3. Konzepte und Definitionen zur Messung von Innovationen im Unternehmenssektor

3.1. Dieses Kapitel enthält eine Reihe von Definitionen, die auf den in Kapitel 2 erläuterten Konzepten basieren und bei statistischen Erhebungen zu Innovationen im Unternehmenssektor als Leitfaden dienen können. Innovationen sind allgegenwärtig, heterogen und facettenreich. Daher bedarf es einer klaren und knappen Definition des Begriffs „Innovation“ und der damit zusammenhängenden Konzepte, um die Innovationsaktivitäten von Unternehmen richtig zu erfassen und zu interpretieren und einen einheitlichen Standard zu schaffen, der den Anforderungen der Produzenten und Nutzer von Innovationsstatistiken gerecht wird.

3.2. Die Definitionen in diesem Kapitel ermöglichen die Erhebung und Darstellung vergleichbarer Daten zu Innovationen und innovationsbezogenen Aktivitäten für Unternehmen in verschiedenen Ländern und Wirtschaftszweigen bzw. für Unternehmen unterschiedlicher Größe und Struktur, angefangen von kleinen Einproduktunternehmen bis hin zu großen multinationalen Unternehmen, die eine breite Palette von Produkten, einschließlich Dienstleistungen, anbieten.

3.3. Abschnitt 3.2 umfasst die wichtigsten Definitionen zur Messung von Innovationen im Unternehmenssektor. In Abschnitt 3.3 werden verschiedene Klassifikationen von Innovationen im Unternehmenssektor entwickelt, namentlich nach Art sowie nach Neuartigkeit und Auswirkungen. Abschnitt 3.4 beschäftigt sich mit Änderungen, die nicht als Innovationen einzustufen sind. In Abschnitt 3.77 wird eine Klassifikation von Unternehmen nach dem jeweiligen Innovationsstatus vorgenommen. Abschließend werden in Abschnitt 3.6 Empfehlungen zur Verwendung der Definitionen in Erhebungen formuliert.

3.4. Wie in Kapitel 2 erläutert, kann sich der Begriff „Innovation“ je nach Verwendungszusammenhang entweder auf einen Prozess oder auf ein Ergebnis beziehen. Um Unklarheiten zu vermeiden, wird in diesem Handbuch zur Bezeichnung des Prozesses der Begriff „Innovationsaktivitäten“ verwendet, während sich „Innovation“ ausschließlich auf das Ergebnis bezieht.

3.5. Die Grunddefinition von Innovationsaktivitäten (von Unternehmen) lautet wie folgt:

Innovationsaktivitäten umfassen alle Entwicklungs-, finanziellen und kommerziellen Aktivitäten, die ein Unternehmen durchführt, um eine Innovation für das Unternehmen hervorzubringen.

3.6. Zu Innovationsaktivitäten zählen Aktivitäten, deren Ergebnis eine Innovation (vgl. nachstehende Definition) ist, sowie noch laufende, unterbrochene oder eingestellte Aktivitäten. Folgeaktivitäten, wie in Unterabschnitt 4.5.3 definiert, werden in der Regel nicht als Innovationsaktivitäten erfasst.

3.7. Die Art und Weise, in der Innovationsaktivitäten organisiert werden, ist von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. Manche Unternehmen steuern ihre Innovationsaktivitäten durch klar definierte Innovationsprojekte oder -programme mit eigenen Budgets, bei denen die Innovation ein Zwischenziel oder das Hauptziel darstellen kann. Andere Unternehmen integrieren die Innovationsaktivitäten vornehmlich in den regulären Geschäftsbetrieb und arbeiten laufend an der Verbesserung ihrer Produkte und Prozesse, wieder andere führen Innovationsaktivitäten in erster Linie anlassbezogen durch. Die Definitionen und Empfehlungen in diesem Kapitel gelten für alle Methoden der Organisation von Innovationsaktivitäten. Kapitel 4 enthält weitere Einzelheiten zur Definition, Klassifikation und Messung von Innovationsaktivitäten.

3.8. In diesem Kapitel steht das Konzept der Innovation im Mittelpunkt. Es enthält Kurzdefinitionen für Innovation und die verschiedenen Innovationsarten. Auf jede Definition folgen weitere Einzelheiten zur Erläuterung der Definition.

3.9. Die Grunddefinition von Innovation im Unternehmenssektor lautet wie folgt:

Eine Innovation im Unternehmenssektor ist ein neues oder verbessertes Produkt bzw. ein neuer oder verbesserter Prozess (oder eine Kombination der beiden), das bzw. der sich von den bisherigen Produkten bzw. Prozessen des Unternehmens merklich unterscheidet und auf dem Markt bzw. im Unternehmen eingeführt wurde.

3.10. Wie in Kapitel 2 erörtert, ist ein Produkt eine Ware oder eine Dienstleistung (oder eine Kombination der beiden). Zu den Prozessen zählen alle Kernaktivitäten eines Unternehmens, die der Herstellung von Produkten dienen, sowie alle Neben- und Unterstützungsaktivitäten.

3.11. Ein Produkt gilt als eingeführt, wenn es den vorgesehenen Nutzern zur Verfügung steht. Ein Prozess gilt als eingeführt, wenn er im Geschäftsbetrieb des Unternehmens tatsächlich genutzt wird. Die Einführung ist definiert als Implementierung und bezeichnet den Zeitpunkt, zu dem Produkte oder Prozesse, die sich von den bestehenden Produkten oder Prozessen merklich unterscheiden, erstmals zur Nutzung bereitgestellt werden. Häufig nehmen Unternehmen nach der Implementierung weitere Anpassungen an einer Innovation vor (vgl. Kapitel 4), beispielsweise an den Merkmalen einer neuen Dienstleistung. Einige dieser Anpassungen sind möglicherweise so umfassend, dass sie als eine weitere Innovation zu werten sind.

3.12. Um als Innovation zu gelten, muss sich das Produkt bzw. der Prozess in einem oder mehreren Merkmalen von den zuvor vom Unternehmen angebotenen Produkten oder genutzten Prozessen merklich unterscheiden. Diese Merkmale müssen für das Unternehmen oder die Nutzer der Produkte relevant sein. Dies ist z. B. der Fall, wenn das Unternehmen davon ausgehen kann, dass die neuen oder verbesserten Merkmale eines Produkts bzw. eines Prozesses den Nutzen für die Nutzer erhöhen oder die eigene Wettbewerbsposition im Markt verbessern. Nachstehend werden relevante Merkmale von Produkt- und Prozessinnovationen beschrieben.

3.13. Eine Innovation kann auch das Ergebnis mehrerer kleiner Verbesserungen während des Beobachtungszeitraums sein, sofern diese kleinen Verbesserungen beim finalen Produkt bzw. Prozess in der Summe zu einem merklichen Unterschied führen.

3.14. Das Kriterium eines merklichen Unterschieds gilt für Produkt- und Prozessinnovationen, die ein Unternehmen selbst entwickelt, sowie für Innovationen, die zunächst von anderen Unternehmen, Organisationen oder Privatpersonen entwickelt und nicht oder kaum weiter verändert wurden. Die Definition von Innovation umfasst folglich auch den Aspekt der Diffusion.

3.15. Die Einführung neuer oder verbesserter Produkte bzw. Prozesse in einem Unternehmen, das Teil einer Unternehmensgruppe ist, stellt auch dann eine Innovation dar, wenn die neuen oder verbesserten Produkte bzw. Prozesse zuvor von anderen Unternehmen der Unternehmensgruppe auf den Markt gebracht oder eingeführt wurden. Führt beispielsweise ein Tochterunternehmen einen neuen Prozess ein, der im Mutterunternehmen entwickelt und eingeführt wurde, ist dies für die Tochtergesellschaft eine Innovation. Bei der Einführung eines neuen oder verbesserten Produkts bzw. Prozesses, das bzw. der bereits in einer anderen Abteilung oder einem anderen Bereich desselben Unternehmens genutzt wurde, handelt es sich dagegen nicht um eine Innovation.

3.16. Das Konzept eines „merklichen“ Unterschieds schließt geringfügige Veränderungen oder Verbesserungen aus. Die Abgrenzung zwischen Veränderungen, die Innovationen sind, und Veränderungen, die keine Innovationen sind, ist jedoch zwangsläufig subjektiv, da dies vom Kontext, den Kapazitäten und den Erfordernissen der jeweiligen Unternehmen abhängt. Eine Verbesserung einer Online-Dienstleistung kann beispielsweise für ein großes Unternehmen in einer FuE-intensiven Branche eine geringfügige Veränderung darstellen, für ein kleines Unternehmen in einer weniger FuE-intensiven Branche hingegen einen merklichen Unterschied ausmachen.

3.17. Definitionsgemäß muss eine Innovation zum Zeitpunkt der Messung kein kommerzieller, finanzieller oder strategischer Erfolg sein. Eine Produktinnovation kann ein kommerzieller Misserfolg sein, und eine Prozessinnovation kann mehr Zeit erfordern, ehe die gesetzten Ziele erreicht werden.

3.18. Eine Innovation ist laut Definition nicht notwendigerweise gesellschaftlich wertvoll oder für das Unternehmen von Nutzen. Im erstgenannten Fall kann eine Innovation zu einer deutlichen Verbesserung der Finanzergebnisse des Unternehmens führen, für die Verbraucher aber von geringerem Nutzen sein als andere Angebote desselben Unternehmens oder der Konkurrenz. Eine Innovation kann auch Sicherheits-, Gesundheits- oder Umweltprobleme nach sich ziehen. Umgekehrt verbessert eine Innovation nicht unbedingt die Marktposition oder die Finanzergebnisse des Unternehmens, wenn sie für die Nutzer von Vorteil ist. So kann eine Innovation z. B. den Nutzen für die Nutzer erhöhen, ohne den Umsatz, den Marktanteil oder die Nettoeinkünfte eines Unternehmens zu steigern.

3.19. Die Arbeitsteilung, die der wirtschaftlichen Spezialisierung zugrunde liegt, wird auch bei Innovationsaktivitäten praktiziert, zumal die Mehrheit der Unternehmen nicht über sämtliche für die Entwicklung von Innovationen erforderlichen Kapazitäten und Eigentumsrechte verfügen dürfte. Viele Innovationen basieren auf dem Kauf, der Nachahmung oder der Modifizierung von Produkten, Ausrüstungen für Prozesse oder Geschäftsmethoden, die bereits von anderen Unternehmen oder Organisationen genutzt werden. Folglich entwickeln viele Unternehmen nicht alle ihren Innovationen zugrunde liegenden Konzepte, Prototypen oder Designs selbst. Außerdem kann es vorkommen, dass mehrere Unternehmen ausgehend von einem Konzept oder einer Technologie ähnliche Innovationen hervorbringen. Darüber hinaus setzen Unternehmen nicht alle Konzepte und Prototypen um, die sie entwickeln, so z. B., wenn ein Unternehmen lediglich eine Lizenz für die Nutzung einer Erfindung an andere Unternehmen vergibt. Auf solche Beziehungen und die Frage, wie sie zu verschiedenen Arten von Innovationen beitragen, wird in Kapitel 6 genauer eingegangen.

3.20. Innovationen, die ganz oder teilweise von anderen oder in Partnerschaft mit Dritten entwickelt wurden, sind nicht zwangsläufig weniger wertvoll; sie sind u. U. bloß Zeichen einer stärkeren Spezialisierung. Bei Datenerhebungen sollten die Antwortpersonen ermutigt werden, alle Innovationen zu melden, auch solche, die nicht überwiegend im eigenen Unternehmen entwickelt wurden.

3.21. Eine Innovation verändert die Merkmale eines oder mehrerer Produkte bzw. Prozesse. Daher werden Innovationen in der Regel anhand ihres Zwecks bzw. ihres Objekts beschrieben. Die Verantwortlichen können sich z. B. auf die Dienstleistungsinnovationen oder auf die Innovationen im Erbringungssystem ihres Unternehmens beziehen. Informationen über das Innovationsobjekt helfen dabei, den Zweck der Innovation, ihre allgemeinen Merkmale, ihre möglichen Auswirkungen auf das Unternehmen sowie die für die Entwicklung und Implementierung der Innovation relevanten Innovationsaktivitäten zu bestimmen.

3.22. Anhand des Objekts lassen sich zwei grundlegende Innovationsarten unterscheiden: Innovationen, die Produkte des Unternehmens verändern (Produktinnovationen), und Innovationen, die Prozesse des Unternehmens verändern (Prozessinnovationen).

3.23. Bei den Produktinnovationen werden zwei Hauptarten unterschieden, bei den Prozessinnovationen sechs Hauptarten (siehe unten). Eine Innovation kann verschiedene Arten von Produkt- und Prozessinnovationen umfassen. Die Klassifikation von Innovationsarten nach Objekt ist also keine Klassifikation einander ausschließender Kategorien. Darüber hinaus kann ein Unternehmen während des Beobachtungszeitraums einer Datenerhebung mehrere Arten von Innovationen einführen. Daher wird empfohlen, Daten zu mehreren Innovationsarten zu erheben, wobei davon auszugehen ist, dass sich die Angaben auf verschiedene Innovationen beziehen können oder auf Innovationen, die aus zwei oder mehr Innovationsarten bestehen.

3.24. Der Begriff „Produkt“ ist im System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Vereinten Nationen (SNA 2008) definiert und umfasst sowohl Waren als auch Dienstleistungen. Produkte sind das wirtschaftliche Ergebnis der Produktionstätigkeit. Sie können getauscht und als Inputs für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden, für den Endverbrauch der privaten Haushalte bzw. des Staats oder, wie im Fall von Finanzprodukten, als Investitionen (Europäische Kommission et al., 2009).

Eine Produktinnovation ist eine neue oder verbesserte Ware bzw. Dienstleistung, die sich von den bisherigen Waren bzw. Dienstleistungen des Unternehmens merklich unterscheidet und auf dem Markt eingeführt wurde.

3.25. Produktinnovationen müssen wesentliche Verbesserungen einer oder mehrerer Eigenschaften bzw. Leistungsspezifikationen bieten. Hierzu zählen u. a. neue oder verbesserte Funktionen sowie ein größerer Nutzen für die Nutzer. Wichtige Funktionsmerkmale sind die Qualität, die technischen Spezifikationen, die Zuverlässigkeit, die Langlebigkeit, die Wirtschaftlichkeit bei der Nutzung, die Erschwinglichkeit, die Zweckmäßigkeit, die Nutzbarkeit und die Nutzerfreundlichkeit. Produktinnovationen verbessern nicht notwendigerweise alle Funktionen oder Leistungsspezifikationen eines Produkts. Eine verbesserte oder neue Funktion kann auch mit dem Verlust anderer Funktionen oder der Verschlechterung einiger Leistungsspezifikationen einhergehen.

3.26. Zu den relevanten Eigenschaften können auch finanzielle Merkmale wie Kosten und Zahlungskomfort zählen. Beispiele für Innovationen mit finanziellen Merkmalen, die für die Nutzer von Vorteil sind, sind dynamische Mautsysteme zur Verringerung von Verkehrsstaus, die Einführung neuer Produktlinien, die mit kostengünstigeren Materialien produziert und daher zu niedrigeren Preisen angeboten werden, oder Dienste für eine automatische Bezahlung von Taxifahrten.

3.27. Ein weiteres Merkmal von Waren und Dienstleistungen, das Auswirkungen auf die Nutzbarkeit oder den Nutzen haben kann, ist das Produktdesign. Neue Designs oder verbesserte Designmerkmale können das Aussehen bzw. das Erscheinungsbild eines Produkts verändern und damit den Nutzen für die Nutzer erhöhen, beispielsweise durch eine merkliche Designänderung, die eine positive emotionale Reaktion hervorruft. Geringfügige Designänderungen dürften jedoch nicht dazu führen, dass sich Waren oder Dienstleistungen merklich von den bisherigen Waren und Dienstleistungen unterscheiden (siehe unten).

3.28. Eine Produktinnovation muss für die potenziellen Nutzer verfügbar gemacht werden. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass damit ein Umsatz erzielt wird. Würde man ausschließlich umsatzgenerierende Produktinnovationen als Produktinnovationen werten, würden Produktinnovationen, die der bestehenden oder erwarteten Nachfrage nicht gerecht werden oder erst in einem längeren Beobachtungszeitraum einen Umsatz generieren, unberücksichtigt bleiben. Auch digitale Produkte, die Nutzern kostenlos zur Verfügung gestellt werden bzw. durch Werbeschaltungen, die Monetarisierung von Nutzerdaten oder andere Methoden Einnahmen erzielen, würden ausgeklammert bleiben.

3.29. Produktinnovationen können neue Erkenntnisse oder Technologien nutzen oder existierende Kenntnisse oder Technologien auf neuartige Weise nutzen oder kombinieren.

3.30. Produktinnovationen können zwei Arten von Produkten betreffen: Waren und Dienstleistungen. Auf diese Produktarten wurde in Kapitel 2 eingegangen. Sie werden nachstehend unter Bezugnahme auf das SNA 2008 definiert (Europäische Kommission et al., 2009).

  • Zu Waren zählen materielle Gegenstände und bestimmte wissenserfassende Produkte (siehe unten), an denen Eigentumsrechte begründet werden können und deren Eigentum durch Markttransaktionen übertragen werden kann.

  • Dienstleistungen sind immaterielle Aktivitäten, die gleichzeitig produziert und konsumiert werden und den (z. B. physischen, psychischen usw.) Zustand der Nutzer verändern. Häufig ist ein Engagement der Nutzer in Form von Zeit, Verfügbarkeit, Aufmerksamkeit, Informationsübermittlung oder Mitwirkung eine notwendige Voraussetzung, was zur Ko-Produktion von Dienstleistungen durch die Nutzer und das Unternehmen führt. Daher können die Merkmale einer Dienstleistung bzw. das Dienstleistungserlebnis u. U. vom Input der Nutzer abhängen. Dienstleistungen können auch bestimmte wissenserfassende Produkte einschließen (siehe unten).

3.31. Wie in Kapitel 2 erörtert, ist die Abgrenzung zwischen Waren und Dienstleistungen mitunter schwierig und manche Produkte können Merkmale von beiden aufweisen. Ein Unternehmen kann seinen Kunden Waren verkaufen oder sie als Dienstleistung zur Nutzung vermieten, wie dies bei langlebigen Gebrauchsgütern und bei Produktionsanlagen häufig der Fall ist. Darüber hinaus können Unternehmen ihre Waren mit Zusatzleistungen wie Dienstleistungsverträgen oder Versicherungen verknüpfen.

3.32. Wissenserfassende Produkte (wie im SNA beschrieben) können Merkmale einer Ware oder einer Dienstleistung aufweisen. Sie betreffen die Bereitstellung, Speicherung, Sicherung, Kommunikation und Verbreitung digitaler Informationen, die von den Nutzern wiederholt abgerufen werden können. Diese Produkte können auf physischen Objekten und Infrastrukturen wie elektronischen Datenträgern oder der Cloud gespeichert sein. Beispielsweise können Verbraucher gegen Gebühr auf digitale Produkte wie Musik, Filme oder Bücher zugreifen. Wissenserfassende Produkte sind mit einer Ware vergleichbar, wenn die Verbraucher sie nach dem Erwerb weitergeben oder an Dritte verkaufen können. Wenn eine Lizenz die Rechte der Verbraucher im Hinblick auf Weitergabe und Verkauf einschränkt, sind sie dagegen mit einer Dienstleistung vergleichbar. Digitale Technologien haben zur Verbreitung wissenserfassender Produkte beigetragen, da die Kosten für die Vervielfältigung und den Austausch von Daten dadurch auf ein vernachlässigbares Niveau gesunken sind.

3.33. Es wird empfohlen, zumindest Daten zu Waren und zu Dienstleistungen zu erheben. In Erhebungen sollte ausdrücklich auf Dienstleistungen Bezug genommen werden, um sicherzustellen, dass die Fragen auch für Antwortpersonen von Dienstleistungsunternehmen relevant sind. Wenn möglich, sollten zudem Daten über wissenserfassende Produkte erhoben werden, insbesondere über digitale wissenserfassende Produkte, um die Untersuchung der Verbreitung dieser Produkte und der ihre Entwicklung beeinflussenden Faktoren zu erleichtern.

3.34. Alle betrieblichen Funktionen können Gegenstand von Innovationsaktivitäten sein. Der Begriff „Prozess“ umfasst die betriebliche Kernfunktion der Produktion von Waren und Dienstleistungen sowie Unterstützungsfunktionen wie Vertrieb und Logistik, Marketing, Verkauf und Kundendienst, Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) für das Unternehmen, Verwaltung und Management, Konstruktion und damit verbundene technische Dienstleistungen für das Unternehmen ebenso wie die Entwicklung von Produkten und Prozessen. Prozesse können als Dienstleistungen betrachtet werden, bei denen das Unternehmen selbst Kunde ist. Sie können im Unternehmen erbracht oder extern beschafft werden.

Eine Prozessinnovation ist ein neuer oder verbesserter Prozess für eine oder mehrere betriebliche Funktionen, der sich von den bisherigen Prozessen des Unternehmens merklich unterscheidet und im Unternehmen eingeführt wurde.

3.35. Die relevanten Merkmale einer verbesserten betrieblichen Funktion ähneln denen eines verbesserten Produkts, insbesondere Dienstleistungen, die für Kunden erbracht werden können. Beispiele hierfür sind eine größere Wirksamkeit, Ressourceneffizienz, Zuverlässigkeit und Resilienz, Erschwinglichkeit, Zweckmäßigkeit und Nutzbarkeit für die am Prozess Beteiligten – unabhängig davon, ob es sich um unternehmensexterne oder unternehmensinterne Beteiligte handelt.

3.36. Neue und verbesserte Prozesse können auf die Umsetzung von Geschäftsstrategien, eine Kostensenkung, eine Verbesserung der Produktqualität bzw. der Arbeitsbedingungen oder die Erfüllung gesetzlicher Auflagen abzielen. Prozessinnovationen können Verbesserungen einer oder mehrerer Aspekte einer betrieblichen Funktion oder Verbesserungen mehrerer betrieblicher Funktionen umfassen. Sie können mit der Einführung neuer oder verbesserter Unternehmensdienstleistungen im Unternehmen einhergehen, die von externen Anbietern bereitgestellt werden, wie z. B. Buchhaltungs- und Personalmanagementsysteme.

3.37. Prozessinnovationen gelten als implementiert, wenn sie vom Unternehmen für interne oder externe Aktivitäten genutzt werden. Die Implementierung einer Prozessinnovation erfordert u. U. mehrere Schritte – von der Erstentwicklung über Pilotversuche in einer betrieblichen Funktion bis hin zur Implementierung in allen relevanten betrieblichen Funktionen. Abgeschlossen ist die Implementierung, wenn der Prozess im regulären Geschäftsbetrieb des Unternehmens genutzt wird. Dies kann unmittelbar nach den Pilotversuchen der Fall sein.

3.38. Digitale Technologien und Praktiken sind in den Prozessen allgegenwärtig. Sie werden verwendet, um Prozesse und Verfahren zu codieren, bestehenden Prozessen neue Funktionen hinzuzufügen und um Prozesse als Dienstleistungen anbieten zu können. Die Implementierung von Prozessinnovationen ist daher häufig mit der Einführung bzw. Anpassung digitaler Technologien verbunden.

3.39. Prozessinnovationen betreffen die verschiedenen betrieblichen Funktionen. Die Managementforschung hat verschiedene Aufstellungen betrieblicher Funktionen hervorgebracht, die sich durch die jeweilige Definition der Kernfunktionen (Einkünfte generierende Aktivitäten) und der Unterstützungsfunktionen sowie durch die Art und Weise unterscheiden, wie die einzelnen Aktivitäten gebündelt werden (Brown, 2008). Die Bezugnahme auf betriebliche Funktionen hat sich bei Untersuchungen globaler Wertschöpfungsketten als sinnvoll erwiesen, so z. B. beim kanadischen Survey of Innovation and Business Strategy (SIBS) und beim European Survey on International Sourcing of Business Functions (vgl. Kapitel 7).

3.40. Tabelle 3.1 enthält eine – auf der einschlägigen Fachliteratur zu Unternehmensmanagement und Statistik basierende – Übersicht über sechs betriebliche Hauptfunktionen, die Gegenstand von Innovationen sein können. Die Funktion „Produktion von Waren und Dienstleistungen“ stellt die Kernfunktion eines Unternehmens dar. Die übrigen fünf Funktionen umfassen Nebenaktivitäten, die dazu dienen, die Produktion zu unterstützen und die Produkte auf den Markt zu bringen. Unternehmen können Prozessinnovationen entwickeln, die eine oder mehrere Funktionen betreffen. Die Implementierung eines Online-Bestellsystems beispielsweise kann eine Innovation für die Vertriebs- bzw. Logistikfunktion eines Unternehmens darstellen. Für Datenerhebungen empfiehlt es sich, die Kurzbezeichnungen der einzelnen betrieblichen Funktionen, gefolgt von den detaillierten Beschreibungen zu verwenden. Die Übersicht ist kurz genug, um in Erhebungen benutzt werden zu können, und ermöglicht eine gewisse Vergleichbarkeit mit den Definitionen der Prozess-, organisatorischen und Marketinginnovationen in der dritten Ausgabe des Oslo-Handbuchs. Durch eine genauere Anwendung der Klassifikation kann eine bessere Vergleichbarkeit mit den Ergebnissen von Innovationserhebungen erreicht werden, die im Anschluss an die dritte Ausgabe dieses Handbuchs durchgeführt wurden. Die neuen Kategorien decken auch Bereiche ab, die in der dritten Ausgabe nicht erfasst wurden, wie z. B. Änderungen bei Finanzdienstleistungen (Item 5c) und Änderungen bei Funktionen der Produkt- bzw. Prozessentwicklung (Item 6).

3.41. Die letzte Kategorie erfasst Prozessinnovationen in der betrieblichen Funktion, die der Entwicklung von Produkten und anderen Prozessen des Unternehmens dient. In den früheren Ausgaben dieses Handbuchs gab es keine vergleichbare Prozessart. Beispiele für Innovationen in dieser Funktion sind der Einsatz neuer Geneditierungstechnologien, um bestehende oder neue Pflanzensorten oder Arzneimittel (weiter) zu entwickeln, und Data-Mining-Analysen in großen Datenbanken, um eventuelle Möglichkeiten zur Markterschließung aufzuzeigen. Weitere Beispiele für Innovationen in dieser Kategorie sind die Einführung neuer Methoden wie Design Thinking, Ko-Kreation, Rapid Prototyping und Hochdurchsatz-Screening. Bei solchen Innovationen kann es sich um inkrementelle Veränderungen handeln, die nicht als Innovationen einzustufen sind – z. B., um auf unterschiedliche Kundenbedürfnisse eingehen zu können –, oder um Produkt- bzw. Prozessinnovationen. Es gibt allerdings keine Garantie dafür, dass diese Innovationen letztlich auch entwickelt werden.

3.42. Manche Funktionen können für die Datenerhebung zu einem Item zusammengefasst oder weiter aufgeschlüsselt werden. Die Funktionen 1 und 6 etwa könnten zu einer Funktion zusammengefasst werden, die sowohl die Produktionstätigkeit als auch die Entwicklung von Produkten und Prozessen umfasst. Die Funktionen 3 und 5 könnten weiter aufgeschlüsselt werden, um eine bessere Vergleichbarkeit mit den Definitionen der organisatorischen Innovationen und Marketinginnovationen in der dritten Ausgabe des Handbuchs zu gewährleisten (wegen näherer Einzelheiten vgl. den nächsten Abschnitt).

3.43. In Tabelle 3.2 werden die Produkt- und Prozessinnovationsarten, die in diesem Handbuch herangezogen werden, mit den entsprechenden Definitionen in der dritten Ausgabe des Oslo-Handbuchs verglichen.

3.44. Zwei Arten von Marketinginnovationen, die in der dritten Ausgabe des Oslo-Handbuchs enthalten sind (Einführung von Methoden für Produktplatzierung und Produktpromotion bzw. Preisgestaltung), werden in der Kurzbezeichnung der sechs betrieblichen Funktionen in Tabelle 3.1 nicht genannt, dafür aber bei den Beschreibungen angeführt. Außerdem werden Innovationen, die das Design von Produkten betreffen, in diesem Handbuch den Produktinnovationen zugeordnet, während sie in der dritten Ausgabe bei den Marketinginnovationen berücksichtigt wurden. Grund für diese Änderung ist der enge Bezug zwischen Designaktivitäten und der Entwicklung von Produktmerkmalen sowohl bei Waren als auch bei Dienstleistungen. Änderungen des Verpackungsdesigns werden jedoch weiterhin dem Marketing zugerechnet.

3.45. Bei zwei Arten von Prozessinnovationen – Produktion von Waren und Dienstleistungen sowie Vertrieb und Logistik – stimmen die Definitionen der dritten und der vierten Ausgabe weitgehend überein. Die Unterkategorie „Hilfsfunktionen“ der dritten Ausgabe verteilt sich in dieser Ausgabe auf die Kategorien Informations- und Kommunikationssysteme einerseits sowie Verwaltung und Management andererseits. Letztere umfasst die Aktivitäten, die in der dritten Ausgabe den organisatorischen Innovationen zugeordnet waren.

3.46. Empirische Studien zeigen, dass es für Unternehmen u. U. schwierig ist, zwischen organisatorischen Innovationen und Prozessinnovationen zu unterscheiden. Daher werden die organisatorischen Innovationen in diesem Handbuch einer Prozessart (Verwaltung und Management) zugerechnet, die Aktivitäten umfasst, die früher den organisatorischen Innovationen zugeordnet waren, wie das strategische Management (in der dritten Ausgabe Unternehmenspraktiken und externe Beziehungen) und das Personalmanagement (in der dritten Ausgabe Arbeitsorganisation).

3.47. In der dritten Ausgabe des Handbuchs wurde eine Kategorie „reine Produkt- und Prozessinnovatoren“ eingeführt, die Unternehmen ausschließt, die lediglich als organisatorische oder Marketinginnovatoren auftreten. Diese Kategorie lässt sich mit der Kategorie Produktinnovation und den folgenden drei Prozesskategorien dieses Handbuchs näherungsweise nachbilden: a) Produktion von Waren und Dienstleistungen, b) Vertrieb und Logistik sowie c) Informations- und Kommunikationssysteme. Aufgrund der zwischen der dritten und der derzeitigen Ausgabe bestehenden Unterschiede bei der Klassifikation von verschiedenen Arten von Produktdesign, Beschaffung und Buchhaltungsdienstleistungen handelt es sich dabei jedoch nicht um eine exakte Nachbildung.

3.48. In früheren Innovationserhebungen, die im Anschluss an die Publikation der dritten Ausgabe dieses Handbuchs durchgeführt wurden, wurden Daten zu verschiedenen Innovationsarten erhoben. Im Rahmen der Innovationserhebung der Gemeinschaft (CIS) etwa wurden Daten zu zwei Produktinnovationsarten, drei Prozessinnovationsarten, vier Arten von organisatorischer Innovation und vier Marketinginnovationsarten erhoben. Diese Daten können neu ausgewertet werden, um die Innovationskategorien in Tabelle 3.1 näherungsweise nachzubilden und die Effekte eines Zeitreihenbruchs zu minimieren. Es gibt allerdings mehrere Ausnahmen, bei denen die Kategorien des aktuellen Handbuchs mit Erhebungen, die auf der dritten Ausgabe basieren, nicht näherungsweise nachgebildet werden können, da dort mehrere Verwaltungs- und Managementfunktionen (z. B. Corporate Governance), Finanzdienstleistungen, Kundendienstleistungen sowie die betriebliche Funktion der Entwicklung von Produkten und Prozessen nicht erfasst wurden.

3.49. Innovationen treten häufig gebündelt auf und haben Merkmale mehrerer Innovationsarten (O’Brien et al., 2015; Frenz und Lambert, 2012; OECD, 2013). Zurückzuführen ist dies darauf, dass die verschiedenen Innovationsarten komplementär sind. Nachstehend sind mögliche Kombinationen unterschiedlicher Innovationsarten aufgelistet:

  • Eine Prozessinnovation kann die Qualität eines Produkts merklich verbessern und somit sowohl eine Prozess- als auch eine Produktinnovation darstellen.

  • Eine Produktinnovation kann Innovationen bei unterstützenden Prozessen erforderlich machen. Dies ist insbesondere bei Dienstleistungsinnovationen häufig der Fall. Eine neue Onlinefunktion für den Verkauf von Informationsprodukten etwa ist sowohl eine Prozessinnovation (die IKT und Webentwicklung erfordert) als auch eine Dienstleistungsinnovation für die potenziellen Nutzer. Wenn dadurch erstmalig ein neuer Vertriebsweg geschaffen wird, kann es sich dabei auch um eine Marketinginnovation handeln.

  • Produkt- und Prozessinnovationen können eng miteinander verflochten sein, vor allem wenn Prozess und Produkt untrennbar miteinander verbunden sind. Dies gilt insbesondere für Dienstleistungen, bei denen Produktion, Erbringung und Konsum zeitlich zusammenfallen.

  • Änderungen nichtwirtschaftlicher Ergebnisse von Produktionsprozessen im Unternehmen, wie CO2- oder NOx-Emissionen aus der Energieerzeugung, sind auf Innovationen in Prozessen zurückzuführen. Wenn eine entsprechende Marktnachfrage besteht, können Unternehmen die Emissionsänderungen aber auch in die Produktbeschreibung aufnehmen. In diesem Fall stellt die emissionsarme Energie eine Prozessinnovation und eine Produktinnovation dar.

3.50. Mithilfe des in Kapitel 10 erörterten Objektansatzes können Daten über das Vorhandensein verschiedener Arten von gebündelten Innovationen erhoben werden.

3.51. Ein Geschäftsmodell umfasst die Kernprozesse wie z. B. die Produktion, die genutzten Logistik-, Marketing- sowie Kooperationsstrukturen und die wichtigsten Produkte, die ein Unternehmen – gegenwärtig oder künftig – verkauft, um seine strategischen Ziele zu erreichen. Ein Unternehmen kann ein oder mehrere Geschäftsmodelle gleichzeitig umsetzen, Letzteres z. B. für verschiedene Produktlinien oder Märkte. Der Fachliteratur zum Innovationsmanagement zufolge verknüpfen erfolgreiche Geschäftsmodelle eine Methode, um den Anforderungen der Nutzer besser zu entsprechen als die Konkurrenz, mit einer Gewinnformel, um mit der Bereitstellung eines Nutzens für Kunden Einkünfte zu erzielen (Johnson, Christensen und Kagermann, 2008).

3.52. Es gibt keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs „Geschäftsmodellinnovation“. Er kann sich auf partielle Geschäftsmodellinnovationen beziehen, die entweder Produkte oder betriebliche Funktionen eines Unternehmens betreffen, und auf umfassende Geschäftsmodellinnovationen, die sowohl Produkte als auch betriebliche Funktionen betreffen. Partielle Geschäftsmodellinnovationen sind oft schwer von Produkt- und Prozessinnovationen zu unterscheiden.

3.53. Umfassende Geschäftsmodellinnovationen sind von größerer Tragweite, da sie beträchtliche Auswirkungen auf die Lieferketten und die wirtschaftliche Produktion haben, Märkte verändern und neue Märkte schaffen können. Sie können beeinflussen, wie ein Unternehmen einen Nutzen für Nutzer generiert (Produktinnovation) und wie Produkte hergestellt, vermarktet oder bepreist werden (Prozessinnovationen).

3.54. In bestehenden Unternehmen lassen sich drei Arten umfassender Geschäftsmodellinnovationen unterscheiden: a) ein Unternehmen weitet seine Geschäftstätigkeit auf völlig neue Produktarten und Märkte aus, die neue Prozesse erfordern, b) ein Unternehmen stellt seine bisherigen Tätigkeiten ein und wendet sich neuen Produktarten und Märkten zu, die neue Prozesse erfordern, und c) ein Unternehmen verändert sein Geschäftsmodell für die bisherigen Produkte, indem es z. B. auf ein digitales Geschäftsmodell mit neuen Prozessen bei der Produktion bzw. der Erbringung umsteigt, wobei das Produkt von einem materiellen Gut zu einer wissenserfassenden Dienstleistung wird.

3.55. In Innovationserhebungen empfiehlt es sich nicht, Daten zu Geschäftsmodellinnovationen in einer eigenen Kategorie direkt zu erfassen, da es schwierig ist, partielle Geschäftsmodellinnovationen von anderen Innovationsarten zu unterscheiden. Das Vorkommen umfassender Geschäftsmodellinnovationen kann jedoch im Rahmen einer Analyse (vgl. Kapitel 11) geschätzt werden, bei der Daten zu den in einem Unternehmen eingeführten Arten von Innovationen mit anderen die Innovationsziele betreffenden Fragen verknüpft werden, einschließlich einer Frage zum Ziel der Einführung neuer Geschäftsmodelle (vgl. Kapitel 8). Um umfassende Geschäftsmodellinnovationen der dritten Art zu ermitteln, bedarf es u. U. gezielter Fragen zu Veränderungen bei den existierenden Produkten.

3.56. Grundvoraussetzung für eine Innovation ist, dass sie sich von den bisherigen Produkten oder Prozessen des Unternehmens merklich unterscheidet. Dies ist ein subjektives Kriterium, das von den Kapazitäten und vom Kontext des Unternehmens abhängt. Im Hinblick auf die Interpretation und Vergleichbarkeit von Innovationsstatistiken können daher zusätzliche Daten zur Neuartigkeit und zu den wirtschaftlichen Auswirkungen von Innovationen sinnvoll sein. Manche Neuerungen, wie disruptive oder radikale Innovationen, sowie bestimmte wirtschaftliche Auswirkungen sind innerhalb des begrenzten Beobachtungszeitraums, der für Innovationserhebungen empfohlen wird, schwer zu erfassen. Alternative, für den Beobachtungszeitraum von Erhebungen geeignete Indikatoren für die Neuartigkeit, den „Innovationsgrad“ und die wirtschaftlichen Auswirkungen von Innovationen sind u. a.

  • ob eine Innovation lediglich für das Unternehmen, für den Markt des Unternehmens oder für den Weltmarkt eine Neuheit darstellt,

  • die Erwartungen des Unternehmens im Hinblick auf das Potenzial zur Transformation des Marktes, in dem es tätig ist, und

  • die Erwartungen des Unternehmens im Hinblick auf das Potenzial zur Verbesserung seiner Wettbewerbsfähigkeit.

3.57. Um die Neuartigkeit der Innovationen (oder zumindest einer Innovation) eines Unternehmens zu bestimmen, werden diese zumeist mit dem Stand der Technik in dem Markt oder Wirtschaftszweig verglichen, in dem das Unternehmen tätig ist. Ein Unternehmen kann einen einzigen Markt bedienen (wenn es nur eine Art von Produkt anbietet) oder mehrere Märkte (wenn es mehrere Arten von Produkten anbietet). Ein Markt kann geografisch begrenzt sein (wenn ein Unternehmen nur Kunden in bestimmten Regionen bedient) oder aber global sein. Ein Unternehmen kann seine Produkte entweder direkt auf lokalen, regionalen, nationalen oder internationalen Märkten verkaufen oder über Intermediäre. Innovationen können auch neue Märkte schaffen, wodurch innovative Unternehmen u. U. eine Zeit lang von Monopolpreisen profitieren können.

3.58. Es empfiehlt sich, zu fragen, ob es im Unternehmen der Antwortpersonen eine oder mehrere Produkt- oder Prozessinnovationen gibt, die eine Marktneuheit darstellen (d. h. eine Innovation, die es auf ihrem Markt noch nicht gibt). Bei der Auswertung muss dies mit Daten zu der vom Unternehmen bedienten Region verknüpft werden. Eine lokale oder regionale Marktneuheit kann auf der Nachahmung dessen basieren, was auf anderen geografischen Märkten bereits angeboten wird. Eine Weltneuheit dagegen ist marktführend.

3.59. Für die Antwortpersonen ist es möglicherweise schwierig zu beurteilen, ob es sich bei einer Produktinnovation um eine Weltneuheit handelt, es sei denn, die Innovation beruht auf einer oder mehreren patentierten Erfindungen, die nach einer strengen Prüfung als Weltneuheit eingestuft wurden. Eine Weltneuheit setzt ein höheres Maß an Neuartigkeit voraus als eine Marktneuheit.

3.60. Unternehmen, die als erste Innovationen hervorbringen, stoßen in der Branche häufig Folgeinnovationen an. Solche Unternehmen generieren oft neue Ideen und Erkenntnisse. Wie sich ihre Innovationen wirtschaftlich auswirken, hängt in der Regel aber davon ab, ob sie von anderen Unternehmen übernommen (oder nachgeahmt) werden. Die Daten zum Neuheitsgrad können herangezogen werden, um Unternehmen zu unterscheiden, die Innovationen entwickeln, einführen und nachahmen, die Diffusionsmuster zu untersuchen und die Marktführer sowie die übrigen Marktakteure zu ermitteln.

3.61. Für die Antwortpersonen ist es möglicherweise schwierig zu beurteilen, wie neuartig eine Prozessinnovation im Vergleich zu den Prozessen ist, die in anderen Unternehmen bereits genutzt werden, da Geheimhaltung und Vertraulichkeit zum Schutz von Prozessen eine zentrale Rolle spielen. Erkenntnisse aus kognitiven Tests lassen jedoch darauf schließen, dass viele Manager*innen in der Lage sind, die Neuartigkeit von Prozessinnovationen in ihrem Markt zu beurteilen, insbesondere was ihre wichtigsten Prozessinnovationen betrifft. Die Antwort „Weiß nicht“ kann auch wertvolle Informationen darüber liefern, wie sehr in bestimmten Wirtschaftszweigen oder bei verschiedenen Unternehmensarten auf Geheimhaltung gesetzt wird.

3.62. Ein anderer Gradmesser für die Neuartigkeit einer Innovation ist ihr Potenzial, einen Markt zu verändern (oder zu schaffen). Dies kann auf eine radikale oder disruptive Innovation hindeuten. Radikale Innovationen verändern den Status quo. Disruptive Innovationen gehen von einfachen Anwendungen in einem Nischenmarkt aus und breiten sich dann im gesamten Markt aus, bis sie die etablierte Konkurrenz schließlich verdrängen (Christensen, 1997). Auch wenn die Manager*innen in der Lage sind, das Marktveränderungspotenzial von Innovationen zu beurteilen, sind Innovationserhebungen möglicherweise kein geeignetes Instrument, um radikale und disruptive Innovationen zu erfassen, zumal solche Innovationen sehr selten auftreten dürften. Diesbezügliche Fragen sollten sich auf eine einzige, besonders wichtige Innovation beschränken (vgl. Kapitel 10).

3.63. Um den Effekt von Innovationen auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu erfassen, besteht bei Produktinnovationen auch die Möglichkeit, die Umsatzentwicklung im Beobachtungszeitraum zu messen (vgl. Kapitel 4) oder die konkreten Erwartungen für den Effekt der Innovationen auf die Wettbewerbsfähigkeit zu ermitteln (vgl. Kapitel 7).

3.64. Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit Änderungen, die nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen als Innovationen einzustufen sind. Die grundlegenden Kriterien bestehen, wie in Abschnitt 3.2 erörtert, darin, dass eine Innovation implementiert worden sein und sich merklich von den bisherigen Produkten bzw. Prozessen des Unternehmens unterscheiden muss.

3.65. Routinemäßige Änderungen oder Aktualisierungen stellen keine Produktinnovationen dar. Hierzu zählen u. a. Software-Updates, bei denen lediglich Programmierfehler erkannt bzw. behoben werden, und saisonale Änderungen in der Modebranche.

3.66. Ein bloßer Ersatz oder eine Erweiterung des Anlagevermögens ist keine Innovation. Hierzu zählen u. a. der Kauf identischer Modelle bereits installierter Ausrüstungen oder geringfügige Erweiterungen und Aktualisierungen von vorhandenen Ausrüstungen und Softwareprogrammen. Die neuen Ausrüstungen oder Erweiterungen müssen für das Unternehmen eine Neuheit darstellen und mit einer merklichen Verbesserung bei den Spezifikationen einhergehen.

3.67. Neu eingeführte Produkte, die nur geringfügige ästhetische Änderungen wie Farb- oder kleine Formänderungen aufweisen, erfüllen das Kriterium „merklicher“ Unterschiede nicht und sind daher nicht als Produktinnovationen einzustufen.

3.68. Unternehmen, die in der Einzelproduktion tätig sind, produzieren häufig komplexe Einzelwaren oder -dienstleistungen für den Markt (z. B. Computerspiele, Filme) oder gemäß Kundenauftrag (z. B. Gebäude, Produktionsanlagen, Logistiksysteme, Maschinen, Beratungsberichte). Weist das Einzelprodukt nicht merklich andere Eigenschaften auf als die bisher vom Unternehmen hergestellten Produkte, stellt es keine Produktinnovation dar. Wenn das Unternehmen zur Entwicklung des Einzelprodukts nicht merklich andere oder verbesserte Fähigkeiten entwickeln oder einsetzen musste, handelt es sich dabei nicht um eine Prozessinnovation. Die erste Einzelproduktion kann jedoch eine Prozessinnovation darstellen.

3.69. Beworbene Konzepte, Prototypen oder Modelle eines noch nicht existierenden Produkts sind in der Regel keine Produktinnovationen, da sie das Kriterium der Implementierung nicht erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn die Kunden das betreffende Konzept vorbestellen oder anzahlen können, wie z. B. bei Produktkonzepten, die über Crowdfunding finanziert werden. Es ist möglich, dass Konzepte scheitern und es wesentlich länger dauert als erwartet, bis sie zur Nutzung zur Verfügung stehen.

3.70. Im Fall von neuen Wissensprodukten, die an Dritte verkauft wurden, ist es möglicherweise schwieriger zu ermitteln, ob sie implementiert wurden. Der Verkäufer hat ein neues Produkt auf den Markt gebracht. Der Käufer kann jedoch darauf verzichten, dieses Produkt in seinen Prozessen zu nutzen oder es auf seinen eigenen Märkten anzubieten. Dem Wissensanbieter, der das Messsubjekt ist und entscheiden muss, ob eine Innovation zu melden ist, liegen u. U. keine diesbezüglichen Informationen vor. Ein Wissensprodukt, das die nötigen Voraussetzungen in Bezug auf Neuartigkeit und den merklichen Unterschied erfüllt, um als Produktinnovation zu gelten, kann als implementiert betrachtet werden, wenn es von einem Unternehmen auf dem Markt an einen oder mehrere Dritte verkauft wurde.

3.71. Die Outputs von Kreativ- und wissensintensiven Unternehmensdienstleistern, wie z. B. für Kunden erstellte Berichte, Bücher oder Filme, stellen für die Unternehmen, die sie generieren, nicht automatisch eine Innovation dar. So ist beispielsweise der Bericht eines Beratungsunternehmens über die Ergebnisse eines Designprojekts ohne wesentliche neuartige Elemente, das im Auftrag eines Kunden durchgeführt wurde, für das Beratungsunternehmen selbst keine Produktinnovation. Ob der Bericht für das auftraggebende Unternehmen als Innovation einzustufen ist, hängt davon ab, ob die Ergebnisse des Berichts für Innovationsaktivitäten dieses Unternehmens genutzt werden oder nicht. Das Beratungsunternehmen könnte jedoch eine Innovation melden, wenn es im Rahmen des für den Kunden durchgeführten Projekts neue Prozesse einführt oder wenn die Entwürfe bzw. Designs, die auf dem Markt verkauft werden, die notwendigen Voraussetzungen im Hinblick auf Neuartigkeit und den merklichen Unterschied erfüllen, um als Innovation zu gelten. Auf diese Aspekte wird in Kapitel 4 und 6 genauer eingegangen.

3.72. Maßnahmen von Unternehmen, die Einzelhandels-, Großhandels-, Transport- und Lagerhaltungs- sowie personenbezogene Dienstleistungen erbringen, zur Erweiterung der gehandelten oder angebotenen Produktpalette stellen nur dann eine Innovation dar, wenn diese Erweiterung im Unternehmen merkliche Veränderungen der Prozesse erfordert. Ein Obstimporteur bzw. -großhändler, der eine neue Obstsorte in sein Sortiment für Einzelhändler aufnimmt, ist nicht innovativ tätig, es sei denn, dies erfordert eine umfassende Änderung bei den Prozessen, wie den Aufbau einer neuen Lieferkette oder den Kauf neuartiger Kühlanlagen, z. B. um Frischwarenlieferungen zu ermöglichen, die zuvor nicht möglich waren.

3.73. Die Aktivitäten neu gegründeter Unternehmen (bei denen es sich großenteils um Dienstleistungsunternehmen handelt) sind in Anbetracht der Grunddefinition des Begriffs „Innovation“ möglicherweise schwierig einzustufen, da neue Unternehmen für geraume Zeit nicht über bisherige Produkte bzw. Prozesse verfügen, die als Vergleichsgrundlage dienen könnten. In diesem Fall bildet das die Vergleichsgruppe, was auf dem betreffenden Markt verfügbar ist. Ein Produkt eines neuen Unternehmens ist eine Innovation, wenn es sich von den auf den Märkten des Unternehmens verfügbaren Produkten merklich unterscheidet. Desgleichen stellt ein Prozess eines neuen Unternehmens eine Prozessinnovation dar, wenn er sich merklich von den bei der Konkurrenz genutzten Prozessen unterscheidet. Die Antwortpersonen in neuen Unternehmen betrachten jedoch möglicherweise all ihre Produkte bzw. Prozesse als Innovationen. Daher ist es u. U. erforderlich, die Ergebnisse von neu gegründeten Unternehmen, wie Start-ups, separat auszuweisen. Bei spezialisierten Erhebungen zu Start-ups wären auch experimentelle Ansätze bei der Messung von Produkt- und Prozessinnovationen sinnvoll.

3.74. Fusionen und Übernahmen anderer Unternehmen stellen an sich keine Prozessinnovationen dar, sofern nicht weitere Kriterien erfüllt sind. Sie können jedoch Prozessinnovationen nach sich ziehen, wenn das Unternehmen infolge der Fusion oder zur Gewährleistung des Erfolgs der Fusion bzw. Übernahme einen neuen Prozess entwickelt oder einführt.

3.75. Wenn ein Prozess nicht mehr genutzt bzw. nicht mehr ausgelagert oder ein Produkt vom Markt genommen wird, ist dies keine Innovation. Die erstmalige Implementierung von Prozessen zur Ermittlung, wann eine Aktivität eingestellt werden soll, könnte die Kriterien einer Innovation dagegen erfüllen.

3.76. Eine Änderung, die extern determinierten Güter- oder Faktorpreisen geschuldet ist, stellt zumeist keine Innovation dar. Wenn dasselbe Modell eines Mobiltelefons zu einem niedrigeren Preis hergestellt und verkauft wird, weil der Preis eines Videoprozessorchips sinkt, liegt keine Innovation vor.

3.77. Bei der Festlegung einer neuen Unternehmens- oder Managementstrategie, die nicht implementiert wird, handelt es sich nicht um eine Innovation. Die Änderung eines Prozesses stellt ebenfalls keine Innovation dar, wenn der Prozess in anderen Abteilungen des Unternehmens in dieser Form bereits genutzt wird.

3.78. Der Innovationsstatus eines Unternehmens wird danach bemessen, ob das betreffende Unternehmen während des Beobachtungszeitraums einer Datenerhebung Innovationsaktivitäten durchgeführt oder ob es eine oder mehrere Innovationen eingeführt hat. Wie in Kapitel 9 erörtert, erstreckt sich der empfohlene Beobachtungszeitraum auf ein bis drei Jahre.

3.79. Die Innovationsaktivitäten des Unternehmens können während des Beobachtungszeitraums

  • zu einer Innovation führen. Infolgedessen können die Innovationsaktivitäten nach erfolgter Implementierung während des Beobachtungszeitraums eingestellt oder im Rahmen anderer Innovationsprojekte fortgeführt werden.

  • fortgesetzt werden, ohne zu einer Innovation zu führen. Die Innovationsaktivitäten können noch im Gang sein und nach Plan verlaufen oder sich aus verschiedenen Gründen, wie technischen Problemen oder einem Mangel an Expertise oder finanziellen Mitteln, verzögern.

  • abgebrochen, eingestellt oder unterbrochen werden, so z. B., wenn die Aktivitäten zur Entwicklung einer Innovation vor der Implementierung eingestellt werden.

3.80. Diese drei Ergebnisse beziehen sich auf das gesamte Spektrum an Innovationsaktivitäten und -projekten in einem Unternehmen. Wie Tabelle 3.3 zeigt, ergeben sich aus der Kombination der Daten über das Vorhandensein von Innovationen und Innovationsaktivitäten (Innovationsstatus) im Hinblick auf den Innovationsstatus eines Unternehmens vier mögliche Kategorien.

3.81. Aus den Kombinationen in Tabelle 3.3 ergeben sich drei Kerndefinitionen für Unternehmen:

Unter einem innovativen Unternehmen wird ein Unternehmen verstanden, das während des Beobachtungszeitraums eine oder mehrere Innovationen aufweist. Dies gilt unabhängig davon, ob das betreffende Unternehmen für eine Innovation alleine oder gemeinsam mit Dritten verantwortlich ist.

Unter einem nicht innovativen Unternehmen wird ein Unternehmen verstanden, das während des Beobachtungszeitraums keine Innovationen aufweist.

Ein innovationsaktives Unternehmen führt während des Beobachtungszeitraums eine oder mehrere Aktivitäten durch, um neue oder verbesserte Produkte bzw. Prozesse für einen bestimmten Verwendungszweck zu entwickeln oder zu implementieren. Sowohl Innovatoren als auch Nichtinnovatoren können während eines Beobachtungszeitraums innovationsaktiv sein.

3.82. Innovative Unternehmen, die während des Beobachtungszeitraums keine Innovationsaktivitäten durchführen, wie jene der vierten Kategorie, gibt es äußerst selten. Dieser Fall würde z. B. eintreten, wenn in einem Unternehmen alle Innovationsaktivitäten außer der Implementierung vor dem Beobachtungszeitraum durchgeführt werden und die Implementierung keine zusätzlichen Ressourcen erfordert. Gleiches gilt, wenn eine Innovation das Ergebnis allgemeiner Unternehmensaktivitäten ist, die nicht ausdrücklich auf die Einführung einer Innovation abzielen.

3.83. Es ist wichtig, dass die Messmethoden dem dynamischen Verhältnis von Innovation als Prozess (Innovationsaktivitäten) und Innovation als Ergebnis Rechnung tragen. Die Länge des Beobachtungszeitraums hat im Übrigen einen direkten Einfluss darauf, wie sich die Unternehmen auf die vier in Tabelle 3.3 dargestellten Kategorien verteilen. In Wirtschaftszweigen mit kurzen Entwicklungszeiten und langen Produktlebenszyklen könnte ein kurzer Beobachtungszeitraum zu einem geringen Anteil innovativer und innovationsaktiver Unternehmen führen. In Wirtschaftszweigen mit langen Entwicklungszeiten könnte ein kurzer Beobachtungszeitraum mit einem hohen Anteil innovationsaktiver Unternehmen verbunden sein bzw. mit einem geringen Anteil innovativer Unternehmen, die mindestens eine Innovation aufweisen. In Kapitel 9 wird eingehender erörtert, wie sich die Länge des Beobachtungszeitraums auf den Innovationsstatus auswirkt.

3.84. Innovation ist ein subjektives Konstrukt, dessen Messung je nach Perspektive, Überzeugungen und Kontext der Antwortperson zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (Galindo-Rueda und Van Cruysen, 2016). Um die Qualität und Vergleichbarkeit von Statistiken zu gewährleisten, müssen die Definitionen, die in Befragungen und bei anderen Datenerhebungsmethoden verwendet werden, den in diesem Handbuch enthaltenen Definitionen sinngemäß entsprechen und zugleich dem jeweiligen Sprachgebrauch bzw. der Terminologie Rechnung tragen, die von den potenziellen Antwortpersonen verwendet und verstanden wird.

3.85. Innovationserhebungen können so konzipiert werden, dass sie ohne den Begriff „Innovation“ auskommen, damit Widersprüche zwischen der formalen Begriffsdefinition und dem Begriffsverständnis der Antwortpersonen vermieden werden. Dies könnte für objektivere Antworten sorgen und Problemen der Vergleichbarkeit auf Wirtschaftszweig- bzw. Länderebene entgegenwirken. Ein Beispiel hierfür ist der Australian Business Characteristics Survey, in dem der Begriff „Innovation“ durch die Beschreibung der einzelnen Innovationsarten ersetzt wurde. Die (auf der dritten Ausgabe des Oslo-Handbuchs basierende) Erhebung des Jahres 2013 enthielt beispielsweise die Frage „Woher bezog dieses Unternehmen die Ideen und Informationen für die Entwicklung bzw. Einführung neuer Waren, Dienstleistungen, Prozesse oder Methoden?“. Diese Frage veranschaulicht zugleich einen wesentlichen Nachteil, der mit dem Verzicht auf eine Verwendung des Begriffs „Innovation“ einhergeht: Es müssen möglicherweise in mehreren Fragen alle Innovationsarten aufgelistet werden. In diesem Handbuch werden nur zwei große Innovationskategorien unterschieden – Produkte und Prozesse. Dies macht es bei Datenerhebungen einfacher, den Begriff „Innovation“ zu vermeiden, und ermöglicht eine gewisse Sprachökonomie.

3.86. Die Minimaldefinition eines innovativen Unternehmens ist kein geeigneter Indikator für den Vergleich von Innovationen auf Wirtschaftszweig-, Unternehmensgrößenklassen- oder Länderebene, da dabei die Unterschiede in Bezug auf die Neuartigkeit der Innovationen und die Unternehmenskapazitäten zur Entwicklung von Innovationen unberücksichtigt bleiben. Die Daten zum Innovationsstatus der Unternehmen können mit Daten über die Neuartigkeit der Innovationen, die Innovationsaktivitäten (vgl. Kapitel 4) oder die Aufteilung der Innovationsanstrengungen (vgl. Kapitel 5) verknüpft werden, um Indikatoren zur Neuartigkeit der Innovationen und zu den Innovationskapazitäten der einzelnen Unternehmen zu erhalten. Diese Indikatoren können aggregiert werden, um Innovationsprofile von Unternehmen nach Wirtschaftszweig, Größenklasse bzw. Land zu erstellen. Durch eine Verknüpfung der Profile mit den Daten zu Innovationsergebnissen (vgl. Kapitel 11) können der Beitrag der Innovation zur Unternehmensleistung und der Nutzen für die Nutzer der Innovation ermittelt werden.

3.87. Es empfiehlt sich, Daten zu den folgenden für die Ermittlung des Innovationsstatus und der Innovationsprofile (vgl. Kapitel 11) wichtigen Aspekten zu erheben.

3.88. Mit jeweils einer Frage können Daten zu den Hauptinnovationsarten nach Objekt (Produkt und Prozess) gewonnen werden. Im Hinblick auf die Auswertung ist es jedoch sinnvoll, weitere Fragen zu den zwei Produktinnovationsarten und den sechs Arten von Prozessinnovationen vorzusehen. Dadurch erhält man wesentlich genauere Informationen über die Innovationen der einzelnen Unternehmen und kann die in der dritten Ausgabe dieses Handbuchs definierten Innovationskategorien (z. B. Produkt- bzw. Prozessinnovationen) nachbilden.

3.89. Es wird empfohlen, Daten über die Merkmale und die Neuartigkeit der Innovationen zu erheben, um Innovationsprofile zu erstellen, für die die Unternehmen anhand der Merkmale ihrer Innovationen und Innovationsanstrengungen klassifiziert werden. Die für die Profilerstellung relevanten Fragen betreffen u. a.

  • den jeweiligen Neuheitsgrad, wie in Unterabschnitt 3.3.2 erörtert,

  • die Merkmale der Produktinnovationen, einschließlich Design, wie in Unterabschnitt 3.3.1 erörtert,

  • die Rolle Dritter bei der Entwicklung und Implementierung von Innovationen, wie in Unterabschnitt 3.2.2 und Kapitel 5 erörtert, sowie

  • das Vorhandensein laufender bzw. eingestellter Innovationsaktivitäten, wie in Unterabschnitt 3.4 erörtert.

3.90. Das Konzept der Neuartigkeit bezieht sich sowohl auf Produkt- als auch auf Prozessinnovationen. Fragen zur Neuartigkeit von Produktinnovationen dürften für die Manager*innen allerdings leichter zu beantworten sein.

Literaturverzeichnis

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Frenz, M. und R. Lambert (2012), „Mixed modes of innovation: An empiric approach to capturing firms’ innovation behaviour”, OECD Science, Technology and Industry Working Papers, No. 2012/06, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/5k8x6l0bp3bp-en.

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O’Brien, K. et al. (2015), „New Evidence on the Frequency, Impacts and Costs of Activities to Develop Innovations in Australian Businesses: Results from a 2015 Pilot Survey”, Bericht für das Commonwealth Department of Industry, Innovation and Science, Australian Innovation Research Centre (University of Tasmania), Hobart.

OECD (2013), „Knowledge networks and markets”, OECD Science, Technology and Industry Policy Papers, No. 7, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/5k44wzw9q5zv-en.

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