5. Messung von innovationsrelevanten Unternehmenskapazitäten

5.1. Unternehmenskapazitäten umfassen die Fachkenntnisse, Kompetenzen und Ressourcen, die ein Unternehmen im Zeitverlauf ansammelt und zur Verwirklichung seiner Ziele einsetzt. Die Kompetenzen und Fähigkeiten der Beschäftigten sind ein besonders kritischer Aspekt der innovationsrelevanten Unternehmenskapazitäten. Die Erhebung von Daten zu Unternehmenskapazitäten ist von entscheidender Bedeutung, um zu analysieren, wie sich Innovationen auf die Unternehmensleistung auswirken und warum einige Unternehmen innovationsaktiv sind und andere nicht (vgl. Kapitel 11).

5.2. Es gibt viele Unternehmenskapazitäten, die Innovationsaktivitäten und den wirtschaftlichen Erfolg von Innovationen begünstigen können. In diesem Kapitel werden Messansätze für vier Arten von Unternehmenskapazitäten vorgestellt, die für die Analyse der Innovationsleistung von Unternehmen relevant sind:

  • Ressourcen des Unternehmens (Abschnitt 5.2)

  • allgemeine Managementfähigkeiten des Unternehmens, z. B. im Hinblick auf das Innovationsmanagement (Abschnitt 5.3)

  • Kompetenzen der Beschäftigten und Personalmanagement (Abschnitt 5.4)

  • Fähigkeit des Unternehmens, Technologien und Datenquellen zu entwickeln und zu nutzen. Letztere stellen eine zunehmend wichtige Informationsquelle für Innovationen dar (Abschnitt 5.5).

5.3. Viele Konzepte rund um die Unternehmenskapazitäten haben sich im Zeitverlauf verändert, da die Forschung unser Verständnis des Innovationsprozesses stetig verbessert hat. Um dieses Verständnis weiter zu vertiefen, sollten bei der Datenerhebung diese neu entwickelten Konzepte und Messansätze angewendet werden.

5.4. Die Ausführungen dieses Kapitels zu den internen Kapazitäten, die sich potenziell auf Innovationen in Unternehmen auswirken können, ergänzen Kapitel 7, das sich mit dem Einfluss externer Faktoren auf Innovationen befasst. Zwischen einigen dieser Faktoren besteht ein Zusammenhang. Beispielsweise wird die Kompetenz der Beschäftigten eines Unternehmens durch die Verfügbarkeit von qualifizierten Fachkräften am Arbeitsmarkt beeinflusst. Kapitel 6 befasst sich mit den Aktivitäten und Kapazitäten von Unternehmen, extern erzeugtes Wissen zu mobilisieren und zu nutzen, und schlägt somit eine Brücke zwischen diesem Kapitel und Kapitel 7.

5.5. Sowohl innovationsaktive als auch nicht innovationsaktive Unternehmen können die in diesem Kapitel erörterten Unternehmenskapazitäten aufweisen und anwenden.

5.6. Abschnitt 5.2 beschreibt die allgemeinen Ressourcen von Unternehmen, die ihre Fähigkeit, Innovationsaktivitäten durchzuführen, maßgeblich beeinflussen. Abschnitt 5.3 untersucht die Managementfähigkeiten von Unternehmen, insbesondere ihre Wettbewerbsstrategien sowie ihre Organisations- und Führungsfähigkeiten. Abschnitt 5.4 behandelt Fähigkeiten des Personalmanagements sowie innovationsrelevante Kompetenzen der Beschäftigten. Verschiedene technologische Fähigkeiten (z. B. Designfähigkeiten) folgen in Abschnitt 5.5. Abschnitt 5.6 fasst die Empfehlungen dieses Kapitels zur Messung von Unternehmenskapazitäten zusammen.

5.7. Die Möglichkeiten eines Unternehmens, über verschiedene Arten von Aktivitäten, wie z. B. Innovationsaktivitäten, seine Ziele zu verwirklichen, werden maßgeblich von den Ressourcen beeinflusst, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Zu den entscheidenden Ressourcen zählen die Beschäftigten des Unternehmens, die materiellen und immateriellen Vermögenswerte des Unternehmens (darunter das wissensbasierte Kapital), die aus der Geschäftstätigkeit erworbene Erfahrung und die verfügbaren finanziellen Mittel. Der Zugang zu den Ressourcen von verbundenen Unternehmen (im Fall von Unternehmensgruppen) sowie von Kollaborationspartnern und sonstigen Geschäftspartnern kann ebenso relevant sein.

5.8. Die Unternehmensgröße wird häufig als Bestimmungsgröße für Innovationsaktivitäten und die Innovationsneigung von Unternehmen betrachtet (Cohen und Klepper, 1996). Die geläufigsten Indikatoren der Unternehmensgröße sind die Beschäftigtenzahl und der Umsatz (bzw. äquivalente Messgrößen in Bereichen wie dem Finanzdienstleistungssektor, in denen andere Output-Indikatoren relevanter sind). Daher sollten sowohl Beschäftigungs- als auch Umsatzdaten erhoben werden. Beschäftigungsdaten können als Kopfzahl erfasst werden, nach Möglichkeit sollten sie aber auf Vollzeitäquivalenten (VZÄ) basieren. Ein weiterer Indikator der Unternehmensgröße ist der Wert der Vermögensgüter des Unternehmens, der für Produktivitätsanalysen genutzt werden kann.

5.9. Im betrieblichen Rechnungswesen setzt sich das Gesamtvermögen aus dem materiellen Anlagevermögen, dem immateriellen Anlagevermögen einschließlich Firmenwerten und dem Umlaufvermögen (z. B. liquide Mittel, Forderungen, Inventar) zusammen. Die Unterscheidung zwischen Vermögenswerten, welche Verbindlichkeiten gegenüber Dritten implizieren, und jenen, die das nicht tun, hilft dabei, finanzielle und reale Vermögenswerte voneinander abzugrenzen. In der wirtschaftswissenschaftlichen Fachliteratur und in diesem Handbuch (vgl. auch Kapitel 2 und Kapitel 4) wird der Begriff „Vermögensgut“ für Ressourcen verwendet, die vom Unternehmen kontrolliert werden und voraussichtlich länger als ein Jahr produktiv sind. Daten zu den Vermögensgütern können den Jahresabschlüssen entnommen werden. Sie umfassen den Buchwert der materiellen Vermögenswerte des Anlagevermögens (Sachanlagevermögen) und den Bruttobuchwert der immateriellen Vermögenswerte (z. B. Software, Patente, Franchiseverträge, Marken und Firmenwerte). Staatliche Lizenzen für die Nutzung von Ressourcen (z. B. Mobilfunkfrequenzen, natürliche Ressourcen, usw.) können ebenfalls als Vermögensgüter des Unternehmens betrachtet werden.

5.10. Das Alter eines Unternehmens ist eine weitere Ressourcenmessgröße, da es die im Zeitverlauf gesammelte Erfahrung des Unternehmens erfasst. Ältere Unternehmen haben im Vergleich zu jüngeren Unternehmen gewöhnlich mehr Wissen darüber erworben, wie sich Veränderungen umsetzen und Investitionsergebnisse erzielen lassen. Die im Lauf der Zeit gewonnenen Erfahrungen können sowohl die Innovationsfähigkeit als auch die Innovationsergebnisse von Unternehmen beeinflussen (Huergo und Jaumandreu, 2004). Umgekehrt können jüngere Unternehmen Veränderungen agiler umsetzen, wenn sie weniger Organisationsträgheit aufweisen und geringere Anpassungs- und versunkene Kosten haben.

5.11. Die Bestimmung des Alters von Unternehmen ist mit einigen konzeptionellen und praktischen Herausforderungen verbunden, z. B. bei der Ermittlung des maßgeblichen Gründungsdatums des Unternehmens (Eurostat/OECD, 2007). Das Neuentstehen von Unternehmen durch Fusionen, Aufspaltungen oder andere Formen von Unternehmensumstrukturierungen zählt nicht als Unternehmensgründung. Auch Umgründungen, die lediglich auf einer Veränderung der Geschäftstätigkeit beruhen, fallen nicht unter die Definition einer Unternehmensgründung.

5.12. Das Alter des Unternehmens sollte nach Möglichkeit anhand der Anzahl von Jahren erfasst werden, in denen das Unternehmen (als eine organisatorische Einheit) wirtschaftlich aktiv war. Dies ist der Zeitraum, in dem das Unternehmen effektiv Wissen akkumuliert hat. Dieser entspricht nicht zwangsläufig dem Zeitraum seit der rechtlichen Gründung des Unternehmens, da Unternehmen manchmal erst einige Zeit nach Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit eine Rechtsform annehmen oder ihre Geschäftstätigkeit erst einige Zeit nach ihrer Gründung aufnehmen. Im Einklang mit der von Eurostat/OECD verwendeten Definition für Unternehmens-demografien ist es wichtig, nur tatsächliche Unternehmensgründungen zu berücksichtigen. Dies kann sich in der Praxis als schwierig erweisen, wenn nur einfache Verwaltungsdaten zur Verfügung stehen.

5.13. Daher wird empfohlen, Daten darüber zu erheben, in welchem Jahr das betreffende Unternehmen eine Geschäftstätigkeit aufgenommen hat, einschließlich jener Geschäftstätigkeiten, welche vor der offiziellen rechtlichen Unternehmensgründung stattgefunden haben. Informationen zu den Modalitäten der Unternehmensgründung können ebenfalls von Nutzen sein, da unterschiedliche Gründungsformen (Start-up eines Einzelunternehmers, Ausgründung einer Hochschule oder eines Unternehmens, Familienbetrieb usw.) die Innovationsaktivitäten und -strategien beeinflussen können.

5.14. Die internen Finanzierungsquellen von Unternehmen sind ein weiterer bedeutender Innovationstreiber. Für profitablere Unternehmen und Unternehmen mit einem größeren Eigenkapitalanteil ist es u. U. einfacher, in Aktivitäten mit ungewissem Ausgang, wie beispielsweise Innovationsaktivitäten, zu investieren. Zu den nützlichen Messgrößen der internen finanziellen Ressourcen von Unternehmen zählen die Gewinnmarge (Vorsteuerergebnis oder Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) und die Eigenkapitalquote. Daten zu internen Finanzierungsquellen sind auch bei der Interpretation von Daten zur Fremdfinanzierung und zum Finanzmarktzugang der Unternehmen wichtig (vgl. Unterabschnitt 7.4.3). Sie können auch als Messgrößen für die finanziellen Ergebnisse von Innovationen herangezogen werden (vgl. Kapitel 8).

5.15. Der Zugang zu Ressourcen kann auch von den Eigentumsverhältnissen des Unternehmens abhängen. Unternehmen, die Teil einer Unternehmensgruppe sind, haben möglicherweise Zugang zu Ressourcen, die ihre eigenen Ressourcen erheblich übersteigen. Die Datenerhebung kann folgende Aspekte umfassen (einige dieser Informationen können auch aus Unternehmensregistern entnommen werden):

  • Ist das Unternehmen eigenständig oder Teil einer Unternehmensgruppe?

  • Ist das Unternehmen Teil eines multinationalen Konzerns (bei dem die Unternehmen der Gruppe in unterschiedlichen Ländern ansässig sind) oder eines nationalen Konzerns (bei dem alle Unternehmen der Gruppe in ein und demselben Land ansässig sind)?

  • In welchem Land befindet sich der Hauptsitz des tatsächlichen Eigentümers (d. h. des Unternehmens, das die Mehrheitsbeteiligung an dem Unternehmen hält)?

  • Ist das Unternehmen börsennotiert und, falls ja, welche Eigentumskonzentrationen bestehen?

5.16. Die Erhebung sollte zumindest erfassen, ob das Unternehmen ein eigenständiges Unternehmen oder Teil einer Unternehmensgruppe ist und, falls Letzteres zutrifft, ob es sich um eine multinationale oder nationale Unternehmensgruppe handelt. Zusätzlich können weitere Informationen über die Unternehmensgruppe erhoben werden, wie z. B. das Land, in dem die Unternehmensgruppe ihren Hauptsitz hat, und die Größe des Gesamtkonzerns.

5.17. Managementfähigkeiten können Einfluss auf die Kapazität eines Unternehmens haben, Innovationsaktivitäten durchzuführen, Innovationen einzuführen und Innovationsergebnisse zu erzielen. Die Fachliteratur zum Unternehmensmanagement hat ein breites Spektrum an Managementpraktiken und -fähigkeiten identifiziert, die sich auf die Innovationsleistung eines Unternehmens auswirken können. Dieser Abschnitt konzentriert sich jedoch auf zwei Hauptaspekte: die Wettbewerbsstrategie von Unternehmen und die Organisations- und Führungsfähigkeiten, die bei der Umsetzung dieser Strategie zum Einsatz kommen.

5.18. Eine Geschäftsstrategie umfasst die Formulierung von Zielen und die Festlegung von Maßnahmen zur Verwirklichung dieser Ziele. Strategische Ziele beziehen sich auf die mittel- und langfristig angestrebten Ergebnisse (mit Ausnahme des für alle Unternehmen geltenden Ziels der Gewinnerzielung). Die strategischen Maßnahmen oder Pläne befassen sich beispielsweise damit, wie das Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil oder ein Alleinstellungsmerkmal erlangt. Strategische Entscheidungen betreffen in der Regel folgende Aspekte:

  • Preis- oder Qualitätswettbewerb

  • Führerschafts- oder Folgerstrategie (aktive Gestaltung des Marktes oder Reaktion auf die Konkurrenz)

  • Risikoneigung (Aktivitäten mit hohem Risiko und hohen Ertragschancen oder Aktivitäten mit geringem Risiko)

  • Öffnungsgrad (Suche nach neuen Kollaborationspartnern oder Pflege enger und stabiler Beziehungen mit Schlüsselpartnern)

  • Transformation (Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder kontinuierliche Verbesserung des bestehenden Geschäftsmodells)

  • Ausrichtung auf einen einzelnen Produktmarkt oder auf mehrere Märkte gleichzeitig

5.19. Die geografische Ausrichtung der Vertriebsaktivitäten (z. B. lokale, nationale oder internationale Märkte) ist ebenso wie der Grad der vertikalen Integration ein wichtiges Element der Wettbewerbsstrategie von Unternehmen. Außerdem wirken sich Wettbewerbsstrategien tendenziell stärker auf die Geschäftstätigkeit und die Innovationsaktivitäten eines Unternehmens aus, wenn sie formalisiert und im Unternehmen kommuniziert werden.

5.20. Die Geschäftsstrategie beeinflusst die wesentlichen wirtschaftlichen Ergebnisse von Unternehmen, wie beispielsweise Wachstum (im Hinblick auf Umsatz, Beschäftigtenzahl oder Kapitalstock), Gewinnmarge oder Kapitalrendite und Marktanteil. Daten zu allgemeinen Wettbewerbsstrategien, Innovationszielen und Innovationsergebnissen von Unternehmen (vgl. Kapitel 8) sind nützlich, um den relativen Erfolg verschiedener Strategien im Hinblick auf die beobachtete Leistung zu untersuchen.

5.21. Bei der Datenerhebung können Informationen über die Existenz verschiedener Strategiepläne, über die Art und Weise, wie diese Pläne an die Beschäftigten kommuniziert werden (ob beispielsweise ein schriftlicher Strategieplan existiert), und über Systeme zur Messung von Fortschritten bei der Umsetzung dieser Pläne eingeholt werden. Außerdem können Informationen darüber, welche betrieblichen Funktionen (z. B. Finanzwesen, Marketing und Kundenbeziehungen, Logistik) und welche Aktivitäten (z. B. Innovation, Personalentwicklung, Sicherheit und Gesundheitsschutz, verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln) in einem Strategieplan erfasst sind, hilfreich sein, um die Zusammenhänge zwischen Strategien und Innovationen zu ermitteln.

5.22. Die Innovationsaktivitäten eines Unternehmens hängen stark von der Entscheidung ab, ob sie vornehmlich über den Preis oder über die Qualität konkurrieren wollen. So dürften Unternehmen mit Qualitätsfokus eher dazu neigen, Produktinnovationen zu entwickeln, die Marktneuheiten darstellen. Bei preisfokussierten Unternehmen dürften dagegen besonders effiziente Prozesse im Vordergrund stehen. Um diese strategischen Ausrichtungen zu erfassen, wird empfohlen, Daten zum relativen Stellenwert von Kosten und Qualität in der Wettbewerbsstrategie eines Unternehmens zu erheben, d. h. Informationen darüber,

  • inwiefern sich die Unternehmen auf den Preis ihrer Produkte konzentrieren (kostenbasierte Wettbewerbsfähigkeit) und

  • inwiefern sich die Unternehmen auf Qualitätsmerkmale konzentrieren (z. B. Funktionalität, Beständigkeit, Einsatzflexibilität usw.).

5.23. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Frage, inwiefern sich Unternehmen auf die Verbesserung existierender Produkte, die Einführung völlig neuer Produkte oder die Anpassung von Produkten an die spezifischen Bedürfnisse einzelner Kunden konzentrieren. Eine weitere Dimension der qualitätsorientierten Wettbewerbsstrategie ist die Bedeutung von Aktivitäten zur Markenpflege, um die Produkte des Unternehmens von denen der Konkurrenz abzuheben.

5.24. Eine maßgebliche strategische Entscheidung ist die Frage, ob ein Unternehmen einen einzigen Produktmarkt oder mehrere Produktmärkte gleichzeitig bedient, da ein höherer Diversifizierungsgrad die Innovationsaktivität steigern kann. Unternehmen, die auf mehreren Produktmärkten tätig sind, haben tendenziell mehr Innovationsgelegenheiten und einen höheren Innovationsbedarf als Unternehmen, die sich auf einen einzigen Produktmarkt beschränken. Um diese Art der Diversifizierung zu erfassen, können Daten über die Anzahl der Produktlinien, die das Unternehmen vertreibt, sowie deren jeweilige Umsatzanteile erhoben werden. Diese Infor-mationen können verwendet werden, um Diversifikations- oder Konzentrationsindizes nach dem Vorbild des Herfindahl-Index zu konstruieren. Alternativ dazu kann in Erhebungen gefragt werden, ob sich die Unternehmen schwerpunktmäßig auf spezifische Produktmärkte oder Anwendungen innerhalb eines Produktmarkts konzentrieren. Angaben darüber, wie viele unterschiedliche Kunden das Unternehmen hat oder wie groß der Anteil der drei bzw. fünf Hauptkunden am Gesamtumsatz ist, können hierfür wertvolle Informationen liefern. Die Datenerhebung zur Produktstrategie eines Unternehmens sollte mit Daten zum Wettbewerbsniveau an den Produktmärkten des Unternehmens verknüpft werden (vgl. Unterabschnitt 7.4.2).

5.25. Da Unternehmen möglicherweise auf unterschiedlichen Märkten unterschiedliche Strategien verfolgen, sollten die Fragen zur strategischen Ausrichtung entweder nach Märkten aufgeschlüsselt oder ausdrücklich auf alle Märkte des Unternehmens bezogen werden.

5.26. Die geografischen Zielmärkte eines Unternehmens liefern zusätzliche Informationen über die Strategie des Unternehmens. Sie geben nämlich Aufschluss über die verschiedenen Nutzeranforderungen, Wettbewerbssituationen und regulatorischen Rahmenbedingungen, die das Ausmaß und die Ausrichtung der Innovationsaktivitäten beeinflussen. Um diese Informationen zu erhalten, können die Unternehmen gefragt werden, ob sie Produkte in bestimmten geografischen Regionen vertreiben. Ein weiterer hilfreicher Indikator ist der Anteil des Umsatzes mit Kunden im Ausland (Exportanteil). Es wird empfohlen, Daten darüber zu erheben, ob das Unternehmen außerhalb seines Heimatmarktes tätig ist oder nicht, und falls ja, wie hoch der Anteil der Exporte an seinem Gesamtumsatz ist.

5.27. Ein weiteres Element der Wettbewerbsstrategie von Unternehmen ist die Entscheidung zwischen Eigenfertigung und Fremdbezug (Make or Buy), insbesondere für die Produktkomponenten (sowie die entsprechenden Produktions- und Logistikprozesse), die für die Nutzer am wichtigsten und folglich für die Marktposition eines Unternehmens entscheidend sind. Der Grad der vertikalen Integration (Anteil der unternehmensinternen Herstellung) kann Anhaltspunkte für die Bandbreite der Innovationsaktivitäten eines Unternehmens liefern. Allerdings reicht eine Erhebung von Daten zum Anteil der zugekauften Materialien und Dienstleistungen an der Bruttoproduktion nicht aus, da sie nicht über die vertikale Integration bei entscheidenden Komponenten informieren. Folglich müssen Informationen durch Selbsteinschätzungen erhoben werden, beispielsweise zum Ausmaß der vertikalen Integration bei kritischen und nicht kritischen Komponenten. Diese Art von Daten sollten mit Daten zur Rolle der Lieferanten bei den Produktions- und Innovationsaktivitäten des Unternehmens verknüpft werden (vgl. Unterabschnitt 7.4.3).

5.28. Organisations- und Führungsfähigkeiten umfassen sämtliche unternehmensinternen Fähigkeiten, Kapazitäten und Kompetenzen, die zur Mobilisierung, Steuerung und Nutzung von Ressourcen eingesetzt werden können, um die strategischen Ziele des Unternehmens zu erreichen. Diese Fähigkeiten beziehen sich in der Regel auf das Management von Personal, immateriellen Vermögenswerten, Sach- und Finanzkapital sowie Wissen. Sie betreffen sowohl interne Prozesse als auch externe Beziehungen. Führungsfähigkeiten bilden eine spezifische Unterkategorie der Organisationsfähigkeiten und beziehen sich auf die Fähigkeit von Führungskräften, Veränderungen zu organisieren.

5.29. Die sogenannten Changemanagement-Fähigkeiten hängen eng mit der Innovationsfähigkeit von Unternehmen zusammen. Sie umfassen:

  • Reaktionsfähigkeit (Fähigkeit, relevante externe Herausforderungen zu erkennen)

  • Lernfähigkeit (Fähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen)

  • Koordinationsfähigkeit (Fähigkeit, verschiedene Prozesse zu integrieren, um strategische Ziele zu erreichen)

  • Kreativität (Fähigkeit, neues Wissen und neue Lösungen zu generieren und zu nutzen)

5.30. In Erhebungen kann mit Hilfe einer Likert-Skala erfasst werden, welche Bedeutung diese Fähigkeiten für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens haben. Alternativ können Daten über das Niveau der Führungsfähigkeiten in jedem dieser vier Teilbereiche erhoben werden. In beiden Fällen basieren die erhobenen Daten auf subjektiven Einschätzungen der Antwortpersonen.

5.31. Ein weiteres innovationsrelevantes Konzept sind die „dynamischen Führungsfähigkeiten“ von Unternehmen. Sie bezeichnen die Fähigkeit von Führungskräften, effektiv auf interne und externe Herausforderungen zu reagieren (vgl. Helfat und Martin, 2015; Helfat et al., 2007). Dynamische Führungsfähigkeiten lassen sich in drei Hauptaspekte gliedern:

  • Kognition: Wissensstrukturen, die die kognitiven Verzerrungen (Biases) und Heuristiken von Führungskräften beeinflussen, wenn sie beispielsweise Marktveränderungen antizipieren oder die Auswirkungen unterschiedlicher Entscheidungsoptionen analysieren

  • Sozialkapital: Wohlwollen, das den Führungskräften aufgrund sozialer Beziehungen entgegengebracht wird, welches sie nutzen können, um Ressourcen und Informationen zu erhalten

  • Humankapital: Kompetenzen und Kenntnisse, die in früheren Tätigkeiten sowie Aus- und Weiterbildung erworben wurden

5.32. Daten zu dynamischen Führungsfähigkeiten können anhand von Kriterien erhoben werden, die in einer Reihe verschiedener Managementstudien entwickelt wurden (vgl. Erörterung in Helfat und Martin [2015]).

5.33. Eine weitere Organisationsfähigkeit, die in engem Zusammenhang zur Innovation steht, ist die Umsetzung von Total Quality Management (TQM), das Bestandteil der Normenreihe ISO 9000 ist. Es umfasst alle Maßnahmen von Unternehmen zur Schaffung und kontinuierlichen Verbesserung ihrer Fähigkeiten, qualitativ hochwertige Waren und Dienstleistungen zu erzeugen bzw. zu erbringen. Die Datenerhebung kann Aufschluss darüber geben, ob ein Unternehmen nach ISO für TQM zertifiziert ist, wann es die Zertifizierung erhalten hat und ob es andere Qualitätsmanagementansätze verfolgt, wie beispielsweise kontinuierliche Verbesserungsprozesse oder schlanke Produktion. Bei ersterem handelt es sich um einen Managementansatz, der darin besteht, kontinuierlich potenzielle Mängel in den Arbeitsabläufen eines Unternehmens aufzuspüren und Möglichkeiten zu finden, diese Mängel zu beseitigen. Schlanke Produktion konzentriert sich auf Produktionsaktivitäten, die Wert schaffen, und vermeidet gleichzeitig alle anderen Aktivitäten.

5.34. Das Management ist für die Definition von Leistungszielen verantwortlich. Die Nutzung von Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators – KPI) in verschiedenen Geschäftsbereichen zeigt, wie systematisch ein Unternehmen operative Ziele definiert und überwacht (vgl. Bloom und Van Reenen, 2010). In den Erhebungen können zu diesem Zweck folgende Fragen zu den Methoden der Leistungserfassung gestellt werden (z. B. Australian Bureau of Statistics, 2016):

  • Verwendet das Unternehmen Leistungskennzahlen?

  • Welche Leistungsbereiche und betrieblichen Funktionen werden anhand von Leistungskennzahlen gemessen (z. B. Finanzen, operative Leistungen, Qualität, Innovation, Personalwesen, Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutz)?

  • Wie häufig werden die Leistungen geprüft?

  • Werden Leistungsdaten bei der Vergütung von Führungskräften oder Beschäftigten berücksichtigt (z. B. durch Boni oder Beförderungen)?

  • Welche Folgen hat das Nichterreichen von Leistungszielen?

5.35. Organisations- und Führungsfähigkeiten sind vor allem für größere Unternehmen relevant, in denen die Geschäftstätigkeit in verschiedene Abteilungen oder betriebliche Funktionen unterteilt ist. Für kleine Unternehmen sowie Unternehmen im informellen Sektor, die nicht in Abteilungen oder Funktionen aufgegliedert sind, spielen daher viele dieser Konzepte keine Rolle. Für diese Unternehmen könnte es zweckdienlicher sein, Informationen über die Eigentümer*innen bzw. Entscheidungsträger*innen zu sammeln, die für die Geschäftsstrategie und -‍aktivitäten des Unternehmens verantwortlich sind. Bei größeren und komplexeren Unternehmen, insbesondere solchen mit einer großen Kapitalstreuung bzw. mit vielen Eigentümer*innen, können gleichzeitig Daten zu den Organisationsfähigkeiten und zu den Merkmalen der Geschäftsleitung erhoben werden.

5.36. Zu den relevanten Daten zählen der höchste Bildungsabschluss, die unternehmerische Erfahrung und die Berufslaufbahn der Eigentümer*innen bzw. Geschäftsführer*innen. Diese drei Merkmale können das Humankapital und die Fachkompetenz der Eigentümer*innen beeinflussen. Die unternehmerische Erfahrung und Berufslaufbahn der Eigentümer*innen sind Indikatoren zu den durch unternehmerische Praxis erworbenen Managementkompetenzen. Von Interesse sind insbesondere Angaben darüber, wie viele Jahre Berufserfahrung die Eigentümer*innen haben oder wie viele andere Unternehmen sie vor dem jetzigen Unternehmen besessen haben.

5.37. Demografische Daten zu Alter, Geschlecht oder Geschlechtsidentität, Geburtsort und soziokulturellem Hintergrund der Eigentümer*innen können ebenfalls von Nutzen sein (US Census Bureau, 2018). Welche demografischen Daten erhoben werden können, hängt jedoch von den Rechtsvorschriften zur Erfassung und Nutzung personenbezogener Daten ab. Daten zu persönlichen Merkmalen können nützlich sein, um die Auswirkungen staatlicher Maßnahmen zur Förderung von Innovation und anderen Geschäftsaktivitäten in bestimmten Bevölkerungsgruppen zu untersuchen.

5.38. Eine besondere Form des Unternehmenseigentums, die für die Analyse der Managementfähigkeiten von Bedeutung ist, sind Familienunternehmen. Man spricht von Familienunternehmen, wenn eine Familie mindestens 50 % der Firmenanteile hält. Familieneigentümerschaft kann die Innovationstätigkeit beeinflussen, wenn die strategischen Ziele des Familienunternehmens, wie Rentabilität und Wachstum, und vor allem der Zeitrahmen für die Erreichung dieser Ziele von denen anderer Unternehmen abweichen. Zusätzlich können Unterschiede in der Managementerfahrung und Risikobereitschaft zwischen Familieneigentümer*innen und Geschäftsführer*innen die Innovationsaktivitäten eines Unternehmens beeinflussen.

5.39. Wenn sich Familienunternehmen in Datenerhebungen identifizieren lassen, sind die nachstehenden zusätzlichen Variablen hilfreich, um die Auswirkungen der Familieneigentümerschaft auf die strategischen Ziele und die Innovationstätigkeit zu untersuchen (vgl. Bloom und Van Reenen, 2007):

  • Seit wie vielen Generationen befindet sich das Unternehmen in Familienbesitz?

  • Wer leitet das Unternehmen? Sind es ausschließlich Familienmitglieder, Familienmitglieder und externe Führungskräfte zusammen oder nur externe Führungskräfte?

  • Wie hoch ist der Anteil der Familienmitglieder in der Geschäftsleitung?

  • Planen die derzeitigen Eigentümer*innen, das Unternehmen auf die nächste Generation der Familie zu übertragen?

5.40. Weitere Merkmale in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse, die für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens von Bedeutung sein können, sind die Rechtsform sowie eine etwaige Börsennotierung oder Minderheitsbeteiligungen anderer Unternehmen.

5.41. In einigen Ländern können die Daten aus Innovationserhebungen möglicherweise mit Daten aus anderen Quellen zu den Merkmalen von Unternehmenseigentümer*innen verknüpft werden.

5.42. Innovationsmanagement umfasst alle Aktivitäten, um Innovationstätigkeiten zu initiieren, weiterzuentwickeln und damit Ergebnisse zu erzielen. Die hierfür erforderlichen Fähigkeiten hängen eng mit den allgemeinen Organisations- und Führungsfähigkeiten zusammen. Es geht darum,

  • Innovationsideen zu identifizieren, zu generieren, zu beurteilen und zu verfolgen,

  • Innovationsaktivitäten innerhalb des Unternehmens zu organisieren (d. h. verschiedene Innovationsaktivitäten aufeinander abzustimmen),

  • Ressourcen für Innovationsaktivitäten bereitzustellen,

  • Innovationsaktivitäten zu steuern, die in Kollaboration mit externen Partnern durchgeführt werden,

  • externes Wissen und andere externe Inputs in die Innovationsaktivitäten des Unternehmens zu integrieren,

  • die Ergebnisse von Innovationsaktivitäten zu überwachen und aus Erfahrungen zu lernen,

  • Innovationen und anderes Wissen, das durch die Innovationsaktivitäten des Unternehmens gewonnen wurde, zu nutzen und zu verwalten, was auch den Schutz von Wissens- und Innovationskapital umfasst.

5.43. Eine entscheidende Innovationsmanagementfähigkeit besteht darin, die Entstehung neuer Ideen innerhalb des Unternehmens zu fördern und diese zu sammeln und zu evaluieren. Datenerhebungen können Aufschluss darüber geben, ob die nachstehenden Methoden zum Einsatz kommen bzw. welchen Stellenwert sie haben:

  • Wissensmanagementsysteme

  • Ideenmanagement-Plattformen

  • betriebliches Vorschlagswesen

  • finanzielle und nicht finanzielle Anreize (Auszeichnungen, Beförderungen) für innovative Ideen von Beschäftigten

  • Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an Innovationsprojektmanager*innen und Beschäftigte im Innovationsbereich

  • Einbeziehung von Arbeitnehmervertreter*innen in Innovationsentscheidungen

  • Maßnahmen, um wesentliche Personen und Gruppen, die Innovationen vorantreiben können, zu identifizieren, zu fördern und zu motivieren

5.44. Innovationsaktivitäten innerhalb des Unternehmens zu organisieren, bedeutet, eine Innovationsstrategie zu konzipieren bzw. zu verändern, Einheiten mit Innovationsverantwortung (wie beispielsweise eine Abteilung für Forschung und experimentelle Entwicklung oder ein Design Lab) einzurichten oder umzustrukturieren und Personalmanagementpraktiken zu etablieren, die Innovation in allen Bereichen des Unternehmens fördern.

5.45. Innovationsmanagement setzt voraus, dass die Verantwortlichkeiten für Innovationen innerhalb des Unternehmens klar definiert sind. Unternehmen können gefragt werden, ob die Verantwortung einer eigenständigen Abteilung oder bestimmten Personen (Innovationsmanager*innen) übertragen wurde, auf mehrere betriebliche Funktionen verteilt ist oder mit allgemeinen Leitungsaufgaben kombiniert wird. Innovationsaktivitäten können im Rahmen klar definierter Innovationsprojekte (vgl. Unterabschnitt 4.5.2) organisiert werden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, oder als unstrukturierte Prozesse durchgeführt werden. Unternehmen können bei der Übertragung von Verantwortlichkeiten oder der Organisation ihrer Innovationsaktivitäten auf mehrere Methoden zurückgreifen.

5.46. Wissensmanagement fördert interne und externe Wissensquellen und -flüsse. Datenerhebungen zu Praktiken des Wissensmanagements innerhalb des Unternehmens können Praktiken oder Mechanismen umfassen, die drei Wissensaktivitäten fördern: die Erfassung von Wissen, die Kodifizierung von Wissen (die interne Wissensflüsse unterstützt) sowie Aktivitäten zur Förderung des unternehmensinternen Wissensaustauschs. Einige Managementpraktiken und -mechanismen können bei mehreren dieser Aktivitäten eine Rolle spielen.

5.47. Die Förderung von Zusammenarbeit und wechselseitigem Lernen innerhalb des Unternehmens ist ein wichtiger Bestandteil des Wissensmanagements, da Innovationen in der Regel mehrere funktionale Bereiche innerhalb eines Unternehmens betreffen und Kommunikation zwischen verschiedenen Personen, Gruppen und Abteilungen voraussetzen. Bei der Datenerhebung kann der Einsatz folgender Methoden zur Förderung des unternehmensinternen Austauschs innovationsbezogener Kenntnisse und Erfahrungen erfasst werden:

  • Innovationskreise und Teamarbeit in Innovationsprojekten

  • Förderung informeller Kontakte zwischen Beschäftigten

  • funktionsbereichsübergreifende gemeinsame Entwicklung von Innovationsstrategien

  • offener Austausch von Innovationsideen im Unternehmen

  • funktionsbereichsübergreifende gegenseitige Unterstützung zur Bewältigung von Problemen bei Innovationsprojekten

  • regelmäßiger Austausch zwischen den Leitern der einzelnen Funktionsbereiche, um Innovationsfragen zu erörtern

  • Mechanismen zur iterativen und interaktiven Projektentwicklung und -umsetzung

  • temporäre Mitwirkung von Beschäftigten aus anderen Funktionsbereichen an Innovationsprojekten

5.48. Für Wissensaustausch mit externen Quellen (vgl. Kapitel 6) sind möglicherweise Systeme, Institutionen und Verfahren erforderlich, die soziale Beziehungen und Netze fördern, um Wissen aus externen Quellen zu ermitteln und zu erfassen. Unternehmen müssen potenzielle Wissenspartner, Wissensquellen und deren Angebote suchen und evaluieren. Darüber hinaus müssen sie gegebenenfalls die Bedingungen für den Wissenserwerb vereinbaren und potenzielle Streitfragen klären (OECD, 2013). Datenerhebungen können die Treiber von Wissensflüssen ermitteln, indem sie erfassen, welche internen Praktiken und Kanäle Unternehmen nutzen, um externes Wissen zu erlangen, bzw. welche externen Dienstleister, wie z. B. Wissensbroker, sie dafür nutzen.

5.49. Gutes Innovationsmanagement bedeutet, knappe Ressourcen so effektiv und effizient wie möglich einzusetzen. Dies kann u. a. durch folgende Managementmethoden erreicht werden:

  • Organisation von Innovationsaktivitäten als konkrete Projekte mit klar definierter Zielsetzung, Budget, Zeitplan und Projektmanager*in

  • systematische Evaluierung und Priorisierung von Innovationsideen

  • Einsatz quantitativer Methoden zur Bestimmung der potenziellen Erträge von Innovationsideen

  • unterschiedliche Methoden der Ressourcenallokation für Innovationsaktivitäten, z. B. schrittweise auf Basis der erzielten Fortschritte (z. B. Stage-Gate-Prozesse) oder einmalig

  • Schaffung von Anreizen für den Abbruch oder die Neuausrichtung erfolgloser Innovationsaktivitäten

  • Abbruch von Innovationsaktivitäten vor deren Abschluss, wenn bestimmte Etappenziele nicht erreicht werden

5.50. Die Erhebung von Daten zur Anzahl der erfolgreich abgeschlossenen und der vorzeitig abgebrochenen Innovationsprojekte, wie in Unterabschnitt 4.5.2 vorgeschlagen, kann zusätzliche wichtige Informationen zur Ressourcenallokation für Innovationsaktivitäten liefern (vgl. Klingebiel und Rammer, 2014).

5.51. Innovationsmanagementpraktiken, die das Bekenntnis des Unternehmens zu Innovationen zum Ausdruck bringen, können im Unternehmen eine Innovationskultur schaffen und erhalten. Darunter werden innovationsbezogene Verhaltensweisen, Werte und Überzeugungen verstanden, die von den Beschäftigten eines Unternehmens geteilt werden. Zu den Merkmalen einer positiven Innovationskultur zählen Aufgeschlossenheit, Veränderungsbereitschaft, Diversität, Kollaboration sowie das Lernen aus Fehlern. Bei der Datenerhebung können Informationen zu Praktiken erfasst werden, die zu einer positiven Innovationskultur beitragen. Dazu zählen u. a.

  • die Bedeutung von Innovationen, einschließlich der Innovationsvisionen und -‍strategien, zu kommunizieren,

  • Zeit und Ressourcen für Innovationsaktivitäten vorzusehen und diese Aktivitäten durch entsprechende Instrumente und Methoden zu unterstützen,

  • Innovatoren und Innovationsergebnisse anzuerkennen,

  • Beschäftigte darin zu schulen, innovativ tätig zu werden,

  • Innovationsleistungen anhand spezifischer Innovationsindikatoren zu bewerten.

5.52. Die Identifizierung und Evaluierung von externem Wissen (vgl. Kapitel 6) ist ein entscheidendes Element des Innovationsmanagements, um die Absorptionskapazität zu verbessern (Cohen und Levinthal, 1990). Führungskräfte können die Beschaffung von externem Wissen fördern, indem sie

  • regelmäßige, systematische Kommunikation mit Kunden, Lieferanten und anderen Akteuren entlang der Wertschöpfungskette des Unternehmens pflegen, um Innovationsmöglichkeiten und -bedürfnisse zu ermitteln.

  • regelmäßiges, systematisches Screening des Wissensumfelds des Unternehmens durchführen (z. B. durch Patentsuchen, Messebesuche, Lektüre von Branchen- und Fachzeitschriften oder Internetrecherchen).

  • Allianzen, Joint Ventures oder strategische Kooperationen mit anderen Organisationen eingehen, um Zugang zu externem Wissen zu bekommen.

  • Innovationswettbewerbe oder Crowdsourcing fördern, um Ideen zur Lösung von Innovationsproblemen zu finden.

5.53. Die ersten zwei Methoden in der oben angeführten Liste sind relevant für alle Unternehmen, ungeachtet ihres Innovationsstatus.

5.54. Unternehmen können von den Ergebnissen ihrer Innovationsaktivitäten profitieren, indem sie Innovationen realisieren oder das durch diese Aktivitäten generierte Wissenskapital auf andere Weise verwerten. Beispielsweise können sie

  • durch Innovationsaktivitäten generiertes intellektuelles Kapital durch formelle und informelle Mechanismen schützen,

  • Wissen an externe Organisationen auslizenzieren,

  • Wissen an externe Partner übertragen,

  • alternative Anwendungen für ihr Wissen prüfen.

5.55. Durch die Analyse von Innovationsergebnissen und das Lernen aus früheren Innovationen können die Erträge aus Innovationsaktivitäten maximiert werden. Unterstützt werden diese Analysen und Lernprozesse durch die Entwicklung und den Einsatz von Indikatoren für das Monitoring und die Evaluierung von Innovationsinputs, -outputs und -‍leistungen. Die Dokumentation von Innovationsaktivitäten oder -projekten, beispielsweise in Datenbanken, kann das Lernen aus Erfahrungen fördern und künftigen Innovationsaktivitäten oder -projekten zugutekommen.

5.56. Die Weltorganisation für geistiges Eigentum definiert geistiges Eigentum (intellectual property – IP) als Schöpfungen des Geistes, z. B. Erfindungen, literarische und künstlerische Werke sowie im Handel genutzte Symbole, Namen und Bilder (WIPO, 2004). Das Management geistigen Eigentums und der entsprechenden Rechte des geistigen Eigentums umfasst auch strategische Entscheidungen hinsichtlich der Anmeldungs- und Registrierungsverfahren sowie der Nutzungsarten der Rechte des geistigen Eigentums. Bei der Datenerhebung können sowohl die Nutzung bestimmter Arten von geistigem Eigentum als auch die Bedeutung verschiedener Arten geistigen Eigentums und anderer Strategien zur Ausschöpfung des wirtschaftlichen Werts von Innovationen (d. h. Aneignung der Innovationserträge) erfasst werden.

5.57. Tabelle 5.1 bietet einen Überblick über verschiedene Rechte des geistigen Eigentums, den Schutzgegenstand, die Anmeldungserfordernisse sowie den Geltungsbereich der Schutzrechte. Bei der Anmeldung oder Registrierung handelt es sich um eine Offenlegung, zunächst gegenüber der zuständigen Behörde und danach gegenüber der Öffentlichkeit. Folglich ist die IP-Registrierung ein Indikator für Outbound-Wissensflüsse.

5.58. In einigen Ländern gelten Geschäftsgeheimnisse als formelle Rechte des geistigen Eigentums, die patentierbare und nicht patentierbare technische Informationen, wie Herstellungsmethoden, chemische Formeln, Baupläne oder Prototypen, sowie betriebswirtschaftliche Geheimnisse, wie Absatz- und Vertriebsmethoden, Vertragsformulare, Geschäftspläne, Details zu Preisabsprachen, Verbraucherprofile, Werbestrategien sowie Lieferanten- und Kundenkarteien, betreffen können.

5.59. Bei der Datenerhebung sollte ermittelt werden, ob das Unternehmen die Registrierung von Rechten des geistigen Eigentums beantragt hat bzw. ob diese gewährt wurde, da dies ein Indikator für die potenzielle Nutzung geistigen Eigentums ist. Da die Register öffentlich zugänglich sind, können sie im Prinzip mit Erhebungsdaten verknüpft werden, sodass unter Umständen keine entsprechenden Fragen in die Erhebung aufgenommen werden müssen. Um Informationen über die Nutzung von Geheimhaltung zum Schutz von Rechten des geistigen Eigentums zu erfassen, können Unternehmen in der Erhebung gefragt werden,

  • ob sie Dritte verpflichtet haben, Geheimhaltungsvereinbarungen zu unterzeichnen,

  • ob sie Beschäftigte verpflichtet haben, Wettbewerbsverbotsklauseln zu unterzeichnen,

  • ob sie sonstige aktive Geheimhaltungsmaßnahmen ergriffen haben.

5.60. Tests zeigen, dass Fragen zu Rechten des geistigen Eigentums ein sensibles Thema für Unternehmen sein können. Sie sollten daher mit Sorgfalt konzipiert werden, um Antwortausfälle zu vermeiden. Daten zur Bedeutung der einzelnen Schutzrechte bzw. -strategien für das jeweilige Unternehmen können zusammen mit Daten zur Nutzung der verschiedenen Arten geistigen Eigentums erhoben werden. Es gibt viele Gründe, Rechte des geistigen Eigentums zu nutzen, z. B. zum Schutz vor Imitationen, für Überkreuzlizenzierungen, für den Verkauf usw.; die Bedeutung der einzelnen Schutzinstrumente für das Unternehmen sollte daher so definiert werden, dass der Stellenwert der jeweiligen Methode für die Aneignung der Innovationserträge ermittelt wird. Um die Nutzung von Rechten des geistigen Eigentums besser einordnen zu können, sollte bei Fragen zur Aneignung auch ermittelt werden, wie das Unternehmen die Bedeutung der folgenden Aspekte einschätzt:

  • technische Komplexität von Waren und Dienstleistungen, um Imitationen durch Wettbewerber zu verhindern

  • zeitlicher Vorsprung (durch rasche Einführung von Produkt- oder Prozessinnovationen), um die Konkurrenz auf Abstand zu halten

  • Aufbau und Wahrung guter Beziehungen zu anderen Unternehmen in der Wertschöpfungskette

5.61. Aufgrund ihrer Kreativität und der neuen Ideen, die sie hervorbringen können, sind Menschen die wichtigste Ressource für Innovationen. Konzipierung, Entwicklung und Umsetzung von Innovationen erfordern ein breites Spektrum an Kompetenzen und die Kooperation verschiedener Personen. Daher sind Daten zum Kompetenzniveau der Beschäftigten und zum Personalmanagement der Unternehmen (z. B. Strategien zur Gewinnung und Bindung von Talenten) für das Verständnis von Innovationsaktivitäten und -ergebnissen unerlässlich. Daten zu den Kompetenzen der Beschäftigten und zum Personalmanagement sind auch wichtig, um die Rolle von Arbeitsmärkten, Bildung und Personaleinsatz der Unternehmen für Innovationen zu analysieren (vgl. Unterabschnitt 7.4.3).

5.62. Ein Schlüsselindikator für die Kompetenzen der Beschäftigten ist die Zusammensetzung der Belegschaft nach Bildungsniveau. Eine einfache, aber informative Messgröße ist der Anteil der Beschäftigten mit Tertiärabschluss. Es wird empfohlen, diese Information in allen Unternehmen zu erheben, unabhängig von ihrem Innovationsstatus. Tertiärbildung sollte anhand der Stufen der Internationalen Standardklassifikation des Bildungswesens (ISCED) definiert werden (Stufen 5–8 der ISCED-Klassifikation von 2011, vgl. UNESCO/UIS, 2012). Darüber hinaus wäre es hilfreich, den Anteil der Beschäftigten mit Tertiärabschluss nach Fachrichtungen gemäß der ISCED-F-Klassifikation von 2013 zu bestimmen (UNESCO/UIS, 2015), mit besonderem Augenmerk auf folgende Bereiche:

  • Naturwissenschaften, Mathematik und Statistik

  • Ingenieurwesen (einschließlich Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe)

  • Gesundheit, Medizin und Sozialwesen

  • Informatik und Kommunikationstechnologie (IKT)

  • Medien und Design

5.63. Sofern die Unternehmensdaten es ermöglichen, können detailliertere Aufschlüsselungen nach ISCED-Bildungsabschlüssen sowie Bildungs- und Ausbildungsfeldern vorgenommen werden. Detaillierte Aufschlüsselungen sind besonders hilfreich, um zu analysieren, welche Kompetenzkombinationen innerhalb eines Unternehmens vorhanden sind und in welchem Zusammenhang sie zu den Innovationen stehen.

5.64. Neben der Tertiärbildung ist die Zusammensetzung der Belegschaft nach Berufsprofilen eine weitere wichtige Dimension der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens. Berufe sind durch eine Reihe von Attributen gekennzeichnet, die sich auf die entsprechenden Aufgaben, Tätigkeiten, erforderlichen Kenntnisse, technologischen und allgemeinen Kompetenzen sowie persönlichen Fertigkeiten und Werte beziehen. Mit Blick auf die internationale Vergleichbarkeit sollten sich die Berufskategorien an der Internationalen Standardklassifikation der Berufe (ISCO-08; vgl. ILO, 2012) orientieren, die zehn Berufshauptgruppen umfasst (wenngleich nicht alle Gruppen für die Datenerfassung erforderlich sein dürften). Alternativ ist es auch möglich, ein nationales Klassifikationssystem zu verwenden, das mit der ILO-Klassifikation vergleichbar ist.

5.65. Neben den Daten zu den Qualifikationen und Berufsprofilen der Beschäftigten ist der Anteil der Beschäftigten mit abgeschlossener Berufsausbildung ein weiterer hilfreicher Indikator. Die Berufserfahrung der Beschäftigten und die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit können ebenfalls wichtige Informationen liefern, um das Auftreten und die Auswirkungen von Innovationen zu analysieren. Daten zu den Qualifikationen und Berufsprofilen der Beschäftigten können durch Befragungen der Unternehmensleitung oder, wenn möglich, durch Verknüpfung mit anderen einschlägigen Datenquellen erlangt werden.

5.66. Auch die Diversität der Belegschaft kann für die Innovationsleistung eine Rolle spielen. Da Innovationsaktivitäten im Allgemeinen Kommunikation und Interaktion unter den Beschäftigten erfordern, kann der Wissensaustausch durch Diversität sowohl gefördert als auch gehemmt werden (vgl. Østergaard, Timmermans und Kristinsson, 2011). Zu den relevanten Aspekten der Personaldiversität zählen beispielsweise Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und soziokultureller Hintergrund. In der Regel können in Innovationserhebungen nur zu einigen wenigen Aspekten der Personaldiversität detaillierte Daten gesammelt werden. Analysen zu den Auswirkungen von Diversität auf Innovationen erfordern häufig verknüpfte Arbeitgeber-/Arbeitnehmererhebungen oder die Möglichkeit, Unternehmens- und Arbeitnehmerdaten miteinander zu verknüpfen. Um Arbeitnehmerinformationen von den Unternehmen erheben zu können, müssen die Antwortpersonen Zugang zu detaillierten Informationen über die Belegschaft haben.

5.67. Neben formalen Qualifikationen kann ein breites Spektrum an Fertigkeiten und Kompetenzen bei Innovationen eine wesentliche Rolle spielen. Ein Beispiel für eine Erhebung, die Kompetenzen der Erwachsenenbevölkerung erfasst, ist die Internationale Vergleichsstudie der Kompetenzen Erwachsener der OECD (Programme for the International Assessment of Adult Competencies – PIAAC). Die verschiedenen Facetten von Kompetenzen können mit unterschiedlichen Modellen erfasst werden. Das O*NET-Modell der beruflichen Tätigkeiten und Anforderungen (das Aufgaben, Kompetenzen, Wissensanforderungen und Werte umfasst) betrachtet die nachstehenden potenziell innovationsrelevanten Merkmale von Arbeitskräften (O*NET, 2018):

  • dauerhafte Eigenschaften von Arbeitskräften, die sich auf die Leistung auswirken können, wie:

    • kognitive Fähigkeiten, insbesondere Ideenfindung und logisches Denkvermögen

    • Anpassungsfähigkeit und Offenheit gegenüber Veränderungen

  • Fähigkeiten von Arbeitskräften, die Aktivitäten mit Relevanz für verschiedene berufliche Tätigkeiten erleichtern, wie:

    • soziale Kompetenzen, die eine zielorientierte Zusammenarbeit mit anderen Menschen ermöglichen

    • Fähigkeiten, komplexe Probleme zu lösen, um neue, schwer erfassbare Probleme in komplexen realen Situationen bewältigen zu können

    • technische Kompetenzen, um Maschinen oder technische Systeme zu konzipieren, einzurichten, zu betreiben und mögliche Fehlfunktionen zu korrigieren

    • systemische Kompetenzen, um soziotechnische Systeme zu verstehen, zu beobachten und zu verbessern

  • tätigkeitsbezogene Werte und Arbeitsweisen, z. B. Unternehmergeist, Teamarbeit, Kreativität und Autonomie

5.68. Erhebungsrelevante Daten zu Fähigkeiten und Kompetenzen umfassen u. a. Indikatoren, die das Vorhandensein dieser Kompetenzen in der Belegschaft und ihre Bedeutung für die Geschäftsstrategie des Unternehmens erfassen.

5.69. Personalmanagementpraktiken können die Fähigkeit eines Unternehmens beeinflussen, sich das kreative Potenzial und die Kompetenzen seiner Beschäftigten zunutze zu machen. Viele dieser Praktiken können sowohl Innovationen als auch anderen Zielen zugutekommen. Innovationsaktivitäten können u. a. durch folgende Personalmanagementpraktiken begünstigt werden:

  • eine Einstellungspolitik, in der Kreativität ein hoher Stellenwert eingeräumt wird

  • Weiterbildung und Kompetenzentwicklung (vgl. Unterabschnitt 4.2.5)

  • ein Beurteilungs- und Anreizsystem, das Beschäftigte für Innovationsideen (vgl. Unterabschnitt 5.3.4) oder für die Entwicklung von Innovationen belohnt

  • Beförderung und Karriere- bzw. Aufstiegsmöglichkeiten

5.70. Andere Personalmanagementmaßnahmen können die Innovationsergebnisse indirekt verbessern, indem sie die Zufriedenheit und Loyalität der Beschäftigten erhöhen. Hierzu zählen beispielsweise Flexibilität bei Arbeitszeiten und -orten (Gleitzeit, Homeoffice, Sabbatical) oder soziale Initiativen (familienfreundliche Maßnahmen). Die Unternehmen können gefragt werden, ob sie diese Maßnahmen anbieten und wie viele Beschäftigte davon profitieren.

5.71. Die Neuartigkeit oder die verbesserten Eigenschaften einer Innovation sind häufig dem Einsatz neuer oder veränderter Technologien zu verdanken. Gleichzeitig können die kumulierten Innovationsaktivitäten eines oder mehrerer Akteure das Wissen auf bestimmten technologischen Gebieten erweitern, was neue Märkte und Innovationschancen schafft. Das Potenzial eines Unternehmens, diese Chancen zu nutzen, hängt von seinen technologischen Fähigkeiten auf den betreffenden Gebieten ab.

5.72. Im weitesten Sinne wird „Technologie“ definiert als der Wissensstand darüber, wie aus Ressourcen Output gewonnen werden kann (OECD, 2018). Dies beinhaltet die konkrete Nutzung von technischen Methoden, Systemen, Geräten, Kompetenzen und Praktiken sowie deren Anwendung auf Prozesse oder Produkte. Technologisches Wissen kann angewendet werden, um die funktionalen oder nutzungsorientierten Merkmale von Waren, Dienstleistungen und Prozessen zu verändern. Technologische Fähigkeiten bezeichnen das Wissen über diese Technologien und ihre Anwendung, einschließlich der Fähigkeit, Technologien über den aktuellen Stand der Technik hinaus weiterzuentwickeln. Letzteres wird zwar im Allgemeinen mit FuE-Aktivitäten assoziiert, neue Technologien können jedoch auch ohne systematische FuE-Anstrengungen entwickelt werden.

5.73. Drei Arten technologischer Fähigkeiten sind für die potenziellen Nutzer von Innovationsdaten von besonderem Interesse: technische Expertise, Designfähigkeiten sowie Fähigkeiten zur Nutzung von digitalen Technologien und Datenanalytik.

5.74. Technische Expertise bezieht sich auf das in einem Unternehmen vorhandene technologische Wissen und die Fähigkeit, Technologien zu nutzen. Technologisches Wissen beruht auf den Kompetenzen und Qualifikationen der Beschäftigten des Unternehmens, insbesondere der Ingenieur*innen und Techniker*innen, der Erfahrung im Umgang mit den Technologien, dem Einsatz von Anlagegütern, die diese Technologien enthalten, und der Kontrolle des entsprechenden geistigen Eigentums.

5.75. Designfähigkeiten lassen sich schwer allgemeingültig definieren, d. h auf eine Art und Weise, die für sämtliche Unternehmensarten in verschiedenen Ländern zutreffend und verständlich ist. Für die Zwecke dieses Handbuchs wird Design (gemäß Frascati-Handbuch) als eine Innovationsaktivität definiert, „die darauf abzielt, Verfahren, technische Spezifikationen und sonstige Nutzungs- und Funktionsmerkmale für neue Produkte und Verfahren zu planen und zu entwerfen“ (OECD, 2018, Ziffer 2.62).

5.76. Fähigkeiten in den Bereichen digitale Technologien und Datenanalytik sind Teil der technischen Expertise von Unternehmen. Sie werden aber wegen der Bedeutung von digitalen Technologien und Datenanalytik als Universal- und Grundlagentechnologien gesondert behandelt.

5.77. Erhebungen können allgemeine Informationen zum Grad der technischen Expertise eines Unternehmens liefern, indem gefragt wird, ob das Unternehmen

  • Technologien erwirbt, die in Objekten (Maschinen, Ausrüstungen, Software) eingebettet sind, die von anderen Unternehmen oder Organisationen stammen,

  • Rechte des geistigen Eigentums erwirbt, die Eigentumsrechte, Ausschlussrechte oder Nutzungsrechte für technisches Wissen verleihen (vgl. Unterabschnitt 6.3.6),

  • bestehende Technologien verändert oder an unternehmensspezifische Bedürfnisse anpasst,

  • neue Technologien intern entwickelt.

5.78. Ein ähnliches Fragenmuster wird in Tabelle 6.2 in Bezug auf Wissensflüsse verwendet, die in ein Unternehmen gehen.

5.79. Um generische Daten zur technischen Expertise zu erlangen, können Unternehmen alternativ auch gefragt werden, ob sie unternehmensintern FuE durchführen, und falls ja, ob es sich um kontinuierliche FuE (mit festem FuE-Personal) oder gelegentliche FuE (anlassbezogen) handelt. Die Erhebung von Daten zu kontinuierlichen oder gelegentlichen internen FuE-Aktivitäten wird empfohlen, um einen einfachen Hilfsindikator für die technische Expertise von Unternehmen zu erhalten (vgl. Unterabschnitt 4.3.2).

5.80. Die Politik hat großes Interesse an der Fähigkeit von Unternehmen, neue und Grundlagentechnologien zu nutzen oder zu entwickeln, insbesondere, wenn diese Technologien in mehreren Wirtschaftszweigen eingesetzt werden können. In der Vergangenheit betraf dieses Interesse vor allem den Einsatz von Biotechnologie, fortgeschrittenen Fertigungsmethoden, Nanotechnologie sowie IKT und ihren Anwendungen. Zuletzt standen vor allem Bereiche wie Quantencomputing, künstliche Intelligenz (KI) und Robotik sowie internetbasierte Anwendungen wie Cloud-Dienste und Big Data Analytics im Mittelpunkt.

5.81. Die Expertise zu neuen Technologien lässt sich anhand einer offenen Frage oder einer Ankreuzliste mit ausgewählten, vorab spezifizierten Technologien ermitteln.

5.82. Bei der ersten Methode werden keine Antwortoptionen vorgegeben. Stattdessen sollen die Antwortpersonen neue Technologien nennen, die für ihr Unternehmen wichtig sind, und beschreiben, welches Niveau an Expertise in den jeweiligen Technologien vorhanden ist. Die Ergebnisse können mit einer bestehenden Liste von relevanten Technologien verglichen oder für die Erstellung einer datengestützten Taxonomie verwendet werden. Der Hauptnachteil dieser Methode besteht darin, dass die Antworten viele bereits etablierte Technologien umfassen könnten, die für die Politik nur von begrenztem Interesse sind.

5.83. Bei der zweiten Methode werden die Antwortpersonen gebeten, aus einer vorgegebenen Liste von Technologien diejenigen auszuwählen, die ihr Unternehmen verwendet. Bei den Fragen zur Verwendung der Technologien kann unterschieden werden zwischen der Fähigkeit der Unternehmen, die Technologie im Geschäftsbetrieb einzusetzen, und der Fähigkeit, sie weiterzuentwickeln oder zu verändern. Diese Methode wurde bereits in Erhebungen zum Einsatz fortgeschrittener Fertigungs- und Dienstleistungstechnologien verwendet, z. B. in Erhebungen zur Nutzung von Biotechnologie, Nanotechnologie und anderen neuen und Grundlagentechnologien, wie Robotik, Photonik, KI und maschinelles Lernen (Statistics Canada, 2016). Sie wird auch in gezielten Erhebungen zur IKT-Nutzung angewandt, die sich auf den Einsatz von IKT-Technologien in Geschäftsprozessen konzentrieren (OECD 2015b).

5.84. Die zweite Methode muss folgende Kriterien erfüllen:

  • Vollständigkeit, d. h. Einbeziehung aller neuen Technologien, die für die Grundgesamtheit der Unternehmen relevant sein könnten. Die optimale Liste relevanter Technologien dürfte sich zwischen dem Verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor sowie zwischen einzelnen Wirtschaftszweigen des Dienstleistungs- und des Verarbeitenden Sektors unterscheiden.

  • Klarheit und Genauigkeit, damit die Antwortpersonen die aufgelisteten Technologien erkennen und angeben können, welche in ihren Unternehmen zum Einsatz kommen. Da viele Technologien einem Großteil der Befragten unbekannt sein dürften, wird eine „Weiß nicht“-Antwortkategorie benötigt.

  • Relevanz für die Datennutzer, d. h., die Liste muss neue Technologien erfassen und bereits weit verbreitete Technologien außer Acht lassen. Die Liste muss also laufend aktualisiert werden.

5.85. Der Nachteil der zweiten Methode besteht darin, dass viele neue Technologien nur für eine begrenzte Zahl an Wirtschaftszweigen relevant sind und folglich wohl auch nur von einem sehr geringen Prozentsatz der Unternehmen entwickelt oder eingesetzt werden.

5.86. Es wird nicht empfohlen, eine Auswahlliste für die Verwendung und Entwicklung neuer Technologien in den Hauptteil einer allgemeinen Innovationserhebung aufzunehmen. Diese Fragen würden sehr viel Raum in den Fragebögen einnehmen, für die große Mehrheit der Unternehmen aber nur verhältnismäßig wenig Informationen liefern. Technologie-Auswahllisten, die in repräsentativen Unternehmenserhebungen eingesetzt werden (beispielsweise als Ad-hoc-Module in Innovationserhebungen), sollten sich auf weiter verbreitete Technologien mit einem großen Anwendungsspektrum konzentrieren.

5.87. Bei Online-Innovationserhebungen wäre es auch denkbar, Fragen zum Einsatz neuer oder für spezifische Anwendungen vorgesehener Technologien gezielt nur jenen Unternehmen zu stellen, die diese Technologien wahrscheinlich nutzen. Beispielsweise könnten Fragen zur Nutzung von Biotechnologie nur an Unternehmen in Wirtschaftszweigen gerichtet werden, in denen bekanntermaßen Biotechnologie zum Einsatz kommt, und Fragen zur Nutzung von KI wiederum nur an Unternehmen in IT-intensiven Wirtschaftszweigen.

5.88. Eine andere Methode, um die technische Expertise von Unternehmen in neuen Technologien zu ermitteln, besteht darin, öffentlich zugängliche Daten zu Patentanmeldungen zu analysieren. Diese enthalten Angaben zu den für die Erfindung relevanten Technologiebereichen sowie unstrukturierte Informationen zu den Patentansprüchen (OECD, 2009). Anhand der Angaben in der Patentanmeldung zu den Namen und Adressen der Erfinder*innen und Rechtsinhaber*innen können Patentdaten mit anderen Unternehmensdaten kombiniert werden. Der Nachteil bei der Verwendung von Patentdaten ist jedoch, dass keine Unternehmen erfasst werden, die lediglich bestehende Technologien anwenden, ohne technologische Entwicklung zu betreiben, die zu patentierbaren Erfindungen führt. Darüber hinaus münden nicht alle technologischen Entwicklungsaktivitäten in patentierbare Erfindungen und Unternehmen beantragen auch nicht für alle ihre Erfindungen Patentschutz.

5.89. Designfähigkeiten lassen sich in drei Kategorien gliedern, die sich nach Kompetenzprofil und Zweckbestimmung unterscheiden:

  1. 1. technisches Design, das u. a. die technischen Spezifikationen, die technische Ausstattung und den Bau von Prototypen umfasst

  2. 2. Produktdesign, das die Form, Farbe oder Struktur von Objekten, die Schnittstelle zwischen Software und Nutzern oder das Nutzererlebnis bei Dienstleistungen bestimmt

  3. 3. Design Thinking, eine systematische Methodik für die Gestaltung von Waren, Dienstleistungen oder Systemen

5.90. Zwischen technischem Design und Produktdesign gibt es häufig Überschneidungen. Technisches Design kann Teil der FuE-Aktivitäten sein, wohingegen Produktdesign eher das Nutzererlebnis betrifft und häufig in einer Designabteilung oder einem Design Lab stattfindet oder an ein Design-Beratungsunternehmen ausgelagert wird.

5.91. Die Designfähigkeiten eines Unternehmens lassen sich messen, indem die Zahl der Beschäftigten mit designrelevanten Verantwortlichkeiten (Tätigkeiten) oder Kompetenzen erfasst wird. Diese Tätigkeiten bzw. Kompetenzen sind sowohl für technisches als auch Produktdesign relevant. Einige der nachstehenden Aspekte dürften dabei besonders zum Tragen kommen:

  • Kenntnisse zu und Beherrschung von Designtechniken, -tools und -prinzipien, die beim computergestützten Design, technischen Zeichnen, Modellbau und Rendering verwendet werden

  • praktische Anwendung von Ingenieurwissenschaften und -technologien (z. B. Anwendung von Prinzipien, Techniken, Verfahren und Ausrüstungen beim Design und bei der Produktion bzw. Erbringung von Waren und Dienstleistungen)

  • Problemlösungskompetenzen und die Fähigkeit zum kritischen Denken, um auf der Basis von Evidenz sowie logischem und analytischem Denken die Vor- und Nachteile alternativer Lösungen, Schlussfolgerungen oder Ansätze zur Überwindung von Problemen zu ermitteln

  • Fähigkeit, neue oder kreative Lösungen für bestimmte Sachverhalte oder Situationen zu finden oder kreative Methoden der Problemlösung zu entwickeln

  • Fähigkeit, die Realisierbarkeit von Designideen anhand einer Reihe von Kriterien zu evaluieren, wie Nutzbarkeit für den Kunden, Erscheinungsbild, Sicherheit, Funktion, Tauglichkeit, Budget, Produktionskosten/-methoden sowie Marktmerkmale und -trends

  • Fähigkeit, sich mit Kunden und Beschäftigten aus den Bereichen Konstruktion, Marketing, Produktion oder Vertrieb auszutauschen

5.92. Wenn sich die Datenerhebung ausschließlich auf das Vorhandensein einer Designabteilung erstreckt, bleiben u. U. Designfähigkeiten in kleinen Unternehmen oder Unternehmen des Dienstleistungssektors unberücksichtigt, in denen Designaktivitäten keine separate, eigenständige Tätigkeit darstellen, sondern häufig mit anderen betrieblichen Funktionen kombiniert werden. Die Designfähigkeiten der Beschäftigten können durch Fragen zum Vorhandensein und zum Stellenwert der oben aufgeführten designrelevanten Kompetenzen ermittelt werden. Der Stellenwert formaler Qualifikationen und Berufszulassungen kann je nach Anwendungsgebiet (z. B. technisches Design) und Praxiserfahrung unterschiedlich sein.

5.93. Analog zur Bestimmung der technischen Expertise anhand von Patenten können Geschmacksmusteranmeldungen zur Ermittlung bestimmter Designaktivitäten genutzt werden. Geschmacksmuster schützen die Erscheinungsform (z. B. Formen, Farben oder Muster) von Objekten. Sie decken also nur einen bestimmten Aspekt der Designaktivitäten eines Unternehmens ab, da sie hauptsächlich materielle Güter betreffen. Nationale und internationale Organisationen für geistiges Eigentum, wie das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), gewähren Schutzrechte für Geschmacksmuster. Daten zu eingetragenen Geschmacksmustern können mit Unternehmensdaten aus anderen Quellen verknüpft werden, sofern diese die Namen und Adressen der Unternehmen enthalten. Designs können nicht nur durch eingetragene Geschmacksmuster, sondern beispielsweise auch durch Urheberrechte oder Patente geschützt werden, wenn sie funktionale Leistungsmerkmale umfassen.

5.94. Design Thinking ist eine systematische Methodik für den Designprozess, bei der Designmethoden herangezogen werden, um Bedürfnisse zu identifizieren, Problemstellungen zu definieren, Ideen zu generieren, Prototypen zu entwickeln und Lösungen zu testen. Sie kann bei der Gestaltung von Systemen, Waren und Dienstleistungen angewandt werden (Brown, 2008).

5.95. Design Thinking wird den FuE-Kriterien der Neuartigkeit und Ungewissheit häufig nicht gerecht. Die Erhebung von Daten über Design Thinking ist für die Politik jedoch relevant, da die Methodik die unternehmerische Innovationstätigkeit sowohl im Dienstleistungssektor als auch im Verarbeitenden Gewerbe fördert und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftlichen Ergebnisse steigern kann.

5.96. Design Thinking lässt sich nur schwer messen, da es mehrere Methoden mit ähnlichen Zielsetzungen gibt und Designmethoden auch ohne systematisches Design Thinking eingesetzt werden können. In Erhebungen kann gefragt werden, ob das Unternehmen bestimmte Methoden anwendet, die häufig im Rahmen von Design-Thinking-Aktivitäten zum Einsatz kommen, wie z. B.:

  • divergentes Denken oder Brainstorming

  • Verfahren, um ein besseres Verständnis für das Kundenerlebnis zu erlangen, darunter insbesondere Methoden der Feldforschung (d. h. beispielsweise zu beobachten, wie Menschen ein Produkt in realen Kontexten benutzen, und ein Verständnis dafür zu entwickeln, was Nutzer von einem Produkt erwarten)

  • Ko-Design oder Ko-Kreation (Beteiligung potenzieller Nutzer an der Entwicklung von Design-Konzepten)

  • Prototyping und Tests

5.97. Neben Methoden der Feldforschung zur Erfassung des Nutzererlebnisses können Unternehmen auch andere Methoden einsetzen, um Informationen von tatsächlichen oder potenziellen Nutzern von Waren und Dienstleistungen zu erlangen. Diese Informationen können Designaktivitäten auslösen oder ergänzen, z. B., indem sie Chancen und Probleme neuer oder bereits existierender Waren oder Dienstleistungen aufzeigen. Bei der Datenerhebung kann gefragt werden, inwiefern das Unternehmen folgende Methoden anwendet, um Informationen von Nutzern zu erlangen:

  • Feedback von Verkaufs- oder Marketingpersonal

  • Evaluierung von Nutzerberichten über ihre Erfahrungen mit einem Produkt (soziale Medien, Online-Bewertungen und -Kommentare usw.)

  • strukturierte Datenerhebung (Feedback-Formulare, gezielte Nutzerbefragungen, Fokusgruppen)

5.98. Beispiele für Fragen zu den Möglichkeiten und Praktiken der Nutzerbeteiligung finden sich in den Innovationserhebungen von Statistics Denmark und Statistics Finland (Kuusisto, Niemi und Gault, 2014).

5.99. Der Stellenwert von Designfähigkeiten für die Geschäftsstrategie eines Unternehmens lässt sich daran ermessen, wo sich das Unternehmen auf der „Designleiter“ (Design Ladder) befindet, die auf einem Konzept des Danish Design Centre beruht (Galindo-Rueda und Millot, 2015; Galindo-Rueda und Van Cruysen, 2016). Dabei wird die Verwendung der folgenden vier Kategorien empfohlen:

  • keinerlei Designaktivität

  • Design wird genutzt, um die Erscheinungsform oder den Stil von Waren und Dienstleistungen zu entwickeln, Designaktivitäten werden aber nicht systematisch durchgeführt

  • Design-Thinking-Methoden sind in den Prozess der Produktentwicklung integriert

  • Design ist ein wesentliches strategisches Element des Geschäftsmodells

5.100. Aufgrund der unterschiedlichen Interpretation des Design-Konzepts in verschiedenen Ländern und Sprachen sollte den Fragen zu den Designaktivitäten eine Definition der Begriffe Produktdesign und Design Thinking (s. o.) vorangestellt werden.

5.101. Digitale Technologien umfassen elektronische Tools, Systeme, Geräte und Ressourcen, die digitale Daten generieren, speichern, verarbeiten, austauschen oder nutzen. Digitisierung ist die Umwandlung eines analogen Signals, das Informationen (z. B. Ton, Bild, gedruckter Text) übermittelt, in binäre Einheiten (Bits). Unter Digitalisierung wird die Einführung oder verstärkte Nutzung digitaler Technologien in einer Organisation, einem Wirtschaftszweig, einem Land usw. verstanden. Dadurch können beispielsweise bestehende Aufgaben verändert oder neue ermöglicht werden. Digitalisierung bezieht sich also darauf, wie sich die Digitisierung auf Wirtschaft oder Gesellschaft auswirkt.

5.102. Die Digitalisierung bietet Unternehmen eine Fülle an Innovationsmöglichkeiten (OECD, 2017). Um dieses Innovationspotenzial zu nutzen, sind Unternehmen u. U. auf die Fähigkeiten angewiesen, digitale Technologien zu verwalten sowie Daten zu generieren, abzurufen, zu verknüpfen, zu verarbeiten und zu analysieren (u. a. mithilfe von KI) und neue IKT-gestützte Anwendungen zu nutzen. Die Digitalkompetenzen der Beschäftigten spielen in diesem Kontext eine besonders wichtige Rolle.

5.103. Um die digitalen Fähigkeiten von Unternehmen zu erfassen, können in einem ersten Schritt Daten zum Einsatz unterschiedlicher digitaler Technologien erhoben werden, wie etwa Computer-Infrastruktur (Server-Technologien), KI, internetfähige Endgeräte, Automatisierung, mobile Kommunikationstechnologien, Cloud-Computing, digitale Technologien für Kollaboration, Kommunikation und Werteaustausch (z. B über soziale Medien) sowie digitale Technologien für Unternehmensplanung und -management (z. B. Enterprise Resource Planning, Kundenbeziehungsmanagement) oder Distributed-Ledger-Technologien (Blockchain).

5.104. Die Datenerhebung sollte auch Informationen über die Fähigkeiten von Unternehmen zur Nutzung digitaler Technologien erfassen. Diese lassen sich u. a. daran messen, ob das Unternehmen über eine eigene IT-Abteilung und eine IT- oder Digitalstrategie verfügt. Weitere Indikatoren sind der Umfang des IT-Jahresbudgets des Unternehmens (für Hardware und Software), Digitalkompetenzen der Beschäftigten (z. B. Kompetenzen in den Bereichen Software-Programmierung, Datenbanken, Technische Informatik) sowie der E-Commerce-Umsatz. Darüber hinaus ist es nützlich, Daten darüber zu erheben, inwiefern digitale Kapazitäten für die allgemeine Strategie und Führungsposition des Unternehmens wichtig oder von zentraler Bedeutung sind.

5.105. Eine Gemeinsamkeit von digitalen Technologien ist ihr Potenzial, verschiedene Geschäftsaktivitäten und betriebliche Funktionen zu einem integrierten System zu verknüpfen, das einen strukturierten Datenaustausch zwischen verschiedenen Funktionen und Einheiten ermöglicht. Daten zur digitalen Integration verschiedener betrieblicher Funktionen (Produktion/Dienstleistungserbringung, Logistik, Marketing/Vertrieb, Produktentwicklung, Verwaltung) und zu digitalen Verknüpfungen mit Lieferanten und Kunden können sachdienliche Informationen über den Stand der digitalen Fähigkeiten und deren Verwendung im Unternehmen liefern.

5.106. Im digitalen Zeitalter wird die Fähigkeit immer wichtiger, verfügbare große Datenquellen und Tools für die Analyse von Geschäftsdaten zur Entscheidungsunterstützung zu nutzen. Digitale Technologien ermöglichen es Unternehmen, (häufig in Echtzeit) riesige Datenmengen zu verschiedenen betrieblichen Aktivitäten sowohl innerhalb des Unternehmens als auch in Verbindung mit Lieferanten und Nutzern zu generieren und zu speichern. Diese Daten sind eine zunehmend wichtige Quelle für die Entwicklung von Geschäftsstrategien, Geschäftsmodellen, Produkten und Prozessen. Um zu ermitteln, inwieweit diese Fähigkeiten in einem Unternehmen vorhanden sind, kann nach der Nutzung folgender Datenanalysemethoden und -‍tools, entweder intern oder durch extern bezogene Datenanalysedienste, gefragt werden: Datenbankmanagementsysteme, Data-Mining-Tools, maschinelles Lernen, Datenmodellierung, prädiktive Analytik, Analyse des Nutzerverhaltens sowie Echtzeitdatenanalysen.

5.107. Digitale Innovationen umfassen Produkt- oder Prozessinnovationen, die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) beinhalten, sowie Innovationen, deren Entwicklung oder Implementierung in hohem Maße auf IKT basiert. Qualitative Studien zeigen, dass digitale Innovationen weit verbreitet sind. Laut Angaben der Befragten machen sie einen sehr hohen Anteil der Innovationen in allen Wirtschaftszweigen aus (OECD, 2015b). Daher wäre es nicht sinnvoll, Innovationen zu erfassen, die digitale Technologien enthalten oder durch den Einsatz digitaler Technologien entwickelt wurden. Die Datenerhebung sollte sich stattdessen auf Informationen zu den digitalen Kompetenzen von Unternehmen konzentrieren, die eine Schlüsselkomponente ihrer Innovationskapazitäten darstellen.

5.108. Digitale Kompetenz ist ein facettenreiches Konzept, das die Fähigkeit eines Unternehmens erfasst, Nutzen aus der Digitalisierung zu ziehen und damit einhergehende Herausforderungen zu bewältigen. Zu den wesentlichen Dimensionen digitaler Kompetenz zählen beispielsweise folgende Indikatoren:

  • digitale Integration innerhalb von und zwischen verschiedenen betrieblichen Funktionen

  • Zugang zu Datenanalytik und die Fähigkeit, sie zu nutzen, um Produkte zu konzipieren, zu entwickeln, zu vermarkten und zu verbessern, u. a. anhand von Daten zu den Nutzern der Produkte des Unternehmens und ihren Interaktionen mit diesen Produkten

  • Zugang zu Netzwerken und Einsatz zweckmäßiger Lösungen und Architekturen (Hardware und Software)

  • effektives Management von Datenschutz- und Cybersicherheitsrisiken

  • Einführung geeigneter Geschäftsmodelle für digitale Umgebungen, wie E-Commerce, partizipative Plattformen, usw.

5.109. Diese Indikatoren können sich auf Managementfähigkeiten, Kompetenzen der Beschäftigten, Infrastrukturen und Praktiken innerhalb des Unternehmens beziehen.

5.110. Digitale Plattformen sind ein prägendes Merkmal des digitalen Zeitalters. Plattformen ermöglichen es, Produzenten und Nutzer auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette zusammenzuführen. Sie bilden oft ein Ökosystem, in dem neue Produkte entwickelt und verkauft und Daten generiert und ausgetauscht werden. Daten zur Präsenz der Unternehmen auf digitalen Plattformen und zu ihrem Einfluss auf diese Plattformen (Sind sie Besitzer der Plattform, kontrollieren sie den Zugang, die auf der Plattform geteilten Informationen usw.?) können Hinweise dafür liefern, inwieweit die Unternehmen in der Lage sind, die Geschäftschancen digitaler Technologien zu nutzen. Aktivitäten im Zusammenhang mit digitalen Plattformen werden auch in Unterabschnitt 7.4.4 erörtert.

5.111. IKT-Erhebungen (OECD, 2015b) sind das wichtigste Instrument, um Daten über den IKT-Einsatz in Unternehmen zu erhalten. Die kostengünstigste Option, die auch den Beantwortungsaufwand reduziert, besteht darin, Daten zu digitalen Fähigkeiten und zur Nutzung digitaler Technologien aus IKT-Erhebungen mit Daten aus Innovationserhebungen zu verknüpfen. Werden in einem Land keine gesonderten IKT-Erhebungen durchgeführt oder ist eine Datenverknüpfung nicht möglich, können Daten zum Einsatz digitaler Technologien direkt in Innovationserhebungen erfasst werden. Hierbei besteht die Herausforderung darin, eine Liste mit relevanten aktuellen und neuen Technologien zusammenzustellen und jene Technologien auszuklammern, die zum Zeitpunkt der Erhebung ohnehin in nahezu allen Unternehmen zum Einsatz kommen (vgl. Unterabschnitt 5.5.1).

5.112. Dieses Kapitel behandelt eine Vielzahl von innovationsrelevanten Unternehmenskapazitäten. Die zur Erfassung in allgemeinen Innovationserhebungen empfohlenen Daten werden in Hauptindikatoren und Zusatzindikatoren unterteilt. Die Hauptindikatoren sollten nach Möglichkeit auf jeden Fall erhoben werden. Zusatzindikatoren sollten nur erhoben werden, wenn sie für die Datennutzer relevant sind und ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen. Einige dieser Daten sind in administrativen Quellen (wie IP-Registern) verfügbar oder wurden über IKT- oder andere Erhebungen erfasst und lassen sich durch Datenverknüpfung auf Unternehmensebene erlangen. Daten zu anderen in diesem Kapitel behandelten Fähigkeiten könnten über Ad-hoc-Module in Innovationserhebungen, Sondererhebungen oder Pilotstudien erhoben werden oder mithilfe von experimentellen Methoden aus unkonventionellen Quellen erlangt werden.

5.113. Zu den Hauptindikatoren einer allgemeinen Datenerhebung zählen:

  • Beschäftigtenzahl (Vollzeitäquivalente) (Unterabschnitt 5.2.1)

  • Gesamtumsatz (Unterabschnitt 5.2.1)

  • Alter des Unternehmens in Jahren seit Aufnahme der Geschäftstätigkeit (Unterabschnitt 5.2.3)

  • Eigentumsverhältnisse des Unternehmens (eigenständiges Unternehmen, Teil eines nationalen Konzerns, Teil eines multinationalen Konzerns) (Unterabschnitt 5.2.4)

  • geografische Zielmärkte des Unternehmens (lokale, nationale, internationale Märkte) (Unterabschnitt 5.3.1)

  • Anteil der Exporte am Gesamtumsatz (Unterabschnitt 5.3.1)

  • Stellenwert von Kosten gegenüber Qualität in der Wettbewerbsstrategie des Unternehmens (Unterabschnitt 5.3.1)

  • Anteil der Beschäftigten mit Tertiärabschluss (Unterabschnitt 5.4.1)

  • Designfähigkeiten (Unterabschnitt 5.5.2)

5.114. Zusatzindikatoren für die allgemeine Datenerhebung (bei ausreichend Platz bzw. Ressourcen):

  • Status als Familienunternehmen (Unterabschnitt 5.3.3)

  • Anzahl der Produktlinien (Unterabschnitt 5.3.1)

  • Innovationsmanagement: Verantwortung für Innovation innerhalb des Unternehmens (Unterabschnitt 5.3.4)

  • Innovationsmanagement: Methoden zur Förderung des internen Wissensaustauschs (Unterabschnitt 5.3.4)

  • Zahl der Beschäftigten nach Fachrichtung (Unterabschnitt 5.4.1)

  • technische Expertise in neuen Technologien (Unterabschnitt 5.5.1)

  • digitale Kompetenzen (u. U. durch IKT-Erhebungen zu erfassen) (Unterabschnitt 5.5.3)

Literaturverzeichnis

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