1. Einführung in die Innovationsstatistik und das Oslo-Handbuch

1.1. Innovationen sind für die Verbesserung des Lebensstandards von zentraler Bedeutung. Sie können sich in vielfältiger Weise sowohl auf Privatpersonen und Organisationen als auch auf ganze Wirtschaftszweige und Länder auswirken. Politische Maßnahmen können direkt und indirekt die Entwicklungsrichtung von Innovationen und deren Auswirkungen beeinflussen. Eine möglichst genaue Messung von Innovationen und die Nutzung von Innovationsdaten in der Forschung können politischen Entscheidungsträger*innen helfen, wirtschaftliche und soziale Veränderungen besser zu verstehen, den (positiven oder negativen) Beitrag von Innovationen zur Erreichung sozialer und wirtschaftlicher Ziele zu beurteilen und die Wirksamkeit und Effizienz ihrer Politikmaßnahmen zu beobachten und zu evaluieren (OECD, 2010).

1.2. Die Messung von Innovationen setzt ein gutes Verständnis dafür voraus, was gemessen werden soll und was zuverlässig gemessen werden kann. Als Reaktion auf die starke Nachfrage der Politik nach empirischen Befunden zum Innovationsgeschehen trägt das Oslo-Handbuch beiden Anforderungen Rechnung. Gleichzeitig entwickelt es neue Ansätze, um Innovationen besser und umfassender zu erfassen. Das Handbuch beschreibt geeignete Ansätze für die Erhebung von Innovationsdaten, unterstützt deren internationale Vergleichbarkeit und bietet einen Ausgangspunkt, um Ansätze der Innovationsmessung weiter zu erforschen. Das Handbuch spielt außerdem eine wichtige Rolle, indem es aufzeigt, dass Innovationen oft keine Forschung und experimentelle Entwicklung (FuE) erfordern und dass Innovationen auch die Verbreitung bereits vorhandener Technologien und Praktiken in der Wirtschaft beinhalten.

1.3. Die erste Ausgabe des Oslo-Handbuchs erschien 1992 (OECD, 1992) und bezog sich auf die Messung von Innovationen im Verarbeitenden Gewerbe. „Oslo“ im Titel des Handbuchs steht für die Stadt, in der die Leitlinien von der OECD-Arbeitsgruppe NESTI erstmals verabschiedet wurden. Die Innovationserhebungen, die auf der Grundlage der Ausgabe von 1992 durchgeführt wurden, darunter die Innovationserhebung der Gemeinschaft (Community Innovation Survey – CIS) und vergleichbare Erhebungen in Australien und Kanada, haben gezeigt, dass es möglich ist, Datenerhebungen zu komplexen und differenzierten Innovationsphänomenen zu konzipieren und umzusetzen.

1.4. In der zweiten Ausgabe (OECD/Eurostat/EU, 1997) wurden die Konzepte, Definitionen und Methoden aktualisiert, um die gesammelten Erfahrungen aus Innovationserhebungen sowie das verbesserte Verständnis von Innovationsprozessen zu berücksichtigen. Die Leitlinien zur Messung von Innovationen bezogen sich in dieser Ausgabe nicht nur auf das Verarbeitende Gewerbe, sondern auch auf bestimmte Dienstleistungsbranchen. Die Ausführungen wurden um Leitlinien zur Entwicklung international vergleichbarer Innovationsindikatoren für die OECD-Länder erweitert. Zudem wurden analytische und Probleme in der Politikgestaltung erörtert, die mithilfe von Innovationsdaten und -indikatoren angegangen werden konnten.

1.5. In den ersten beiden Ausgaben des Handbuchs war der Innovationsbegriff auf neue oder merklich verbesserte „technologische“ Produkte und Prozesse beschränkt. Der Schwerpunkt lag somit auf der technischen Entwicklung neuer Produkte und neuer Produktionsverfahren und ihrer Verbreitung in anderen Unternehmen. Die Messung „nicht technologischer“ Innovationen wurde erstmals im Anhang der zweiten Ausgabe behandelt.

1.6. Die dritte Ausgabe (OECD/Eurostat, 2005) konnte bereits auf einer großen Menge an Daten und Erfahrungen aus Innovationserhebungen aufbauen, die in Ländern mit sehr unterschiedlichem wirtschaftlichem Entwicklungsstand durchgeführt wurden. Der Bezugsrahmen für die Messung von Innovationen wurde in der dritten Ausgabe erweitert. Zum einen wurde den Verbindungen zwischen Unternehmen und anderen Organisationen im Innovationsprozess ein größerer Stellenwert eingeräumt, zum anderen wurde die bedeutende Rolle von Innovationen in traditionell weniger FuE-intensiven Wirtschaftszweigen anerkannt. Außerdem wurde die Definition von „Innovation“ und „Innovationsaktivitäten“ angepasst, um Innovationen in gewerblichen Dienstleistungen besser erfassen zu können. Indem das Kriterium des technologischen Fortschritts für Produkt- und Prozessinnovationen fallen gelassen wurde, konnten auch Dienstleistungsinnovationen einbezogen werden, die beispielsweise einen verbesserten Kundennutzen schaffen, ohne dass sie mit neuen technologischen Komponenten einhergehen. Die Definition von Innovation wurde um zwei zusätzliche, komplementäre Arten erweitert, nämlich organisatorische Innovationen und Marketinginnovationen. Die dritte Ausgabe enthielt zudem einen Anhang zur Messung von Innovationen in Entwicklungsländern, was das große Interesse an diesem Thema widerspiegelte.

1.7. Die Revisionen des Oslo-Handbuchs im Zeitverlauf veranschaulichen, dass sich der Konsens der Expert*innen in der Frage, was gemessen werden kann und soll, ständig weiterentwickelt. Zurückzuführen ist diese Entwicklung auf die Veränderung wirtschaftlicher und sozialer Faktoren, des Charakters von Innovationen und der Art und Weise ihrer Entstehung, sowie auf die Erfahrungen, die bei der Messung von Innovationen gesammelt werden, und den Erfahrungsaustausch zwischen den an der Innovationsmessung beteiligten Expert*innen. Mit dem zunehmenden gesellschaftlichen Bewusstsein für innovationsbezogene Phänomene hat sich auch das Interesse an neuen Messansätzen erhöht. Trotz dieser Fortschritte gibt es jedoch noch immer große Lücken in der Erfassung von Innovationen und ihren Auswirkungen sowie im Verständnis der Möglichkeiten, wie staatliche Politik Innovationen beeinflussen kann. Eines der Hauptziele dieser vierten Ausgabe des Oslo-Handbuchs besteht daher darin, einige dieser Lücken zu schließen und offene Fragen zu klären.

1.8. Diese vierte Ausgabe, die 13 Jahre nach Erscheinen der dritten Ausgabe veröffentlicht wird, soll die Bedeutung des Oslo-Handbuchs als Quelle für konzeptionelle und praktische Leitlinien zur Bereitstellung von Daten, Indikatoren und quantitativen Analysen zu Innovationen stärken. Die Rolle des Oslo-Handbuchs als wesentlicher Leitfaden für Analyse und Diskussion politischer Maßnahmen wurde im G20-Innovations-Aktionsplan (G20, 2016) hervorgehoben, der von den Staats- und Regierungschef*innen der G20 in Hangzhou, Volksrepublik China, im September 2016 verabschiedet wurde. Auf dem Gipfeltreffen bekundeten die Regierungen der größten Volkswirtschaften der Welt reges Interesse an einer adäquaten Innovationsmessung zur Unterstützung politischer Maßnahmen. Sie bekräftigten zudem die Rolle der OECD bei der Verwirklichung dieses Ziels.

1.9. Im Rahmen des OECD Blue Sky III Forum (http://oe.cd/blue-sky) im Jahr 2016 wurde die Notwendigkeit betont, die Messung von Innovationen auf alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft auszudehnen. Vor diesem Hintergrund schlug die NESTI-Arbeitsgruppe vor, dass diese vierte Ausgabe die wichtigsten Innovationskonzepte in einem umfassenden Sinn behandeln und eine allgemeine Definition von Innovation enthalten soll. Damit soll das Oslo-Handbuch dem vielfach geäußerten Wunsch nachkommen, künftig als Ausgangspunkt und Orientierung für die Weiterentwicklung der Innovationsmessung zu dienen. Obwohl der Fokus des Oslo-Handbuchs auf der Messung von Innovationen im Unternehmenssektor liegt, bietet die vierte Ausgabe dank einer einheitlichen Definition daher auch einen Rahmen für die Innovationsmessung in anderen Sektoren. Aus diesem Grund bezieht sich der Titel der vierten Ausgabe auch nicht explizit auf Innovationen im Unternehmenssektor.

1.10. Zu Beginn des Revisionsprozesses kamen die Beteiligten überein, die vierte Ausgabe des Oslo-Handbuchs im Hinblick auf folgende wesentliche Punkte zu erweitern bzw. zu verbessern:

  • Aufnahme von allgemeinen Definitionen und Innovationskonzepten, die auf alle vier volkswirtschaftlichen Sektoren (Unternehmen, Staat, Private Organisationen ohne Erwerbszweck und Private Haushalte) anwendbar sind, um künftig die Ausarbeitung von Leitlinien zur Messung von Innovationen in anderen Sektoren als dem Unternehmenssektor zu ermöglichen.

  • Sicherstellung, dass die Empfehlungen sowohl für Industrie- als auch für Entwicklungsländer relevant sind, damit das Handbuch eine weltweit effektive Orientierungshilfe bietet.

  • Gewährleistung der Übereinstimmung mit dem Frascati-Handbuch von 2015 zur Messung von FuE (OECD, 2015) sowie den wichtigen Statistiksystemen und Leitfäden, insbesondere dem System der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Vereinten Nationen (SNA 2008) (vgl. Europäische Kommission et al., 2009).

  • Berücksichtigung der fortschreitenden Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, wie im OECD-Projekt „Going Digital“ dargelegt (www.oecd.org/sti/goingdigital.htm). Das Handbuch beschäftigt sich in mehreren Kapiteln mit Aspekten der Digitalisierung und enthält Leitlinien zur Messung von Innovationen im Zusammenhang mit digitalen Produkten, digitalen Plattformen und der Nutzung von Daten.

  • Berücksichtigung der sich verändernden Innovationsmodelle, insbesondere in Bezug auf offene Innovationsprozesse und Innovationen, globale Wertschöpfungsketten und globale Innovationsnetzwerke.

  • Nutzung der im vergangenen Jahrzehnt gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen, um die schon lange bestehenden Herausforderungen in Bezug auf Subjektivität und internationale Vergleichbarkeit, Interpretation der Innovationskriterien Neuartigkeit und Verbesserung, quantitative Messung von Innovationsinputs und -outputs, Erfassung nicht FuE-basierter Innovationen usw. anzugehen.

  • Förderung der Sammlung von Informationen, die sowohl für nicht innovative als auch für innovationsaktive Unternehmen relevant sind, wie beispielsweise zu Investitionen in wissensbasiertes Kapital und zu den internen und externen Bedingungen, unter denen Unternehmen tätig sind und innovationsrelevante Aktivitäten durchführen. Diese Daten sind für Analysen der Innovationstreiber und der wesentlichen Voraussetzungen für Innovationen unerlässlich.

  • Erörterung der Erhebungsmethodik sowie der Auswirkungen unterschiedlicher Erhebungsmethoden auf Datenqualität, Datenaktualität und internationale Vergleichbarkeit.

  • Diskussionen darüber, wie anhand statistischer Innovationsdaten Forschung, Unternehmensführung und Politikgestaltung, einschließlich der Indikatorentwicklung, unterstützt werden können und wie sich die Wirksamkeit von Politikmaßnahmen zur Innovationsförderung beurteilen lässt.

1.11. Mit Ausnahme des Einführungskapitels befasst sich diese vierte Ausgabe des Oslo-Handbuchs mit Innovationen im Unternehmenssektor, der in vielen Fällen auch öffentliche Unternehmen umfasst. Folgender Ansatz wird dabei verfolgt:

  • Innovationsdaten werden auf der Basis statistisch repräsentativer Unternehmensstichproben des Unternehmenssektors erhoben. Obwohl z. B. durch das Internet neue Datenquellen zur Verfügung stehen, weisen viele dieser Quellen nicht die erwünschten Merkmale einer repräsentativen Stichprobe der Grundgesamtheit auf. Daher empfiehlt das Handbuch, repräsentativen Erhebungen für die Datenerfassung den Vorzug zu geben. Wenn möglich, können diese durch weitere repräsentative Erhebungen ergänzt oder mit Verwaltungsdaten verknüpft werden.

  • Es gilt aufzuzeigen, wie die Antworten auf die Erhebungsfragen durch die Erhebungsmethoden und das Fragebogendesign beeinflusst werden. Es wird insbesondere davon abgeraten, Innovationserhebungen mit FuE-Erhebungen zu kombinieren.

  • Bei der Erhebung von Daten ist der Subjektansatz zu bevorzugen, damit alle Innovationsaktivitäten eines Unternehmens erfasst werden. Dies kann mithilfe des Objektansatzes durch zusätzliche Informationen zur wichtigsten Innovation des Unternehmens (oder der wichtigsten Innovationsaktivität bzw. der wichtigsten Veränderung im Fall nicht innovativer Unternehmen) ergänzt werden.

1.12. Diese vierte Ausgabe basiert zwar auf gesammelten Erfahrungen, sie enthält aber auch eine Fülle an Ausführungen und Vorschlägen zu experimentellen Ansätzen, die für die Messung von Innovationen im Unternehmenssektor erforderlich sind. Es werden zudem Fälle aufgezeigt, in denen moderne digitale Instrumente für die Datenerfassung und -‍analyse eingesetzt werden können, sei es, um neue Arten von Daten bereitzustellen, die zusätzliche Erkenntnisse liefern können, oder um den Aufwand bei der Beantwortung von Fragebögen für die Antwortpersonen zu verringern.

1.13. Das Oslo-Handbuch ist ein frei zugängliches, offenes Standardwerk, das Leitlinien für die statistische Erfassung von Innovation, die Erstellung von Innovationsstatistiken sowie für mögliche Verwendungszwecke bietet. Mit der Anwendung dieser Leitlinien verbessern sich Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der von einer Vielzahl von Organisationen erhobenen Innovationsdaten. Das Handbuch kann als Referenz für Politik- und Regulierungszwecke dienen, z. B. für die Verknüpfung von Politikmaßnahmen mit bestimmten im Handbuch beschriebenen Innovationsaktivitäten und -ergebnissen, wenngleich es ursprünglich nicht für diesen Zweck konzipiert wurde. Außerdem kann die Umsetzung der hier vorgestellten Konzepte und Definitionen durch Innovationsmanager*innen und -‍expert*innen die Datenerfassung erleichtern.

1.14. Die OECD veröffentlicht eine Reihe von Handbüchern zur „Messung von wissenschaftlichen, technologischen und Innovationstätigkeiten“. Jedes Handbuch enthält international vereinbarte methodische Leitlinien und Vorschläge für die Erhebung, Darstellung und Nutzung von Daten und Indikatoren zu Wissenschaft, Technologie und Innovation (WTI). Die OECD begann ihre Aktivitäten zur Festlegung statistischer WTI-Standards mit der Ausarbeitung des Frascati-Handbuch, das 1963 erstmals veröffentlicht wurde. Auch wenn das Oslo-Handbuch im Vergleich zu anderen Handbüchern relativ neu ist, bildet es einen zentralen Bestandteil der OECD-Reihe statistischer Leitfäden zur Messung von WTI.

1.15. Im Laufe der Zeit sind weitere Handbücher hinzugekommen, wie z. B. das OECD Patent Statistics Manual (OECD, 2009a). Die Handbücher dieser Reihe werden regelmäßig überarbeitet, um neuen Herausforderungen und Entwicklungen Rechnung zu tragen. Auch der Erfassungsbereich wird entsprechend den Veränderungen im jeweiligen Fachgebiet laufend erweitert.

1.16. Das Oslo-Handbuch stützt sich umfassend auf die statistischen Klassifikationen der Vereinten Nationen, insbesondere das SNA 2008 (Europäische Kommission et al., 2009) und die Internationale Systematik der Wirtschaftszweige (ISIC) (VN, 2008), und verfolgt eine volle Übereinstimmung mit diesen.

1.17. Die externen Klassifikationen werden von den zuständigen Organisationen regelmäßig aktualisiert. Die Verweise in diesem Handbuch auf andere statistische Dokumente be-ziehen sich auf die zum Zeitpunkt der Publikation dieses Handbuchs verfügbaren Ausgaben (Druck- oder elektronische Fassung). Eine aktualisierte Liste ist im Anhang der Online-Fassung enthalten.

1.18. Gemäß den Empfehlungen des SNA 2008 werden Aufwendungen für FuE sowie für andere Formen von Wissen nicht als Ausgaben, sondern als Investitionen in Anlagegüter behandelt. Dies hat Auswirkungen auf die BIP-Messung und die Interpretation des Beitrags innovationsbezogener Aktivitäten zum Wirtschaftswachstum.

1.19. Auch wenn das SNA in der aktuellen Fassung viele Arten von Innovationsaktivitäten nicht als Investition anerkennt (außer FuE und Software), haben viele Länder die Einrichtung von Satellitenkonten für Innovation auf ihre Agenda gesetzt. Das steht im Einklang mit dem Interesse, Satellitenkonten zu entwickeln, die das Ausmaß digitaler Wirtschaftsaktivitäten abbilden. Wenn bei der Integration von Innovationsdaten in Wirtschaftsstatistiken weitere Fortschritte erzielt werden sollen, bedarf es fortlaufender Anstrengungen, um die Messung der Innovationsaktivitäten und ihrer Kosten und Vorteile, die für die Unternehmen entstehen, zu verbessern. Zugleich muss die Nutzungsdauer von Innovationen dokumentiert werden, damit Alterung und Abschreibungen angemessen erfasst werden können.

1.20. Darüber hinaus wird das SNA für die Definition des Unternehmenssektors (Erfassungsbereich des Handbuchs, vgl. Kapitel 2) und der anderen Sektoren, in denen Forscher*innen und Statistiker*innen Innovationsmessungen durchführen, herangezogen.

1.21. Parallel zu den Arbeiten an der vierten Ausgabe des Oslo-Handbuchs hat die OECD eine Zusammenarbeit mit dem Technischen Ausschuss für Innovationsmanagement der Internationalen Organisation für Normung (ISO) aufgenommen, der für die Erarbeitung von Normen für Innovationsmanagement (ISO 50500) zuständig ist. Der Austausch zwischen den beiden Gruppen von Expert*innen der OECD und der ISO deckte die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Definitionen von Innovation und Innovationsmanagement ab, wobei die OECD Definitionen für Innovationsmessung und die ISO Definitionen für Normensetzung in den Vordergrund stellten. Aus den Diskussionen sind harmonisierte Definitionen hervorgegangen, die den Zielsetzungen des Oslo-Handbuchs und der ISO-Normen entsprechen.

1.22. Das Oslo-Handbuch 2018 besteht aus drei Teilen: Teil I enthält eine allgemeine Präsentation der Messung von Innovationen, Teil II einen Rahmen und Leitlinien zur Messung von Innovationen im Unternehmenssektor und Teil III praktische Leitlinien zu den Methoden für die Erhebung und Nutzung von Innovationsdaten.

1.23. In Kapitel 2 wird der Zweck des Handbuchs erläutert und erklärt, was Innovationen von anderen verwandten Phänomenen wie z. B. Erfindungen oder FuE unterscheidet. Es werden die grundlegenden Innovationskonzepte, auch für andere Sektoren als den Unternehmenssektor, dargelegt.

1.24. Das Kapitel stützt sich auf international anerkannte Statistiksysteme, um den Unternehmenssektor, auf dem der Fokus dieses Handbuchs liegt, von den anderen Sektoren einer Volkswirtschaft abzugrenzen. Akteure aus den anderen Sektoren spielen im Innovationssystem allerdings ebenfalls eine Rolle und können zu Innovationen im Unternehmenssektor beitragen. Verbindungen zwischen den verschiedenen Sektoren werden hervorgehoben, damit sich künftige Empfehlungen auf dasselbe zugrunde liegende Phänomen beziehen können. Das Erfordernis der Messbarkeit war ein wesentliches Kriterium bei der Auswahl der in diesem Handbuch verwendeten Konzepte, Definitionen und Klassifikationen. Genau dadurch unterscheidet sich das Handbuch von anderen Dokumenten, die Innovationen konzeptualisieren und definieren.

1.25. Das Kapitel schließt mit einer allgemeinen Definition des Begriffs „Innovation“, die auf alle Sektoren anwendbar ist, und erörtert mögliche Ansätze zur Messung von Innovationen in den anderen volkswirtschaftlichen Sektoren. Die allgemeine Definition einer Innovation für alle Arten von Einheiten lautet:

Eine Innovation ist ein neues oder verbessertes Produkt bzw. ein neuer oder verbesserter Prozess (oder eine Kombination der beiden), das bzw. der sich von den bisherigen Produkten bzw. Prozessen der Einheit merklich unterscheidet und für potenzielle Nutzer verfügbar gemacht wurde (Produkt) bzw. in der Einheit eingeführt wurde (Prozess).

1.26. In der allgemeinen Definition wird der allgemeine Begriff „Einheit“ verwendet, um den für eine Innovation verantwortlichen Akteur zu beschreiben. Es handelt sich dabei um eine institutionelle Einheit in einem beliebigen Sektor, einschließlich Haushalte und ihrer einzelnen Angehörigen. Diese Definition eignet sich zur Messung von Innovationen, die von Privatpersonen entwickelt wurden – ein wichtiges Ziel, das auf dem Blue Sky Forum 2016 formuliert wurde.

1.27. Teil II des Oslo-Handbuchs beschreibt den Innovationsprozess in Unternehmen und die Beziehung zwischen Unternehmen, das wettbewerbliche Umfeld sowie das Innovationssystem, in das sie eingebettet sind. Eine Neuerung gegenüber der dritten Ausgabe sind die umfassenden Ausführungen zum externen Umfeld von Unternehmen. Diese ergänzen die Kapitel zur Definition von Innovationen, zur Messung von Innovationsaktivitäten, zu den internen Kapazitäten von Unternehmen, zu den wissensbasierten Verbindungen für Innovationszwecke und zu den Ergebnissen von Innovationen. Abbildung 1.1 bietet eine schematische Darstellung der Verbindungen zwischen den Kapiteln aus Teil II dieses Handbuchs.

1.28. Das Handbuch betont, wie wichtig die Erhebung von Daten zu allen Unternehmen ist, unabhängig von ihren Innovationsaktivitäten und -ergebnissen, da dies zu einem besseren Verständnis der wichtigsten Treiber und potenziellen Auswirkungen von Innovationen beitragen kann.

1.29. Kapitel 3 enthält eine Reihe von Definitionen, die bei statistischen Erhebungen zu Innovationen im Unternehmenssektor als Leitfaden dienen können. Die Definitionen in diesem Kapitel ermöglichen die Erhebung und Darstellung vergleichbarer Daten zu Innovationen und innovationsbezogenen Aktivitäten für Unternehmen in verschiedenen Ländern und Wirtschaftszweigen bzw. für Unternehmen unterschiedlicher Größe und Struktur, angefangen von kleinen Einproduktunternehmen bis hin zu großen multinationalen Unternehmen, die eine breite Palette von Waren oder Dienstleistungen anbieten.

1.30. Da sich „Innovation“ sowohl auf einen Prozess als auch auf ein Ergebnis beziehen kann, gibt dieses Kapitel für jedes Konzept eine gesonderte Definition, um diese Doppeldeutigkeit aufzulösen:

Innovationsaktivitäten umfassen alle Entwicklungs-, finanziellen und kommerziellen Aktivitäten, die ein Unternehmen durchführt, um eine Innovation für das Unternehmen hervorzubringen.

Eine Innovation im Unternehmenssektor ist ein neues oder verbessertes Produkt bzw. ein neuer oder verbesserter Prozess (oder eine Kombination der beiden), das bzw. der sich von den bisherigen Produkten bzw. Prozessen des Unternehmens merklich unterscheidet und auf dem Markt bzw. im Unternehmen eingeführt wurde.

1.31. Eine wesentliche Neuerung gegenüber der dritten Ausgabe ist die überarbeitete Definition von Innovation im Unternehmenssektor. Auf der Grundlage kognitiver Tests wurde beschlossen, die vorherige listenbasierte Definition, die vier Arten von Innovationen (Produkt-, Prozess-, organisatorische und Marketinginnovationen) umfasste, zu vereinfachen und auf zwei Hauptarten zu reduzieren: Produktinnovationen und Prozessinnovationen. Mit dieser überarbeiteten Definition wird auch das Kriterium einer „merklichen“ Veränderung klarer, indem neue und verbesserte Innovationen mit den existierenden Produkten bzw. Prozessen des Unternehmens verglichen werden. Das Kapitel enthält detaillierte Erläuterungen zur Definition von Innovation im Unternehmenssektor sowie Leitlinien dazu, was keine Innovation darstellt. Die grundlegende Definition einer Produkt- und einer Prozessinnovation lautet wie folgt:

Eine Produktinnovation ist eine neue oder verbesserte Ware bzw. Dienstleistung, die sich von den bisherigen Waren bzw. Dienstleistungen des Unternehmens merklich unterscheidet und auf dem Markt eingeführt wurde.

Eine Prozessinnovation ist ein neuer oder verbesserter Prozess für eine oder mehrere betriebliche Funktionen, der sich von den bisherigen Prozessen des Unternehmens merklich unterscheidet und im Unternehmen eingeführt wurde.

1.32. Prozessinnovationen betreffen sechs verschiedene betriebliche Funktionen, wie in der Fachliteratur zum Unternehmensmanagement beschrieben wird. Zwei Funktionen beziehen sich auf die Kernaktivität eines Unternehmens, d. h. die Herstellung und die Bereitstellung von Produkten für den Verkauf, während es sich bei den anderen um unterstützende Funktionen handelt. Die sechs betrieblichen Hauptfunktionen entsprechen in etwa den Kategorien Prozess-‍, Marketing- und organisatorische Innovationen, die in der dritten Ausgabe betrachtet wurden.

1.33. Die Definitionen von Innovation und Innovationsaktivitäten geben Hinweise darauf, wie Unternehmen charakterisiert werden können:

Unter einem innovativen Unternehmen wird ein Unternehmen verstanden, das während des Beobachtungszeitraums eine oder mehrere Innovationen aufweist. Dies gilt unabhängig davon, ob das betreffende Unternehmen für eine Innovation allein oder gemeinsam mit Dritten verantwortlich ist.

Ein innovationsaktives Unternehmen führt während des Beobachtungszeitraums eine oder mehrere Aktivitäten durch, um neue oder verbesserte Produkte bzw. Prozesse für einen bestimmten Verwendungszweck zu entwickeln oder zu implementieren. Sowohl Innovatoren als auch Nichtinnovatoren können während eines Beobachtungszeitraums innovationsaktiv sein.

1.34. Im allgemeinen Sprachgebrauch kann sich der Begriff „innovativ“ auf eine potenzielle Innovationsfähigkeit oder Innovationsneigung, eine kreative Tätigkeit, eine Art von Produkt oder Prozess usw. beziehen. In diesem Handbuch hingegen wird der Begriff „innovativ“ ausschließlich verwendet, um anzugeben, dass ein Unternehmen während eines bestimmten Zeitraums eine Innovation aufweist. Um Missverständnisse zu vermeiden, ist der Gebrauch des Adjektivs hier auf diese eine spezifische Bedeutung beschränkt. Bei der Formulierung in anderen Sprachen muss dieser Aspekt in den Definitionen präzisiert werden. Dasselbe gilt für Innovationsindikatoren, deren Bezeichnung für die Nutzer eindeutig sein sollte.

1.35. Ein nicht innovatives Unternehmen ist innovationsaktiv, wenn es eine oder mehrere laufende, unterbrochene, eingestellte oder abgeschlossene Innovationsaktivitäten aufweist, die während des Beobachtungszeitraums nicht zu einer Innovation geführt haben. Eine Reihe von Aktivitäten, wie z. B. Experimente oder Ko-Kreationen, können abgeschlossen sein, ohne innerhalb des Beobachtungszeitraums in eine Innovation zu münden.

1.36. Kapitel 4 bietet einen Rahmen für die Messung der Innovationsaktivitäten von Unternehmen. Es werden acht Arten von Aktivitäten beschrieben, die Unternehmen durchführen können, um Innovationen hervorzubringen. Diese überwiegend wissensbasierten Aktivitäten können häufig auch anderen, allgemeineren Zwecken dienen. Im Einzelnen handelt es sich um Aktivitäten im Bereich:

  • Forschung und experimentelle Entwicklung (FuE)

  • Konstruktion, Design und sonstige kreative Arbeit

  • Marketing und Schaffung von Markenwerten

  • geistiges Eigentum

  • betriebliche Weiterbildung

  • Softwareentwicklung und Datenbanken

  • Erwerb, Anmietung oder Leasing von materiellen Vermögenswerten

  • Innovationsmanagement

1.37. In diesem Kapitel wird empfohlen, Daten darüber zu erheben, ob Unternehmen jede dieser Aktivitäten durchführen oder nicht, und ob diese Aktivitäten in der Absicht von Innovationszwecken durchgeführt wurden. Ebenso sollten bei der Erhebung von Daten zu den Aufwendungen für diese Aktivitäten zunächst die gesamten Aufwendungen für jede Aktivität unabhängig von ihrem Zweck erfasst werden. In einem zweiten Schritt sollten dann ausschließ-lich innovationsaktive Unternehmen zu ihren innovationsspezifischen Aufwendungen befragt werden. Die Erfassung der einzelnen Aktivitäten für alle Unternehmen kann sachdienliche Informationen darüber liefern, welche Rolle Investitionen in wissensbasiertes Kapital (immaterielle Investitionen) für die Innovationsneigung und die Wirtschaftsleistung spielen. Es ist ebenfalls von Nutzen, zu ermitteln, ob die Aktivitäten intern durchgeführt werden oder von externen Quellen bezogen werden.

1.38. In diesem Kapitel wird vorgeschlagen, bei den Fragen zu den Innovationsaufwendungen zwischen den FuE-Aufwendungen, für die in den meisten Unternehmen Aufzeichnungen vorhanden sind, und den Aufwendungen für andere Innovationsaktivitäten zu unterscheiden. Aufwendungen können auch getrennt nach Personalaufwendungen und anderen wichtigen Aufwandskategorien erfasst werden. Die Messung der Aufwendungen für Innovationsaktivitäten ohne FuE stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Das Kapitel zeigt mehrere alternative Herangehensweisen zur Messung von Innovationsaktivitäten auf. Die Erprobung dieser Methoden sollte zu einer besseren Genauigkeit der erfassten Daten führen.

1.39. Kapitel 5 ist ein neues Kapitel, das in den vorherigen Ausgaben des Oslo-Handbuchs nicht enthalten war. Unternehmenskapazitäten umfassen die Fachkenntnisse, Kompetenzen und Ressourcen, die ein Unternehmen im Zeitverlauf ansammelt und zur Verwirklichung seiner Ziele einsetzt. Die Erhebung von Daten zu Unternehmenskapazitäten ist entscheidend, um zu analysieren, wie sich Innovationen auf die Unternehmensleistung auswirken und warum manche Unternehmen innovativ tätig sind und andere wiederum nicht.

1.40. Viele Unternehmenskapazitäten können Innovationsaktivitäten, die Entwicklung von Produkt- oder Prozessinnovationen sowie die wirtschaftliche Wirkung dieser Innovationen begünstigen. In diesem Kapitel werden Messansätze für vier Arten von Unternehmenskapazitäten vorgestellt, die für die Analyse der Innovationsleistung aller Unternehmen relevant sind:

  • Unternehmensressourcen

  • allgemeine Managementfähigkeiten des Unternehmens

  • Kompetenzen der Beschäftigten und Personalmanagement

  • Fähigkeit des Unternehmens, Technologien und Datenquellen zu konzipieren, zu entwickeln und zu nutzen. Letztere stellen eine zunehmend wichtige Informationsquelle für Innovationen dar.

1.41. Kapitel 6 befasst sich – ausführlicher als in der dritten Ausgabe – mit der Messung eingehender und ausgehender Informations- und Wissensflüsse sowie mit den Verbindungen zwischen Unternehmen und anderen Akteuren des Innovationssystems. Es enthält eine Einführung in die Theorien der Wissensflüsse und der offenen Innovation. Diese betrachten die Innovationstätigkeit im Unternehmenssektor als verteilten Prozess, der auf gesteuerten Wissensflüssen über Organisationsgrenzen hinweg beruht.

1.42. Das Kapitel baut auf der bisherigen Erfahrung mit der Erfassung von Wissensflüssen in Innovationserhebungen auf. Neben Erhebungen müssen für die Erfassung von Wissensflüssen und der Diffusion von Innovationen auch andere Datenquellen herangezogen werden, um die Zusammenhänge zwischen Akteuren, Outputs und Ergebnissen zu erkennen. Die in diesem Kapitel aufgeführten Empfehlungen für die Datenerhebung umfassen folgende Aspekte: die Rolle anderer Unternehmen oder Organisationen bei der Entwicklung und Einführung von Innovationen durch das betreffende Unternehmen (Fortsetzung von Kapitel 3), kollaborative Innovationsaktivitäten, die wichtigsten Ideen- und Informationsquellen für Innovationen und die Rolle von geistigem Eigentum bei Wissensflüssen. Darüber hinaus wird darauf eingegangen, wie Verbindungen zwischen Unternehmen und Hochschulen sowie öffentlichen Forschungseinrichtungen und die Hemmnisse und Herausforderungen für den Wissensaustausch mit externen Akteuren erfasst werden können.

1.43. Kapitel 7 ist neu in dieser vierten Ausgabe des Handbuchs. Es ergänzt Kapitel 5 und 6 durch Ausführungen zur Erfassung des externen Umfelds von Unternehmen ebenso wie zu den damit einhergehenden Herausforderungen und Chancen, die Führungskräfte bei strategischen Entscheidungen, u. a. im Hinblick auf Innovationen, berücksichtigen müssen. Diese Faktoren umfassen Kunden, Konkurrenten und Lieferanten, den Arbeitsmarkt, die rechtlichen, regulatorischen, wettbewerblichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die Verfügbarkeit von technologischem und sonstigem innovationsrelevantem Wissen.

1.44. In diesem Kapitel werden die wichtigsten Elemente des externen Umfelds genannt und die Prioritäten für die Datenerhebung erläutert. Märkte sind zentrale Kontextfaktoren, die oft durch die eigenen Entscheidungen des Unternehmens geprägt werden. Das Kapitel enthält außerdem Leitlinien zur Messung des direkten und indirekten Einflusses staatlicher Politik auf Innovationsaktivitäten, der gesellschaftlichen und Umweltfaktoren sowie externer Faktoren, die Innovationen behindern können.

1.45. In Kapitel 8 werden verschiedene Ansätze für die Messung der Innovationsziele und -‍ergebnisse beschrieben. Dabei wird auf eine Reihe von qualitativen Messgrößen der verschiedenen Innovationsziele und -ergebnisse von Unternehmen eingegangen. Zudem werden quantitative Messgrößen für Innovationsergebnisse von Produkt- und Prozessinnovationen evaluiert. Es werden außerdem Einschränkungen bei der Messung von Ergebnissen angesprochen, die in Kapitel 11 weiter ausgeführt werden.

1.46. Kapitel 9 enthält Leitlinien zur Methodik für die Erhebung von Daten über Innovationen im Unternehmenssektor. Im Mittelpunkt des Kapitels steht der Einsatz von Innovationserhebungen. Die einzelnen Schritte der Datenproduktion – von der Festlegung der Ziele und Prioritäten mit den beteiligten Akteuren über die Speicherung von Mikrodaten bis hin zur Veröffentlichung der Daten – werden erörtert. Im Vergleich zu früheren Ausgaben des Handbuchs werden hier wesentlich mehr Hinweise zu den Methoden für die Bewertung von Fragenkategorien und den Auswirkungen der Verwendung verschiedener Erhebungsmethoden gegeben. Die Bedeutung der Länge des Beobachtungszeitraums wird ebenfalls unterstrichen und untersucht.

1.47. Erhebungsfragen müssen mit Sorgfalt formuliert werden, damit sie von den potenziellen Antwortpersonen richtig verstanden und gemäß den in diesem Handbuch enthaltenen Konzepten und Definitionen interpretiert werden. Viele Konzepte und Definitionen können in Fragen nicht wortwörtlich übernommen werden, sondern müssen sorgfältig angepasst werden. Schlüsselbegriffe müssen in der Sprache der potenziellen Antwortpersonen je nach kulturellem, regionalem und nationalem Kontext angepasst werden. In manchen Fällen kann es notwendig sein, mehrere Fragen zu stellen, um Daten zu erhalten, die einer Definition oder einem Konzept entsprechen (vgl. Kapitel 3). Das Kapitel behandelt ferner mehrere praktische Aspekte, die im Anhang der dritten Ausgabe unter „Innovationserhebungen in Entwicklungsländern“ beleuchtet wurden.

1.48. Kapitel 10 ist ein neues Kapitel, in dem die Verwendung des Objektansatzes bei Innovationserhebungen erörtert wird. Bei diesem Ansatz werden Daten zu einer bestimmten „Fokus-Innovation“ als das Objekt der Erhebung erfasst. Damit können die im Rahmen des Subjektansatzes erhobenen Daten ergänzt werden, der sich auf alle Innovationsaktivitäten eines Unternehmens bezieht. Hauptzweck des Objektansatzes ist es, Daten zu Analyse- und Forschungszwecken zu sammeln und Datenproduzenten bei der Beurteilung der statistischen Qualität zu helfen (z. B. ob die Angaben von Unternehmen zu Innovationen möglicherweise zu eng bzw. zu breit gefasst sind). Unter bestimmten Bedingungen kann der Objektansatz auch zur Erstellung von Indikatoren verwendet werden.

1.49. Kapitel 11 ist ein neues Kapitel, das sich mit der Nutzung statistischer Daten für die Erstellung von Indikatoren und für multivariate Analysen befasst. Es handelt sich hierbei um wichtige Outputs der Datenerhebung, die Innovationsphänomene im Unternehmenssektor beschreiben und genauere Einblicke liefern können. Die Leitlinien in diesem letzten Kapitel richten sich nicht nur an diejenigen, die Indikatoren für die amtliche Statistik erstellen, sondern auch an andere interessierte Nutzer von Innovationsdaten, wie z. B. Wissenschaftler*innen, Politikberater*innen oder Manager*innen. Für sie kann das Handbuch eine Orientierungshilfe bieten, um eigene Datenerhebungen und -analysen vorzunehmen sowie Innovationsindikatoren zu erstellen.

1.50. Im ersten Teil des Kapitels werden das Indikatorenkonzept, die wichtigsten verfügbaren Datenbestände und die Methoden zur Erstellung statistischer Innovationsindikatoren sowohl auf Mikro- als auch Makroebene erörtert. Außerdem werden Ansätze für die Zusammenfassung aggregierter Innovationsdaten in Dashboards, Scoreboards und zusammengesetzten Indizes besprochen. Gestützt auf die Empfehlungen der vorangegangenen Kapitel wird in diesem Teil ein Grundkonzept für die Erstellung von statistischen Innovationsindikatoren nach Themenbereichen vorgestellt.

1.51. Im zweiten Teil des Kapitels werden Methoden zur Analyse von Innovationsdaten beschrieben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Abschätzung der Innovationsauswirkungen und der empirischen Evaluierung der Innovationspolitik. Dort findet sich auch eine Einführung in die länderübergreifende dezentrale Analyse von Mikrodaten zum Innovationsgeschehen, wie in OECD (2009b) dargelegt.

1.52. Digitalisierung bedeutet die Anwendung digitaler Technologien auf eine Vielzahl bestehender Aufgaben und ermöglicht die Durchführung neuer Aufgaben. Digitalisierung hat das Potenzial, Geschäftsprozesse, die Wirtschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen zu verändern. Obwohl in diesem Handbuch nur wenige konkrete Beispiele für Digitalisierungsprozesse genannt werden (da diese schnell obsolet sind und ersetzt werden), enthält es mehrere neue Elemente, die zu einem besseren Verständnis der Digitalisierung – sei es als eigenständiger Innovationsprozess oder als Innovationstreiber – beitragen können. Beispiele hierfür sind:

  • Berücksichtigung der Rolle von Informationen bei Produkt- und Prozessinnovationen (Kapitel 3). Unter die Definition von Produktinnovation fallen Produkte geistigen Eigentums, die Merkmale von Waren und Dienstleistungen aufweisen, wie das bei digitalisierten Informationen häufig der Fall ist. Dies ist von besonderer Bedeutung für Wirtschaftszweige, die auf die Erstellung und den Verkauf von Informationsinhalten spezialisiert sind. Die Definition von Prozessinnovation beruht auf einer Typologie betrieb-licher Funktionen, die Innovationen innerhalb der Informations- und Kommunikations-funktion des betreffenden Unternehmens voneinander abgrenzt. Auf Innovationen in datenbasierten Geschäftsmodellen wird ebenfalls eingegangen.

  • Berücksichtigung von Aktivitäten im Bereich Datenproduktion sowie der Softwareentwicklung als mögliche Innovationsaktivitäten (Kapitel 4). Die Akkumulation von Daten durch Unternehmen kann erhebliche direkte oder indirekte Kosten verursachen, z. B. wenn ein Unternehmen die Nutzung von Waren oder Dienstleistungen kostenlos oder zu einem ermäßigten Preis gestattet und damit einen wertvollen Informationsfluss schafft, der für die Werbung für existierende Produkte förderlich ist. Durch diese Informationen lassen sich auch die Entscheidungsprozesse in Unternehmen verbessern, die zu Produkt- oder Prozessinnovationen führen.

  • Betonung der Kompetenzen im Bereich Datenmanagement als wichtige potenzielle Innovationskapazitäten. Sie sollten in Innovationserhebungen direkt oder indirekt erfasst werden, um die Faktoren zu bestimmen, die die Innovationstätigkeit und deren Ergebnisse in Unternehmen beeinflussen (Kapitel 5). Das Kapitel schafft eine Grundlage für die Analyse der Wechselwirkung zwischen datenbasierten und anderen Kompetenzen, wie Fertigkeiten, allgemeines Management und Design. Es wird empfohlen, die Entwicklung und die Nutzung fortschrittlicher Technologien zu messen, und zwar in enger Abstimmung mit Erhebungen zum Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in Unternehmen.

  • Die Analyse innovationsbezogener Wissensflüsse (Kapitel 6) berührt das Thema Digitalisierung, da dezentrale Kollaborationsmodelle auf digitalisiertem Wissen basieren können.

  • Die Digitalisierung ist zudem bedeutsam bei der Untersuchung externer Faktoren, die Innovationen beeinflussen (Kapitel 7), z. B. die Merkmale von Märkten, auf denen ein Unternehmen aktiv ist oder das Ausmaß der Nutzung von digitalen Plattformen durch Unternehmen. Die Einstellung der Verbraucher*innen und der Gesellschaft, insbesondere das Vertrauen, spielen ebenfalls eine Rolle.

1.53. Die Digitalisierung erweitert darüber hinaus die Messmöglichkeiten. Digitale Quellen und Instrumente können genutzt werden, um

  • Informationen zu Innovationen außerhalb des Unternehmenssektors zu sammeln, selbst wenn diese digitalen Quellen und Instrumente nicht primär für statistische Zwecke entwickelt wurden (Kapitel 2).

  • durch den Einsatz von Identifizierungstechnologien in Kombination mit bereits vorliegenden Datenquellen den Aufwand für die Antwortpersonen zu verringern, z. B. indem der wichtigste Geschäftspartner (Lieferant oder Kunde) oder Innovationskollaborationspartner aus solchen Quellen identifiziert wird und dadurch komplexe Matrixfragen vermieden werden (Kapitel 6).

  • statistische Daten zu Innovationen und Unternehmensmerkmalen zu erfassen und damit den Aufwand der Antwortpersonen zu reduzieren (Kapitel 9).

  • einfachere und sicherere elektronische Methoden der Datenerhebung bei den Befragten zu implementieren, potenzielle Quellen von Verzerrungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren und die Erfassung von Antworten aus unterschiedlichen Abteilungen eines Unternehmens zu erleichtern (Kapitel 9).

  • von den Befragten qualitative Informationen zu den wichtigsten Innovationen oder Veränderungen zu erfassen (Kapitel 10) und semantische Analysetools auf halb- oder vollautomatisierte Weise anzuwenden, damit festgestellt werden kann, ob die Beschreibung mit den Antworten auf die wichtigsten Fragen übereinstimmt, wie z. B. ob die Angaben zu Innovationen zu eng bzw. zu breit gefasst sind.

  • Innovationsdaten zu analysieren und zu visualisieren (Kapitel 11).

1.54. Dieses Handbuch stellt eine Reihe von Ansätzen vor, um Analysen zur Globalisierung und ihrer Verbindung zum Innovationgeschehen zu erleichtern. Wie in der vorherigen Ausgabe wird bei der Messung von Wissensflüssen zwischen inländischen Wissensflüssen und Wissensflüssen mit der Übrigen Welt unterschieden (Kapitel 6). Dass es wichtig ist, die Rolle multinationaler Unternehmen (MNU) zu bestimmen, wird erstmals im Zusammenhang mit der Messung der Innovationskapazitäten (Kapitel 5), der Charakterisierung der Wissensflüsse mit anderen Teilen der Unternehmensgruppe (Kapitel 6) sowie der Beschreibung der Position des betreffenden Unternehmens innerhalb der Wertschöpfungskette (Kapitel 7) anhand von Fragen zum Standort der betrieblichen Funktionen aufgegriffen. Außerdem werden in den Ausführungen zur Methodik in Kapitel 9 auch einige spezifische Aspekte in Bezug auf die Erhebung von Daten bei multinationalen Unternehmen behandelt.

1.55. Ziel dieses Handbuchs ist es, die Erhebung und Darstellung von Innovationsdaten durch eine einheitliche Terminologie, vereinbarte Grundsätze und praxisbezogene Konventionen anzuleiten. Diese Elemente können die Vergleichbarkeit statistischer Ergebnisse erhöhen und den schrittweisen Aufbau einer globalen Infrastruktur für statistische Informationen zum Innovationsgeschehen fördern, die für Wissenschaftler*innen und Entscheidungsträger*innen gleichermaßen relevant und nützlich ist.

1.56. Als statistische Ressource enthält dieses Handbuch Leitlinien für die Anwendung von Konzepten, Definitionen, Klassifikationen und statistischen Methoden zur Erfassung der Innovationsstatistik im Unternehmenssektor. Empfehlungen und mögliche experimentelle Ansätze sind ebenfalls formuliert. Obwohl die Empfehlungen innerhalb des OECD-Raums keinen verbindlichen Charakter haben, wird von den Mitgliedsländern erwartet, dass sie sich nach bestem Wissen an die Empfehlungen halten. Dies ist unabdingbar für die Produktion international vergleichbarer Daten, die ein globales öffentliches Informationsgut über das Innovationsgeschehen darstellen können.

1.57. Das Handbuch gewährt den Ländern und Ländergruppen erheblichen Ermessensspielraum bei der Durchführung von Erhebungen. Da die Messergebnisse von der Wahl der Erhebungsmethoden abhängen, ist es schwierig, eine internationale Vergleichbarkeit ohne einheitliche Praktiken der Datenerhebung und -darstellung zu erreichen. Auch wenn eine vollständige Vereinheitlichung weder im OECD-Raum noch auf internationaler Ebene umsetzbar ist, sollte eine stärkere Konvergenz bei den Methoden möglich sein und auch angestrebt werden. Zu diesem Zweck arbeitet die OECD mit anderen internationalen Organisationen und Netzwerken zusammen, die den Ausbau der statistischen Fähigkeiten und den Austausch von Erfahrungen mit der Erhebung von Innovationsdaten unterstützen.

1.58. Begriffsdefinitionen gehören zu den wichtigsten Beiträgen dieser Ausgabe des Oslo-Handbuchs, denn sie sind zum ersten Mal – nach dem Vorbild der jüngsten Ausgabe des Frascati-Handbuchs (OECD, 2015) – in einem Glossar zusammengefasst. Das Glossar erleichtert das Nachschlagen sowie die Übersetzung in andere Sprachen.

1.59. Nach dem Beispiel des Frascati-Handbuchs ist vorgesehen, dass Online-Anhänge erstellt und im Laufe der Zeit aktualisiert werden, um die Leitlinien in der Druckfassung des Oslo-Handbuchs zu ergänzen. Wichtige Quellen, einschließlich Links zu aktualisierten Klassifikationen, finden sich unter http://oe.cd/oslomanual.

1.60. Die Revision dieses Handbuchs wird sowohl von Produzenten als auch Nutzern von Innovationsstatistiken verlangen, in einer Übergangszeit eine Reihe von Änderungen und Anpassungen vorzunehmen. Die Umsetzung der Empfehlungen zu Erhebungen kann einige Zeit in Anspruch nehmen: In einem Übergangszeitraum müssen die in den Fragebögen, Datenbanken und Berichten verwendeten Formulierungen getestet und an den jeweiligen lokalen Kontext angepasst werden. Kognitive Tests mit potenziellen Antwortpersonen sowie Konsultationen mit den wichtigsten Akteuren werden dafür dringend empfohlen.

1.61. Die Sicherstellung der Kontinuität mit der Definition und Messung von Innovationen ist von zentraler Bedeutung und spielte in dieser vierten Ausgabe eine übergeordnete Rolle. Bei den Praktiken eingeführte Veränderungen können in manchen Fällen Brüche oder Diskontinuitäten in den Datenreihen zur Folge haben. Daher ist es wichtig, dass Expert*innen mögliche Brüche in den Zeitreihen erkennen und gemeinsam daran arbeiten, um Brücken zwischen früheren und neuen Innovationsdaten zu schlagen, insbesondere beim Auftreten der verschiedenen generischen Innovationsarten, für die in Kapitel 3 eine annähernde Korrespondenz erstellt wurde. Dies wird die Pflege und Nutzung von Zeitreihendaten zu Innovationen erleichtern und verbessern.

1.62. Der Aufwand für die Datenproduzenten und die Antwortpersonen sollte ebenfalls bedacht werden. Es wird nicht erwartet, dass alle empfohlenen neuen Fragen auf einmal eingeführt werden. Das Handbuch enthält Vorschläge zur Priorisierung verschiedener Fragen. Manche Fragen können auch nur alle zwei, vier oder sechs Jahre gestellt werden, um den Beantwortungsaufwand auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Andere Fragen können experimentell aufgenommen werden, um Erkenntnisse über wichtige Wissenslücken auf andere Weise als durch den traditionellen Katalog an Kernfragen zu gewinnen.

1.63. Die Erfahrung zeigt, dass eine unilaterale Erprobung auf Ebene eines einzelnen Landes nicht unbedingt die erwarteten Ergebnisse bringt, da es an historischen Daten und internationalen Vergleichsmöglichkeiten fehlt. Eine multilaterale Zusammenarbeit zwischen den nationalen Statistikämtern und den für Innovationserhebungen zuständigen Stellen erscheint daher sinnvoll, um Inhalt und Zeitplan von experimentellen Fragen zu koordinieren. Dies wird dazu beitragen, dass den Nutzern in den kommenden Jahren noch sachdienlichere statistische Ressourcen zur Verfügung stehen.

Literaturverzeichnis

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OECD (2015), Frascati Manual 2015: Guidelines for Collecting and Reporting Data on Research and Experimental Development, The Measurement of Scientific, Technological and Innovation Activities, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264239012-en; dt. Fassung: OECD (2018), Frascati-Handbuch 2015: Leitlinien für die Erhebung und Meldung von Daten über Forschung und experimentelle Entwicklung, Messung von wissenschaftlichen, technologischen und Innovationstätigkeiten, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264291638-de.

OECD (2010), The OECD Innovation Strategy: Getting a Head Start on Tomorrow, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264083479-en.

OECD (2009a), OECD Patent Statistics Manual, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264056442-en.

OECD (2009b), Innovation in Firms: A Microeconomic Perspective, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264056213-en.

OECD (1992), OECD Proposed Guidelines for Collecting and Interpreting Technological Innovation Data: Oslo Manual, OECD Publishing, Paris.

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