7. Die Finanzierung von Innovation in Deutschland

Den Anfang von Forschung, Entwicklung und Innovation (FE&I) bilden Investitionen, sei es in Sach-, Human- oder immaterielles Kapital. Die Art, wie Unternehmen ihre Investitionen finanzieren, und die Finanzierungsbedingungen sind daher entscheidende Innovationstreiber oder Innnovationshemmnisse. Während überall auf der Welt ein großer Teil der Innovationsfinanzierung üblicherweise aus den unternehmenseigenen Ressourcen bestritten wird, kommt dem Zugang zu Finanzmitteln Dritter eine wichtige Rolle bei der Unterstützung weiterer Innovationstätigkeit zu. Dies ist insbesondere bei Sprunginnovationen der Fall, die Investitionen in sehr großem Umfang erfordern und zu denen viele Akteure in der Industrie folglich keinen Zugang hätten. Wie beim Regulierungsrahmen wirken sich Finanzierungsengpässe nicht auf alle Unternehmen in gleichem Maße aus. Mittelständische Unternehmen und Start-ups sind häufig schwierigeren Finanzierungsbedingungen ausgesetzt als größere, bereits etablierte Unternehmen. Will Deutschland sowohl bei der ökologischen und digitalen Transformation erfolgreich sein als auch seine weltweite Führungsrolle in der nächsten Technologiegeneration halten, wird eine bessere Verfügbarkeit von Risiko- und Wachstumskapital für hochinnovative Unternehmen unabdingbar sein.

Für Innovationszwecke sind unterschiedliche Finanzierungsquellen vorhanden, darunter privates Beteiligungskapital, Bankkredite, Wagniskapital und Aktienmärkte. Deutsche Unternehmen – einschließlich der mittelständischen Unternehmen – sind hauptsächlich auf Banken angewiesen, die seit jeher eine zuverlässige und effektive Finanzierungsquelle für Investitionen darstellen. Kapitalmärkte werden hier zu einem geringeren Grad genutzt als es in einigen anderen OECD-Ländern wie den Vereinigten Staaten der Fall ist. Allerdings sind die deutschen Banken, wie die in anderen OECD-Ländern auch, weniger gewillt, immaterielle Investitionen zu finanzieren, was auf Informationsasymmetrien zwischen Banken und Unternehmen oder Schwierigkeiten bei der Besicherung durch immaterielle Vermögenswerte zurückzuführen ist. Hierdurch wird die Fähigkeit der Unternehmen eingeschränkt, insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), neue Technologien, darunter digitale Instrumente, im Rahmen ihrer Innovationsaktivitäten vollumfänglich zu nutzen (OECD, 2021[1]).

Die Finanzierungsmöglichkeiten für bahnbrechende und risikoreiche Innovationen – die über Banken schwieriger zu erlangen sind – haben zugenommen. Jedoch konzentrieren sich die Investitionen auf die Frühphasen des Unternehmenswachstums, während für mittlere und spätere Wachstumsphasen erhebliche Finanzierungsdefizite bestehen. Im Ergebnis sind vielversprechende deutsche Innovationsträger mit einer inländischen Finanzierungslücke konfrontiert, die ihre Möglichkeiten zur Skalierung behindert. Die Fähigkeit mittelständischer Unternehmen und vielversprechender Start-ups, Sprunginnovationen hervorzubringen und zu skalieren, wie auch die Fähigkeit des deutschen Privatsektors, sich in Richtung wissensbasierter Tätigkeitsfelder zu entwickeln, hängen davon ab, ob diese Finanzierungsschwierigkeiten gelöst werden.

Das vorliegende Kapitel enthält eine Empfehlung dazu, wie die Bundesregierung die Finanzmärkte verbessern könnte, die für die Entstehung von Unternehmen mit großem innovativem Potenzial und deren Auf- und Ausbau erforderlich sind. Darauf folgt eine kurze Bewertung der aktuellen Bedingungen, unter denen Unternehmen Zugang zu Finanzmitteln erhalten, bevor das Kapitel mit einem Überblick über die in Deutschland vorhandenen Märkte für Wagniskapital schließt.

Überblick und detaillierte Empfehlungen:

Obwohl Unternehmen in Deutschland im Allgemeinen guten Zugang zu Kapital haben, sind junge und kleine Unternehmen weiterhin Herausforderungen bei der Beschaffung von für die Skalierung notwendigem Kapital ausgesetzt. Dieser Umstand spiegelt zum Teil die verhältnismäßige Unterentwicklung der Wagnis- und Wachstumskapitalmärkte in Deutschland und der Europäischen Union als Ganzem wider.

E6.1 Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Kapital sammelnde Einrichtungen in Deutschland prüfen und überarbeiten, um Investitionen in risikobehaftete Innovation zu fördern. Die Bundesregierung sollte in Erwägung ziehen, institutionelle Anleger zur Zuweisung eines bestimmten Prozentsatzes ihrer Mittel zu Wagniskapital oder außerbörslichem Beteiligungskapital für innovative Unternehmen zu verpflichten. Beispielsweise stellen deutsche Rentenfonds, Versicherungsunternehmen und staatliche Finanzierungseinrichtungen Risikokapital in sehr geringem Umfang zur Verfügung, obwohl sie zu den einzigen Quellen gehören, die Finanzmittel in dem Umfang bereitstellen könnten (einschließlich der Investitionen in privatwirtschaftliche Unternehmen durch Wagniskapitalfonds und von Investitionen in börsennotierte Unternehmen), die für die Skalierung der Innovationsträger mit dem größten Potenzial notwendig sind. Ein anderer Ansatz könnte in der Erleichterung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen bestehen. Generell sind die deutschen für Kapitalbeteiligungen und Leistungsprämien geltenden Steuerregelwerke im internationalen Vergleich weitestgehend unattraktiv.

E6.2 Steuerliche Anreize ausweiten, insbesondere jene, die es privaten Investoren ermöglichen, Kapitalverluste gegen sonstige Erträge aufzurechnen oder zukünftige Gewinne von der Steuer zu befreien, sofern diese der Anlagekategorie „Wagniskapital“ entstammen. Derartige Anreize sollten sowohl für das Wagniskapitalsegment (vorbörsliche Emissionen) als auch für über den Aktienmarkt vorgenommene Investitionen (Finanzmittel für die Gründungs- und Wachstumsphasen) gelten. Das Vereinigte Königreich und Frankreich beispielsweise verfügen jeweils über sechs unterschiedliche Steueranreizmodelle, um die Versorgung der Wagniskapitalmärkte mit privatem Kapital zu verbessern.

E6.3 Die Bundesregierung sollte die Entwicklung von Finanzinstrumenten auf EU-Ebene fördern, die zur Skalierung innovativer Unternehmen beitragen und deren Abwanderung verhindern. Das zur Skalierung von Unternehmen mit größtem Potenzial notwendige Finanzierungsvolumen steht häufig weder innerhalb Deutschlands noch innerhalb der Europäischen Union zur Verfügung, was zur Folge hat, dass diese nicht selten in Länder wie die Vereinigten Staaten oder das Vereinigte Königreich abwandern, wo Finanzmittel leichter zu beschaffen sind. Die deutsche Regierung sollte darauf hinwirken, auf EU-Ebene die Entwicklung von außerbörslichem Beteiligungskapital für Investitionen in noch nicht öffentlich verfügbare Technologien und digitale Innovationsträger zu etablieren. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) könnte eine stärkere Rolle bei der Entwicklung des inländischen Wagniskapitalmarkts für stärker risikobehaftete Investitionen einnehmen.

Viele Länder im OECD-Raum haben Maßnahmen ergriffen, um die Verfügbarkeit von Finanzmitteln für Innovationszwecke auszuweiten, einschließlich durch die Entwicklung von Wagniskapitalmärkten für innovative Start-ups mit hohem Potenzial und hohem Risiko.

Staatlich gefördertes Wagniskapital zur Risikominderung von Investitionen in Start-ups, die sich in der Frühphase befinden, aber potenziell einen hohen Wirkungsgrad entfalten können, hat sich in einer Vielzahl von Ländern bewährt, etwa in Israel. Als dort im Jahr 1993 die Yozma-Initiative ins Leben gerufen wurde, stammten rd. 50 % des Wagniskapitals aus öffentlichen Mitteln; innerhalb von sieben Jahren sank der Anteil der öffentlichen Finanzmittel dann auf nahezu null. Während staatliches Wagniskapital Investitionen des Privatsektors verdrängen könnte, zeigt sich am Fall Israels, dass zielgerichtete Programme den entgegengesetzten Effekt haben können: Sie lassen den Wagniskapitalmarkt durch privates Beteiligungskapital rasant wachsen und bringen das nationale Start-up-Ökosystem voran. In der Yozma-Initiative stellte der Staat bis zu 40 % des notwendigen Kapitals bereit, wobei den privaten Investoren das Recht eingeräumt wurde, den staatlichen Anteil in den auf die Investition folgenden fünf Jahren zu einem im Voraus bestimmten Preis erwerben zu können (Apolitical, 2017[2]; Yozma, o. J.[3]). Das israelische Modell, eine staatlich gestützte Wagniskapitalinstitution zur Entwicklung privater Kapitalmärkte für Investitionen in Start-ups zu nutzen, könnte auf die SPRIND übertragen werden, damit sie eine größere Rolle bei der Entwicklung von deutschen Wagniskapitalmärkten und bei der internationalen Koordinierung zum Ausbau dieser Märkte auf EU-Ebene übernehmen kann.

Spätere Finanzierungsrunden mit Wagniskapital stellen für deutsche Unternehmen eine große Herausforderung dar, weil dabei die Finanzierungsvolumina üblicherweise viel größer sind als in den vorangegangenen Finanzierungsrunden. Grundsätzlich ist die Eigenkapitalfinanzierung ähnlichen Herausforderungen ausgesetzt, da die Finanzierungsumfänge ebenfalls groß sind. In den Vereinigten Staaten investieren institutionelle Anleger wie Pensionsfonds zunehmend in Private Equity, weil Investitionen dieser Art im Vergleich zu herkömmlichen Finanzierungsinstrumenten höhere Erträge erwirtschaften. 2021 erreichten beispielsweise die von US-amerikanischen staatlichen Pensionsfonds vorgenommenen Investitionen in privates Beteiligungskapital ein Volumen von 480 Mrd. USD (Gillers, 2022[4]). Dieses beachtliche Volumen der dem US-amerikanischen Wagniskapitalmarkt zur Verfügung stehenden Mittel ermöglicht die hohe Zahl von in späten Phasen stattfindenden Finanzierungsrunden. Damit wird das Erfordernis größerer Investitionen durch institutionelle Anleger nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa deutlich, wenn es für die deutschen Start-ups möglich sein soll, sich die erforderlichen Finanzmittel für die Wachstumsphasen innerhalb der Europäischen Union zu sichern.

In Österreich verfolgt die Regierung beim Wagniskapital ebenfalls einen gemeinschaftlichen Ansatz. Im Mai 2019 kündigten die österreichische Regierung und das Austria Wirtschaftsservice (aws), die Förderbank des Bundes, ein neues Paket für Start-ups an, das mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen Österreich attraktiver für Start-ups machen soll. Dieses Paket wird gleichzeitig ergänzt durch den von aws geführten aws Mittelstandsfonds, der Finanzmittel für die Wachstumsphasen mittlerer Unternehmen anbietet. An der Kombination der zwei Fonds zeigt sich die Fähigkeit der österreichischen Regierung, zusätzliche staatliche Finanzmittel für innovative Start-ups und KMU im Laufe von deren Entwicklung bereitzustellen. aws unterhält außerdem einen Gründerfonds für Investitionen während der Seed- und ersten Wachstumsphasen, der zusammen mit privaten Investoren langfristig und möglicherweise in mehr als einer Finanzierungsrunde in vielversprechende Unternehmen investiert. Der Fonds richtet sich an Unternehmen, die sich schwertun, Kapital auf den herkömmlichen Finanzierungswegen (etwa durch Bankkredite) einzubringen, und insbesondere an Unternehmen mit hohem Wachstumspotenzial (aws, o. J.[5]).

Die Mobilisierung privater Finanzmittel für das von Start-ups benötigte Wagniskapital erfordert hinsichtlich der regulatorischen Vorgaben häufig einen gewissen Einfallsreichtum, um Chancen außerhalb des Banken- und Finanzsystems wahrzunehmen. Eine Möglichkeit, größere Investitionen in Start-ups zu stärken, besteht in der Ausweitung der dafür gewährten steuerlichen Vorteile. Im Vereinigten Königreich hat die Regierung eine Reihe von Steuervergünstigungen und Anreizprogrammen eingeführt, die Einzelpersonen zu Investitionen in Unternehmen ermutigen sollen. Das Wirtschaftsförderprogramm Seed Enterprise Investment Scheme (SEIS) beispielsweise bietet Investoren Steuervorteile dafür, dass diese im Vereinigten Königreich in kleine Unternehmen und solche, die sich in der Frühphase befinden, investieren (HM Revenue & Customs, o. J.[6]). Im Gegenzug für seine Investition in ein von den Steuerbehörden im Voraus für das Programm qualifiziertes Unternehmen genießt der Investor folgende Vorteile: eine Gutschrift auf die Einkommenssteuer (bis zu 45 % der Erstinvestition auf den Steuerbescheid des laufenden und des vorangegangenen Jahres), eine Befreiung von der Kapitalertragssteuer auf die an dem SEIS-qualifizierten Unternehmen gehaltenen Anteile für die auf die Investition folgenden drei Jahre, einen Verlustausgleich und Ermäßigungen bei der Erbschaftssteuer. Einem ähnlichen Modell folgt das Wirtschaftsförderprogramm Enterprise Investment Scheme für spätere Phasen der Start-ups. Beide Programme setzen Anreize für den Investor, während das Start-up durch Eigenkapitalbeteiligungen Zugang zu Wagniskapital erhält, dessen Finanzierung durch einen herkömmlichen Bankkredit u. U. nicht möglich gewesen wäre.

Der Bankensektor in Deutschland ist eine bedeutende Finanzierungsquelle für die mittelständischen Unternehmen des Landes. Im Jahr 2020 entsprachen die dem Privatsektor durch die Banken zur Verfügung gestellten Inlandskredite 85,2 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP) (Weltbank, o. J.[7]). Liegt die Höhe der Bankkredite geringfügig über dem OECD-Durchschnitt (84,7 %), so ist der Gesamtanteil der dem deutschen Privatsektor bereitgestellten Inlandskredite (85,7 % des BIP) erheblich unter dem OECD-Durchschnitt (161,9 %) anzusiedeln. Deutlich höher ist der Anteil insbesondere in den Vereinigten Staaten (216,3 %), Japan (194,6 %) und Korea (165,5 %). Obwohl das deutsche Bankensystem nach absoluten Zahlen das größte in der Europäischen Union ist, weist es einen hohen Fragmentierungsgrad unter privaten, staatlichen und genossenschaftlichen Kreditinstituten auf (Hüfner, 2010[8]). Dadurch kommt den Sparkassen, die eine wichtige Rolle für den deutschen Mittelstand spielen, eine bevorzugte Stellung zuteil, da das Kreditwesen auf vertrauensvollen Beziehungen mit diesen Einrichtungen beruht.

Wie aus mehreren Erhebungen hervorgeht, verfügen KMU in Deutschland grundsätzlich über einen guten Zugang zu Kapital: Die jüngste Erhebung (2020) unter 11 007 Unternehmen, darunter 1 337 deutsche, ergab, dass der Kapitalzugang in Deutschland eine sehr viel kleinere Hürde darstellt als in anderen europäischen Ländern (EZB, 2021[9]). Die niedrigen Zinssätze, die den deutschen Bankensektor mehrere Jahre auszeichneten (seit 2016 betrug der Leitzins der Bundesbank 0 %), sorgen weiterhin für vorteilhafte Bedingungen für Bankkredite, die für deutsche KMU die wichtigste Quelle der privatwirtschaftlichen Finanzierung bleiben. Wie in anderen Ländern ist allerdings die Inanspruchnahme privater Finanzmittel für Forschung und Produktentwicklung verhältnismäßig gering: Sie liegt in Deutschland bei rd. 25 % und im EU-Durchschnitt bei 20 % (EZB, 2021[9]). Bankkredite, die in Deutschland zu verhältnismäßig tragfähigen Bedingungen angeboten werden, stellen lediglich eine von mehreren Finanzierungsquellen dar, auf die im FE&I-Bereich tätige Unternehmen angewiesen sind.

Wie in anderen OECD-Ländern haben auch deutsche Unternehmen Schwierigkeiten, Zugang zu Bankkrediten für Investitionen in immaterielles Kapital zu erhalten. Immaterielle Vermögenswerte sind Vermögenswerte ohne physische Substanz. Sie können die wirtschaftliche Verwertung von Wissen ermöglichen und sind weithin anerkannt als die Quelle zukünftigen Wachstums, insbesondere da wissensbasierte Tätigkeiten zunehmend gegenüber traditionellen Tätigkeiten, wie der Fertigung, an Bedeutung gewinnen. Investitionen dieser Art können sich auf FuE, Patente, Software, Datenbanken, Führungsfähigkeiten und eine Reihe weiterer Vermögenswerte beziehen, die durch Merkmale wie unsichere Erträge, Nichtrivalität, umfangreiche Synergien und geringe Wiedereinsatzfähigkeit geprägt sind (OECD, 2021[1]). Die sich daraus ergebenden Informationsasymmetrien (weil das Unternehmen oder der Innovationsträger über deutlich bessere Kenntnisse hinsichtlich des Werts der Investitionen verfügt als die Bank) erschweren die Nutzung dieser Vermögenswerte als Sicherheiten und reduzieren die Bereitschaft des Bankensektors, die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen. Wie in anderen Bereichen des Kapitalzugangs sind die Auswirkungen über den Privatsektor hinweg ungleich verteilt: KMU und Start-ups sind stärker betroffen als größere Unternehmen. Entsprechend sind Unternehmen bei Investitionen in immaterielle Vermögenswerte zunehmend auf privates Beteiligungskapital und ihre eigenen Gewinnrücklagen angewiesen (Cecchetti und Schoenholtz, 2017[10]).

Diese Finanzierungsprobleme bestehen zwar seit Langem, sie werden aber immer größer in einem Umfeld, in dem die Volkswirtschaften sich hin zu wissensbasierten Wachstumsmodellen entwickeln und ergänzende Investitionen in immaterielles Kapital zur vollumfänglichen Verwertung neuer (insbesondere digitaler) Technologien notwendig sind. In Deutschland reduzieren Finanzierungsengpässe bei Investitionen in immaterielles Kapital u. U. die Fähigkeit bestehender oder neuer Unternehmen, einen Innovationsbeitrag zu leisten, was folglich den Innovationsbeitrag des deutschen WTI-Systems beschränkt.

Wagniskapital1 hat risikoreiche Innovationen in Ländern wie dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten und Israel gestützt und ist eine wichtige Finanzierungsquelle für mit großem Risiko verbundene und potenziell bahnbrechende Innovationen in Deutschland. Herkömmliche Bankkredite, die häufig eine Besicherung durch Vermögenswerte erfordern – eine für junge Unternehmen wegen ihrer immateriellen und wissensbasierten Vermögenswerte nicht einfach zu erfüllende Bedingung –, sind weniger attraktiv als Wagniskapital, wenn es um Investitionen in risikoreichere Innovationen geht.

Wagniskapital wird in Deutschland immer beliebter, zwischen 2009 und 2019 wurde ein Zuwachs von 160 % verzeichnet. Das deutsche Wagniskapitalniveau liegt allerdings mit 2,4 Mrd. EUR im OECD-Raum nur auf dem sechsten Platz (Abbildung 7.1). Im Jahr 2019 belief sich das Wagniskapital in Deutschland auf 0,056 % des BIP, was erheblich weniger ist als in anderen Volkswirtschaften wie Korea und dem Vereinigten Königreich, aber immer noch mehr als in Japan. Obwohl das Verhältnis von Wagniskapital zu BIP in den meisten OECD-Ländern niedrig ist, gibt es einige bemerkenswerte Ausnahmen. In Israel, das weithin als „Start-up-Nation“ bekannt ist und über eines der weltweit am besten entwickelten Netzwerke für Wagniskapitalmittel verfügt, betrug der Gesamtumfang von mittels Wagniskapitals finanzierten Investitionen im Jahr 2020 2,2 % des BIP (Abbildung 7.1).

Obwohl der Wagniskapitalmarkt in Deutschland im Laufe der letzten zehn Jahre gewachsen ist, bleibt er in den zweiten und dritten Wachstumsphasen unterentwickelt: Das Finanzierungsvolumen für diese Phasen beträgt 50–150 Mio. EUR. Im Jahr 2021 zählte Deutschland mehr als 150 Wagniskapitalunternehmen, wobei 78 % des Kapitals in den ersten zwei Finanzierungsrunden „Seed“ und „Series A“ beschafft wurden, die sich an Start-ups in einer frühen Entwicklungsphase richten. Demgegenüber findet die Kapitalbeschaffung zu 83 % in späteren Phasen statt. Das bedeutet, dass trotz eines gut entwickelten Wagniskapitalmarkts für Start-ups in deren frühen Phasen – die zusätzlich zu Investitionen des Privatsektors (durch Programme wie EXIST und den in Kapitel 3 beschriebenen Zukunftsfonds) breit angelegte staatliche Unterstützung erhalten – bei den weiter fortgeschrittenen Unternehmen größerer Finanzierungsbedarf besteht. Wie von SPRIND angemerkt, gibt es in Deutschland nahezu keine für mittlere oder späte Phasen verfügbare Wagniskapitalfonds, die das notwendige Kapital für Börsengänge von mittelständischen Technologieunternehmen bereitstellen (also von Unternehmen mit Einnahmen zwischen 10 und 100 Mio. EUR und weniger als 1 Mrd. EUR Marktkapitalisierung) (SPRIND, 2022[12]).

Die Trends in der Entwicklung der Wagniskapitalmärkte in Deutschland weisen mehrere Besonderheiten auf. Aus Abbildung 7.2 geht hervor, dass das absolute Wagniskapitalniveau über alle Phasen hinweg in Deutschland erheblich niedriger ist als in der weltweit führenden Volkswirtschaft (den Vereinigten Staaten), aber auch als in vielen kleineren Volkswirtschaften (beispielsweise Israel). Wie vorstehend angemerkt, erfolgt der Großteil der deutschen Wagniskapitalinvestitionen in den Seed- und frühen Investitionsphasen, während in den Vereinigten Staaten und Israel das Wagniskapital in den späteren Phasen investiert wird und häufig deutlich höhere Finanzierungsniveaus erreicht. Im Jahr 2019 zielten in Deutschland 40 % des Wagniskapitals auf Investitionsrunden in Spätphasen ab, verglichen mit 60 % in den Vereinigten Staaten und 70 % in Israel. Bemerkenswerterweise hat sich der Wagniskapitalmarkt Israels, einschließlich der Investitionen für spätere Phasen, erst in den letzten rund zehn Jahren richtig entwickelt: Im Jahr 2011 betrugen in Israel die Gesamtinvestitionen von Wagniskapital in späte Phasen 80 Mio. USD, verglichen mit 432 Mio. USD in Deutschland. Im Jahr 2019 sind die mittels Wagniskapitals finanzierten Investitionen in späte Phasen in Israel um 6 000 % (auf 4,9 Mrd. USD) gestiegen. Das Wachstum in Deutschland war zwar beachtlich, mit 127 % (981 Mio. USD) aber eher verhalten.

Wenn es keine gut entwickelten Wagniskapitalmärkte für Start-ups in den mittleren und späteren Phasen der Entwicklung gibt, sehen sich neue und innovative deutsche Unternehmen, wie etwa durch Ausgründungen aus der Wissenschaft entstandene, vor erheblichen Herausforderungen, was ihre Wachstumsaussichten betrifft. Allerdings macht es ein global strukturierter Finanzmarkt möglich, dass deutsche Unternehmen, die kein inländisches Wagniskapital beschaffen können, auf die am weitesten entwickelten Wagniskapitalmärkte Rekurs nehmen wie denen des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten. Am Beispiel der künstlichen Intelligenz (KI), einer Technologie, die für Anwendungen wie das autonome Fahren und für pharmazeutische Forschung entscheidend ist, lässt sich dies gut beobachten. Im Jahr 2020 erhielten im Bereich der KI tätige deutsche Start-ups 1,5 Mrd. USD an Wagniskapital, darunter 331 Mio. USD von deutschen Investoren und 1,2 Mrd. USD von internationalen Investoren, von denen die meisten aus dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten stammten. Zum Vergleich: Im selben Jahr sicherten sich im Bereich der KI tätige Start-ups in den Vereinigten Staaten 45,2 Mrd. USD an Wagniskapital, wovon 26,5 Mrd. USD aus dem inländischen Wagniskapitalmarkt kamen – nahezu 8 Mrd. USD mehr als aus ausländischen Quellen beschafft wurden (Dealroom.co, 2020[13]).

Die gute Verfassung der inländischen Wagniskapitalmärkte ist daher für die Innovationstätigkeit in Deutschland sowohl im wirtschaftlichen als auch im strategischen Sinne von großer Bedeutung. Auf der einen Seite kann das zweifellos in geringerem Umfang verfügbare inländische Wagniskapital es vielversprechenden deutschen Unternehmen erschweren, die für ihr Wachstum benötigte Finanzierung zu erhalten. Auf der anderen Seite hat dies, auch wenn Finanzmittel außerhalb der deutschen Wirtschaft zur Verfügung stehen, Auswirkungen auf die Lokalisierung des geistigen Eigentums dieser Unternehmen. Dies stellt möglicherweise weniger ein Problem für das Start-up selbst dar, sondern ist eher eine größere Sorge für diejenigen Staaten, die sich die Wahrung entscheidender Kenntnisse und technologischer Kompetenzen für die Schlüsselindustrien in ihrem Land als strategisches nationales Interesse auf die Fahne geschrieben haben. Dies gilt umso mehr im Kontext einer stärker digitalisierten Weltwirtschaft, in der die Wertschöpfung durch entscheidende Exporte sich zunehmend in Richtung der besagten technologischen Kompetenzen verlagern kann. Gegenwärtig ist die Finanzierung in späten Phasen zum größten Teil auf ausländische Investoren angewiesen (hauptsächlich die Vereinigten Staaten und Asien), wobei ausländische Investitionen doppelt so schnell wachsen wie inländische Investitionen (Dealroom.co, 2020[13]).

Die Beschaffung von Finanzmitteln ist besonders schwierig für noch nicht einer wirtschaftlichen Verwertung zugeführte Projekte und Unternehmen, die an neuen Technologien in der frühen Entwicklungsphase arbeiten. Projekten dieser Art fehlen die notwendige Infrastruktur und ein Geschäftsmodell, womit sich das mit ihnen verbundene Risiko erhöht. Dies ist häufig bei sogenannten Spin-offs der Fall – also von in der Wissenschaft tätigen Forschenden gegründete Start-ups –, obwohl sie potenziell genau die Treiber radikaler Innovationen sind, die dringend zur Entwicklung neuer Technologien und Diffusion dieser unter größeren Unternehmen benötigt werden. Die im Rahmen des Förderprogramms EXIST des Bundes finanzierten Maßnahmen sind die bekanntesten staatlichen Instrumente zur Unterstützung dieses Unternehmergeists unter Akademikern. Sie fördern jedes Jahr bis zu 240 Projekte durch monatliche Stipendien und Mentoring und übernehmen in den frühen Förderphasen bis zu 250 000 EUR an Personal- und Materialkosten. Eine zweite Politikinitiative, die sich schwerpunktmäßig auf vielversprechende, noch nicht zur Marktreife gelangte Projekte in der Pre-Seed-Phase konzentriert, ist die im Jahr 2019 von der Bundesregierung eingerichtete und mit einem Finanzvolumen von 1 Mrd. EUR ausgestattete Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND). Die Agentur mit Sitz in Leipzig fördert Projekte in der Vorvermarktungsphase, die durch regelmäßig stattfindende Innovationswettbewerbe ausgewählt werden. Bemerkenswerterweise beabsichtigt die neue Koalition, die Kontrollmechanismen aufzuweichen, um so der Agentur die Förderung vielversprechender und stark risikobehafteter Projekte zu ermöglichen, aus denen Sprunginnovationen und wirtschaftlich erfolgreiche Innovationen hervorgehen könnten. Kapitel 3 enthält weitere Informationen über Programme zur Förderung von risikoreichen und potenziell bahnbrechenden Innovationen durch Investitionen und Beschleunigungsmaßnahmen.

Deutschland verfügt über ein breites Spektrum an staatlichen und privaten Initiativen, die zu Innovationen für die ökologische Transformation beitragen können. Viele dieser Initiativen stammen aus dem Industriesektor, was die Bedeutung von Innovationen zur Förderung einer nachhaltigen Industrie deutlich macht. Beispielsweise unterhalten BASF seit 2011 und Siemens seit 2016 Wagniskapitalfonds für umweltverträgliches unternehmerisches Handeln, während Volkswagen im Jahr 2021 die Einrichtung eines mit 300 Mio. EUR ausgestatteten Wagniskapitalfonds für Investitionen in Start-ups im Bereich Dekarbonisierung angekündigt hat (OECD, 2022[14]). Die von der Politik und dem Privatsektor ausgehenden Impulse für umweltfreundliche Innovationen haben die Entwicklung eines dynamischen Ökosystems für grüne Start-ups gefördert: In Deutschland sind 276 grüne Technologie-Start-ups beheimatet, verglichen mit 180 im Vereinigten Königreich, 103 in Frankreich und 44 in Dänemark. Diese Start-ups spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Technologien, die die ökologische Transformation unterstützen können. Dabei gehören die im Bereich grüner Wasserstoff und Energiespeicherung tätigen Start-ups in Deutschland zu den wettbewerbsfähigsten der Welt.

Umweltfreundliche Innovationen sind ein Bereich, in dem die öffentliche Förderung eine zentrale Rolle einnimmt. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) beispielsweise unterstützt grüne Start-ups durch ihr zweckgewidmetes „Green Start-up-Programm“, welches ausgewählten Projekten bis zu 125 000 EUR als nicht rückzahlbaren Zuschuss gewährt. Im Jahr 2021 betrug die Förderrate des Programms 7 %, wobei 14 Start-ups für eine Finanzierung ausgewählt wurden. Im Rahmen der vom Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit koordinierten „Green Start-Up Investment Alliance“ werden Business Angels und andere Frühphaseninvestoren unterstützt, die sich an grünen Start-ups beteiligen.

Die Bundesregierung finanziert außerdem den Zukunftsfonds, einen großen durch KfW Capital verwalteten Kapitalbeteiligungsfonds, der in Wagniskapital für Zukunftstechnologien investiert. Obwohl der Fonds nicht ausdrücklich auf umweltfreundliche Technologien ausgerichtet ist, kann er dennoch eine erhebliche Finanzierungsquelle für damit verbundene Projekte darstellen. Im Jahr 2021 sagte die Bundesregierung zusätzliche 10 Mrd. EUR für den Zukunftsfonds zu, in der Erwartung, dass der Fonds mehr als 50 Mrd. EUR an öffentlichem und privatem Wagniskapital für Start-ups bereitstellt. Der Fonds umfasst drei wichtige Bestandteile:

  • DeepTech Future Fonds (DTFF): Gemeinsam mit privaten Anlegern investiert dieser neue Fonds in deutsche Hightechunternehmen während deren Phase rasanten Wachstums. Der DTFF verfügt in den kommenden zehn Jahren über ein Investitionsvolumen von 1 Mrd. EUR. Der Hightech-Gründerfonds übernimmt das Fondsmanagement und konzentriert sich auf Branchen in Verbindung mit grünem Unternehmertum, einschließlich Elektromobilität und Energie.

  • Europäischer Aufbauplan/Wachstumsfazilität des Zukunftsfonds: Die EU hat der KfW Finanzmittel in Höhe von rd. 2,5 Mrd. EUR zur Verfügung gestellt, die in deutsche und europäische Wagniskapitalfonds investiert werden sollen, um so größere und regelmäßigere Finanzierungsrunden für Start-ups zu ermöglichen.

  • Deutscher Zukunftsfonds/Wachstumsfazilität des Europäischen Investitionsfonds: Mit Unterstützung des Europäischen Investitionsfonds verfügt diese Fazilität über ein Budget von 3,5 Mrd. EUR, das in den kommenden zehn Jahren in Wachstumsfonds und Finanzierungsrunden für die Wachstumsphasen von Start-ups investiert werden soll.

Die Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel für vielversprechende deutsche Innovationsträger setzt zwangsläufig voraus, dass institutionelle Anleger über Wagniskapital und Private Equity mehr in Start-ups und innovative Unternehmen investieren. In diesem Zusammenhang spielen Pensionsfonds eine besondere Rolle, da sie oft die einzigen Institutionen außerhalb des Bankensektors sind, die über das notwendige Kapital verfügen, um in schnell wachsende oder bereits etablierte innovative Unternehmen zu investieren. Dort sind die Finanzierungsvolumina im Allgemeinen größer als bei Frühphasen-Wagniskapital. Diese Fonds scheuen jedoch häufig das Risiko und bevorzugen Investitionen wie Staatsanleihen, deren geringere Erträge durch das geringere Risiko aufgewogen werden. Dies hat zur Folge, dass ein riesiger Kapitalvorrat sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene für Innovationsinvestitionen ungenutzt bleibt.

Die Erfahrungen der skandinavischen Pensionsfonds, die seit dem Jahr 2013 16 % des gesamten investierten Wagniskapitals in der Region beigesteuert haben, zeugen von der wichtigen Rolle, die institutionelle Anleger auf dem Wagniskapitalmarkt spielen können (Atomico, 2018[15]). In den Vereinigten Staaten befinden sich Pensionsfonds unter den größten inländischen Investoren von Wagniskapital: Sie machen zwei Drittel sämtlicher Finanzmittel des Wagniskapitals aus. Im Gegensatz dazu steuerten Pensionsfonds in Deutschland, der Schweiz und Österreich lediglich 2 % des gesamten seit 2013 investierten Wagniskapitals bei (Atomico, 2018[15]). Die skandinavischen Länder haben Anreize gesetzt, damit Pensionsfonds in Wagniskapital investieren. Im Jahr 2018 erließ die schwedische Regierung eine Richtlinie, die es privaten Rentenversicherungen gestattet, ihren Anteil an alternativen Investitionen von 5 % auf 40 % anzuheben. Auch das dänische Dachfonds-Modell zeigt, wie Versicherungsunternehmen erhebliche Investitionen in Wagniskapital tätigen können. So hat das skandinavische System, in dem den in Wagniskapital investierenden Pensionsfonds der Ausgleich etwaiger Verluste garantiert wird, zur Schaffung eines dynamischen Finanzierungsökosystems beigetragen, für das dem Staat nur sehr geringe Kosten entstanden sind. Auch dem französischen Staat ist es gelungen, institutionelle Anleger zu überzeugen, Hightech-Start-ups Finanzmittel für die Wachstumsphase bereitzustellen.

Obwohl es sich bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen streng genommen nicht um ein Finanzierungsinstrument handelt, können sie eine wichtige Rolle in der Wachstumsphase eines Start-ups spielen. Start-ups geben ihren Mitarbeitenden mit diesen Programmen die Möglichkeit – ohne sie zu verpflichten –, die Aktien des Unternehmens über einen begrenzten Zeitraum zu einem festgelegten Preis zu erwerben. Dadurch wird vor dem Börsengang des Unternehmens ein Preis für die Unternehmensanteile festgeschrieben, der, so die Annahme, unter dem Marktwert liegt. Die Einrichtung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen ermöglicht es Start-ups, die Motivation und Ambitionen ihrer Mitarbeitenden oder Mitgründer*innen mit der Vision des Unternehmens in Einklang zu bringen.

Die bisher begrenzte Weiterentwicklung der Regulierung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen in Deutschland verringert nicht nur die Möglichkeiten für Start-ups, Nachwuchs- und Spitzenkräfte anzuwerben, sondern verhindert auch mögliche Kaskadeneffekte bei Investitionen (beispielsweise bei Ausübung und gleichzeitigem Verkauf von Aktienoptionen). Die Einrichtung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen ist nach deutschem Recht äußerst schwierig, und sie unterliegen einer hohen steuerlichen Belastung. Im Jahr 2020 nutzten weniger als 30 % der deutschen Start-ups diese Programme. Laut einer vom Wagniskapitalunternehmen Index Venture durchgeführten Studie liegt Deutschland hinsichtlich des regulatorischen und kulturellen Rahmens für Aktienoptionen im internationalen Vergleich von 22 Ländern in Nordamerika und Europa auf dem zweitletzten Platz (Richter, 2020[16]).

Dies wirkt sich auch in erheblichem Maße auf die verfügbaren Nachwuchs- und Spitzenkräfte aus. Die bei der Einrichtung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen bestehenden regulatorischen Schwierigkeiten beeinträchtigen vielversprechende Start-ups darin, Fachkräfte anzuwerben und zu halten, da Liquiditätszwänge in den frühen Entwicklungsphasen eines Start-ups die Fähigkeit zur Zahlung von Gehältern einschränken. Die Gewährung einer Beteiligung am zukünftigen Wachstum eines Unternehmens kann eine attraktive Alternative darstellen. Generell sind die deutschen für Kapitalbeteiligungen und Leistungsprämien geltenden Steuerregelwerke im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig. Außerdem sind Umgehungslösungen doppelt so teuer wie die Einrichtung eines solchen Programms an anderen Standorten, etwa im Vereinigten Königreich, in Israel oder den Vereinigten Staaten. Stattdessen geben die Start-ups virtuelle Aktienoptionen aus, die für die Unternehmen sehr teuer werden können und für die Mitarbeitenden weniger attraktiv sind.2

Neben Kanada und Israel haben fünf europäische Länder (Lettland, Litauen, Estland, Frankreich und Vereinigtes Königreich) die Regulierung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen verbessert und bieten nun günstigere Bedingungen für Aktienoptionen als die Vereinigten Staaten. In Deutschland zielte der 2021 erstellte Entwurf zum Fondsstandortgesetz darauf ab, diese Probleme anzugehen, doch gingen die darin vorgesehenen Reformen und Anreize nicht weit genug. Beispielsweise gelten Steuervergünstigungen nur für Mitarbeitende von Unternehmen, deren Gründung nicht mehr als zehn Jahre zurückliegt. Darüber hinaus ist der Steuerfreibetrag trotz Anhebung im Vergleich zu anderen europäischen Staaten noch immer gering.

Literaturverzeichnis

[2] Apolitical (2017), „The government venture capital fund that boosted Israel’s start-up economy“, Apolitical, 06. Juni, https://apolitical.co/solution-articles/en/government-venture-capital-fund-boosted-israels-start-economy.

[15] Atomico (2018), „The State of European Tech 2018“, Atomico, Slush & Orrik, https://2018.stateofeuropeantech.com (Abruf: 1. März 2022).

[5] aws (o. J.), „aws Wachstumsinvestition“, Austria Wirtschaftsservice, Wien, https://www.aws.at/aws-wachstumsinvestition/.

[10] Cecchetti, S. und K. Schoenholtz (2017), „Treasury Round II: The Capital Markets Report“, Commentary, 23. Oktober, Money and Banking, https://www.moneyandbanking.com/commentary/2017/10/22/treasury-round-ii-the-capital-market-report.

[13] Dealroom.co (2020), „Shortage of later stage venture capital in Germany: more acute due to Corona crisis“, PowerPoint-Präsentation, dealroom.co, Amsterdam, https://dealroom.co/uploaded/2020/06/Berlin-Capital-FINAL.pdf.

[9] EZB (2021), Survey on the Access to Finance of Enterprises in the Euro Area, Europäische Zentralbank, Frankfurt, https://www.ecb.europa.eu/stats/accesstofinancesofenterprises/pdf/ecb.safe202106~3746205830.de.pdf.

[4] Gillers, H. (2022), „Retirement Funds Bet Bigger on Private Equity“, Wall Street Journal, 10. Januar, https://www.wsj.com/articles/retirement-funds-bet-bigger-on-private-equity-11641810604.

[6] HM Revenue & Customs (o. J.), „Tax relief for investors using venture capital schemes“, Guidance, GOV.UK, https://www.gov.uk/guidance/venture-capital-schemes-tax-relief-for-investors.

[8] Hüfner, F. (2010), „The German Banking System: Lessons from the Financial Crisis“, OECD Economics Department Working Papers, No. 788, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/5kmbm80pjkd6-en.

[14] OECD (2022), Policies to Support Green Entrepreneurship: Building a Hub for Green Entrepreneurship in Denmark, OECD Studies on SMEs and Entrepreneurship, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/e92b1946-en.

[1] OECD (2021), „Bridging the gap in the financing of intangibles to support productivity: Background paper“, OECD, Paris, https://www.oecd.org/global-forum-productivity/events/Bridging-the-gap-in-the-financing-of-intangibles-to-support-productivity-background-paper.pdf.

[11] OECD (o. J.), „Venture capital investments“, Datensatz, OECD, Paris, https://doi.org/10.1787/60395228-en (Abruf: 28. Juni 2022).

[16] Richter, M. (2020), „How Germany Can Revive its Start-up Sector“, The Policy Corner, 09. Mai, https://www.policycorner.org/en/2020/05/09/how-germany-can-revive-its-start-up-sector/.

[12] SPRIND (2022), „Lückenschluss – Empfehlungen für den Auf- und Ausbau der Innovationsfinanzierung in Deutschland“, Bundesagentur für Sprunginnovationen, Leipzig, https://www.sprind.org/de/artikel/lueckenschluss/.

[7] Weltbank (o. J.), „Domestic credit to private sector by banks (% of GDP) – Germany, OECD members, United States, France“, Datensatz, Weltbankgruppe, Washington, D.C., https://data.worldbank.org/indicator/FD.AST.PRVT.GD.ZS?locations=DE-OE-US-FR (Abruf: 1. März 2022).

[3] Yozma (o. J.), „About: Overview“, Yozma, https://www.yozma.com/overview.

Anmerkungen

← 1. „Wagniskapital“ bezieht sich auf die Finanzierung eines nicht börsennotierten Unternehmens durch private Investoren – oft gemeinsam mit der Unternehmensleitung oder den Unternehmensgründer*innen –, mit dem Ziel, eine vielversprechende Geschäftsidee oder Innovation zu kommerzialisieren. Diese Finanzmittel werden zu einem der folgenden Zeitpunkte beschafft: entweder in der Pre-Seed- oder Seed-Phase, wenn die Kommerzialisierung durch das Start-up noch aussteht, in einer frühen oder mittleren Phase, wenn das Start-up in den Markt eintritt, oder aber in einer späteren Phase, wenn das Start-up skalieren und expandieren will.

← 2. Im Rahmen eines Programms für virtuelle Aktienoptionen erhalten Mitarbeitende bei Börsengang oder Übernahme des Unternehmens den Barwert dieser Optionen. Derartige Programme werden häufig durch die enormen Kosten verhindert, die dem Unternehmen damit entstehen. Sie sind außerdem für Mitarbeitende eher unvorteilhaft, da die Zahlungen steuerlich als Einkommen und nicht als Kapitalerträge behandelt werden.

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