfassen Arbeitsplätze für Geringqualifizierte häufig auch nicht-routinemäßige manuelle Aufgaben, die schwerer zu automatisieren sind.

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