Zusammenfassung

Deutschland hat rasch auf die globale Energiekrise reagiert und treibt seine Energiewende voran. Die deutsche Wirtschaft hat die globale Energiekrise wesentlich besser bewältigt als zunächst erwartet. Deutschland verringert seine Abhängigkeit von russischen Energielieferungen rapide und hat seine Bezugsquellen erfolgreich diversifiziert. Mit dem Kohleausstiegsgesetz hat sich Deutschland verpflichtet, die Kohleverstromung bis 2038 zu beenden. Da das Land auch aus der Atomenergie ausgestiegen ist, muss es den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter beschleunigen, wenn es sich nicht noch stärker von fossilen Energieträgern abhängig machen will.

Deutschland muss sich ganzheitlich mit der Energie-, Klima- und Biodiversitätskrise auseinandersetzen. In der Praxis ist die Bundesregierung mit verschiedenen Zielkonflikten konfrontiert. So wurde etwa die Abschaltung mehrerer Kohlekraftwerke auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, um eine gravierende Energieknappheit zu verhindern. Auch die Subventionierung der Kraftstoffpreise mag zwar notwendig gewesen sein, bremst aber die Fortschritte bei der Erfüllung der Klimaziele. Trotz dieser vorübergehenden Rückschläge für die Energiewende dürften bei einem befristeten Einsatz dieser Krisenmaßnahmen die langfristigen Auswirkungen begrenzt bleiben. Energieeinsparungen und Energieeffizienz müssen weiter oberste Priorität bleiben.

Energiepolitische Reformen dürften den Ausbau der Erneuerbaren fördern. Mit dem Osterpaket 2022 wurden ambitionierte Ziele und signifikante Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen beschlossen. Dazu zählen Maßnahmen zur Erhöhung der Ausschreibungsmengen und zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2023 schreibt als neues rechtlich bindendes Ziel vor, den Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch bis 2030 auf 80 % zu steigern (vorheriger Zielwert: 65 %). Schwachstellen wie der Netzausbau und der Fachkräftemangel müssen behoben werden.

Deutschland verfolgt ehrgeizige Klimaziele, um bis 2045 Klimaneutralität und nach 2050 Negativemissionen zu erreichen. Die nationalen Klimaschutzziele sind im 2019 verabschiedeten und 2021 geänderten Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) verankert. Manche Bundesländer, beispielsweise Baden-Württemberg, haben sich noch ambitioniertere Klimaziele gesetzt. Deutschland ist nach wie vor einer der zehn größten Emittenten von Treibhausgasen weltweit. 2020 konnte das Land eine Verringerung seiner Emissionen um 40 % gegenüber 1990 vermelden, was eine der OECD-weit stärksten prozentualen Emissionsminderungen seit 1990 darstellte. Der pandemiebedingte Emissionsrückgang war jedoch nur von kurzer Dauer und kehrte sich rasch wieder um.

Deutschland muss entschlossen handeln, um umweltfreundliche Mobilität im Rahmen einer integrierten Strategie zu fördern. Viele Chancen, wie z. B. ein breiterer Einsatz von Tempolimits, Mautgebühren für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge oder City-Mauten, wurden nicht genutzt; andere, beispielsweise die Anhebung der Parkgebühren, werden nur langsam realisiert. Der Anteil der Elektrofahrzeuge am gesamten Fahrzeugbestand steigt rasch, ist aber nach wie vor gering. Von ihrem Ziel, bis 2030 15 Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen und 1 Million Ladepunkte bereitzustellen, ist die Bundesregierung noch weit entfernt. Anstelle von Einzelmaßnahmen, die in erster Linie umweltfreundlichere Autos auf die Straße bringen sollen, braucht es eine ganzheitliche Strategie für nachhaltige Mobilität. Das digitale Deutschland-Ticket ist ein wichtiger Schritt, um das Bahnfahren für die Bundesbürger*innen finanziell attraktiver zu machen.

Trotz des bedeutenden Industriesektors und der hohen Bevölkerungsdichte wurden einige Umweltbelastungen reduziert. Die Luftqualität hat sich verbessert und bei der umweltverträglichen Abfallwirtschaft zählt Deutschland zu den führenden Ländern Europas. Bei der Reduzierung von Siedlungsabfällen hat Deutschland dagegen kaum Fortschritte erzielt und sollte stärker auf Abfallvermeidung setzen. Die Bundesrepublik strebt eine stärker kreislauforientierte Wirtschaft und nachhaltigere Lieferketten an. Die Wasserqualität gibt weiter Anlass zu Besorgnis und die Wasserinfrastruktur muss klimaresilienter werden. Der Flächenanteil des nachhaltigen Landbaus steigt, Stickstoffüberschüsse stellen jedoch nach wie vor ein Problem dar. Trotz Fortschritten wird sich der Landwirtschaftssektor noch ehrgeizigere Ziele setzen müssen, um das Artensterben umzukehren und die Klimabilanz des Sektors zu verbessern.

Die Steuern müssen besser auf das Verursacherprinzip abgestimmt werden. Deutschlands umweltbezogenes Steueraufkommen ist in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. Sowohl im Verhältnis zum BIP als auch im Verhältnis zum Gesamtsteueraufkommen liegen die Einnahmen aus umweltbezogenen Steuern weit unter dem europäischen OECD-Durchschnitt. Obwohl es Deutschland gelungen ist, sein Wirtschaftswachstum von den Treibhausgasemissionen zu entkoppeln, ist der Abwärtstrend bei den Einnahmen aus umweltbezogenen Steuern nicht auf eine Verringerung der Umweltbelastungen zurückzuführen, sondern vor allem auf die inflationsbedingte Entwertung dieser Steuern. Deutschland sollte sich an bewährten Erfolgskonzepten orientieren und eine jährliche Inflationsanpassung in Erwägung ziehen. Das Aufkommen an verkehrsbezogenen Steuern liegt weit unter dem OECD-Durchschnitt. Deutschland ist eines der wenigen Länder, die keine Steuer beim Fahrzeugerwerb oder bei der Zulassung erheben. Steuervergünstigungen (z. B. Dienstwagenprivileg, Entfernungspauschale) setzen oft Fehlanreize zulasten nachhaltiger Verkehrsträger. Bei der Entwicklung eines fairen und effizienten Systems zur Erhebung von Straßennutzungsgebühren wurden kaum Fortschritte erzielt.

Nahezu 90 % der Treibhausgasemissionen in Deutschland sind bepreist, außerhalb des Straßenverkehrssektors sind die CO2-Preise allerdings niedrig. Die Einführung eines einheitlichen sektorübergreifenden CO2-Mindestpreises würde effektivere Entscheidungen über Emissionsminderungen ermöglichen. Außerdem sollte Deutschland die Zahl der Ausnahmeregelungen weiter reduzieren und die CO2-Bepreisung auf Sektoren ausweiten, die noch nicht abgedeckt sind. Die Bundesregierung hat 2021 das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) eingeführt, das in erster Linie auf den Verkehrs- und Wärmesektor ausgerichtet ist.

Deutschland sollte die Politikkohärenz verbessern und umweltschädliche Subventionen abbauen. Die umweltschädlichen Subventionen sind im Verlauf des letzten Jahrzehnts gestiegen. 2018 summierten sie sich Schätzungen zufolge auf 65 Mrd. EUR, gegenüber 48 Mrd. EUR im Jahr 2008. Bereits im letzten Umweltprüfbericht Deutschland von 2012 wurde darauf hingewiesen, dass viele seit Langem bestehende Subventionen (wie z. B. das Dieselprivileg) aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen nicht mehr zu rechtfertigen sind und abgeschafft werden sollten. Der Abbau potenziell umweltschädlicher Agrarsubventionen kommt kaum voran. Die Bundesregierung sollte ihre Absicht, bestehende und vorgeschlagene Subventionen systematisch auf wirtschaftliche, ökologische und soziale Ineffizienzen zu prüfen, in die Tat umsetzen.

Deutschland ist zunehmend von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. In den letzten zwanzig Jahren hat Deutschland eine erhebliche Zahl an Extremwetterereignissen erlebt, insbesondere Überschwemmungen, Stürme, Dürreperioden und Hitzewellen. Sie alle hatten massive Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen der Menschen, die Umwelt und die Wirtschaft. Mit den zunehmenden Klimaveränderungen treten solche Extremereignisse in vielen Landesteilen immer häufiger auf. Die Flutkatastrophe von 2021 hat die Akzeptanz der Bevölkerung für strengere Klimamaßnahmen erhöht und verdeutlicht, dass dringender Handlungsbedarf besteht, um künftige Verluste und Schäden durch derartige Extremwetterereignisse abzuwenden.

Extremwetterereignisse verursachen bedeutende Verluste und Schäden. Deutschland zählt zu den OECD-Ländern, die zwischen 2005 und 2021 die höchsten direkten Schäden durch Klimagefahren je BIP-Einheit verzeichneten. Hochwasser sind in Deutschland ein besonders großes Klimarisiko. Zwischen 2000 und 2021 haben Sturzfluten – durch extreme Niederschläge ausgelöste Hochwasserereignisse – 230 Todesopfer gefordert und einen Gesamtschaden von mehr als 71 Mrd. EUR verursacht. Der steigende Meeresspiegel und Stürme stellen bedeutende Risiken für die 3,2 Millionen Menschen dar, die in überflutungsgefährdeten Küstengebieten leben. Darüber hinaus ist Deutschland auch zunehmend Hitzestress ausgesetzt. Im Zeitraum 2018–2020 wurden nahezu 20 000 hitzebedingte Todesfälle verzeichnet. Betroffen waren vor allem ältere Menschen.

Deutschland muss dafür sorgen, dass für das gesamte Bundesgebiet flächendeckend lokale Klimarisikoanalysen vorliegen, und bei Investitionen in die Klimaanpassung die vulnerabelsten Gebiete priorisieren, damit niemand zurückgelassen wird. Klimaanpassungsmaßnahmen beruhen nach wie vor auf Freiwilligkeit. Die Länder müssten bei der Unterstützung vulnerabler Kommunen eine aktivere Rolle übernehmen. Dabei würde die Verwendung vergleichbarer Daten und Methoden auf allen staatlichen Ebenen eine bessere bundesweite Vergleichbarkeit ermöglichen. Derzeit verfügt Deutschland über zahlreiche unterschiedliche Indikatoren, Kriterien und Grenzwerte, um klimabezogene Gefahren und damit einhergehende Risiken zu analysieren.

Die Bundesregierung verstärkt ihr Engagement in der Klimaanpassung auf allen staatlichen Ebenen. Ein neues Klimaanpassungsgesetz, das aktuell erarbeitet wird, soll der Bundesregierung und den Ländern als Orientierungshilfe bei der Entwicklung und Umsetzung einer nationalen Anpassungsstrategie dienen. Die Umsetzungskapazität der nachgeordneten Gebietskörperschaften muss weiter gestärkt werden. Deutschland erstellt derzeit konkrete Anpassungsindikatoren und Zielvorgaben für verschiedene Sektoren, was auch für andere OECD-Länder relevant werden wird. Der Bedarf an Anpassungsfinanzierung dürfte beträchtlich steigen; bereits jetzt stellt aber der Mangel an Finanzierung ein wesentliches Hindernis für die Stärkung der Klimaresilienz dar.

Die biologische Vielfalt ist in Deutschland in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen. Trotz der Bemühungen zum Erhalt der Biodiversität ist es noch nicht gelungen, den fundamentalen Verlust an biologischer Vielfalt umzukehren. Bei vielen der im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) verabschiedeten nationalen Ziele wurden keine ausreichenden Fortschritte erzielt. Zu den Hauptursachen gehören die intensive Land- und Forstwirtschaft, die Zerschneidung der Landschaft und städtische Zersiedelung sowie Bodenversiegelung und Schadstoffe. Rund 30 % der Waldfläche weisen eine hohe Absterberate und Kronenverlichtung – ein Schlüsselindikator für die Vitalitätsbeurteilung von Bäumen – auf. Die Stadtentwicklung hat zu einer verstärkten Bodenversiegelung geführt. Die Folgen sind erhöhte Hochwasserrisiken, eine zunehmende Anfälligkeit gegenüber Hitzestress und ein erheblicher Biodiversitätsverlust in städtischen Räumen.

Das 4 Mrd. EUR schwere Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) könnte einen echten Durchbruch bedeuten. Es soll einen erheblichen Beitrag zu den Emissionsminderungszielen des LULUCF-Sektors in Deutschland leisten und zugleich die biologische Vielfalt und Ökosystemgesundheit, die Resilienz gegenüber den Folgen des Klimawandels und nachhaltiges Landmanagement fördern. Die Bundesländer könnten bei der Umsetzung des ANK als Schlüsselpartner fungieren. Um kurzfristig (2023–‍2026) Ergebnisse zu erzielen, sollten sich die Stakeholder rasch auf Prioritäten, Förderkriterien sowie Umsetzungs-, Finanzierungs- und Rechenschaftsmechanismen einigen. Der enge Zeitrahmen und der große Anwendungsbereich des ANK stellen dabei eine enorme Herausforderung dar. Die Förderungen des ANK müssen über verschiedene Verwaltungsebenen und Sektoren hinweg abgestimmt und koordiniert werden.

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