4. Stärkung der Weiterbildung für Inklusion und soziale Mobilität

Weiterbildung über die Erstausbildung hinaus ist für Erwachsene unerlässlich, um mit der sich schnell verändernden Arbeitswelt Schritt zu halten. Die Megatrends auf dem Arbeitsmarkt –Digitalisierung, Automatisierung von Produktionsprozessen und demografischer Wandel – wirken sich auf die für die Ausübung von bestimmten Erwerbstätigkeiten erforderlichen Qualifikationen aus. Eine Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die darauf abzielen, die Qualifikationen kontinuierlich auf den neuesten Stand zu bringen und zu verbessern, ist daher unerlässlich, um die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen zu erhalten und die Erwerbsquote zu erhöhen. Die Systeme der Weiterbildung sind daher anhand von Teilnahmemetriken und Hindernissen für die Teilnahme an der Weiterbildung zu bewerten, die manche Personen oder Gruppen davon abhalten könnten, über ihre Erstausbildung hinaus an allgemeinen und beruflichen Bildungsmaßnahmen teilzunehmen. Dieser Abschnitt bietet einen Überblick über die formale und non-formale Fort- und Weiterbildungsteilnahme in Berlin und zieht für die Teilnahmequoten den nationalen und internationalen Vergleich.

Es gibt drei Arten der Fort- und Weiterbildungsteilnahme: formale, non-formale und informelle Bildung. Verschiedene im Rahmen von Erhebungen genutzte Datenquellen berücksichtigen unterschiedliche Arten des Lernens, wenn Umfrageteilnehmer*innen danach befragt werden, ob sie in einem bestimmten Zeitraum vor der Befragung an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen haben. Auch der Bezugszeitraum variiert je nach Datenquelle beträchtlich. Daher muss jeder nationale und internationale Vergleich die Vergleichbarkeit gewährleisten und dazu sowohl die Art des Lernens oder der Bildung, auf die er sich bezieht, als auch den Bezugszeitraum, den er berücksichtigt, spezifizieren. Die Definitionen der drei verschiedenen Arten des Lernens und wie diese in den Erhebungsdaten dieses Berichts gemessen werden, sind in Kasten 4.1 aufgeführt.

Die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erfasst nicht die gesamte Akkumulation von Humankapital, insbesondere in den Städten. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass die Basisstatistiken zur Teilnahme an formeller und informeller Fort- und Weiterbildung den vollen Umfang des Lernens und der Ausbildung, die das Humankapital erhöhen, wahrscheinlich unterschätzen. Von den unter Kasten 4.1 beschriebenen Lerntypen wurde das informelle Lernen in der für diese Studie durchgeführten Datenanalyse nicht berücksichtigt. Wissenschaftliche Forschungen zum Lernen in Großstädten zeigen, dass die relativ zahlreichen sozialen und geschäftlichen Kontakte in Städten das informelle Lernen erleichtern. Kasten 4.2 beschreibt den Zusammenhang zwischen Bevölkerungsdichte und informellem Lernen. Die Daten zur Fort- und Weiterbildungsteilnahme in Berlin stehen daher unter dem Vorbehalt, dass sie möglicherweise ein unvollständiges Bild vermitteln. Um dieses Problem zu entschärfen, wird Berlin in diesem Abschnitt auch mit anderen großen OECD-Metropolregionen verglichen, in denen ähnliche Muster des informellen Lernens zu erwarten sind.

Die Teilnahme an formalen und non-formalen Fort- und Weiterbildungsmaßnehmen außerhalb des Arbeitsplatzes fällt in Berlin gegenüber internationalen Vergleichsregionen im OECD-Raum gering aus. Abbildung 4.1 zeigt den Anteil der Personen im Alter von 25 bis 64 Jahren, die in den vier Wochen vor der Befragung zwischen 2010 und 2020 an formalen oder non-formalen Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen (außer am Arbeitsplatz) teilgenommen haben. Das Diagramm vergleicht Berlin mit anderen OECD-Städten. Die Quote der Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in Berlin lag im Beobachtungszeitraum auch weiterhin konstant bei rund 10 %. Im internationalen Vergleich weisen Brüssel (Belgien) und Warschau (Polen) ähnliche Quoten einer Teilnahme an der formalen und non-formalen Bildung und Ausbildung (außer am Arbeitsplatz) auf. Andere OECD-Städte wie Helsinki (Finnland), Stockholm (Schweden) oder Zürich (Schweiz) haben wesentlich höhere Teilnahmequoten als Berlin. Im Jahr 2020 lagen die Teilnahmequoten in diesen Städten bei 30,8 %, 30,1 % bzw. 32,9 %. In London (Vereinigtes Königreich) und Paris (Frankreich), den Hauptstadtregionen ähnlich großer europäischer Länder, lagen die zuletzt gemeldeten Teilnahmequoten bei 16 % bzw. 13 % und damit deutlich über dem Niveau von Berlin.

In Deutschland liegt die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen der formalen und nicht-formalen Bildung in Berlin auf dem Niveau der anderen Stadtstaaten und über dem der Flächenbundesländer. Abbildung 4.2 zeigt den Anteil der Personen im Alter von 25 bis 64 Jahren, die in den vier Wochen vor der Befragung zwischen 2010 und 2020 an formalen oder non-formalen Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen (außer angeleitete betriebliche Ausbildung) teilgenommen haben. Die Grafik vergleicht Berlin mit den anderen deutschen Bundesländern. Der nationale Vergleich zeigt, dass Berlins Teilnahmequote an formaler oder non-formaler (ohne betriebliche Ausbildung) Bildung und Ausbildung auf dem gleichen Niveau liegt wie die der anderen deutschen Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Im Jahr 2020 lag die Teilnahmequoten in diesen Städten bei 10,0 % bzw. 9,4 %. Alle Flächenbundesländer melden eine etwas geringere Teilnahme, die im Saarland 2020 bei 5,3 % lag. Zwischen 2019 und 2020 stieg die Teilnahme nur in Berlin und Nordrhein-Westfalen an. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Teilnahmequoten unbereinigt sind und Unterschiede in Alter und Bildung der jeweiligen Bevölkerung in den verschiedenen Bundesländern nicht berücksichtigen.

Berlin liegt bei der beruflichen Fort- und Weiterbildung hinter allen anderen Bundesländern zurück. Während Berlin eine relativ hohe Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen außerhalb des Arbeitsplatzes aufweist, ergibt sich bei der arbeitsbezogenen formalen und non-formalen Fort- und Weiterbildung ein deutlich ungünstigeres Bild. Den Daten des jüngsten Mikrozensus zufolge nahmen 2019 weniger als 14 % der Personen ab 15 Jahren an einer formalen oder non-formalen berufsbezogenen Fort- oder Weiterbildungsmaßnahme teil. In Sachsen und Thüringen, den beiden Bundesländern mit den höchsten Teilnahmequoten, nahmen rund 21 % bzw. 20 % der Erwerbstätigen an solchen Weiterbildungsangeboten teil (Abbildung 4.3).

Geringe Teilnahme an berufsbezogenen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in Berlin ist kein neues Phänomen. Für den Zeitraum seit 2014, für den vergleichbare Statistiken auf Basis des Mikrozensus Deutschland vorliegen, lag die Teilnahmequote bei berufsbezogenen Fort- und Weiterbildungsmaßnehmen konstant bei rund 14 % der Erwerbspersonen (Abbildung 4.4, Bild B). Die geschätzte Gesamtzahl der Teilnehmer*innen stieg von 253.000 im Jahr 2014 auf 272.000 im Jahr 2019, was dem Zuwachs der Erwerbsbevölkerung in Berlin entspricht (Bild A). Folglich haben berufsbezogene Fort- und Weiterbildungen in Berlin nicht zugenommen, obwohl sie in einem sich rasch verändernden Arbeitsmarktumfeld immer wichtiger werden (siehe Kapitel 2). In den Daten von 2019 sind die Auswirkungen der Pandemie nicht berücksichtigt. Da infolge von COVID-19 verschiedene Abstandsregeln eingeführt wurden und viele Unternehmen finanziell unter Druck gerieten, dürften berufsbezogene Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen noch weiter eingeschränkt worden sein.

Demographische, soziale und wirtschaftliche Besonderheiten allein können die niedrige Teilnahmequote an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in Berlin nicht erklären. Eine Studie des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung (DIE) aus dem Jahr 2018 errechnet die zu erwartenden Teilnahmequoten für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in allen Bundesländern unter Berücksichtigung struktureller regionaler Unterschiede, wie der lokalen Altersstruktur, des durchschnittlichen Bildungsstandes und der Unterschiede im Durchschnittseinkommen. Unter Berücksichtigung regionaler Unterschiede in diesen Variablen, zeigt die Studie, dass Berlin im Jahr 2015 nur 77,4 % seines Weiterbildungspotenzials ausschöpfen konnte – der zweitniedrigste Wert in Deutschland. Nur das Saarland hat noch weniger seines Weiterbildungspotenzials ausgeschöpft (75,4 %). Andererseits konnten einige Bundesländer wie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit 119,7 % bzw. 117,3 % eine Teilnahmequoten für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen erreichen, die noch über ihrem Potenzial liegen (DIE and Bertelsmann Stiftung, 2018[7]).

Mithilfe lokaler demographischer, sozialer und wirtschaftlicher Merkmale lässt sich nur ein Drittel der Unterschiede bei der Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen in Deutschland erklären. So dürften auch andere Faktoren wie die Qualität der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die Sichtbarkeit der verschiedenen Weiterbildungsangebote, die Kooperation zwischen verschiedenen lokalen Fort- und Weiterbildungsakteuren und die Beratungsinfrastruktur für Weiterbildungsmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen (DIE and Bertelsmann Stiftung, 2018[7]).

Das Fort- und Weiterbildungsangebot der Berliner Unternehmen ist stark von der Unternehmensgröße abhängig. Tabelle 4.1 zeigt den Anteil der Unternehmen, die ihren Beschäftigten Aus- und Weiterbildungskurse anbieten, nach Unternehmensgröße. Die erste Spalte zeigt die Größe des Unternehmens gemessen an der Zahl der Beschäftigten. Die zweite Spalte zeigt den Anteil der Unternehmen in der jeweiligen Größenklasse, die ihren Mitarbeiter*innen im Jahr 2019, dem Jahr vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie, Aus- und Weiterbildungskurse angeboten haben. Im Jahr 2019 boten leidglich 49 % der Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigten ihren Mitarbeiter*innen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten an. Dieser Anteil nimmt mit der Größe des Unternehmens stark zu: Bei den Unternehmen, die 2019 10 bis 49 Mitarbeiter*innen beschäftigten, lag der Anteil bei 70 %, während fast alle größeren Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten ihren Mitarbeiter*innen irgendeine Form von beruflicher Weiterbildung anbieten konnten.

Der Anteil der Unternehmen, die Aus- und Weiterbildungskurse anbieten, ist während der COVID-19-Pandemie deutlich zurückgegangen, vor allem bei sehr kleinen Unternehmen. Ein Vergleich der zweiten und dritten Spalte von Tabelle 4.1 zeigt, dass der Anteil der Unternehmen, die ihren Beschäftigten Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen anbieten, in Berlin stark zurückgegangen ist. Im Jahr 2019 boten noch 57 % aller Unternehmen mit Sitz in Berlin ihren Beschäftigten irgendeine Form der Aus- oder Weiterbildung an. Im Jahr 2020 sank dieser Anteil auf 33 %. Während zwar Unternehmen aller Größen ihr Fort- und Weiterbildungsangebot zurückfuhren, verzeichneten sehr kleine Unternehmen (weniger als 10 Beschäftigte) den größten relativen Rückgang (-42 %), gefolgt von Unternehmen mit 10 bis 49 Beschäftigten (-40 %).

Die Art der Bildungsmaßnahme in den Berliner Betrieben hängt auch von der Betriebsgröße ab. Daten einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK Berlin) aus dem Jahr 2019 zeigen, dass kleinere Unternehmen bei der Weiterbildung ihrer Mitarbeiter*innen häufiger fast ausschließlich auf Selbstlerninstrumente setzen. Abbildung 4.5 zeigt, dass 53 % bzw. 60 % der Berliner Unternehmen (die der IHK Berlin angehören) ein Selbststudium mit digitalen Medien bzw. ein Selbststudium mit nicht-digitalen Medien anbieten, wobei es kaum Unterschiede zwischen den Unternehmen unterschiedlicher Größe gibt. Unternehmen mit einer größeren Zahl von Beschäftigten bieten jedoch häufiger Weiterbildungsinstrumente an, die nicht zum Selbststudium gedacht sind. So bieten nur 37 % der Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeiter*innen beschäftigen, Seminare zur betrieblichen Fortbildung an, gegenüber 94 % der Unternehmen mit 200 bis 499 Angestellten. Ähnliche Tendenzen lassen sich beim Coaching und Mentoring, bei der Schulung von Führungskräften und bei der Möglichkeit, neben dem Beruf ein formales Studium zu absolvieren, feststellen. Der Unterschied zwischen dem Anteil der kleinsten Unternehmen und dem Anteil der Unternehmen mit 200 bis 499 Beschäftigten, die diese Art von Maßnahmen im Jahr 2019 anbieten konnten, betrug 26 Prozentpunkte, 32 Prozentpunkte bzw. 36 Prozentpunkte.

KMU und vor allem auch Kleinstunternehmen neigen dazu, aufgrund mangelnder Ressourcen und unzureichender Investitionsanreize zu wenig in die Weiterbildung zu investieren. Das Problem der geringen Investitionen in die Fort- und Weiterbildung in kleinen Unternehmen ist nicht etwa spezifisch für Berlin und ergibt sich vor allem aus zwei Gründen: Erstens fehlen den KMU möglicherweise die finanziellen und personellen Ressourcen, um berufsbezogene Schulungen anzubieten. Zweitens fehlen ihnen möglicherweise die Anreize, in ihr Personal zu investieren, da qualifizierteres Personal höhere Löhne verlangen kann. Wenn KMU nicht bereit sind, Arbeitnehmende entsprechend ihrer zusätzlichen (Grenz-)Produktivität zu bezahlen, nachdem sie neue Fähigkeiten erworben haben, kann es passieren, dass diese Beschäftigten das Unternehmen verlassen und die Kleinunternehmen einen Nettoverlust durch die Investitionen in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter*innen erleiden (Brunello et al., 2020[8]).

Das fehlende Bewusstsein für den Bedarf an Weiterbildungsmaßnahmen, die mangelnde Fähigkeit zur Bewertung des Qualifikationsbedarfs und Wissensdefizite zu bestehenden Weiterbildungsmöglichkeiten können jedoch ebenfalls eine Rolle bei zu geringen KMU-Investitionen in die Weiterbildung spielen. Jüngste Untersuchungen der OECD zeigen, dass insbesondere sehr kleine KMU oft keine eigene Personalabteilung haben und nur selten Fachkräfte für die Entwicklung von Kompetenzen beschäftigen. Die Ermittlung des Qualifikationsbedarfs, die Entwicklung gezielter Ausbildungsmaßnahmen und die Einwerbung externer Mittel sind oft zeitaufwändige Aufgaben, die Mitarbeiter*innen mit speziellen Kenntnissen erfordern (OECD, 2021[9]).

Die Investitionen in die Fort- und Weiterbildung in kleinen Unternehmen in Berlin genügen daher möglicherweise nicht. Zusätzliche Investitionen in die Weiterbildung führen zu einer Höherqualifizierung der Arbeitnehmenden, die es ihnen ermöglicht, in höherwertige Arbeitsplätze zu wechseln, höhere Gehälter und zusätzliches Steuereinkommen zu erzielen. Anreize für KMU, durch finanzielle und logistische Unterstützung mehr in die Fort- und Weiterbildung der eigenen Beschäftigten zu investieren, können daher wünschenswert sein, wenn es Hinweise darauf gibt, dass solche Maßnahmen zu einem Anstieg des strukturierten Aus- und Weiterbildungsangebots in dem oder durch das kleine Unternehmen führen könnten.

Der Anteil der Kleinstunternehmen an den KMU ist in Berlin etwas höher als in anderen deutschen Regionen, was das Problem der mangelnden Investitionen in die Fort- und Weiterbildung zusätzlich verschärft. In Berlin beschäftigen 83 % der KMU weniger als fünf Mitarbeiter*innen, gegenüber 81 % in gesamtdeutschen Schnitt. Insgesamt waren im Jahr 2018 58 % der Berliner Erwerbstätigen in KMU beschäftigt (KfW Research, 2018[10]). Selbst kleine Unterschiede in der Unternehmensgröße von KMU können große Unterschied im Weiterbildungsangebot bewirken. Tabelle 4.2 und Abbildung 4.5 verdeutlichen, dass das Ausbildungsangebot in Kleinstunternehmen im Vergleich zu KMU mit 20 oder mehr Beschäftigten deutlich geringer ausfällt.

Ein weiterer Faktor, der die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in Berlin hemmen könnte, ist die Selbstständigkeit. Der Anteil der Selbstständigen an allen Erwerbstätigen ist in Berlin deutlich höher als in anderen Bundesländern. Abbildung 2.11 zeigt, dass 2019 in Berlin 13,5 % aller Erwerbstätigen selbständig waren – ein deutlich höherer Anteil als in allen anderen Bundesländern. Neben der großen Zahl der Selbstständigen in Berlin machten Solo-Selbstständige 11 % aller Erwerbstätigen aus, was einem Anteil von 74 % aller Selbstständigen entspricht (Senatsverwaltung für Integration, 2019[3]). In Deutschland insgesamt waren im Jahr 2019 54,4 % aller Selbstständigen als Solo-Selbstständige tätig. So ist der Anteil der Solo-Selbständigen an den selbstständig Beschäftigten in Berlin deutlich höher als in anderen deutschen Städten und Regionen.

Solo-Selbstständige nehmen in der Regel nur in sehr geringem Maße an Weiterbildungsmaßnahmen teil, auch im Vergleich zu anderen Selbstständigen. In der gesamten OECD ist die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen von Solo-Selbstständigen im Vergleich zu allen anderen Beschäftigten sehr niedrig. OECD-Analysen verdeutlichen, dass – je nach Alter, Geschlecht und Bildung – nur Erwachsene außerhalb der Erwerbsbevölkerung und Arbeitslose noch seltener an Fort- und Weiterbildungskursen teilnehmen. Im Vergleich zu Arbeitnehmenden ist die Wahrscheinlichkeit, an Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahmen teilzunehmen, bei Solo-Selbstständigen um 11 % geringer. Andererseits ist ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ähnlich hoch wie bei Arbeitnehmenden in Vollzeit (OECD, 2019[11]).

Die geringe Beteiligung von Solo-Selbstständigen an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen erklärt sich zum Teil durch ihre relativ strengen finanziellen und zeitlichen Zwänge. Solo-Selbständige arbeiten oft länger, weil sie mehr Zeit für die Suche nach künftigen Aufträgen benötigen. Die Weiterbildungskosten sind ein weiteres großes Hindernis für die Teilnahme von Solo-Selbstständigen an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Öffentliche Förderprogramme richten sich in der Regel an Arbeitnehmende oder Arbeitslose, so dass sowohl die direkten als auch die indirekten Weiterbildungskosten von den Solo-Selbstständigen selbst getragen werden müssen. Solo-Selbstständige haben in der Regel auch weniger Rechte auf Weiterbildung, da sie nicht gewerkschaftlich organisiert sind (OECD, 2019[11]).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die im internationalen Vergleich niedrige Quote der Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in Berlin und die im nationalen Vergleich sehr niedrigen Werte für berufsbezogene Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen wahrscheinlich auf eine Kombination mehrerer Faktoren zurückzuführen ist. Die größte Herausforderung ist der hohe Anteil an Kleinstunternehmen, Selbstständigen und Solo-Selbständigen. Die Hindernisse, denen sich diese Gruppen gegenübersehen, wenn sie in größerer Zahl an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilnehmen wollen, haben sich durch die COVID-19-Pandemie wahrscheinlich noch verschärft. Die Pandemie hat zusätzlichen finanziellen Druck erzeugt und neue Herausforderungen, wie z. B. die für Unternehmen geltenden Abstandsregeln, nach sich gezogen. Bereits bestehende Trends zur Automatisierung von Produktionsprozessen und der Bedarf an digitalen Kompetenzen haben sich weiter beschleunigt. Es bedarf daher politischer Maßnahmen, um die Fort- und Weiterbildung in Berlin wieder zu beleben. Im nächsten Abschnitt nehmen wir die Berliner Fort- und Weiterbildungslandschaft genauer in den Blick.

Da Fort- und Weiterbildung letztlich den Lernenden zugutekommt, stellt sich die Frage, wann und wie öffentliche Mittel eingesetzt werden sollten, um die Teilnahme an Fort- und Weiterbildung zu erhöhen. Weiterbildung ist wichtig, bereitet sie doch Erwachsene auf ihre künftige berufliche Laufbahn vor und stellt sicher, dass Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben, indem ihren Mitarbeiter*innen Kompetenzen vermittelt werden, die auf Veränderungen in den Produktionsprozessen reagieren. Der Hauptanreiz für Investitionen in die Fort- und Weiterbildung liegt daher bei Einzelpersonen und Unternehmen. Dennoch bestehen für einige Personen und Unternehmen Hindernisse für die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die sich mit richtig ausgerichteten politischen Instrumenten überwinden lassen. Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über die Berliner Fort- und Weiterbildungslandschaft. Er stellt die wichtigsten Akteure in Berlin vor, unterscheidet zwischen verschiedenen Arten von Instrumenten und analysiert, inwieweit sich die von der Bundesregierung und vom Berliner Senat angebotene Leistungen ergänzen.

Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen werden in Deutschland überwiegend von Einzelpersonen und Unternehmen finanziert. Abbildung 4.6 illustriert die Finanzierung der Weiterbildung jenseits der Erstausbildung in Deutschland aus verschiedenen Quellen. Im Jahr 2015 – dem letzten Jahr, für das eine detaillierte Aufschlüsselung der Finanzierung verfügbar ist – waren Privatpersonen und Unternehmen für 38 % bzw. 43 % der Gesamtfinanzierung verantwortlich. Die restlichen 19 % entfielen auf öffentliche Mittel. Die öffentlichen Mittel stammen zu etwa gleichen Anteilen von der BA und direkt vom Bund, den Ländern und Gemeinden. Die BA finanziert sich hauptsächlich aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung.

Die Fort- und Weiterbildungslandschaft in Deutschland ist durch einen hohen Grad an Dezentralisierung gekennzeichnet. Privatpersonen und Unternehmen sind in der Regel diejenigen, die Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen vor allem nutzen und auch Schulungsmaßnahmen durchführen. Im Rahmen der jeweiligen Governance-Struktur sind Unternehmen, Sozial- und Wirtschaftspartner, Anbieter von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen und die Behörden auf Bundes- und Landesebene an der Ausgestaltung von Weiterbildungsangeboten und Lehrplänen beteiligt (OECD, 2021[1]). Einerseits ist ein solches dezentralisiertes System weithin dafür geeignet, dass es auf den regionalen Kontext zugeschnittene Ausbildungsangebote ermöglicht. Andererseits stellt die Koordinierung zwischen verschiedenen Akteuren, die für die effiziente Ausgestaltung eines solchen Systems erforderlich ist, eine große Herausforderung dar.

Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Arten der Fort- und Weiterbildung in Berlin nach ihrer jeweiligen Zielgruppe unterscheiden. Die erste ist die Fort- und Weiterbildung für Arbeitslose in Form von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik (AAMP). Vorrangiges Ziel dieser Maßnahmen ist es, Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren und auf diese Weise sicherzustellen, dass die Qualifikationen der betreffenden Personen den auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Kompetenzen entsprechen und die Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht zu lang werden. Die zweite Art ist die Fort- und Weiterbildung, die Erwerbstätigen zum Ausbau ihrer bereits vorhandenen Kompetenzen angeboten wird. Vorrangiges Ziel solcher Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen ist es, die Arbeitsmarktposition der Teilnehmer zu verbessern und sicherzustellen, dass sie sich an die sich ändernden beruflichen Qualifikationsanforderungen anpassen können. Die dritte Art ist die allgemeine Erwachsenenbildung, die ein breites Spektrum an Bildungs- und Ausbildungsgängen anbietet. Sie steht allen Menschen in der Bevölkerung offen, unabhängig von deren Alter und Beschäftigungsstatus. Ihr Ziel ist nicht in erster Linie arbeitsmarktbezogen.

In der Berliner Fort- und Weiterbildungslandschaft sind je nach Zielgruppe unterschiedliche Akteure für die Fort- und Weiterbildungsberatung sowie für Bildung und Ausbildung zuständig. Ähnlich wie auch in anderen Bundesländern sind verschiedene Akteure in die Beratung und Durchführung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen eingebunden:

  • Die Bundesagentur für Arbeit – Regionaldirektion Berlin-Brandenburg – Die BA ist in Deutschland die öffentliche Arbeitsverwaltung und konzentriert sich in erster Linie auf die Umsetzung von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die sich an Arbeitslose richten. Zu den wichtigsten Dienstleistungen gehören die Vermittlung von Arbeitsplätzen und Berufsausbildungen, die Berufsberatung, die Beratung von Arbeitgebenden, die Unterstützung berufsbezogener Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie die Förderung der Integration von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt. In jüngster Zeit übernimmt die BA auch Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung von Arbeitnehmenden. Die BA hat 10 Regionaldirektionen, wobei die Direktion Berlin-Brandenburg für Berlin zuständig ist.

  • Die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS) – Die SenIAS ergänzt einige Maßnahmen der BA durch zusätzliche Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die sich an bestimmte Gruppen von Beschäftigten und Arbeitslosen richten.

  • Die Jobcenter, die gemeinsam von der BA und der SenIAS verwaltet werden, bieten arbeitslosen Sozialhilfeempfänger*innen („Hartz 4“-Empfänger*innen) Arbeitsmarktberatung und Schulungen an.

  • Die Volkshochschulen (VHS), die von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie (SenBJF) koordiniert werden, bieten allgemeine Erwachsenenbildungsmaßahmen für jede und jeden an, wobei die Kurse in der Regel nicht darauf ausgerichtet sind, die Arbeitsmarktchancen der Teilnehmer*innen zu verbessern.

  • Die Landeszentrale für politische Bildung Berlin (LPBB) ist eine überparteiliche Einrichtung für politische Bildung unter der Aufsicht der SenBJF.

  • Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung (SenGPG) – Die SenGPG bietet Beratung zu berufsbezogenen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen speziell für Frauen an.

  • Unternehmen des privaten Sektors – Unternehmen des privaten Sektors bilden ihre Mitarbeiter*innen nach eigenem Ermessen am Arbeitsplatz aus.

  • Sozialpartner Sozialpartner wie Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände und Wirtschaftspartner wie Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern spielen eine wichtige Rolle bei der Beratung von Gesetzgebungsverfahren auf Landesebene, bei der Ausgestaltung von Regelwerken zur aktiven Arbeitsmarktpolitik und zur formalen beruflichen Fort- und Weiterbildung. Ebenso wirken Sozialpartner bei der Aushandlung von Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, die auch Weiterbildungsangebote betreffen, mit (OECD, 2021[1]).

  • Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und andere Akteure der Sozialwirtschaft – NGOs und andere Akteure der Sozialwirtschaft richten sich an bestimmte gefährdete Bevölkerungsgruppen und bieten Schulungs- und Ausbildungsdienste an, die die gesellschaftliche und arbeitsmarktliche Integration fördern.

Vor Ort werden die von der BA, den Jobcentern und der SenIAS finanzierten berufsbezogenen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie die Weiterbildungsberatung überwiegend von zertifizierten privaten Bildungsträgern durchgeführt. Eine Zertifizierung als Anbieter von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen kann über eine fachkundige Stelle erfolgen, die in der Datenbank der Deutschen Akkreditierungsstelle gelistet ist. Eine Zertifizierung ist für alle von der BA, den Jobcentern und der SenIAS geförderten Maßnahmen erforderlich und gilt in der Regel für drei Jahre. Arbeitgebende, die eine Ausbildung am Arbeitsplatz anbieten, müssen im Allgemeinen nicht zertifiziert sein.

Ein besonderes Merkmal der Berliner Fort- und Weiterbildungslandschaft ist die strikt institutionalisierte Trennung zwischen berufsbezogener Fort- und Weiterbildung und allgemeiner Erwachsenenbildung. Berufsbezogene Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen in Berlin liegen in der gemeinsamen Verantwortung der BA Berlin-Brandenburg und der SenIAS und werden von zertifizierten Weiterbildungsanbietern durchgeführt. Die allgemeine Erwachsenenbildung ist von diesen arbeitsmarktbezogenen Maßnahmen getrennt. Sie wird in erster Linie von den 12 VHS durchgeführt, die Einrichtungen der Berliner Bezirke sind und von diesen in eigener Verantwortung nach dem Berliner Schulgesetz (§ 123) betrieben und ausgestattet werden. Die SenBJF nimmt regulatorische Aufgaben wahr, die für die gesamte Stadt relevant sind. Dazu gehört die regelmäßige Veröffentlichung eines vergleichenden Leistungs- und Qualitätsentwicklungsberichts und der Ausgabe der für die Berliner VHS geltenden Gebühren- und Entgeltordnungen. Die Unabhängigkeit der VHS bedeutet, dass sie bei der Gestaltung ihrer Lehrpläne nahezu freie Hand haben.

Mit der Verabschiedung des neuen Berliner Erwachsenenbildungsgesetzes haben sich die VHS als integraler Bestandteil des Berliner Fort- und Weiterbildungssystems noch fester etabliert. Das Gesetz trat im August 2021 in Kraft. Es leistet drei wichtige Beiträge zur allgemeinen Erwachsenenbildung in Berlin: Erstens bietet es den VHS und der Berliner LPBB Rechtssicherheit. Zweitens können Anbieter von Erwachsenenbildungsmaßnahmen eine offizielle Anerkennung als Anbieter von Erwachsenenbildung beantragen und aufgrund ihres Status‘ auch öffentliche Gelder beantragen. Drittens erhöht sich die Sichtbarkeit der Erwachsenenbildung durch regelmäßige Berichte über die Erwachsenenbildung in Berlin und die Einrichtung eines Erwachsenenbildungsbeirats. Das neue Gesetz wird im Kasten 4.3 ausführlicher beschrieben.

Dieses Gesetz ist zwar positiv für die allgemeine Erwachsenenbildung, unterstreicht aber auch die deutliche Trennung zwischen allgemeiner Erwachsenenbildung und arbeitsmarktspezifischer Weiterbildung in Berlin. So gehört dem Beirat, wie aus Kasten 4.3 hervorgeht, nur ein Mitglied an, das von der Industrie- und Handelskammer, der Berliner Handwerkskammer oder der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg gemeinsam benannt wird. Abgesehen davon ist die Mitgliedschaft stark auf die Vertretung vulnerabler Minderheitengruppen ausgerichtet. Eine Verbindung zum Berliner Arbeitsmarkt und zur lokalen Wirtschaft im weiteren Sinne fehlt fast vollständig. Andere Städte im OECD-Raum, wie etwa London, unterscheiden nicht so strikt zwischen politischer Bildung und berufsbezogener Aus- und Weiterbildung, sondern erkennen vielmehr an, dass wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele miteinander verflochten sind. Kasten 4.4 beschreibt den Ansatz Londons zur Erwachsenenbildung ausführlicher.

Es lassen sich vier politische Instrumente zur Förderung der Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen unterscheiden: Fort- und Weiterbildungsberatung, finanzielle Anreize für Einzelpersonen, Bildungs- und Ausbildungsurlaub und finanzielle Anreize für Unternehmen. Die allgemeine Idee aller Maßnahmen besteht darin, die Teilnahmequote an Fort- und Weiterbildungsmaßnehmen von Personen zu steigern, für die der (langfristige) Nutzen von Bildung und Ausbildung größer ist als die direkten oder indirekten (kurzfristigen) Kosten. Je nachdem, welches Hindernis der einzelnen Person eine Teilnahme an solchen Maßnahmen erschwert, können unterschiedliche Instrumente eingesetzt werden. Die Fort- und Weiterbildungsberatung wird genutzt, um für Fort- und Weiterbildungsangebote zu sensibilisieren und mehr Personen teilnehmen zu lassen, die entweder nicht von bestehenden Angeboten wussten oder nicht in der Lage waren, sich selbständig in diesen Angeboten zurechtzufinden. Bildungsurlaub verbessert die Bedingungen für die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, indem er arbeitsbedingte zeitliche Zwänge aufhebt, die einer Teilnahme im Wege stehen. Finanzielle Anreize lockern die finanziellen Zwänge von Einzelpersonen oder Unternehmen oder schaffen Anreize für die Teilnahme von Personen, die sich der Vorteile solcher Maßnahmen möglicherweise gar nicht bewusst sind.

In Berlin gibt es zahlreiche Anbieter im Bereich der Fort- und Weiterbildungsberatung. Tabelle 4.2 gibt einen Überblick über die verschiedenen Angebote im Bereich der Weiterbildungsberatung in Berlin, geordnet nach den beteiligten Akteuren und ihren jeweiligen Zielgruppen. Die wichtigsten Beratungsanbieter sind die SenIAS mit ihrem Netzwerk Berliner Beratung zu Bildung und Beruf (BBB) und die Lebensbegleitende Berufsberatung im Erwerbsleben (LBBiE) der BA. Es gibt kleinere Beratungsangebote, die zum Teil das bestehende Angebot der großen Anbieter ergänzen (IQ-Netzwerk, Grundbildungszentrum Berlin) und zum Teil aus historischen Gründen bestehen (Berufsperspektiven für Frauen). Angebote im Bereich der Fort- und Weiterbildungsberatung an den Berliner VHS gibt es ebenfalls, allerdings derzeit nur in begrenztem Umfang, worauf in Abschnitt 4.2 näher eingegangen wird. Die BA und die Jobcenter bieten zudem Fort- und Weiterbildungsberatung speziell für Arbeitslose an.

Die Fort- und Weiterbildungsberatung der BA steht allen Menschen offen, während die SenIAS sich darüber hinaus eigens an bestimmte Bevölkerungsgruppen richtet. Die SenIAS betreibt ein Netz von Beratungsstellen. Dieses Netz besteht aus sieben Berufsberatungszentren, die allen Personen offenstehen, sowie drei weiteren spezialisierten Zentren. Die spezialisierten Zentren richten sich an Personen, die eine berufliche Höherqualifizierung anstreben (Fachberatung berufliche Qualifizierung), an KMU (Qualifizierungsberatung in KMU), an Migrant*innen, die eine Sprachausbildung wünschen (Erfolg mit Sprache und Abschluss) und an Geflüchtete, die eine allgemeine Berufsberatung benötigen (Mobile Beratung zu Bildung und Beruf für geflüchtete Menschen; MoBiBe). Geografisch sind die Beratungsstellen gleichmäßig über die Berliner Bezirke verteilt (OECD, 2022[15]).

Alle Zentren bieten ein breites Spektrum an Fort- und Weiterbildungsberatung an, wobei es teilweise zu Überschneidungen zwischen den Angeboten der SenIAS und der BA kommt. Diese Angebote umfassen Beratung zu formaler Bildung und Ausbildung, beruflicher (Neu-)Orientierung, Verfassen von Lebensläufen, Zugang zu Beschäftigung, Karriereentwicklung, Bewerbungsverfahren, berufsbegleitender Fort- und Weiterbildung, Lernstrategien und Finanzierungsquellen für Fort- und Weiterbildung. Zu den zusätzlichen internen Dienstleistungen gehören visuelle Darstellung von Fähigkeiten (Skills Mapping) und formaler Bildung, die Bereitstellung eines Computers, um das Durchsuchen von Online-Datenbanken zu erleichtern, und die Unterstützung bei administrativen Schritten im Rahmen von Bewerbungen um Arbeitsplätze und die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen (OECD, 2022[15]). Obwohl sowohl die SenIAS als auch die BA umfassende Fort- und Weiterbildungsberatungsangebote bieten, ist es nicht immer einfach, sich in verschiedenen, teils sehr ähnlichen Angebote zurechtzufinden, und könnte einige Personen möglicherweise abschrecken.

Eine Übersicht über die Erwachsenenbildungs- und Weiterbildungsangebote ist online über nationale Datenbanken wie Kursnet verfügbar. Kursnet ist die zentrale bundesweite Online-Plattform der BA, die als Suchmaschine für Fort- und Weiterbildungsangebote dient. Weitere bundesweite Online-Tools der BA sind Karriere und Weiterbildung, Erkundungstool Check-U, Berufsentwicklungsnavigator, berufe.tv, berufsfeld-info.de, Typisch ich und Lernbörse. Verschiedene Websites richten sich an unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, etwa an junge Menschen, an Personen, die sich für eine Berufsausbildung oder bestimmte Berufe interessieren, an Arbeitnehmende, die sich weiterbilden möchten, sowie an die breite Öffentlichkeit (OECD, 2021[1]).

Die SenIAS betreibt zudem die Berliner Weiterbildungsdatenbank (WDB). Die Datenbank enthält rund 40.000 Einträge von etwa 1.100 Anbietern von Weiterbildungsmaßnahmen. Sie wird täglich aktualisiert. Die Benutzeroberfläche ist leicht zu bedienen und erfordert von den Nutzer*innen lediglich die Eingabe einer Postleitzahl und des Bereichs, in dem eine Fort- oder Weiterbildung angestrebt wird. Die Nutzer*innen können außerdem den geografischen Suchradius eingrenzen, um sich Angebote in ihrer Nähe anzeigen zu lassen. Der Schwerpunkt der WDB liegt zwar auf Kursen zur beruflichen Weiterbildung, sie umfasst jedoch auch eine breite Palette von Kursen, die von den VHS zu Themen in den Bereichen Zivilgesellschaft, Politik und Kultur angeboten werden. Es besteht eine Kooperation zwischen der WDB und Weiterbildung Brandenburg, einer vergleichbaren, allerdings auf Brandenburg zugeschnittenen Datenbank. Im Hauptsuchportal der WDB werden die Angebote beider Datenbanken angezeigt. Die WDB bietet für jeden Kurs in der Datenbank auch generische Links zu allgemeinen Finanzierungsmöglichkeiten für Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Um diese Finanzierungsinstrumente jedoch umfangreicher nutzen zu können, besteht auch die Möglichkeit, die angezeigten Finanzierungsmöglichkeiten genauer auf die individuellen Bedürfnisse zuzuschneiden und sich Links zu den erforderlichen Dokumenten einblenden zu lassen.

Die WDB bietet zudem weitere integrierte Dienstleistungen für Unternehmen und Anbieter von Weiterbildung an. Unternehmen können die interaktiven Tools der WDB nutzen, um den Qualifizierungsbedarf in der eigenen Firma zu analysieren. Darüber hinaus können sie Anfragen an Anbieter von Weiterbildung senden, um passende Angebote einzuholen. Informationen über Fördermöglichkeiten für Fort- und Weiterbildungsangebote für Unternehmen sind ebenfalls der WDB zu entnehmen. Die Rückmeldungen der Sozialpartner, die von der OECD für die Zwecke dieses Berichts eingeholt wurden, haben allerdings auch deutlich gemacht, dass Arbeitgebende oft Schwierigkeiten damit haben, sich in der WDB zurechtzufinden. Künftige Aktualisierungen der Datenbank könnten auf der Homepage der WDB Informationen speziell für Arbeitgebende bieten. Anbieter von Weiterbildung nutzen die Plattform vor allem, um dort ihre Angebote zu veröffentlichen, die sie dann auch in andere Weiterbildungsdatenbanken wie das bundesweite Kursnet einstellen können.

Finanzielle Anreize für Einzelpersonen können unterschiedliche Formen annehmen, zielen aber zumeist darauf ab, finanzielle Beschränkungen aufzuheben, die einer Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Wege stehen. Die wichtigsten Formen finanzieller Anreize für Einzelpersonen sind Bildungsbeihilfen, zinsgünstige Darlehen, Weiterbildungsprämien, Stipendien, Weiterbildungszuschüsse, steuerliche Anreize und Bildungsgutscheine (OECD, 2021[1]).

Im Jahr 2020 bot die Bundesregierung 10 solcher finanzieller Anreizmechanismen an. Die verschiedenen von der Bundesregierung finanzierten Programme sind in Tabelle 4.3 zusammengefasst. Auf höchster Ebene lassen sich diese nach der Art des politischen Instruments, der jeweiligen Zielgruppe und dem Umfang der Maßnahme unterscheiden. Die Zielgruppen sind häufig eng definiert, und die Förderfähigkeit hängt von mehreren sozioökonomischen Merkmalen wie Bildungsstand, Alter, Beschäftigungsstatus und Einkommen ab. Der Anwendungsbereich der jeweiligen Maßnahme bezieht sich auf die Art der Ausbildung, die das Programm unterstützt.

Dank dem breiten Spektrum der finanziellen Anreizinstrumente lassen sich bestimmte Bevölkerungssegmente gezielt ansprechen, was jedoch das Risiko birgt, dass die Angebote nur eingeschränkt genutzt werden. Das erste potenzielle Problem besteht darin, dass es für den Einzelnen schwierig sein kann, sich in den verschiedenen Angeboten zurechtzufinden, und dass damit wahrscheinlich nicht alle verschiedenen Förderoptionen bekannt werden. Das zweite Risiko ergibt sich aus den eng definierten Zielgruppen und der Art der Fort- und Weiterbildung. Ohne übergreifenden Rahmen kann eine derart gezielte Ausrichtung dazu führen, dass einige Personen „durch das Raster fallen“. So wird etwa in früheren OECD-Arbeiten festgestellt, dass Personen, die bemerken, dass ihre Fähigkeiten und Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt an Bedeutung verlieren, keine Möglichkeiten haben, ihre Kompetenzen auf eigene Initiative zu verbessern, sondern dabei auf staatliche Maßnahmen angewiesen sind, die sich an Arbeitgebende richten (OECD, 2021[1]). Kasten 4.6 beschreibt die beiden neuen Gesetze, die diese finanziellen Förderoptionen für Arbeitgebende regeln, ausführlich: das Qualifizierungschancengesetz und das Arbeit-von-morgen-Gesetz.

Die Bundesländer ergänzen diese finanziellen Anreize je nach regionalem Bedarf, Berlin hatte vor Beginn der COVID-19-Pandemie jedoch keine zusätzlichen finanziellen Anreize für Einzelpersonen im Angebot. Im Jahr 2019 boten 10 von 16 Bundesländern zusätzliche Gutscheine, über die direkte Kosten beruflicher Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gedeckt werden konnten. Die Zielgruppe dieser zusätzlichen Angebote waren vor allem Personen mit niedrigem Bildungsstand und geringem Einkommen sowie Arbeitnehmende und Eigentümer*innen von Klein- und Kleinstunternehmen (OECD, 2021[1]). Einige Maßnahmen zielen jedoch auch auf die Ausbildung spezifischer Kompetenzen ab. Ein Beispiel ist der „Bayerische Bildungsscheck“, ein Programm, das bis Juli 2021 lief. Es wurde vom Europäischen Sozialfonds gefördert und zahlte 500 EUR an Arbeitnehmende, die ihre digitalen Kompetenzen in Schulungskursen von mindestens 8 Stunden Dauer ausbauen wollten (Bayerisches Staatsministeriums für Familie, 2021[16]). Zusätzlich zu den Bildungsgutscheinen boten 8 von 16 Bundesländern 2019 Weiterbildungsprämien für formale berufliche Weiterqualifizierungsmaßnahmen an (OECD, 2021[1]).

Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie führte die Berliner SenIAS eine Weiterbildungsprämie für Arbeitnehmende ein, die während der Pandemie ihre Arbeitszeit reduzieren mussten. Wie andere OECD-Länder hat auch Deutschland ein System zur Erhaltung von Arbeitsplätzen in Form von Kurzarbeit eingeführt, um die Beschäftigungsverluste infolge der COVID-19-Pandemie einzudämmen. Seit März 2020 können Unternehmen finanzielle Unterstützung beim Bund beantragen, wenn 10 % ihrer Belegschaft von Arbeitszeitverkürzungen betroffen sind. Die öffentlichen Arbeitsämter erstatten den Arbeitgebenden die Kosten für diese Arbeitszeitverkürzungen, während die Beschäftigten für nicht geleistete Stunden auch weiterhin einen Teil ihres Gehalts erhalten (OECD, 2021[17]). Um die Inanspruchnahme von Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen durch die betroffenen Beschäftigten zu fördern, hat die SenIAS eine zusätzliche Prämie eingeführt. Beschäftigte in Kurzarbeit erhalten monatlich 250 Euro, wenn sie an jedem Tag des Monats an Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahme teilnehmen. Längere oder kürzere Ausbildungskurse werden proportional zu diesem Wert gefördert. Förderfähig sind nur Kurse, die von der BA Berlin-Brandenburg angeboten werden (Senatsverwaltung für Integration Arbeit und Soziales, 2021[18]).

Aufgrund des hohen Anteils an Solo-Selbstständigen in Berlin im Vergleich zu anderen deutschen Regionen und Städten bilden diese eine natürliche Zielgruppe für Initiativen auf kommunaler Ebene. Wie oben bereits ausgeführt, sind sowohl der Anteil der Selbständigen an der Gesamtbeschäftigung als auch der Anteil der Solo-Selbständigen an den Selbständigen in Berlin höher als in anderen deutschen Städten und Regionen. Im OECD-Raum wird die Fort- und Weiterbildung von Solo-Selbstständigen durch fünf Hauptinstrumente gefördert: Steuerabzüge, Subventionen, finanzielle Anreize, Lohnersatzsysteme und Arbeitslosenversicherungspläne (OECD, 2019[11]). Kasten 4.5 liefert ein Beispiel aus Wien, Österreich, wo für einige Solo-Selbständige Ausbildungsmaßnahmen finanziert werden.

Das Bildungsurlaubsgesetz in Berlin bietet im Vergleich zu anderen Bundesländern großzügige Bestimmungen. Die Bildungsurlaubsgesetze fallen in den Zuständigkeitsbereich der Bundesländer und ermöglichen es Beschäftigten, sich für Bildungszwecke von ihrer Arbeit freistellen zu lassen. Bis auf zwei Bundesländer verfügen alle Bundesländer in Deutschland über solche Bildungsurlaubsgesetze. Tabelle 4.4 macht deutlich, wie großzügig die Maßnahmen in den einzelnen Bundesländern sind. Die meisten Bundesländer bieten ihren Beschäftigten fünf Tage Bildungsurlaub pro Jahr. Das Berliner Modell, das alle zwei Jahre 10 Tage anbietet, ermöglicht im Vergleich zum herkömmlichen Modell eine gewisse Flexibilität. Das Gesetz sieht vor, dass Bildungsurlaub für berufliche Weiterbildung und politische Bildung gewährt wird. Politische Bildung wird dabei weit gefasst und umfasst die allgemeine Erwachsenenbildung zu breiteren gesellschaftlichen Themen.

Bildungsurlaub wird in Berlin nach wie vor relativ wenig genutzt, allerdings ließ sich im Verlauf des letzten Jahrzehnts bereits ein leichter Aufwärtstrend beobachten. Im Jahr 2018, dem letzten Jahr, für das vollständige Daten vorliegen, nahmen 16.520 Beschäftigte in Berlin Bildungsurlaub. Dies entspricht ca. 1 % der zugrunde liegenden förderfähigen Bevölkerung. In absoluten Zahlen hat sich die Zahl der Personen, die Bildungsurlaub nehmen, damit im Vergleich zum Jahr 2010, als 9.834 Personen diese Möglichkeit in Anspruch nahmen, deutlich erhöht. Da die Zahl der Erwerbspersonen im selben Zeitraum jedoch ebenfalls gestiegen ist, fiel der Zuwachs bei der relativen Anzahl der Teilnehmer nur geringfügig aus (Abbildung 4.7).

Die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmenden, die Bildungsurlaub nahmen, wollten sich damit beruflich weiterbilden. Im Jahr 2018 nahmen 85 % der Personen, die Bildungsurlaub in Anspruch nahmen, an einer berufsbezogenen Weiterbildung teil. Etwa 10 % der Befragten nahmen sich eine Auszeit von ihrer Arbeit, um Kurse zur politischen Bildung zu besuchen. Weitere 5 % der Personen, die Bildungsurlaub nahmen, entschieden sich für eine Kombination aus beiden Arten der Fort- und Weiterbildung.

Frauen nehmen in Berlin häufiger Bildungsurlaub als Männer. Die in Abbildung 4.7 aufgeführten Daten lassen sich weiter nach Geschlecht und Bildungsstand aufschlüsseln. Im Jahr 2018 waren 57 % der Personen, die Bildungsurlaub in Anspruch nahmen, weiblich, womit sich ein historischer Trend fortsetzt. Seit 1991 kommen Frauen in jedem der gemeldeten Jahre auf mehr als 50 % der Personen, die Bildungsurlaub nahmen.

Personen ohne Berufsabschluss bilden nur einen verschwindend geringen Anteil der Personen, die Bildungsurlaub nehmen. Nur 7 % der Arbeitnehmenden, die zu Bildungszwecken von der Arbeit freigestellt wurden, verfügten nicht über einen beruflichen Abschluss. Die Daten der EU-AKE machen deutlich, dass der Anteil der Berliner Erwerbspersonen ohne Berufsabschluss (ein Bildungsstand unterhalb von Sekundarstufe II) bei den 25- bis 64-Jährigen im Jahr 2018 bei 12,9 % lag. Personen mit niedrigem Bildungsstand sind damit unter denjenigen, die Bildungsurlaub in Anspruch nehmen, unterrepräsentiert, obwohl sie eigentlich zu den Gruppen gehören, die am meisten von einer zusätzlichen Aus- oder Weiterbildung profitieren sollten.

Berliner Unternehmen unterstreichen, wie wichtig finanzielle Anreize für den Ausbau ihres Weiterbildungsangebots sind. Abbildung 4.8 zeigt, dass 73 % der von der IHK befragten Berliner Unternehmen finanzielle Unterstützung als sinnvollste Form der Förderung für den Ausbau der betrieblichen Fort- und Weiterbildung angeben. 52 % der Unternehmen geben an, dass eine höhere Flexibilität bei der finanziellen Unterstützung durch die Regierung nützlich wäre. Zugang zu Informationen über Fort- und Weiterbildungsangebote und Unterstützung bei der Planung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sind weitere Gründe, die von 30 % bzw. 29 % der befragten Unternehmen angegeben werden.

Die Bundesregierung bietet großzügige finanzielle Anreize für mehr Weiterbildung in kleinen Unternehmen. Die Bundesregierung hat unlängst zwei neue Gesetze verabschiedet, das Qualifizierungschancengesetz und das Arbeit-von-morgen-Gesetz, die Unternehmen in ihren Bemühungen, ihren Beschäftigten Weiterbildungsmaßnahmen anzubieten, unterstützen. Die Höhe des Zuschusses hängt von mehreren Parametern ab, wie z. B. der Größe des Unternehmens, dem Anteil der Arbeitnehmenden im Unternehmen, die eine Weiterbildung benötigen, der Art der angebotenen Fort- und Weiterbildung sowie dem Bildungsstand und der Berufserfahrung der Teilnehmer*innen. Sehr kleine Unternehmen können bis zu 100 % der ihnen entstandenen direkten und indirekten Kosten erstattet bekommen. In Kasten 4.6 werden diese Gesetze ausführlicher beschrieben.

Im Gegensatz zu anderen Bundesländern bietet Berlin den Unternehmen keine zusätzlichen finanziellen Anreize zur Verbesserung der Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen. In Deutschland ergänzen 13 von 16 Bundesländern die vom Bund bereitgestellten Instrumente (OECD, 2021[1]). Einige dieser Maßnahmen sind älter als die neuen, im Qualifizierungschancengesetz und im Arbeit-von-morgen-Gesetz vorgesehenen Instrumente und dürften daher auslaufen. Einige dieser ergänzenden Initiativen schließen jedoch wichtige Lücken: So unterstützen die Bundesländer in der Regel Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen ohne Untergrenze bezüglich der Dauer der Maßnahme. Die Maßnahmen, die im Rahmen des bundesweiten Qualifizierungschancengesetzes und des Arbeit-von-morgen-Gesetzes finanziert werden, wo die Mindestkursdauer drei Wochen beträgt, um für eine Finanzierung in Frage zu kommen, erhalten auf diese Weise zusätzliche Flexibilität. Maßnahmen auf Landesebene werden häufig aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) kofinanziert (OECD, 2021[1]).

Die ersten Daten für ganz Deutschland zeigen jedoch, dass diese neuen Maßnahmen nach wie vor nur in geringem Umfang in Anspruch genommen werden, insbesondere von den kleinsten KMU. Eine Befragung der BA vom Oktober/November 2020 ergab, dass nur jedes zehnte deutsche Unternehmen die neuen Finanzierungsinstrumente zur Förderung der Fort- und Weiterbildung nutzt. Von den befragten Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeiter*innen beschäftigen, kannten nur 26 % die neuen Instrumente, gegenüber 67 % der Unternehmen, die mehr als 250 Mitarbeiter*innen beschäftigen. Nur 6 % der kleinsten Unternehmen hatten die finanziellen Fördermaßnahmen bereits in Anspruch genommen, während es bei den großen Unternehmen 35 % waren. Unternehmen, die zwischen 11 und 250 Mitarbeiter beschäftigen, liegen bei beiden Kennzahlen zwischen diesen Extremen (Institute for Employment Research, 2021[20]).

Von Arbeitgeberseite wurden fünf Gründe für die geringe Inanspruchnahme der finanziellen Förderung zur Erhöhung des Weiterbildungsangebots angegeben. 53 Prozent der deutschen Unternehmen, die die finanziellen Fördermöglichkeiten der Weiterbildung kannten, aber nicht in Anspruch nahmen, gaben an, keine geeigneten Fort- und Weiterbildungsangebote für ihre Beschäftigten gefunden zu haben. 37 % der Befragten gaben an, dass der Verwaltungsaufwand zu hoch sei, 34 % lehnten eine Zusammenarbeit mit der BA ab, 30 % der befragten Unternehmen gaben an, dass ihre Mitarbeiter nicht an Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen interessiert seien, und 27 % gaben an, dass die vorgeschriebene Mindestdauer, um finanzielle Förderung zu erhalten, zu lang sei (Institute for Employment Research, 2021[20]). Zusammengenommen scheinen mangelndes Wissen vor allem bei kleineren Arbeitgebenden und der Mangel an (personellen) Ressourcen, um sich in den Angeboten zurechtzufinden, die größten Hindernisse zu sein, die einer Inanspruchnahme der Angebote im Weg stehen.

Obwohl die finanziellen Fördermaßnahmen nur in geringem Umfang genutzt werden, legen Berliner Arbeitgebende auch weiterhin Wert auf Fort- und Weiterbildung und melden einen steigenden Bedarf am Ausbau digitaler Kompetenzen. Abbildung 4.9 zeigt, dass die Bedeutung der Weiterbildung für die Arbeitgebenden insgesamt in etwa konstant geblieben ist. Einige Weiterbildungsinhalte haben bei den Arbeitgebenden allerdings an Bedeutung gewonnen, während die Entwicklung einiger anderer Fähigkeiten inzwischen weniger relevant ist. So ist beispielsweise der Anteil der Arbeitgebenden, die digitale Kompetenzen und die Fähigkeit zur Anpassung an die Digitalisierung angeben, zwischen 2016 (2017) und 2019 um 16 bzw. 13 Prozentpunkte gestiegen. Auf der anderen Seite ist der Anteil der Arbeitgebenden, die unternehmensspezifische Kenntnisse als besonders wichtiges Fort- und Weiterbildungsthema nennen, im selben Zeitraum um 16 Prozentpunkte zurückgegangen. Die Werte für die Entwicklung anderer Kompetenzen, wie Projektmanagement und Fremdsprachenkenntnisse, sind konstant geblieben. Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass Berliner Arbeitgebende die zunehmende Bedeutung von Qualifikationen anerkennen, die es den Beschäftigten ermöglichen, sich an einen sich verändernden Arbeitsmarkt anzupassen.

Um die Berliner KMU in die lokale Kompetenzentwicklung einzubeziehen, sind innovative Lösungen erforderlich. Die Analyse in diesem Kapitel legt nahe, dass finanzielle Förderung zwar wichtig ist, allein aber oft nicht ausreicht, um das Bildungs- und Ausbildungsangebot in KMU auszubauen. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Qualifikationen der Beschäftigten in den KMU im Einklang mit den strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt aktualisiert und verbessert werden müssen. Andere Städte im OECD-Raum sehen daher inzwischen allmählich die Notwendigkeit, über finanzielle Anreize hinauszugehen. Die Stadt Vantaa, Finnland, sucht inzwischen beispielsweise proaktiv den Kontakt mit den KMU. Die Ausbildungsprogramme werden dann gemeinsam mit den KMU entwickelt. In Kasten 4.7 wird der von der Stadt Vantaa verfolgte Ansatz ausführlicher beschrieben.

Als Reaktion auf die knappen Ressourcen von KMU entstehen in Berlin in letzter Zeit sogenannte Weiterbildungsverbünde. Die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) im Rahmen der Nationalen Weiterbildungsstrategie (NWS) 2021 initiierten Arbeitgebernetzwerke Weiterbildung verfolgen das Ziel, lokale Unternehmen, Akteure der Weiterbildungslandschaft sowie regionale Arbeitsmarktakteure zusammenzubringen. Sie zielen darauf ab, gemeinsame Ausbildungsmaßnahmen zu entwickeln und zu organisieren, die sich ressourcenschonend über Unternehmensgrenzen hinweg umsetzen lassen. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem der Austausch zwischen den Partnern eines Netzwerks, die Identifizierung von Weiterbildungsbedarfen in den beteiligten Unternehmen sowie die Beratung zu und Recherche nach geeigneten Weiterbildungsangeboten. Vier solcher Arbeitgebernetzwerke in Berlin erhalten bereits eine erste Förderung vom BMAS. Tabelle 4.5 stellt die Netzwerke im Überblick dar. Die Finanzierung deckt bis zu 70 % der Kosten, die diesen Netzen entstehen, bis zu einem Höchstbetrag von 1 Mio. EUR für 36 Monate (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2021[22]).

Zwei dieser Weiterbildungsnetzwerke für Arbeitgebende konzentrieren sich ausdrücklich auf die Entwicklung von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, die digitalen Kompetenzen verbessern und neu entstehende Qualifikationsbedarfe im Zusammenhang mit der Automatisierung von Produktionsprozessen berücksichtigen sollen. Sowohl das Netzwerk Großbeerenstraße als auch das R-Learning Kollektiv planen, ihren Schwerpunkt auf die Entwicklung von Kursen zu legen, die ihren Mitglieder*innen helfen, die digitalen Kompetenzen ihrer Mitarbeiter*innen zu verbessern.

Der Erfolg der Arbeitgebernetzwerke für Fort- und Weiterbildung wird davon abhängen, wie gut es ihnen gelingt, KMU einzubinden, die ihren Beschäftigten bisher keine Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen angeboten haben. Zu diesem Zweck könnte die Stadt Berlin die Teilnahme von Kleinstunternehmen an den Netzwerken fördern. Die SenIAS könnte die Entwicklungen in Netzwerken wie dem Netzwerk Großbeerenstraße, für das sie als Partner fungiert, genau verfolgen. Zur Weiterentwicklung der Netzwerke über den ersten Förderzeitraum hinaus könnte die Stadt Berlin die Vorschläge der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) aufgreifen. Die BDA schlägt vor, große Unternehmen in solche Netzwerke einzubinden. Diese könnten ihre Ausbildungskurse und Werkstätten außerhalb der regulären Betriebszeiten öffnen und mit ihrem Fachwissen Fortbildungen zu neuen Maschinen und Technologien für Mitarbeiter*innen von KMU anbieten (Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, 2021[23]). Langfristig könnte die SenIAS die Koordination dieser Bemühungen übernehmen.

Gemessen an der Zahl der angebotenen Unterrichtsstunden pro Kopf hat Berlin eines der bundesweit stärksten VHS-Systeme. Abbildung 4.10 zeigt die Anzahl der VHS-Kurse pro 1.000 Einwohner*innen in Berlin (Bild A) und die in der Berliner VHS angebotenen Bildungs- und Ausbildungsstunden pro 1.000 Einwohner*innen (Bild B) im Jahr 2019. Während die Zahl der angebotenen VHS-Kurse im Bundesländervergleich im Mittelfeld liegt, kommt das Berliner VHS-Angebot mit 243 Stunden Bildung und Ausbildung pro 1.000 Einwohner*innen nach Niedersachsen und Baden-Württemberg mit 282 bzw. 262 Stunden pro 1.000 Einwohner*innen auf Platz 3. Beide Kennzahlen zusammengenommen deuten darauf hin, dass die VHS in Berlin gegenüber anderen Bundesländern vor allem Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen von relativ längerer Dauer anbieten.

Ein auffälliges Merkmal des Fort- und Weiterbildungsangebots der VHS in Berlin ist die große Anzahl an Sprachkursen Abbildung 4.11 zeigt, dass die Erklärung für die relativ lange Dauer der Kurse an der Berliner VHS in dem relativ großen Anteil von Sprachkursen am gesamten Kursangebot zu suchen ist. Im Jahr 2019 waren 50,4 % der Kurse an den Berliner VHS Sprachkurse, gegenüber 32,3 % im Durchschnitt aller Bundesländer. Sprachkurse erfordern relativ mehr Unterrichtsstunden als Kurse zu anderen häufig vermittelten Themen wie Gesundheit oder Kultur. Kurse zu Gesundheit und Kultur kamen auf 18,1 % bzw. 16,3 % des gesamten Kursangebots in Berlin im Jahr 2019, gegenüber 34,7 % bzw. 15,9 % für Deutschland insgesamt. Im selben Jahr betrug der Anteil der berufsbezogenen Ausbildungsmaßnahmen in den Bereichen IT und Management an der Gesamtzahl der Kurse in Berlin nur 9,2 % (Deutschland insgesamt: 8,1 %).

Die meisten dieser von den VHS angebotenen Sprachkurse sind Deutschkurse. Zwar gibt es keine Daten speziell für Berlin, aber 68 % der von den VHS in Deutschland insgesamt angebotenen Sprachkurse im Jahr 2019 waren Deutschkurse. Davon wurden 53 % im Rahmen von Integrationskursen angeboten, die vom Bundesamt für Migration und Geflüchtete finanziert werden. Diese Integrationskurse sind für Migrant*innen, die keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache haben, bisweilen obligatorisch. Sowohl die Jobcenter (falls Migrant*innen Sozialhilfe erhalten) als auch das Landesamt für Einwanderung können Migrant*innen zur Teilnahme an diesen Kursen verpflichten.

Während jedoch viele Migrant*innen die Deutschkurse der VHS zur Integration in die deutsche Gesellschaft nutzen, bieten die VHS in Berlin derzeit keine Beratung zur Integration in den Arbeitsmarkt an. Eine der auffälligen Beobachtungen in Abbildung 4.12 ist die von den VHS in Hessen angebotene Arbeitsmarktberatung im Vergleich zu anderen deutschen Bundesländern, wobei Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt überhaupt keine Arbeitsmarktberatung anbieten. Auch in anderen Bundesländern existieren solche Angebote in den VHS, wenn auch in begrenztem Umfang. Besonders erwähnenswert ist, dass in Hessen mehr als 35.000 Menschen in den VHS eine Arbeitsmarktberatung erhielten. Finanziert werden diese Beratungsleistungen in Hessen unter anderem aus dem Hessischen Weiterbildungspakt, einer Initiative des Landes Hessen zur Stärkung des Fort- und Weiterbildungssystems. Die VHS in Frankfurt am Main, Wiesbaden und Groß-Gerau haben auf der Grundlage bestehender Projekte einen Best-Practice-Leitfaden zu Fort- und Weiterbildung und Berufsorientierung entwickelt. Ein Beispiel für die Arbeitsmarktberatung für Migrant*innen wird im Kasten 4.8 ausführlicher beschrieben.

Es gibt zwei Hauptgründe, warum Berlin in seinen VHS keine arbeitsmarktbezogene Beratung anbietet. Erstens wird in Berlin strikt zwischen allgemeiner Erwachsenenbildung und arbeitsmarktbezogener Bildung und Ausbildung unterschieden, die jeweils in die Zuständigkeit verschiedener Ministerien fallen. Zweitens gibt es in der Weiterbildungsberatungslandschaft in Berlin, wie aus Tabelle 4.2 hervorgeht, bereits zahlreiche und weit gestreute Anbieter.

Die Initiative MoBiBe („Mobile Bildungsberatung für Geflüchtete“) hat damit begonnen, diese Lücke zu schließen, indem sie neu angekommene Geflüchtete an strategischen Orten anspricht. MoBiBe wurde 2015 von der SenIAS als Reaktion auf die Ankunft zahlreicher Asylbewerber*innen initiiert und positioniert seine mobilen Einheiten strategisch in der Nähe von Einrichtungen, die Geflüchtete aufnehmen oder unterrichten, darunter auch die VHS. Um mehr Menschen auf die mobilen Einheiten aufmerksam zu machen, stellen MoBiBe-Mitarbeiter*innen ihr Beratungsangebot auch in Deutschkursen vor (Senatsverwaltung für Integration, 2015[26]).

Die Aktivitäten der MoBiBe sind zwar vielversprechend, aber noch relativ begrenzt und könnten ausgeweitet werden, um alle Migrant*innen einzubeziehen. Insgesamt führte MoBiBe im Jahr 2019 8.447 Beratungsgespräche durch, wobei 5.552 Personen beraten wurden. Im Vergleich dazu erreichte die Arbeitsmarktberatung der VHS in Hessen im selben Jahr 35.077 Personen (Abbildung 4.12). Die Gesamtbevölkerung Hessens lag 2019 bei 6,3 Millionen, Berlin kam auf 3,6 Millionen Einwohner*innen. Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund liegt in beiden Bundesländern auf einem ähnlichen Niveau (Berlin: 33,1 % im Jahr 2019; Hessen: 34,4 % im Jahr 2019). Obwohl MoBiBe generell auch für andere Migrant*innengruppen offen ist, richtet sich das Beratungsangebot derzeit hauptsächlich an Geflüchtete. Dies spiegelt sich in den Herkunftsländern der Personen wider, die die Beratungsangebote wahrnehmen. Im Jahr 2019 waren die meisten der beratenen Personen Syrer (20,4 %), Iraner (12,4 %) und Afghanen (9,6 %) (Senatsverwaltung für Integration Arbeit und Soziales, 2020[27]). Eine natürliche Option zur Ausweitung der vielversprechenden Arbeit von MoBiBe ist die Ausweitung auf Menschen mit Migrationshintergrund, die nicht erst in letzter Zeit als Geflüchtete nach Deutschland gekommen sind.

In Berlin gibt es eine aktive Sozialwirtschaft, die Maßnahmen der Weiterbildung der Arbeitsämter sowie der Bundes- und der Landesregierung unterstützt und ergänzt. Die OECD definiert die Sozialwirtschaft als Gesamtheit der Organisationen und Vereinigungen, die von „Werten wie Solidarität und dem Vorrang der Menschen vor dem Kapital sowie demokratischen und partizipativen Prinzipien“ geleitet werden (OECD, 2021[28]). Erfahrungen aus der gesamten OECD zeigen, dass sozialwirtschaftliche Initiativen die lokalen Entwicklungsansätze nationaler, regionaler und lokaler Regierungen verstärken können (OECD, 2020[29]). In Berlin ergänzen einige Initiativen im Bereich der Fort- und Weiterbildung die in den vorangegangenen Abschnitten dieses Kapitels behandelten staatlichen Maßnahmen. Zwei von ihnen, das Grundbildungszentrum Berlin und die ReDI School of Digital Integration, werden im Folgenden eingehender behandelt.

Das Grundbildungszentrum Berlin richtet sich an erwachsene funktionale Analphabet*innen. Eine Studie der Universität Hamburg aus dem Jahr 2018 ergab, dass 12,1 % aller Erwachsenen in Deutschland Schwierigkeiten haben, den Sinn eines einfachen Textes zu erfassen, und/oder nicht imstande sind, solche Texte zu schreiben. Von diesen Erwachsenen waren 62 % erwerbstätig, 53 % waren deutsche Muttersprachler*innen und 78 % hatten mindestens die schulische Pflichtausbildung abgeschlossen. Zwar gibt es für Berlin keine expliziten Statistiken zum Analphabetismus bei Erwachsenen, doch lassen die relativ niedrige Erwerbsquote, der hohe Anteil an im Ausland geborenen Personen und der relativ hohe Anteil an Schulabbrecher*innen in Berlin vermuten, dass der Anteil der Erwachsenen, die in die Kategorie der funktionalen Analphabeten fallen, sogar noch höher sein könnte als im deutschen Durchschnitt. Das Grundbildungszentrum Berlin richtet sich an diese funktionalen Analphabet*innen, indem es als erste Anlaufstelle dient und Informationsveranstaltungen und individuelle Beratung anbietet. Der Grundbildungs-Atlas ist eine Zusammenstellung aller Berliner Lern- und Beratungsangebote und ist sowohl offline als auch online verfügbar (Berlin Centre for Basic Education, 2019[30]). Das Grundbildungszentrum Berlin ist ein Zusammenschluss zweier NGOs, die den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Grundbildung und Alphabetisierung von Erwachsenen legen. Die SenBJF bietet finanzielle Förderung.

Die vielversprechende Initiative „Alpha-Siegel“ des Grundbildungszentrums Berlin sensibilisiert für das Thema des (funktionalen) Analphabetismus bei Erwachsenen und könnte auf ganz Berlin ausgeweitet werden. Das Alpha-Siegel ist ein Label für Institutionen und Organisationen in Berlin. Es signalisiert, dass die in einem bestimmten Gebäude oder einer bestimmten Einrichtung angebotenen Dienstleistungen auch für Erwachsene mit geringen Lese- und Schreibfähigkeiten zugänglich sind. Um diese Kennzeichnung zu erhalten, müssen Mitarbeiter*innen geschult und die Gebäude und Einrichtungen mit leicht lesbaren Schildern ausgestattet werden. Kasten 4.9 beschreibt das Alpha-Siegel ausführlicher. Das Alpha-Siegel verringert das Stigma des Analphabetismus, indem es das Personal von öffentlichen Einrichtungen und Organisationen der Sozialwirtschaft darin schult, Erwachsene mit geringen Lese- und Schreibfähigkeiten auf bestehende Bildungs- und Ausbildungsangebote hinzuweisen. Es fördert damit die Grundbildung in Berlin und dient als wertvolles Instrument, um auch schwer erreichbare Bevölkerungssegmente anzusprechen.

Die ReDI School of Digital Integration richtet sich an Geflüchtete und vermittelt den Kursteilnehmer*innen fortgeschrittene Kenntnisse in Coding und Programmierung. Die ReDI-School bietet Geflüchteten kostenlos eine Reihe von Kursen zum Coding und Programmieren an. Zu diesen Kursen gehören Kurse zu Frontend-Webentwicklung, Data Science, Softwareentwicklung sowie weitere softwarespezifische Kurse mit Salesforce oder Azure. Die Angebote sind offen für ein breites Spektrum von Geflüchteten. Im Rahmen des digital women programme richtet die Schule sich mit einigen ihrer Coding-Angebote speziell an Frauen. Sie bietet Kinderbetreuung für die Dauer des Kurses und Dolmetschleistungen im Unterricht an, um die Teilnahme von Frauen zu fördern, die weder Englisch noch Deutsch sprechen. Frauen machen daher 60 % der Kursteilnehmer aus. Weitere Angebote umfassen auch Programme für Kinder ab 9 Jahren und Jugendliche ab 17 Jahren. 75 Prozent der Absolvent*innen des ReDI Digital Career Program und seines Kernmoduls haben derzeit einen bezahlten Arbeitsplatz, zumeist in der Technologiebranche. In Kasten 4.10 finden Sie weitere Informationen über das Geschäftsmodell der ReDI School.

Die Berliner Regierung könnte dafür sorgen, dass das Kerngeschäft der ReDI School auf alle Migrant*innen ausgeweitet wird. Bislang konzentriert sich die ReDI School ausdrücklich auf Migrantinnen und Migrant*innen, die aus humanitären Gründen nach Berlin gekommen sind und den Status von Geflüchteten haben. Der Hauptgrund für die eingeschränkte Ausrichtung sind Kapazitäts- und finanzielle Beschränkungen. Die Berliner SenIAS könnte dafür sorgen, dass das Kerngeschäft der ReDI School, das ReDI Digital Career Program, ausreichend finanziert wird, damit auch Migrantinnen und Migrant*innen, die aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen nach Deutschland gekommen sind, an den Kursen teilnehmen können.

Die Tatsache, dass für die Teilnahme keine Deutschkenntnisse erforderlich sind, ist einer der Gründe für den Erfolg der ReDI School. Abgesehen von dem minimalen bürokratischen Aufwand, der für die Teilnahme an den Kursen der ReDI School erforderlich ist, sind Deutschkenntnisse keine zwingende Voraussetzung für das Training digitaler Kompetenzen. Die ReDI School verweist ihre Studierenden außerdem auf die BA für Deutschkurse, die sie parallel dazu belegen können.

Ähnliche Projekte im OECD-Raum kombinieren Berufsausbildung mit Sprachunterricht. Insbesondere Städte und Regionen in Schweden haben mit der Umsetzung von Programmen begonnen, die Berufs- und Sprachausbildung für Migrant*innen verbinden. Kasten 4.11 gibt einen Überblick über zwei vielversprechende Initiativen.

Die Berliner VHS könnte solche dualen Bildungsansätze umsetzen, müssten aber offener dafür sein, berufsbezogene Kurse in ihre Lehrpläne zu integrieren. Aufgrund ihrer Bedeutung bei der Vermittlung von Deutschkenntnissen sind die VHS in einer guten Position, ihr Angebot zu erweitern und die Sprachkurse mit beruflicher Bildung für Migrant*innen und Geflüchtete zu verbinden. Die Umsetzung solcher neuen Programme würde ausdrücklich eine verstärkte Zusammenarbeit mit der BA bei der Suche nach geeigneten Berufsausbildungsmöglichkeiten und mit den Arbeitgeberverbänden bei der Vermittlung von Berufs- und Betriebspraktika erfordern.

Literatur

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[28] OECD (2021), Social Economy - OCDE, https://www.oecd.org/fr/cfe/leed/social-economy.htm (accessed on 14 January 2022).

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[6] Peters, J. (2020), “Dynamic agglomeration economies and learning by working in specialised regions”, https://doi.org/10.1093/jeg/lbz022.

[13] Senatsverwaltung für Bildung Jugend und Familie (2021), Erwachsenenbildungsgesetz vom Parlament beschlossen: Historischer Tag für Lebenslanges Lernen in Berlin, https://www.berlin.de/sen/bjf/service/presse/pressearchiv-2021/pressemitteilung.1087304.php (accessed on 5 January 2022).

[18] Senatsverwaltung für Integration Arbeit und Soziales (2021), “Weiterbildungsprämie in der Kurzarbeit”, https://www.berlin.de/sen/arbeit/weiterbildung/weiterbildungspraemie-kug/ (accessed on 4 January 2022).

[27] Senatsverwaltung für Integration Arbeit und Soziales (2020), Beratungs-Monitor 2019, https://www.berlin.arbeitundleben.de/cms/upload/bildung_und_digitalisierung/Beratungs-Monitor_2019.pdf (accessed on 7 January 2022).

[3] Senatsverwaltung für Integration, A. (2019), “Senatorin Breitenbach: Solo-Selbstständige arbeiten oft prekär und schlecht bezahlt”, https://www.berlin.de/sen/ias/presse/pressemitteilungen/2019/pressemitteilung.842457.php (accessed on 20 December 2021).

[26] Senatsverwaltung für Integration, A. (2015), “Fachkonzept zur mobilen Bildungsberatung für geflüchtete Menschen in Berlin (MoBiBe)”.

[21] Urban Innovative Actions Initiative (2021), Urban Growth-GSIP Vantaa - Growth and Social investment Pacts for Local Companies in the City of Vantaa, https://uia-initiative.eu/en/uia-cities/vantaa (accessed on 6 January 2022).

[25] Volkshochschule Frankfurt am Main (2020), Praxisordner Beratung - Themen, Vorgehensweisen, Erfahrungen, https://vhs.frankfurt.de/VHSFFM/media/Aktuelles-Teaser/Projekte/VHSffm_Bildungsberatung_Praxisordner2020.pdf (accessed on 14 December 2021).

[19] Waff (2021), Weiterbildungsförderung für Ein-Personen-Unternehmen (EPU), https://www.waff.at/wp-content/uploads/2021/09/waff_infoblatt_epu_2021_lay1.pdf (accessed on 17 January 2022).

[31] Yrkesväg Värmland (2021), Project presentation on Yrkesväg Värmland, https://www.lansstyrelsen.se/download/18.712ccfbf17c1177f38c216c7/1634624186151/Yrkesv%C3%A4g%20V%C3%A4rmland%20English.pdf (accessed on 18 January 2022).

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