2. Welche gesetzlichen Bestimmungen sichern die Rechte und Chancen von LGBTI?

Es sollte den OECD-Ländern ein Anliegen sein, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle ihre Identität ausleben können, ohne stigmatisiert, diskriminiert oder angegriffen zu werden – und zwar aus mindestens drei Gründen. Der erste und wichtigste Grund ist natürlich ethischer Natur. Unsere sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Geschlechtsmerkmale sind integrale Bestandteile unseres Selbst. Damit LGBTI ihr Leben können, ohne sich verstellen zu müssen, muss gewährleistet sein, dass sie keinen Angriffen oder Benachteiligungen ausgesetzt sind, wenn ihre geschlechtliche oder sexuelle Identität bekannt wird. Der zweite Grund ist wirtschaftlicher Natur. Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen behindert die wirtschaftliche Entwicklung auf verschiedene Weise. Mobbing in der Schule kann beispielsweise dazu führen, dass LGBTI weniger in ihre Kompetenzentwicklung investieren. Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt kann zudem zur Folge haben, dass sich ihre Bildungsinvestitionen weniger auszahlen. Außerdem reduziert Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen die Wirtschaftsleistung, da dadurch talentierte und qualifizierte Personen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden. Zudem leidet ihre psychische und physische Gesundheit, was ihre Produktivität beeinträchtigt. Der dritte Grund, warum die Förderung der Akzeptanz von LGBTI ein vorrangiges Politikanliegen darstellen sollte, ist gesellschaftlicher Natur. Wenn LGBTI stärker akzeptiert werden, dürfte dies zu generell weniger normativen Geschlechtervorstellungen führen und einen positiven Effekt auf die Geschlechtergleichstellung insgesamt und die wirtschaftlichen und sozialen Teilhabechancen von Frauen haben. Zugleich dürfte damit einer Reihe falscher Vorstellungen entgegengewirkt werden, nämlich 1. dass Menschen stets mit einem von nur zwei möglichen biologischen Geschlechtern (männlich oder weiblich) geboren werden, das perfekt zu ihrer Geschlechtsidentität passt, 2. dass sich Männer sexuell eindeutig zu Frauen und Frauen eindeutig zu Männern hingezogen fühlen und 3. dass Männern und Frauen in einer Partnerschaft bestimmte biologisch bedingte Rollen zufallen. Zahlreiche Daten belegen, dass weltweit ein starker Zusammenhang zwischen einer größeren Akzeptanz von Homosexualität und mehr Geschlechtergleichstellung besteht (OECD, 2019[2]).

Gleiche Rechte für LGBTI-Personen zu gewährleisten, ist für deren gesellschaftliche Teilhabe von entscheidender Bedeutung. Solange sexuelle und geschlechtliche Minderheiten nicht schon von Gesetzes wegen vor Benachteiligungen geschützt sind, wird sich ihre Situation kaum verbessern. Die Verabschiedung von Gleichstellungsgesetzen ermöglicht LGBTI mehr Teilhabe, da Gesetze gesellschaftliche Normen prägen. Menschen nehmen Gesetzesänderungen als Ausdruck gesellschaftlichen Fortschritts wahr, und viele sind bereit, sich diesem Wandel anzupassen (vgl. Kapitel 3 wegen näherer Einzelheiten). Dass Gleichstellungsgesetze für die Teilhabe von LGBTI und damit für die Wirtschaftsleistung entscheidend sind, bestätigen auch jüngere Studien, die eine starke Korrelation zwischen solchen gesetzlichen Bestimmungen und dem Pro-Kopf-BIP feststellen (Kasten 2.1).

Was ist mit „Gesetzen zur Sicherung der Rechte und Chancen von LGBTI“ aber eigentlich gemeint? Das Recht aller Menschen auf Gleichheit vor dem Gesetz ist universell, wie in Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 unmissverständlich dargelegt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“. Der Schutz Einzelner aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität bzw. Geschlechtsmerkmale sollte daher in den OECD- ebenso wie den Nicht-OECD-Ländern nicht zur Schaffung neuer oder besonderer Rechte für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle führen. Vielmehr sollten diesen Gruppen schlicht die gleichen Rechte zuerkannt werden, die auch alle anderen Menschen nach den internationalen Menschenrechtsstandards genießen.

In diesem Kapitel werden eine Reihe gesetzlicher Bestimmungen beschrieben, die für die Sicherung der Rechte und Chancen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen entscheidend sind und die sich aus der Anwendung dieser Menschenrechtsstandards auf Fragen der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität und der Geschlechtsmerkmale ableiten. Zu diesen Standards gehören das Recht, keine Diskriminierung zu erleiden, das Recht auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, das Recht, frei von Gewalt zu sein, das Recht, vor Verfolgung in andere Länder zu flüchten und dort Asyl zu erhalten sowie das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Diese Standards beruhen auf Verträgen, Übereinkommen und Chartas, die von den OECD-Ländern unterzeichnet und ratifiziert wurden und daher für die Unterzeichnerstaaten zumindest moralisch verbindlich sind. In Abschnitt 2.1 werden die wichtigsten Akteure vorstellt, die die im OECD-Raum maßgeblichen Menschenrechtsstandards festgelegt haben. In den Abschnitten 0 und 2.3 werden verschiedene gesetzliche Bestimmungen zugunsten von LGBTI beschrieben, die aus der Anwendung internationaler Menschenrechtsstandards auf die Belange dieser Personengruppen resultieren.2 Diese gesetzlichen Bestimmungen lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: allgemeine Bestimmungen, die für die Sicherung der Rechte und Chancen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen insgesamt maßgeblich sind (Abschnitt 0), und gruppenspezifische Bestimmungen, die die besonderen Teilhabehindernisse beseitigen sollen, mit denen bestimmte Teile der LGBTI-Population konfrontiert sind (Abschnitt 2.3).

Um die Frage der Menschenrechte kümmern sich im OECD-Raum die Menschenrechtsorgane verschiedener internationaler und regionaler Organisationen. Aufgrund ihrer besonders starken demokratischen Legitimation ist die Europäische Union (EU), zu deren Mitgliedstaaten 22 OECD-Länder zählen, der mächtigste Akteur auf diesem Gebiet. Aber auch andere Organisationen spielen eine entscheidende Rolle, vor allem für Nicht-EU-Länder: die Vereinten Nationen, denen alle OECD-Länder angehören, der Europarat, in dem alle 27 europäischen OECD-Länder vertreten sind (die 22 EU-Mitgliedstaaten sowie Island, Norwegen, die Schweiz, die Türkei und das Vereinigte Königreich), und die Organisation Amerikanischer Staaten, die die 4 nord- und südamerikanischen OECD-Länder (Chile, Kanada, Mexiko und die Vereinigten Staaten) zu ihren Mitgliedsländern zählt3.

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist seit 2009 das Menschenrechtsinstrument der EU4. Die EU-Grundrechtecharta ist einer der Pfeiler, auf denen die strengen Menschenrechtsstandards der Mitgliedstaaten ruhen. Sie fließt in EU-Recht ein, insbesondere in Verordnungen und Richtlinien, die die Mitgliedstaaten nicht nur verbindlich umsetzen, sondern auch im Sinne der EU-Grundrechtecharta vollstrecken müssen. Es obliegt der Europäischen Kommission sicherzustellen, dass die nationalen Rechtsvorschriften mit dem EU-Recht im Einklang stehen. Ist dies nicht der Fall, kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die betreffenden Mitgliedstaaten einleiten. Hierfür wird ein Aufforderungsschreiben versandt, mit dem die Kommission den betreffenden Mitgliedstaat zur Darlegung seiner Sichtweisen bezüglich des beobachteten Verstoßes auffordert. Bleibt dieses Schreiben unbeantwortet oder werden die Ausführungen des Mitgliedstaats im Antwortschreiben als unbefriedigend erachtet, gibt die Kommission im nächsten Schritt eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, d. h. eine förmliche Aufforderung, Übereinstimmung mit dem EU-Recht herzustellen. Kommt der Staat der Aufforderung immer noch nicht nach, kann die Kommission den Gerichtshof der Europäischen Union mit dem Fall befassen. Die meisten Fälle werden jedoch vor Anruf des Gerichts geklärt.

Die Gleichstellung von LGBTI ist seit 2014 eine Priorität der Europäischen Union: 2014 nahm das Europäische Parlament eine Entschließung zu dem EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität an und forderte die Europäische Kommission auf, „eine umfassende Politik zum Schutz der Grundrechte von LGBTI-Personen über einen Zeitraum von mehreren Jahren zu erarbeiten“ (Europäisches Parlament, 2014[6]). Nach dieser Entschließung stellte die Europäische Kommission 2015 eine Aktionsliste zur Stärkung der Gleichstellung von LGBTI-Personen vor, die 2016 vom Rat der Europäischen Union gebilligt wurde. In der Aktionsliste sind die konkreten Maßnahmen für den Zeitraum 2015-2019 aufgeführt, zu deren Umsetzung sich die Kommission verpflichtet hat, um Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsmerkmalen energischer zu bekämpfen. Im Wesentlichen enthält sie Maßnahmen auf folgenden Gebieten:

  • „Die Rechte von LGBTI-Personen und ihren Familien in wichtigen Zuständigkeitsbereichen der EU verbessern und ihren Rechtsschutz gewährleisten“, d. h. wichtige Rechtsvorschriften zugunsten von LGBTI auf Ebene der EU verabschieden

  • „Auf EU-Ebene bestehende Rechte von LGBTI-Personen und ihren Familien streng überwachen und durchsetzen“, d. h. sicherstellen, dass spezifische Fragen im Zusammenhang mit sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität bei der Umsetzung und Durchführung von EU-Rechtsvorschriften angemessen berücksichtigt werden

  • „Die Bürger*innen erreichen, Vielfalt und Nichtdiskriminierung fördern“, d. h. die gesellschaftliche Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen durch breit angelegte, inklusive Kommunikationskampagnen verbessern

  • „Wichtige Akteure unterstützen, die gleiche Rechte für LGBTI in der EU fördern und voranbringen“ (Mitgliedstaaten, öffentliche und private Organisationen)

  • „Zahlen und Fakten über LGBTI-bezogene Herausforderungen in der EU für Politikverantwortliche: Datenerhebung und Forschungstätigkeiten“, d. h. das Datenangebot zur Situation von LGBTI-Personen verbessern

  • „Nach außen gerichtete Maßnahmen: LGBTI-Themen in Beitritts-, Nachbar- und Drittländern“, d. h. Themen ansprechen, die bezüglich der Lage von LGBTI in diesen Ländern von Belang sind 

Nach Erstellung dieser Aktionsliste wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass LGBTI-Personen nicht ins Abseits geraten. Auf viele dieser Anstrengungen wird in diesem Bericht eingegangen. Um diese Maßnahmen zu stärken, legte eine Gruppe von 19 Mitgliedstaaten5 2018 ein Gemeinsames Non-Paper zur Zukunft der Aktionsliste vor, in dem die Verabschiedung einer LGBTI-Strategie gefordert wurde. 2019 forderte das Europäische Parlament die Europäische Kommission außerdem auf, ein neues Strategiepapier zu verabschieden, um die Gleichstellung von LGBTI zu fördern. Dieses Dokument wird zurzeit ausgearbeitet. 

Abgesehen von der Europäischen Union spielen auch die Vereinten Nationen, der Europarat und die Organisation Amerikanischer Staaten eine wesentliche Rolle bei der Förderung der Rechte von LGBTI in den OECD-Ländern. Auch wenn ihre Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Mitgliedsländern begrenzter sind, tragen diese Organisationen dennoch dazu bei, die Einhaltung der Verpflichtungen der Staaten im Hinblick auf die Menschenrechte zu fördern (Carraro, 2019[7]).

Auf globaler Ebene gibt es keine Mechanismen für die Durchsetzung der Menschenrechte. Das einzige internationale Gericht, an dem Menschenrechtsverletzungen verhandelt werden, ist der Internationale Strafgerichtshof. Dessen Zuständigkeitsbereich beschränkt sich jedoch auf grobe Menschenrechtsverletzungen wie Genozide und Kriegsverbrechen.

Aber auch ohne harte Zwangsmittel anwenden zu können, engagieren sich die Vereinten Nationen6 (VN) für die weltweite Einhaltung der Menschenrechtsverpflichtungen. Dies geschieht über vier führende Einrichtungen:

  • Hohes Kommissariat für Menschenrechte (Office of the High Commissioner for Human Rights – OHCHR) – 1993 geschaffen: Das OHCHR unterstützt die Regierungen bei der Erfüllung der aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte erwachsenden Pflichten und unterstützt Einzelne bei der Geltendmachung ihrer Rechte. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist zwar nicht rechtsverbindlich, in ihr wurden jedoch zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit grundlegende bürgerliche, politische, ökonomische, soziale und kulturelle Rechte formuliert, die für alle Menschen gelten; im Lauf der Zeit wurde sie weithin als grundlegende Menschenrechtsnorm anerkannt, die jeder respektieren und schützen sollte.

  • Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (United Nations Human Rights Council – UNHRC) − 2006 geschaffen, um die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen (United Nations Commission on Human Rights – UNCHR) abzulösen: Der UNHRC ist dafür zuständig, Anschuldigungen von Menschenrechtsverletzungen in den VN-Mitgliedstaaten nachzugehen, insbesondere mittels des Universal Periodic Review, eines Verfahrens zur Überprüfung der Menschenrechtslage in allen 193 Mitgliedsländern, das im Vierjahresrhythmus durchgeführt wird und Empfehlungen für Verbesserungen umfasst (eine erste Prüfungsrunde fand 2007-2011 statt, eine zweite 2012-2016 und eine dritte 2017-2021).

  • VN-Vertragsorgane, d. h. mit unabhängigen Experten besetzte Ausschüsse, die die Umsetzung der jeweiligen Menschenrechtsverträge durch die Vertragsstaaten überwachen. Seit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurden neun grundlegende internationale Menschenrechtsverträge angenommen, darunter der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt) und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt). Zusammen mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bilden diese beiden Pakte die Internationale Menschenrechtscharta. Sie wurden von allen OECD-Mitgliedsländern ratifiziert7 – mit Ausnahme der Vereinigten Staaten, die den Sozialpakt zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert haben. Eine der Hauptaufgaben der VN-Vertragsorgane ist die Durchführung des Staatenberichtsverfahrens, in dessen Rahmen evaluiert wird, inwiefern die Vertragsstaaten ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllen, und Verbesserungsvorschläge unterbreitet werden.

  • VN-Einrichtungen, die mit der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte betraut sind: das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees – UNHCR), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (United Nations Children’s Fund – UNICEF), das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme – UNDP), die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization – ILO), die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization – WHO), die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization – UNESCO), das Gemeinsame Programm der Vereinten Nationen für HIV/AIDS (Joint United Nations Programme on HIV/AIDS – UNAIDS), der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (United Nations Population Fund – UNFPA) und die Organisationseinheit für die Förderung von Frauen und Geschlechtergleichheit bei den Vereinten Nationen (Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women – UN Women).

Die Universal Periodic Reviews des UNHRC und das Staatenberichtsverfahren der Vertragsorgane gelten als besonders erfolgreich darin, die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen zu fördern (Carraro, 2019[7]). Sie schaffen Druck vonseiten der anderen Staaten sowie der Öffentlichkeit, sodass die Staaten schon allein aus Furcht vor materiellen Einbußen oder Ansehensverlusten bemüht sind, ihre Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten. Zudem helfen sie den Staaten durch realistische und detaillierte, praktisch umsetzbare Empfehlungen bei der Umsetzung.

Seit 2011 genießt der Schutz der Rechte von LGBTI im Menschenrechtssystem der Vereinten Nationen zunehmenden Stellenwert, wie die folgenden einschneidenden Entwicklungen zeigen:

  • 2011 verabschiedete der UNHRC eine Resolution, in der er das OHCHR aufforderte, „diskriminierende Gesetze und Praktiken sowie Gewalttaten gegen Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität“ in einem Bericht zu dokumentieren (VN-Menschenrechtsrat, 2011[8]). Damit billigte erstmals ein Organ der Vereinten Nationen eine Resolution, die die Rechte von LGBT-Personen bekräftigt. Diese Resolution fand zwar nur eine knappe Mehrheit, wurde aber von UNHRC-Vertragsstaaten aus allen Weltregionen unterstützt. Der OHCHR-Bericht zeigte, dass Gewalt gegen LGBT weltweit verbreitet ist (OHCHR, 2011[9]). Er ebnete den Weg für die erste richtungsweisende Publikation des OHCHR zu den Rechten von LGBTI: „Born Free and Equal“ (OHCHR, 2012[10]).

  • 2014 verabschiedete der UNHRC eine zweite Resolution, in der das OHCHR aufgefordert wurde, einen Bericht über empfehlenswerte Vorgehensweisen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität vorzulegen (VN-Menschenrechtsrat, 2014[11]). Zum ersten Mal wurde damit eine Resolution des UNHRC zum Thema sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität mit der Unterstützung einer Mehrheit seiner Vertragsstaaten angenommen. Der OHCHR-Bericht enthält eine auf Best-Practice-Beispielen aus den Mitgliedstaaten gestützte Liste von Empfehlungen, um LGBT vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen (OHCHR, 2015[12]). Er bildete die Grundlage für die zweite richtungsweisende Publikation des OHCHR zu den Rechten von LGBTI: „Living Free and Equal“ (OHCHR, 2016[13]).

  • 2015 gab das OHCHR zusammen mit ILO, UNAIDS, UNDP, UNESCO, UNFPA, UNHCR, UNICEF, UN Women und WHO sowie dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drug and Crime – UNODC) und dem Welternährungsprogramm (World Food Programme – WFP) eine gemeinsame Erklärung ab, in der die Staaten aufgefordert wurden, dringend zu handeln, um gegen LGBTI – Erwachsene, Jugendliche und Kinder – gerichtete Gewalt und Diskriminierung zu beenden (OHCHR et al., 2015[14]). Der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon begrüßte diese Initiative in einer historischen Ansprache vor der LGBTI Core Group der Vereinten Nationen, einer 2008 gebildeten informellen Gruppe von Mitgliedstaaten der VN, die die Rechte von LGBTI, hauptsächlich durch eine laufende Nord-Süd-Zusammenarbeit, fördert: „Die Verletzung der Menschenrechte von LGBT-Personen ist eine Herabwürdigung von uns allen. […] In diesem Bereich engagiere ich mich nicht nur persönlich, sondern auf institutioneller Ebene. Einige sagen, ich sei der erste Generalsekretär, der sich dieser Sache annimmt – ich aber sage lieber, ich bin der erste von vielen. Diese Organisation zu leiten bedeutet, ihre heilige Mission zu verfolgen, die Menschenrechte für alle Menschen zu verwirklichen“ (VN-Generalsekretär, 2015[15]).

  • 2016 verabschiedete der UNHRC eine dritte Resolution, mit der Posten eines*einer unabhängigen Expert*in mit dem Auftrag geschaffen wurde, die Ursachen von Gewalt und Diskriminierung zu ermitteln, denen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bzw. Geschlechtsidentität ausgesetzt sind. Zu diesem Auftrag gehört es auch, mit den Staaten zu erörtern, wie diese Menschen geschützt werden können (VN-Menschenrechtsrat, 2016[16]). Im selben Jahr gab der VN-Sicherheitsrat eine Pressemitteilung heraus, in der er den Terroranschlag vom 12. Juni 2016 in Orlando, Florida, bei dem Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung angegriffen wurden und der 49 Todesopfer und 53 Verletzte forderte, auf Schärfste verurteilte. Damit bezog der VN-Sicherheitsrat erstmals klar Stellung zu Gewalt gegen LGBTI (VN-Sicherheitsrat, 2016[17]).

  • 2018 bekräftigte Generalsekretär António Guterres anlässlich des 70. Jahrestags der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dass „sich die Vereinten Nationen entschieden für die Rechte von LGBTI einsetzen“ (VN-Generalsekretär, 2018[18]).

  • 2019 verabschiedete der UNHRC eine vierte Resolution, mit der das Mandat des*der Unabhängigen Expert*in der Vereinten Nationen für den Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität verlängert wurde.

Die Europäische Menschenrechtskonvention ist seit 1953 das Menschenrechtsinstrument des Europarats8. Für die Durchsetzung dieser Konvention sind starke Mechanismen vorgesehen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilt über Klagen betreffend Verletzungen der in der Konvention definierten bürgerlichen und politischen Rechte, die von Personen oder Staaten (nach Ausschöpfung aller auf nationaler Ebene verfügbaren Rechtsmittel) eingereicht werden können. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Urteile des Gerichtshofs zu vollstrecken.

Der Europarat setzt sich aus zwei Organen zusammen, die als Hüter der grundlegenden Werte des Rats fungieren:

  • Das Ministerkomitee, in dem die Außenminister aller Mitgliedstaaten vertreten sind: Dieses Komitee überwacht die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, insbesondere um die Zahlung der Entschädigungen zu gewährleisten, die der Gerichtshof den Kläger*innen für die von ihnen erlittenen Schäden zuspricht.

  • Die Parlamentarische Versammlung setzt sich aus 324 Abgeordneten der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten zusammen; die von der Parlamentarischen Versammlung zur Wahrung hoher Menschenrechtsstandards verabschiedeten Resolutionen und Empfehlungen sind politisch verbindlich (wenn auch nicht rechtsverbindlich) – Akteure, die sich in den einzelnen Mitgliedstaaten für die Menschenrechte einsetzen, können sich darauf berufen.

Das hohe Kommissariat für Menschenrechte ist die dritte wichtige Menschenrechtsstelle im Europarat. Sie wurde 1999 als unabhängige Institution eingerichtet, um das Bewusstsein für die Menschenrechte zu schärfen und ihre Achtung in den Mitgliedstaaten zu fördern. Um diesem Auftrag nachzukommen, führt das Menschenrechtskommissariat vor Ort Prüfungen der Menschenrechtslage in sämtlichen Mitgliedstaaten durch und veröffentlicht Berichte, Stellungnahmen und Empfehlungen für die Staaten.

Der Europarat setzt sich schon lange für den Schutz der Rechte von LGBTI ein: Bereits 1981 verabschiedete die Parlamentarische Versammlung eine Resolution, in der die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert wurden, Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle zu beenden (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 1981[19]). Diese Resolution wurde 1989 durch eine weitere Resolution zur „Lage von Transsexuellen“ (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 1989[20]) und 2000 durch eine Resolution zur „Lage von Lesben und Schwulen“ (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2000[21]) ergänzt. Der Europarat spielt bei der Schaffung eines Normenrahmens zur Förderung der Gleichstellung von LGBTI eine zunehmend große Rolle. Dies begann 2010, als:

  • das Ministerkomitee ein wegweisendes Dokument veröffentlichte, in dem es den Mitgliedstaaten „Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität“ empfahl (CoE Committee of Ministers, 2010[22]) und

  • die Parlamentarische Versammlung eine Resolution verabschiedete, in der die Mitgliedstaaten aufgefordert wurden, „Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität“ zu beenden (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2010[23]).

Diese beiden Initiativen ebneten den Weg für die erste richtungsweisende Publikation des Europarats zu den Rechten von LGBTI unter dem Titel „Discrimination on Grounds of Sexual Orientation and Gender Identity“ (CoE Commissioner for Human Rights, 2011[24]).9

Die Amerikanische Menschenrechtskonvention ist seit 1978 das Menschenrechtsinstrument der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)10. Sie wurde von Chile und Mexiko unterzeichnet und ratifiziert, aber nicht von Kanada und den Vereinigten Staaten.11 Folgende Organe wachen über die Einhaltung der Verpflichtungen, die von den Unterzeichnerstaaten der Konvention eingegangenen wurden:

  • Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (Inter-American Commission on Human Rights – IACHR). Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Individualbeschwerden über Verletzungen bestimmter durch die Amerikanische Menschenrechtskonvention geschützter Menschenrechte entgegenzunehmen, auf ihre Zulässigkeit zu prüfen und ihnen gegebenenfalls nachzugehen.

  • Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (Inter-American Court of Human Rights). Seine Aufgaben umfassen sowohl die Rechtsprechung (der Gerichtshof befasst sich mit konkreten Fällen von Menschenrechtsverletzungen, die an ihn verwiesen werden, und erlässt Urteile in diesen Fällen) als auch Beratungsfunktionen (er veröffentlicht Stellungnahmen zu Fragen der Rechtsauslegung, die ihm von anderen Organen der Organisation Amerikanischer Staaten oder von den Mitgliedsländern vorgelegt werden).

2008 verabschiedete die Generalversammlung der OAS eine Resolution, in der die Mitgliedsländer nachdrücklich aufgefordert wurden, Gewaltakte und ähnliche Menschenrechtsverletzungen gegen Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu bekämpfen (OAS-Generalversammlung, 2008[25]). Später veröffentlichte die Interamerikanische Menschenrechtskommission ein wegweisendes Dokument über den Schutz und die Förderung der Rechte von LGBTI, um den Mitgliedsländern Orientierungshilfen dafür zu geben, wie sie gegen LGBTI-feindliche Gewalt und Diskriminierung vorgehen können (IACHR, 2015[26]; 2018[27]).

In diesem und im nächsten Abschnitt werden verschiedene gesetzliche Bestimmungen zugunsten von LGBTI beschrieben, die aus der Anwendung internationaler Menschenrechtsstandards auf die Belange dieser Personengruppen resultieren. In Abschnitt 0 stehen die allgemeinen Bestimmungen im Fokus, die für die Sicherung der Rechte und Chancen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen insgesamt entscheidend sind. Bei diesen Bestimmungen werden fünf Teilbereiche unterschieden: 1. Schutz von LGBTI vor Diskriminierung, 2. Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte von LGBTI, 3. Schutz von LGBTI vor Gewalt, 4. Schutz im Ausland verfolgter LGBTI-Geflüchteter und 5. für LGBTI zuständige Gleichstellungsstellen, Ombudsstellen oder Menschenrechtskommissionen.

Die rechtsverbindlichen Instrumente der Europäischen Union und die Entschließung des Europäischen Parlaments von 2019 zu den Rechten intersexueller Personen gewährleisten einen hohen Schutz von LGBTI-Personen vor Diskriminierung (Kasten 2.2).

Die Menschenrechtsinstrumente der Vereinten Nationen, des Europarats und der Organisation Amerikanischer Staaten verbieten zwar nicht ausdrücklich die Diskriminierung von LGBTI,12 sie umfassen jedoch jeweils eine breit gefasste geschützte Kategorie (namentlich „sonstiger Status“ oder „sonstige soziale Umstände“). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Liste der geschützten Diskriminierungskategorien offen und beispielhaft sein soll und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Mit der Zeit wurde diese breit gefasste geschützte Kategorie so ausgelegt, dass sie sich auf die sexuelle Orientierung, die geschlechtliche Identität und schließlich auch die Geschlechtsmerkmale erstreckt. Im Einzelnen heißt das:

  • Das Hohe Kommissariat für Menschenrechte (OHCHR) hat wiederholt betont, dass die Liste der vor Diskriminierung zu schützenden Merkmale kontextabhängig weiterentwickelt werden muss und dass sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Geschlechtsmerkmale gemäß den internationalen Menschenrechtsbestimmungen unzulässige Grundlagen für Ungleichbehandlungen darstellen (OHCHR, 2012[10]). Außerdem haben die VN-Vertragsorgane, die für Menschenrechtsverträge zuständig sind, die einen allgemeinen Artikel zur Diskriminierung umfassen, allgemein bestätigt, dass sexuelle und geschlechtliche Minderheiten laut diesen Verträgen Schutz vor Diskriminierung genießen. 2009 veröffentlichte der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der die Einhaltung des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte durch die Vertragsstaaten überwacht, beispielsweise eine allgemeine Stellungnahme, der zufolge „sonstiger Status“ ausdrücklich so definiert ist, dass LGBTI eingeschlossen sind: „‚Sonstiger Stand‘ gemäß Artikel 2 Absatz 2 umfasst die sexuelle Orientierung. Die Vertragsstaaten sollten sicherstellen, dass die sexuelle Orientierung einer Person kein Hindernis für die Verwirklichung der Rechte aus dem Pakt darstellt, z. B. in Bezug auf den Anspruch auf Hinterbliebenenrente. Zudem wird die geschlechtliche Identität als eines der Merkmale anerkannt, auf das das Diskriminierungsverbot anzuwenden ist; Transgender-Personen, Transsexuelle und Intersexuelle sind beispielsweise häufig schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen wie Mobbing in der Schule oder am Arbeitsplatz ausgesetzt“ (VN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, 2009[29]).

  • Seit 1991 stützt sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bei seinen Urteilen bei Verstößen gegen Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention zunehmend auf die folgende Definition von Diskriminierung: „ungleiche Behandlung von Personen, die sich in einer sachlich ähnlichen Lage befinden, ohne objektive und begründete Rechtfertigung“ (Fredin gegen Schweden 199113), d. h. jede Gruppenidentität wird als möglicher Grund für rechtswidrige Diskriminierung betrachtet. Dementsprechend hat der EGMR ausdrücklich festgestellt, dass sich das Diskriminierungsverbot gemäß Artikel 14 der Konvention auf Fragen im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität erstreckt (Identoba und andere gegen Georgien 201514). Bislang wurde dem EGMR noch kein Fall im Zusammenhang mit Diskriminierung von Intersexuellen vorgelegt. Es besteht jedoch kaum Zweifel daran, dass der EGMR dies zum Anlass nehmen würde festzustellen, dass Variationen der Geschlechtsmerkmale ebenfalls unter das Diskriminierungsverbot in der Kategorie „sonstiger Status“ gemäß Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention fallen. Dem vorgreifend veröffentlichte die Parlamentarische Versammlung des Europarats 2017 eine Resolution, mit der die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert werden „sicherzustellen, dass die Antidiskriminierungsgesetze effektiv auch für Intersexuelle gelten und diese schützen, indem entweder die Geschlechtsmerkmale als spezifisches Schutzmerkmal in sämtliche Antidiskriminierungsgesetze eingefügt werden und/oder das Bewusstsein [...] für die Möglichkeit erhöht wird, gegen Benachteiligungen [Intersexueller] unter Berufung auf das Schutzmerkmal Geschlecht bzw. auf ein „sonstiges“ (nicht näher spezifiziertes) Schutzmerkmal vorzugehen, sofern die Liste der Schutzmerkmale in den maßgeblichen nationalen Antidiskriminierungsbestimmungen nicht erschöpfend ist“ (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2017[30]).

  • 2017 stellte der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (Inter-American Court of Human Rights – IACHR) in einer richtungsweisenden Stellungnahme klar, dass der Ausdruck „einem anderen sozialen Umstand“ in Artikel 1 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention diskriminierende Gesetze, Handlungen und Verfahren aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person verbietet (I/A Court, 2017[31]). In dieser Stellungnahme wird auch eine stärkere Gleichstellung aller sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten, einschließlich intergeschlechtlicher Personen gefordert.

Gegen das Recht von LGBTI auf Nichtdiskriminierung wurde teilweise eingewandt, dass es anderen Grundrechten zuwiderlaufen könnte. So berufen sich manche Personen insbesondere auf ihr Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit, um diskriminierendes Verhalten gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten zu rechtfertigen, wenn sie sich beispielsweise weigern, ihnen Waren oder Dienstleistungen anzubieten. Beispiele hierfür sind Verwaltungskräfte, die gleichgeschlechtlichen Paaren keine Heiratsurkunden ausstellen wollen, Beherbergungsbetriebe, die ihnen keine Zimmer vermieten, oder Bäcker, die keine Kuchen für sie backen wollen – all dies aus Glaubensgründen.

Das Recht auf Religions- oder Glaubens- bzw. Weltanschauungsfreiheit ist in den internationalen Menschenrechtsbestimmungen tief verankert, etwa in der Internationalen Menschenrechtscharta (Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte), Artikel 10 der EU-Grundrechtecharta, Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 12 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention. Das Recht auf Religions- oder Glaubensfreiheit besteht aus zwei Teilen: Der erste ist das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, womit das Recht gemeint ist, seine Religion oder seinen Glauben frei zu wählen bzw. zu bilden und auch zu ändern. Dieses Recht darf unter keinen Umständen eingeschränkt werden. Der zweite ist das Recht, seine Religion oder seinen Glauben nach außen zu zeigen. Den internationalen Menschenrechtsbestimmungen zufolge kann dieses zweite Recht eingeschränkt werden, aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen. Einschränkungen der Religions- und Glaubensfreiheit sind nur dann zulässig, wenn sie dazu dienen, die Rechte und Freiheiten anderer zu schützen, wobei sich der Begriff „anderer“ auf Einzelne oder auf Angehörige einer bestimmten Gruppe beziehen kann. Vor diesem Hintergrund sind zahlreiche Gerichte (z. B. in Kanada, Spanien und im Vereinigten Königreich) zu dem Schluss gekommen, dass Anträgen auf Ausnahmen von Antidiskriminierungsbestimmungen mit der Begründung, dass diese Regelungen das Recht auf Religions- oder Glaubensausübung beeinträchtigen, nicht stattgegeben werden muss.15 Nach Ansicht der Gerichte ist der Schaden, der LGBTI-Personen zugefügt wird, die aufgrund ihrer Identität abgewiesen werden (wie auch der Schaden, der der Gesellschaft als Ganzes entsteht, da damit der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz selbst ausgehebelt wird), größer als die Beeinträchtigung der Personen, deren diskriminierende Religions- oder Glaubensausübung nicht toleriert wird (Donald, A. und E. Howard, 2015[32]; INCLO, 2015[33]; VN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, 2017[34]).

Im Einklang mit dieser Auslegung wird in der gemeinsamen Erklärung des Hohen Kommissariats für Menschenrechte (OHCHR) und verschiedener anderer VN-Einrichtungen zur Beendigung von gegen LGBTI gerichteter Gewalt und Diskriminierung nachdrücklich betont, dass „kulturelle, religiöse und sittliche Regeln und Überzeugungen sowie gesellschaftliche Einstellungen nicht geltend gemacht werden können, um Menschenrechtsverletzungen gegenüber bestimmten Gruppen – wie z. B. LGBTI-Personen – zu rechtfertigen“ (OHCHR et al., 2015[14]). Desgleichen urteilte der EGMR in den beiden Fällen, in denen er zwischen der Religionsfreiheit und dem Recht auf Nichtdiskriminierung abzuwägen hatte, zugunsten des Letzteren (Kasten 2.3). Auch der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte bekräftigte in seiner richtungsweisenden Stellungnahme, dass philosophische oder religiöse Überzeugungen „die Bestimmungen der Konvention in Bezug auf Benachteiligungen aufgrund der sexuellen Orientierung nicht beeinflussen können“ (I/A Court, 2017[31]).

Bei der Religionsfreiheit handelt es sich allerdings um ein Grundrecht, das es entschlossen zu verteidigen gilt, sodass in Grenzfällen, d. h. in Fällen, in denen die benachteiligende Wirkung der Religionsfreiheit für LGBTI schwieriger nachzuweisen ist, sorgfältig abgewogen werden muss, um zusätzliche Spannungen zu vermeiden. Im Zweifel könnte es ratsam sein, von rechtlichen Sanktionen oder anderen restriktiven Maßnahmen abzusehen (VN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit, 2017[34]). Dieser Standpunkt wurde im Fall „Lee gegen Ashers Baking Company Ltd und andere“, der jetzt vom EGMR geprüft wird, einstimmig vom Obersten Gerichtshof des Vereinigten Königreichs vertreten (Kasten 2.3).

Die universelle Garantie des Rechts auf freie Meinungsäußerung sowie des Rechts auf Vereinigungs- und auf Versammlungsfreiheit bildet die Grundlage jeder freien und demokratischen Gesellschaft. Diese Rechte sind in den internationalen Menschenrechtsbestimmungen verankert, beispielsweise

  • in der Internationalen Charta der Menschenrechte: Artikel 19 (freie Meinungsäußerung) und Artikel 20 (Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie Artikel 19 (freie Meinungsäußerung), Artikel 21 (Versammlungsfreiheit) und Artikel 22 (Vereinigungsfreiheit) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte,

  • in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union: Artikel 11 (freie Meinungsäußerung) und Artikel 12 (Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit),

  • in der Europäischen Menschenrechtskonvention: Artikel 10 (freie Meinungsäußerung) und Artikel 11 (Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit),

  • in der Amerikanischen Menschenrechtskonvention: Artikel 13 (freie Meinungsäußerung), Artikel 15 (Versammlungsfreiheit) und Artikel 16 (Vereinigungsfreiheit).

Die internationalen Menschenrechtsverträge gestatten Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Dazu müssen jedoch drei Kriterien erfüllt sein (VN-Ausschuss für Menschenrechte, 2011[35]; Bychawska-Siniarska, D., 2017[36]; IACHR, 2015[26]). Das heißt, dass für jede Einschränkung dieser Rechte Folgendes gelten muss:

  • Sie muss erstens gesetzeskonform sein. Jeder Eingriff in die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungs- oder Vereinigungsfreiheit muss auf der Grundlage der Gesetze des betreffenden Landes erfolgen. Die nationalen Rechtsvorschriften müssen also festlegen, unter welchen Bedingungen diese Rechte eingeschränkt werden können. Dies muss mit hinreichender Präzision geschehen, damit die Bürger*innen korrekt abschätzen können, was nach dem Gesetz zulässig ist.

  • Zweitens muss sie legitime Gründe haben, d. h. das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit kann nur eingeschränkt werden, um eine begrenzte Zahl legitimer Ziele zu verfolgen. Um welche Ziele es sich dabei handeln kann, unterscheidet sich je nach Grundrechtskonvention. Im Allgemeinen geht es dabei jedoch um fünf Kategorien von Zielen:

    • Schutz der nationalen Sicherheit – z. B. kann die freie Meinungsäußerung eingeschränkt werden, wenn geheime Informationen preisgegeben werden könnten.

    • Schutz der öffentlichen Ordnung – z. B. kann das Recht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt werden, wenn durch Falschinformationen gefährliche Situationen ausgelöst werden können, wie etwa wenn jemand in einem vollen Kino ohne Grund „Feuer“ rufen würde.

    • Schutz der öffentlichen Moral – z. B. kann die freie Meinungsäußerung eingeschränkt werden, wenn sie darin besteht, einem breiten Publikum pornografische Inhalte kostenfrei und ohne Altersbeschränkung zugänglich zu machen.

    • Schutz des guten Rufes anderer – z. B. kann die freie Meinungsäußerung eingeschränkt werden, wenn sie darin besteht, falsche Tatsachen vorzuspiegeln, die die Ehre anderer Personen verletzen.

    • Schutz der Rechte anderer – z. B. kann die freie Meinungsäußerung eingeschränkt werden, wenn sie darin besteht, Wähler*innen einzuschüchtern.

  • Drittens muss sie in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein. Diese Bedingung hat zwei Konsequenzen:

    • Zum einen muss der Nachweis erbracht werden, dass die Einschränkungen des betreffenden Rechts notwendig sind, d. h. dass sie darauf abzielen, eine tatsächliche und keine rein hypothetische Gefahr zu bannen. So müssen z. B. zwei der vorstehend genannten Aspekte gegeben sein, damit eine Notwendigkeit festgestellt werden kann. Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, wenn diese zur Offenlegung geheimer Informationen führt, können nur dann als wirklich notwendig betrachtet werden, wenn es echte Gefahr abzuwenden gilt, d. h. wenn sich die Geheimhaltungspflicht auf Informationen bezieht, deren Offenlegung tatsächlich eine ernsthafte Gefahr für die nationale Sicherheit darstellen würde. Desgleichen können Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, wenn diese darin besteht, einem breiten Publikum pornografische Inhalte zugänglich zu machen, nur dann als notwendig erachtet werden, wenn der Begriff „pornografisch“ nicht missbräuchlich verwendet wird, d. h. wenn er sich wirklich auf Darstellungen sexueller Handlungen von Erwachsenen bezieht, die eine sexuelle Erregung hervorrufen sollen, und nicht nur auf harmlose Küsse und Umarmungen.

    • Zum anderen muss gewährleistet sein, dass sich die Einschränkungen im Rahmen dessen bewegen, was in einer „demokratischen“, also in einer Toleranz, Pluralismus und geistiger Offenheit verpflichteten Gesellschaft akzeptabel ist.16 Insbesondere müssen die Einschränkungen in Bezug auf das mit ihnen verfolgte legitime Ziel verhältnismäßig sein und das am wenigsten invasive Instrument zur Erzielung des gewünschten Zwecks darstellen. Mit diesem Erfordernis soll gewährleistet werden, dass das richtige Gleichgewicht zwischen Freiheit und Einschränkung, das ein zentrales Merkmal von Demokratien ist, gewahrt bleibt.

In manchen Ländern wurde versucht, Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit von LGBTI unter verschiedenen Vorwänden zu rechtfertigen, allen voran der Schutz der öffentlichen Moral (VN-Generalversammlung, 2016[37]). In jüngerer Zeit geschah dies mit Gesetzen zum Verbot „homosexueller Propaganda“, wie sie bereits 2006 von mehreren russischen Föderationssubjekten erlassen wurden. Dieser Prozess fand 2013 mit der Verabschiedung des föderalen Gesetzes „zum Schutz von Kindern vor Informationen, die eine Ablehnung traditioneller Familienwerte propagieren“ seinen Höhepunkt (Kasten 2.4). Gesetze zum Verbot „homosexueller Propaganda“ erfüllen indessen nicht die drei oben genannten Kriterien. Dies bestätigen Urteile des VN-Ausschusses für Menschenrechte, der für die Überwachung der Umsetzung des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte durch die Regierungen zuständig ist (Irina Fedotova gegen die Russische Föderation 201017), sowie Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Bayev und andere gegen Russland 201718).

In diesen Urteilen wurde festgestellt, dass Gesetze zum Verbot „homosexueller Propaganda“ Einschränkungen auferlegen, die aus zwei Gründen in einer demokratischen Gesellschaft nicht gerechtfertigt werden können: Erstens stützen sich diese Gesetze auf unklare Begriffe, die dazu dienen können, jegliche Erwähnung von Homosexualität in der Öffentlichkeit zu verbieten. Die Einschränkungen sind zu weitreichend, um mit den Prinzipien einer Demokratie vereinbar zu sein, die zu Toleranz, Pluralismus und geistiger Offenheit verpflichtet ist. Im Fall des russischen Gesetzes kann die Formulierung „die ein Interesse an nichttraditionellen sexuellen Beziehungen hervorrufen“ z. B. sogar auf neutrale Informationen zur Homosexualität zutreffen. Außerdem ist auch der Begriff „unter Minderjährigen“ vage und klärt nicht, ob sich die Einschränkungen auf Äußerungen in der Gegenwart von Minderjährigen beziehen oder an jedem beliebigen Ort, an dem Minderjährige anwesend sein könnten. Mehrere Verurteilungen bestätigen, dass Russlands Gesetz zum Verbot „homosexueller Propaganda“ dazu dient, die bürgerlichen Freiheitsrechte von LGBTI in vielerlei Hinsicht einzuschränken. So wurde z. B. ein Mann mit einem Bußgeld belegt, weil er ein Plakat mit der Aufschrift „Homosexualität ist nicht pervers“ vor der Stadtverwaltung St. Petersburg – einem öffentlichen Ort, der nicht speziell für Minderjährige gedacht ist – in die Höhe gehalten hatte.

Zweitens machen Länder, die Gesetze zum Verbot „homosexueller Propaganda“ verabschieden, in der Regel zwei Ziele als Gründe für die Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit von LGBTI geltend: den Schutz der öffentlichen Moral und den Schutz der Rechte anderer. Bei diesen erklärten Zielen handelt es sich zwar um legitime Ziele, wie sie weiter oben aufgelistet sind; so wie diese Ziele definiert sind, scheint jedoch keines davon in einer demokratischen Gesellschaft notwendig zu sein. Was den Schutz der öffentlichen Moral betrifft, zeigt sich an der vagen Formulierung der Gesetze, dass sich das Verbot nicht auf die pornografische Darstellung von Homosexualität beschränkt. Vielmehr wird die öffentliche Moral implizit mit den Werten und Traditionen der (heterosexuellen) Mehrheit gleichgesetzt. Eine solche Definition ist in einer Demokratie nicht zulässig. Sie würde bedeuten, dass die Ausübung der in den internationalen Menschenrechtsverträgen geschützten Freiheiten durch eine Minderheit von der Akzeptanz der Mehrheit abhängig wäre. Wie der Menschenrechtsausschuss in seinem allgemeinen Kommentar zu Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte feststellt, „leitet sich der Moralbegriff aus einer Vielzahl sozialer, philosophischer und religiöser Traditionen ab“, sodass eine etwaige Einschränkung „zum Schutz der Moral auf Grundsätzen beruhen muss, die sich nicht nur aus einer einzigen Tradition heraus ableiten“ (VN-Ausschuss für Menschenrechte, 2011[35]). Das zweite Ziel, das angeblich mit Gesetzen zum Verbot „homosexueller Propaganda“ verfolgt wird, besteht darin, Minderjährige vor Informationen zu schützen, die ein positives Bild von Homosexualität vermitteln und sie damit möglicherweise zu einem „homosexuellen Lebensstil“ bewegen könnten. Es gibt aber keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass die bloße Erwähnung von Homosexualität in der Öffentlichkeit einen negativen Effekt auf Kinder haben könnte.19 Die Einschränkungen, die Gesetze zum Verbot „homosexueller Propaganda“ vorsehen, können somit nicht als notwendig betrachtet werden, da sie nur eine hypothetische und keine echte Gefahr abwehren sollen.

Alles in allem sind die internationalen Menschenrechtsorganisationen zu dem Schluss gekommen, dass Gesetze zum Verbot „homosexueller Propaganda“ insofern diskriminierend sind, als „die Autoren der fraglichen Bestimmungen keine vernünftigen und objektiven Kriterien vorgebracht haben, um das Verbot ‚homosexueller Propaganda‘ im Unterschied zu ‚heterosexueller Propaganda‘ zu rechtfertigen“ (Venedig-Kommission, 2013[38]).20 Unter dem Vorwand der Wahrung der öffentlichen Moral und des Schutzes Minderjähriger erlassene Maßnahmen, die LGBTI daran hindern, für ihre Rechte einzutreten, friedliche öffentliche Veranstaltungen wie Pride-Parades zu organisieren oder Vereinigungen zum Schutz der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen zu gründen und zu betreiben und Finanzmittel für sie zu beschaffen, sind mit den internationalen Menschenrechtsverträgen zugrunde liegenden Werten unvereinbar. Auch die Berufung auf den Schutz der öffentlichen Ordnung, um Pride- Parades oder LGBTI-Vereinigungen zu verbieten, wird von internationalen Menschenrechtsakteuren als nicht begründbar erachtet. In einer Demokratie obliegt es dem Staat, das individuelle Recht auf Vereinigungs- und auf Versammlungsfreiheit zu sichern, indem er die betreffenden Personen vor physischer Gewalt seitens gegnerischer Gruppen schützt. Dieser Schutz ist vor allem dann erforderlich, wenn die gefährdeten Personen einer Minderheit angehören, deren Ansichten mit größerer Wahrscheinlichkeit bei der Mehrheit auf Ablehnung stoßen (vgl. Alekseyev gegen Russland 201121 betreffend die Vereinigungsfreiheit von LGBTI sowie Zhdanov und andere gegen Russland 201922 betreffend die Vereinigungsfreiheit von LGBTI).

Die Staaten sind gemäß der internationalen Menschenrechtsbestimmungen verpflichtet, Menschen davor zu schützen, durch andere willkürlich ihres Lebens beraubt oder Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen zu werden. Diese Verpflichtung ist in folgenden Texten klar verankert:

  • Internationale Charta der Menschenrechte: Artikel 3 (Recht auf Leben) und Artikel 5 (Schutz vor Folter) der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie Artikel 6 (Recht auf Leben) und Artikel 7 (Schutz vor Folter) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte

  • Charta der Grundrechte der Europäischen Union: Artikel 2 (Recht auf Leben) und Artikel 4 (Verbot der Folter)

  • Charta der Grundrechte der Europäischen Union: Artikel 2 (Recht auf Leben) und Artikel 3 (Verbot der Folter)

  • Amerikanische Menschenrechtskonvention: Artikel 4 (Recht auf Leben) und Artikel 5 (Recht auf menschliche Behandlung)

Um ihrer Verpflichtung zur Sicherung des Rechts auf Gewaltfreiheit nachzukommen, müssen die Länder besondere Schutzmaßnahmen zugunsten gefährdeter Gruppen ergreifen. Hierzu zählen Maßnahmen, die Hassverbrechen (hate crimes) verhindern sollen, d. h. Verbrechen, die durch Hass gegen marginalisierte Bevölkerungsgruppen motiviert sind, denen das Opfer nach Meinung des*der Täter*in angehört. Dieses Ziel lässt sich am besten erreichen, wenn zumindest als erster Schritt sogenannte „Gesetze gegen Hassverbrechen“ verabschiedet werden, die es den zuständigen Stellen ermöglichen, vorurteilsmotivierte Handlungen aufgrund einer Reihe geschützter Merkmale entweder als eigene Straftat zu behandeln oder als erschwerende Umstände zu werten, die zu einem höheren Strafmaß für ein bestimmtes Verbrechen führen. Dass sexuelle und geschlechtliche Minderheiten zu den unter Diskriminierungsschutz stehenden Gruppen gehören sollten, wird von internationalen Menschenrechtsakteuren einhellig bestätigt:

  • Die Europäische Union (EU) fordert in einer Reihe nicht rechtsverbindlicher Entschließungen und Empfehlungen den Schutz von LGBTI-Personen (Europäisches Parlament, 2014[6]). Außerdem beobachtet die Europäische Union genau die Umsetzung der Richtlinie 2012/29/EG (Opferschutz-Richtlinie). Diese stellt sicher, dass alle Opfer – auch solche vorurteilsmotivierter homophober und transphober Straftaten – angemessene Informationen, angemessene Unterstützung und angemessenen Schutz erhalten und sich am Strafverfahren beteiligen können. In der Richtlinie sind verbindliche Rechte für die Opfer sowie klare Pflichten für die Mitgliedsländer zur Achtung dieser Rechte in der Praxis dargelegt.

  • 2011 stellte das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte fest, dass Gewalt gegen LGBT-Personen durch ein großes Maß an Grausamkeit und Brutalität gekennzeichnet ist, wobei es u. a. zu Schlägen, Folter, Verstümmelung, Kastration und sexuellen Übergriffen kommt (OHCHR, 2011[9]). 2015 empfahl das Hohe Kommissariat den Staaten ausdrücklich, solcher Gewalt mit der Verabschiedung von Gesetzen gegen Hassverbrechen zu begegnen, die Homophobie und Transphobie zu bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden erschwerenden Umstände erklären (OHCHR, 2015[12]). 2018 forderte der Menschenrechtsausschuss in seinem Allgemeinen Kommentar zu Artikel 6 (Recht auf Leben) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte die Länder nachdrücklich auf, besondere Maßnahmen zugunsten von Personengruppen zu ergreifen, die sich in einer Situation der Schutzbedürftigkeit befinden, wie Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle, insbesondere durch die Verabschiedung von Gesetzen gegen Hassverbrechen (VN-Ausschuss für Menschenrechte, 2018[39]).

  • 2010 empfahl das Ministerkomitee des Europarats, dass die Mitgliedsländer 1. „in Fällen mutmaßlicher Straftaten und anderer Vorfälle, in denen begründeterweise davon ausgegangen werden kann, dass die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität des Opfers das Motiv für den*die Täter*in war, wirksame, umgehende und unparteiische Ermittlungen sicherstellen“ und 2. „sicherstellen, dass bei der Festlegung von Sanktionen ein vorurteilsgeleitetes Motiv im Hinblick auf die sexuelle Orientie- rung oder Geschlechtsidentität als strafverschärfender Umstand betrachtet werden kann“ (CoE Committee of Ministers, 2010[22]). Auch die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat zahlreiche Resolutionen und Empfehlungen verabschiedet, die Gewalt gegen LGBTI-Personen verurteilen, und setzt sich für Gesetze gegen Hassverbrechen als wichtige Vorbeuge- und Schutzmaßnahmen ein (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2010[23]; Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2013[40]). 2017 nahm das Menschenrechtskommissariat des Europarats Intersexuelle ausdrücklich in seine Empfehlung zu Rechtsvorschriften gegen Hassverbrechen auf. Es empfahl, dass gesetzliche Bestimmungen gegen Hassverbrechen überarbeitet werden sollten, um sicherzustellen, dass sie auch intersexuelle Menschen schützen. Geschlechtliche Merkmale sollten als spezifische Schutzgründe in die gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherung der Gleichbehandlung und Bekämpfung von Hassverbrechen aufgenommen werden, oder zumindest sollte der Schutzgrund „Geschlecht“ so ausgelegt werden, dass eine Diskriminierung aufgrund geschlechtlicher Merkmale verboten ist (CoE Commissioner for Human Rights, 2017[41]).

  • 2015 empfahl die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte in ihrem richtungsweisenden Bericht zur Gewalt gegen LGBTI-Personen den Mitgliedsländern, gesetzliche Bestimmungen gegen Hasskriminalität zu verabschieden, um vorurteilsmotivierte Gewalt gegen Personen aufgrund ihrer vermuteten oder tatsächlichen sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität erkennen, verfolgen und ahnden zu können (IACHR, 2015[26]). Diese Empfehlungen werden auch im IACHR-Bericht zur Anerkennung der Rechte von LGBTI-Personen aufgegriffen (IACHR, 2018[27]). In diesem Bericht stellt die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte fest, dass mehrere Mitgliedsländer gesetzliche Bestimmungen verabschiedet haben, die vorurteilsmotivierte Gewalt gegen LGBTI-Personen konkret unter Strafe stellen oder solche Motive bei Straftaten gegen diese Bevölkerungsgruppe als erschwerende Umstände werten. Die IACHR betont ausdrücklich, diese Maßnahmen zu unterstützen. Sie weist darauf hin, dass sie ein erster Schritt in Richtung einer wirksamen Bekämpfung von Gewalt aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks oder des körperlichen Andersseins der Opfer darstellen.

Um Hassverbrechen ganz zu verhindern, ist es wichtig, dass die Staaten auch besonders schwere Formen von Hassreden (hate speech) verbieten. In der Tat mehren sich die Befunde, dass zwischen Hassreden und Hassverbrechen ein Kausalzusammenhang besteht (Mueller, K. und C. Schwarz, 2017[42]). In Artikel 20(2) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte heißt es, dass „jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, [...] durch Gesetz verboten“ werden soll.23 In internationalen Menschenrechtsstandards wurde klargestellt, dass die Bestimmungen zu „Hassreden“ einen breiteren Katalog geschützter Merkmale umfassen sollten als ursprünglich in Artikel 20(2) des ICCPR genannt, darunter sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität und Geschlechtsmerkmale. In der gemeinsamen Erklärung des Hochkommissariats für Menschenrechte und verschiedener VN-Sonderorganisationen von 2015 wird nachdrücklich betont, wie wichtig gesetzliche Bestimmungen gegen Hassreden sind, um gegen LGBTI-Personen gerichtete Gewalt und Diskriminierung zu beenden. Dies wird auch in verschiedenen richtungsweisenden Texten des Europarats (OHCHR et al., 2015[14]) und der Organisation Amerikanischer Staaten (OHCHR et al., 2015[14]) hervorgehoben. Mit der Richtlinie 2018/1808 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EG (sogenannte Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) hat auch die EU ihre Bemühungen verstärkt, Hassreden zu verhindern und zu bekämpfen. Ziel ist der Kampf gegen Hetze in allen audiovisuellen Inhalten. Insbesondere werden die Mitgliedstaaten nachdrücklich aufgefordert, sicherzustellen, dass audiovisuelle Mediendienste „keine Aufstachelung zu Gewalt oder Hass [...] aus einem der in Artikel 21 der Charta [der Grundrechte der Europäischen Union] genannten Gründe enthalten“, zu denen auch die sexuelle Orientierung gehört.

Natürlich ist es äußerst wichtig, dass gesetzliche Bestimmungen gegen Hassreden nicht genutzt werden, um unangemessene Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu rechtfertigen. Deshalb muss jede Maßnahme zur Einschränkung von Hassreden die drei in Abschnitt 2.2.2 beschriebenen Kriterien erfüllen. Sie muss also 1. gesetzeskonform sein, 2. legitime Gründe haben und 3. in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein. Kasten 2.5 enthält Hinweise dazu, wie sich dies konkret feststellen lässt. Er beruht auf den Aktionsplan von Rabat über das Verbot des Eintretens für nationalen, rassischen oder religiösen Hass (OHCHR, 2013[43]) sowie den richtungsweisenden von Article 1924 in Zusammenarbeit mit verschiedenen Fachleuten für internationale Menschenrechte, darunter auch hochrangigen VN-Beamt*innen, ausgearbeiteten Texten.

Damit gesetzliche Bestimmungen gegen Hassverbrechen und Hassreden wirklich wirksam sind, sollten alle Rechtsvorschriften außer Kraft gesetzt werden, die genutzt werden könnten, um Gewalt gegen LGBTI zu rechtfertigen, allen voran Gesetze, die Homosexualität unter Strafe stellen (vgl. Abschnitt 2.3.1). Zugleich sollte aber auch gegen Verteidigungsstrategien vorgegangen werden, die solche Handlungen z. B. mit einer unkontrollierbaren Panik vor Homo- oder Transsexuellen zu rechtfertigen suchen („gay and trans panic defence“). Bei solchen Strategien behaupten die Täter*innen, dass die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität der Opfer ihren Kontrollverlust und den daraus folgenden Angriff nicht nur erklärt, sondern auch entschuldigt. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Bekämpfung solcher Taktiken sollten Folgendes umfassen: 1. In jedem Strafprozess oder -verfahren sollte das Gericht die Jury auf Ersuchen einer Partei anweisen, sich bei ihrer Entscheidung nicht durch voreingenommene Einstellungen, Vorurteile, Sympathien oder die öffentliche Meinung in Bezug auf die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der Opfer, Zeug*innen oder Angeklagten beeinflussen zu lassen. 2. Es sollte klargestellt werden, dass weder eine gewaltfreie sexuelle Annäherung noch die Aufdeckung der sexuellen oder geschlechtlichen Identität einer Person in rechtlicher Hinsicht eine Provokation darstellt, die es rechtfertigen würde, den Straftatbestand des Mordes in Totschlag abzumildern, oder die den Schweregrad eines Nichtkapitalverbrechens verringern könnte (American Bar Association, 2013[47]).

Das internationale Flüchtlingsrecht wurzelt im VN-Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (1951), das auch als die Genfer Flüchtlingskonvention bekannt ist. In der Flüchtlingskonvention ist definiert, wer als Flüchtling anzusehen ist. Die Definition fußt auf Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern Schutz vor Verfolgung zu suchen und zu bekommen.“25 1967 wurde die Flüchtlingskonvention um das VN-Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ergänzt. In der Flüchtlingskonvention war der Flüchtlingsstatus auf Personen beschränkt, deren Umstände „infolge von Ereignissen, die vor dem 1. Januar 1951 eingetreten sind“, bedingt waren. Sie stellte den Unterzeichnerstaaten auch frei zu entscheiden, ob sie unter diesen Ereignissen solche verstehen, „die [...] in Europa oder anderswo eingetreten sind“. Im Protokoll von 1967 wurden die zeitlichen und geografischen Begrenzungen aufgehoben. Im internationalen Flüchtlingsrecht wird ein Flüchtling folglich definiert als „jede Person, die [...] aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will, oder die sich als staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will“.26 Alle OECD-Länder sind dem Protokoll von 1967 beigetreten.

2012 stellte das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen klar, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle einer „bestimmten sozialen Gruppe“ angehören, die definiert wird als eine „Gruppe von Personen, die neben ihrem Verfolgungsrisiko ein weiteres gemeinsames Merkmal aufweisen oder von der Gesellschaft als eine Gruppe wahrgenommen werden.“ Dieses Merkmal, so das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, „wird oft angeboren, unabänderlich oder in anderer Hinsicht prägend für die Identität, das Bewusstsein oder die Ausübung der Menschenrechte sein“ (UNHCR, 2012[48]).

Daher sind die Staaten aufgefordert, die Verfolgung (oder begründete Furcht vor Verfolgung) aufgrund von sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität oder Geschlechtsmerkmalen explizit als Asylgrund anzuerkennen. In einem Kontext, in dem es in vielen Ländern immer noch zu gravierenden Menschenrechtsverletzungen gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten kommt, ist dies ein entscheidender Schritt zum Schutz von LGBTI (OHCHR et al., 2015[14]; CoE Commissioner for Human Rights, 2018[49]; IACHR, 2015[26]). Besonders bindend ist hier der von der Europäischen Union geschaffene Normenrahmen. Die Mitgliedsländer sind verpflichtet, einen Katalog an Richtlinien in nationales Recht zu übertragen, die insbesondere darauf abzielen, lesbische, schwule, bisexuelle und transgeschlechtliche Asylsuchende zu schützen. Außerdem hat der Gerichtshof der Europäischen Union eine Reihe von Urteilen gefällt, die den Schutz von asylsuchenden LGBTI regeln (Kasten 2.6).

Internationale Menschenrechtsakteure bekräftigen die Notwendigkeit unabhängiger nationaler Menschenrechtseinrichtungen, wie Gleichstellungsstellen, Ombudsstellen oder Menschenrechtskommissionen, damit Gleichbehandlungsgesetze umgesetzt werden können. Gemäß den Pariser Prinzipien, die 1993 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurden, sollten beispielsweise alle Staaten eine nationale Menschenrechtsinstitution (NMRI) einrichten, die mit der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte beauftragt ist. Die erste Komponente dieser Aufgabe ist es, „die Harmonisierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Praktiken mit den internationalen Menschenrechtsübereinkünften, deren Vertragspartei der betreffende Staat ist, sowie deren wirksame Anwendung [...] sicherzustellen“. Die zweite Komponente dieser Aufgabe beinhaltet, dass nationale Institutionen über eine „quasi-gerichtliche Zuständigkeit“ verfügen, was bedeutet, dass sie ermächtigt werden können, „bestimmte Einzelfälle betreffende Beschwerden und Petitionen entgegenzunehmen und zu prüfen. Einzelpersonen, ihre Vertreter, Dritte, nichtstaatliche Organisationen, Gewerkschaftsverbände oder andere repräsentative Organisationen können sich an sie wenden“ (VN-Generalversammlung, 1993[50]). Das Kommissariat für Menschenrechte des Europarats befasst sich eingehender mit der entscheidenden Rolle nationaler Menschenrechtseinrichtungen und unterscheidet fünf weitere Aufgabenbereiche (CoE Commissioner for Human Rights, 2011[51]):

  • Förderung: „Nationale Menschenrechtsinstitutionen (NMRI) stimulieren eine Compliance-Kultur im Hinblick auf diese Gesetze bei Arbeitgebern, Dienstleistern und politischen Entscheidungsträgern und unterstützen deren Kapazität und Engagement, effektive Gleichstellungsrichtlinien, Verfahren und Praktiken in ihren Organisationen zu entwickeln“.

  • Durchsetzung: Nationale Menschenrechtsinstitutionen (NMRI) „ermöglichen den Menschen, die unter die Gleichbehandlungsgesetze fallen, ihre Rechte laut diesen Gesetzen auszuüben“, insbesondere durch Unterstützung in Fällen von Diskriminierung.

  • Kommunikation: Nationale Menschenrechtsinstitutionen „tragen zu einer Rechtskultur in der Gesellschaft bei“.

  • Forschung: Nationale Menschenrechtsinstitutionen entwickeln „eine Wissensgrundlage über Fragen der Diskriminierung und Ungleichheit“, indem sie Untersuchungen und Erhebungen durchführen und in Auftrag geben.

  • Multiplikatoreffekt: Nationale Menschenrechtsinstitutionen „fordern die zahlreichen Interessengruppen auf, Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung und zur Bekämpfung von Diskriminierung zu ergreifen“.

Die Stärkung der Rolle von Menschenrechtsinstitutionen ist auch eines der Kernziele des Strategieplans des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte für den Zeitraum 2017-2021 (IACHR, 2017[52]).

Internationale Menschenrechtsakteure betonen immer wieder, dass das Mandat nationaler Menschenrechtsinstitutionen sich ausdrücklich auch auf die Sicherung der Gleichbehandlung von LGBTI erstrecken sollte. Die EU-Mitgliedsländer sind aufgefordert, eine oder mehrere Stellen zu benennen, „deren Aufgabe darin besteht, die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Personen ohne Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft“ (Richtlinie 2000/43/EG) sowie „aufgrund des Geschlechts“ (Richtlinie 2004/113 und Richtlinie 2006/54/EG) zu fördern. Auch wenn die Begriffe „sexuelle Orientierung“, „Geschlechtsidentität“ und „Geschlechtsmerkmale“ in diesen Richtlinien nicht ausdrücklich erwähnt werden, übt die EU Druck auf ihre Mitgliedsländer aus, Antidiskriminierungsbestimmungen umzusetzen, die LGBTI schützen (Kasten 2.2). Dies erleichtert die Aufnahme dieser Schutzgründe in den Zuständigkeitsbereich der nationalen Gleichbehandlungsstellen. Auch das Kommissariat für Menschenrechte des Europarats stellt fest, dass nationale Menschenrechtsinstitutionen über große Möglichkeiten verfügen, sich mit diesbezüglichen Beschwerden auseinanderzusetzen und die Achtung der Menschenrechte von LGBT allgemein zu fördern (CoE Commissioner for Human Rights, 2011[24]). Außerdem empfiehlt das Menschenrechtskommissariat des Europarats, Ombudsstellen, Gleichbehandlungsstellen und Menschenrechtskommissionen auch mit den Belangen intergeschlechtlicher Personen zu betrauen (CoE Commissioner for Human Rights, 2017[41]). Dazu haben die Europäische Union und der Europarat das Netzwerk europäischer Gleichbehandlungsstellen, Equinet, eingerichtet. Es spielt eine entscheidende Rolle dabei, die Arbeit der Gleichbehandlungsstellen in 36 europäischen Ländern, darunter allen EU-Mitgliedsländern, zu koordinieren und sie durch Orientierungshilfen für die Rechtsauslegung und -umsetzung zu unterstützen. In diesem Netzwerk wird die Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität ausdrücklich als eine Form der Diskriminierung behandelt, die die Gleichbehandlungsstellen bekämpfen sollten.27

Auch die Vereinten Nationen und die Organisation Amerikanischer Staaten ermutigen nationale Menschenrechtsinstitutionen aktiv dazu, sich für den Schutz von LGBTI-Personen einzusetzen. Das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen betont, dass diese Menschenrechtsinstitutionen alle Formen von Menschenrechtsverletzungen aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und -ausdruck sowie Geschlechtsmerkmalen bekämpfen sollten (OHCHR, 2016[13]). Der Interamerikanische Gerichtshof nennt LGBTI-Personen ausdrücklich unter den prioritären Gruppen, deren Gleichstellung mit der Stärkung der Rolle nationaler Menschenrechtsinstitutionen gefördert werden soll (IACHR, 2017[52]).

Die in Abschnitt 0 dargelegten allgemeinen Bestimmungen sind für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen gleichermaßen wichtig. Allerdings sehen sich Untergruppen der LGBTI-Bevölkerung auch ganz spezifischen Herausforderungen gegenüber. Daher sollten die allgemeinen Bestimmungen durch Bestimmungen ergänzt werden, die diese gruppenspezifischen Hindernisse gezielt angehen. Die gruppenspezifischen Bestimmungen werden in zwei Kategorien unterteilt: Bestimmungen, die auf die Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen abzielen (im Folgenden „LGB-spezifische Bestimmungen“) und Bestimmungen, die auf die Gleichstellung von Transgender und Intersexuellen abzielen (im Folgenden „TI-spezifische Bestimmungen“).

Die sich aus den internationalen Menschenrechtsstandards ergebenden Bestimmungen, die die Gleichbe-handlung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen sicherstellen sollen, beinhalten fünf Elemente: 1. Gleichbehandlung einvernehmlicher gleich- und verschiedengeschlechtlicher sexueller Handlungen, 2. Verbot von Konversionstherapien, 3. rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, 4. gleiche Adoptionsrechte und 5. gleicher Zugang zu künstlicher Befruchtung.

Zwei Arten gesetzlicher Bestimmungen verstoßen gegen das Prinzip der Gleichbehandlung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher und verschiedengeschlechtlicher sexueller Handlungen. Bei der ersten Kategorie handelt es sich um Gesetze, die einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen mit der Begründung unter Strafe stellen, sie würden gegen die „Ordnung der Natur“, die „Moral“ oder gegen „Sitte und Anstand“ verstoßen oder seien „liederlich und verwerflich“. Bei der zweiten Kategorie handelt es sich um Gesetze, die eine Ungleichbehandlung von einvernehmlichen gleich- und verschiedengeschlechtlichen sexuellen Handlungen schaffen, indem sie im Fall gleichgeschlechtlicher Beziehungen ein höheres Mindestalter für einvernehmlichen Sex voraussetzen als bei heterosexuellen Beziehungen. Junge Menschen in homosexuellen Beziehungen müssen dann mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen, die für gleichaltrige Personen in heterosexuellen Beziehungen nicht gelten.

Solche Gesetze verletzen sogar das Recht auf Leben, wenn einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Erwachsenen mit der Todesstrafe geahndet werden. Sie verstoßen zudem gegen das Recht auf Gleichbehandlung und Freiheit von Diskriminierung und stellen eine unzulässige Verletzung des Rechts auf Privatsphäre dar, das in den internationalen Menschenrechtsbestimmungen nachdrücklich eingefordert wird. Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 17 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, Artikel 7 der Charta der Grundrechte der EU, Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 11 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention erinnern daran, dass niemand willkürlichen Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, seine Wohnung und seinen Schriftverkehr oder Beeinträchtigungen seiner Ehre und seines Rufs ausgesetzt werden darf. Selbst in Ländern, in denen solche Gesetze zwar verabschiedet, aber nicht durchgesetzt werden, fördern sie ein Klima der Intoleranz, Feindseligkeit und Gewalt gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen. Sie verstärken Vorurteile gegenüber LGBTI-Personen, erhöhen ihre Stigmatisierung und können zur Rechtfertigung ihrer Diskriminierung herangezogen werden (OHCHR, 2011[9]).

Richtungsweisende Publikationen internationaler Menschenrechtsorganisationen stellen klar, dass die Regierungen verpflichtet sind, Gesetze außer Kraft zu setzen, die gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten unter Strafe stellen und unterschiedliche Mindestalter für einvernehmliche gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche sexuelle Handlungen vorsehen. Diese Verpflichtung wurde auch in einer Reihe von Urteilen betont (Kasten 2.7).

Bei den sogenannten „Konversionstherapien“ handelt es sich um Praktiken, die Homo- oder Bisexuelle zu Heterosexuellen machen sollen.28 Diese Praktiken umfassen ein breites Spektrum an Methoden: Einzel- oder Gruppengesprächstherapien, in denen den „Patient*innen“ immer wieder gesagt wird, dass so etwas wie Homosexualität nicht existiere, dass alle Menschen heterosexuell zur Welt kämen, dass die Anziehung zum gleichen Geschlecht auf Kindheitstraumata oder dysfunktionale Familienverhältnisse zurückzuführen sei usw.; spirituelle Interventionen, bei denen die „Patient*innen“ als vom Teufel Besessene behandelt werden, die exorziert werden müssen; noch invasivere oder physisch härtere Methoden, wie Aversionstherapien (Elektroschocks, Übelkeit auslösende Medikamente), Schläge, Haft oder „korrigierende Vergewaltigungen“, die dazu gedacht sind, die sexuelle Orientierung der Opfer heterosexuellen Normen anzugleichen. Diese Praktiken können von so unterschiedlichen Gruppen wie Ärzt*innen und Psycholog*innen, Mitarbeitenden religiöser Vereinigungen, traditionellen oder spirituellen Heiler*innen oder anderen Einrichtungen wie Sozial- oder Selbsthilfegruppen ausgeübt werden (OutRight Action International, 2019[53]).

Die Konversionstherapie wurzelt in dem Glauben, dass LGB unter einer Krankheit leiden und dass eine gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierung „geheilt“ werden könne. Weder das eine noch das andere ist wahr. Homosexualität ist keine Krankheit. Bereits 1973 wurde Homosexualität in den Vereinigten Staaten offiziell von der Liste der psychischen Störungen gestrichen, als in der dritten Ausgabe des Manual of Mental Disorders (DSM) der American Psychiatric Association die gleichgeschlechtliche Anziehung als Teil des normalen Spektrums der menschlichen Sexualität anerkannt wurde. Dieser bedeutende Schritt auf dem Weg zur Entpathologisierung gleichgeschlechtlicher Orientierung wurde 1992 bestätigt, als die Weltgesundheitsorganisation Homosexualität aus der zehnten Ausgabe der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) entfernte. Homosexualität lässt sich weder unterdrücken noch verändern. 2009 nahm die Task Force on Appropriate Therapeutic Responses to Sexual Orientation der American Psychological Association (APA) eine systematische Auswertung der referierten Fachliteratur über Maßnahmen zur Änderung der sexuellen Orientierung vor. Sie gelangte zu dem Schluss, dass es mit solchen Maßnahmen laut den Ergebnissen wissenschaftlich fundierter Studien kaum möglich sein dürfte, die Anziehung von Menschen zum gleichen Geschlecht zu verringern oder zum anderen Geschlecht zu erhöhen (American Psychological Association, 2009[54]). Dies wurde durch jüngere Forschungsarbeiten bestätigt, die zeigen, dass die sexuelle Orientierung von einem komplexen Mix aus genetischen und umweltbedingten Einflussfaktoren abhängt, die sich der Kontrolle des Einzelnen entziehen (Ganna et al., 2019[55]).

Trotz ihrer verheerenden Folgen werden Konversionstherapien weiterhin überall auf der Welt durchgeführt. Die typische Zielgruppe sind Minderjährige, deren Einwilligung durch Zwang und Täuschung errungen wird. Bei den Betroffenen lösen diese Versuche der Verleugnung ihrer Identität, ja sogar der Auslöschung ihres Ichs tiefe Gefühle des Selbsthasses sowie Depressionen und Suizidgedanken aus.

Internationale Menschenrechtsakteure verurteilen Konversionstherapien aufs Schärfste. In einem Bericht von 2015 äußert das hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte beispielsweise zunehmende Besorgnis über sogenannte „Konversionstherapien“, die eine Anziehung zum gleichen Geschlecht „heilen“ sollen. Solche Therapien hätten sich als unethisch, unwissenschaftlich und ineffizient erwiesen und könnten in manchen Fällen mit Folter gleichgesetzt werden (OHCHR, 2015[12]). 2018 veröffentlichte der Unabhängige VN-Sachverständige für den Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität einen Bericht, in dem er erneut Besorgnis über die Verbreitung von Konversionstherapien äußerte und empfahl, dass Länder „sogenannte Konversionstherapien“ verbieten sollten. Das Europäische Parlament verurteilte in seiner Entschließung von Januar 2019 erstmals „nachdrücklich die Förderung und Durchführung von Reparativtherapien von LGBTI-Personen und fordert[e] die Mitgliedstaaten auf, derartige Praktiken strafbar zu machen“ (Europäisches Parlament, 2019[56]).

Mit der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften soll in erster Linie verhindert werden, dass gleichgeschlechtliche Paare in zahlreichen Bereichen, darunter Steuern, Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung, Zugang zu Wohnraum und Wohneigentum, Rentenleistungen oder Erbrecht finanziell benachteiligt werden. Man unterscheidet drei Formen der rechtlichen Anerkennung, von der einfachen über die erweiterte bis zur vollständigen Anerkennung. Die einfache rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften besteht in einer Legalisierung gleichgeschlechtlicher De-facto-Partnerschaften (zusammenlebende Paare), um zusammenlebenden gleichgeschlechtlichen Paaren zumindest einen Teil der Rechte zu gewähren, die zusammenlebende verschiedengeschlechtliche Paare genießen. Mit der erweiterten rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wird die Möglichkeit der eingetragenen Lebenspartnerschaft (auch „Zivilunion“ genannt) geschaffen, um gleichgeschlechtlichen Paaren ein breiteres Spektrum an Rechten zu gewähren. Damit erhalten gleichgeschlechtliche Lebenspartner*innen aber in der Regel nicht die gleichen Rechte, die verheiratete verschiedengeschlechtliche Paare genießen. Homosexuelle Partner*innen haben in diesen Partnerschaften oft weniger Ansprüche als heterosexuelle Ehepartner*innen, insbesondere was die Erbrechte betrifft, selbst wenn sie über Jahrzehnte ihr Leben geteilt und gemeinsam Wohneigentum erworben haben.29 Solange gleichgeschlechtliche Ehen nicht gestattet sind, liegt also eine indirekte Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung vor, da gleichgeschlechtlichen Partner*innen Rechte vorenthalten werden, die Verheiratete genießen – und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Form der Partnerschaft, die ihnen diese Rechte verschaffen würde, für sie nicht möglich ist. Folglich ist die vollständige rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften nur mit der gleichgeschlechtlichen Ehe gegeben.

Internationale Menschenrechtsakteure bekräftigen immer wieder, dass gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Paare gleichbehandelt werden sollten (OHCHR, 2016[13]; Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2009[57]; I/A Court, 2017[31]). In Staaten, in denen unverheiratete heterosexuelle Paare Anspruch auf bestimmte finanzielle Vorteile haben, sollten diese auch unverheirateten homosexuellen Paaren zugänglich gemacht werden (vgl. z. B. Young gegen Australien 1999 (VN-Ausschuss für Menschenrechte, 2003[58]), Karner gegen Österreich 200330 und P. B. und J. S. gegen Österreich 201031). Desgleichen sollte überall dort, wo zivile Partnerschaften für verschiedengeschlechtliche Paare existieren, diese Möglichkeit auch gleichgeschlechtlichen Paaren eröffnet werden (vgl. z. B. Valliatanos und andere gegen Griechenland 201332). Außerdem sollten Länder, in denen die gleichgeschlechtliche Ehe nicht möglich ist, eingetragenen homosexuellen Partnerschaften die gleichen finanziellen Vorteile und Rechte einräumen wie verheirateten Paaren (vgl. z. B. Oliari und andere gegen Italien 201533).

Die EU-Mitgliedsländer sind nicht verpflichtet, gleichgeschlechtliche Ehen zuzulassen. In Artikel 9 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union heißt es: „Das Recht, eine Ehe einzugehen, und das Recht, eine Familie zu gründen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen gewährleistet, welche die Ausübung dieser Rechte regeln.“ Seit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) im sogenannten „Fall Coman“ (2018) sind die EU-Mitgliedsländer jedoch verstärktem Druck zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausgesetzt (Kasten 2.8). In diesem Fall entschied der EuGH, dass der Begriff „Ehegatte“ in der Freizügigkeitsrichtlinie der Europäischen Union „geschlechtsneutral“ sei, d. h. auch gleichgeschlechtliche Partner*innen einbeziehe. Alle EU-Mitgliedsländer sind also verpflichtet, den gleichgeschlechtlichen Ehepartner bzw. die gleichgeschlechtliche Ehepartnerin eines*einer EU-Bürger*in genauso zu behandeln wie einen bzw. eine verschiedengeschlechtliche Partner*in – unabhängig davon, ob die gesetzlichen Bestimmungen der jeweiligen Mitgliedsländer gleichgeschlechtliche Ehen oder zivilrechtliche Partnerschaften gestatten. Mit anderen Worten müssen EU-Länder, in denen gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht anerkannt sind, ihre einzelstaatlichen gesetzlichen Bestimmungen ändern, um einen Rechtsrahmen zu schaffen, der eine sachgemäße Umsetzung des Urteils des EuGH garantiert.

Die internationalen Menschenrechtsbestimmungen, die auf der Internationalen Menschenrechtscharta und der Europäischen Menschenrechtskonvention beruhen, enthalten noch keine Verpflichtung für die Länder, gleichgeschlechtliche Ehen zuzulassen. In Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 23 des Internationalen Pakts über bürgerliche Rechte und Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist das Recht zu heiraten für „Männer und Frauen“ niedergeschrieben. Diese Worte wurden zum Zeitpunkt der Abfassung dieser Menschenrechtsakte bewusst gewählt, um dieses Recht Personen unterschiedlichen biologischen Geschlechts vorzubehalten.34 An diese ursprüngliche Bedeutung erinnerte 2002 der VN-Menschenrechtsausschuss in der Rechtssache Joslin gegen Neuseeland sowie 2010 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Rechtssache Schalk und Kopf gegen Österreich. In diesen beiden richtungsweisenden Fällen verwarfen der VN-Menschenrechtsausschuss und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Forderung, ein Recht auf Eheschließung für alle könne mit der Internationalen Menschenrechtscharta oder der Europäischen Menschenrechtskonvention begründet werden. Sowohl das Menschenrechtsorgan der Vereinten Nationen als auch das des Europarats vertraten aber auch die Ansicht, dass es sich bei diesen Konventionen um entwicklungsfähige Instrumente handelt, die im Lichte der heutigen Gegebenheiten interpretiert werden müssen. Sie ermutigten die Länder daher, das in ihren Konventionen verankerte Recht zu heiraten zunehmend dahingehend auszulegen, dass beide Geschlechter das gleiche Recht auf Eheschließung haben und nicht, dass sie eine*einen Angehörige*n des anderen Geschlechts heiraten müssen – vgl. z. B. OHCHR (2018[59]) sowie Schalk und Kopf gegen Österreich 2010. Der Kommissar für Menschenrechte des Europarats erklärte 2017, dass „echtes Engagement für volle Gleichstellung“ erfordere, dass die Länder sich ernsthaft mit der Frage auseinandersetzten, gleichgeschlechtlichen Paaren die Ehe zu ermöglichen (CoE Commissioner for Human Rights, 2017[60]). Die gleichgeschlechtliche Ehe garantiert nicht nur die vollständige Gleichbehandlung homosexueller Paare in Bezug auf finanzielle Rechte, sondern auch, dass homosexuelle Partnerschaften den gleichen gesellschaftlichen Status erlangen können wie heterosexuelle Ehen. Die Ehe ist in der Tat eine soziale Institution mit einer langen Geschichte, die einen höheren „symbolischen“ Wert hat als zivile Partnerschaften (EJTN, 2018[61]). In einigen Untersuchungen wurde jüngst bestätigt, dass die Umwandlung einer zivilrechtlichen Partnerschaft in eine Ehe eine „Aufwertung“ darstellt, die für gleichgeschlechtliche Paare mit erheblichen Vorteilen verbunden ist. Dies gilt selbst in Ländern wie den Niederlanden, in denen eingetragene Partnerschaften und standesamtlich geschlossene Ehen in Bezug auf Rechte und Pflichten 100 % gleichgestellt sind. Diese Untersuchungen zeigten, dass gleichgeschlechtliche Partner*innen, die ihre zivilrechtliche Partnerschaft in eine Ehe umgewandelt haben, danach eine deutlich niedrigere Trennungsrate aufwiesen als vergleichbare Paare, die in einer zivilrechtlichen Partnerschaft geblieben waren. Dies deutet darauf hin, dass die Ehe einen echten Symbolwert hat und eine stabilisierende Wirkung auf gleichgeschlechtliche Paare ausübt (Chen, S. und J. van Ours, 2019[62]).

Wie die Menschenrechtsorganisationen der Vereinten Nationen und des Europarats erkennt auch die Organisation Amerikanischer Staaten an, dass die volle Gleichstellung gleichgeschlechtlicher und verschiedengeschlechtlicher Partnerschaften nur durch die Möglichkeit der gleichgeschlechtlichen Ehe erreicht werden kann. Was die Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare betrifft, geht sie aber noch einen Schritt weiter. In einer Stellungnahme aus dem Jahr 2017 entschied die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte, dass die Unterzeichnerstaaten der Amerikanischen Menschenrechtskonvention der Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare zustimmen müssen. In Artikel 17 dieser Konvention wird zwar ein ähnlicher Wortlaut verwendet wie in den Menschenrechtsinstrumenten der Vereinten Nationen und des Europarats, die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte legt die Formulierung, mit der „das Recht von Männern und Frauen im heiratsfähigen Alter, zu heiraten und eine Familie zu gründen“, anerkannt wird, jedoch fortschrittlicher aus: Sie vertritt die Ansicht, dass sich Artikel 17 nicht auf ein bestimmtes Familienmodell beschränkt. In der Stellungnahme der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte heißt es daher: „Die Staaten müssen den uneingeschränkten Zugang zu allen in ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehenen Mechanismen gewährleisten, einschließlich des Rechts zu heiraten, um die Rechte von Familien gleichgeschlechtlicher Paare ohne Benachteiligung gegenüber den Familien heterosexueller Paare zu schützen“ (I/A Court, 2017[31]).

Mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe gehen Vorteile einher, die nicht nur Lesben, Schwulen und Bisexuellen zugutekommen. Verheiratete Transgender sind damit nicht mehr gezwungen, sich scheiden zu lassen, wenn sie ihr personenstandsrechtliches Geschlecht (Geschlechtsangabe, Vorname) in Geburtsurkunde und/oder Identitätspapieren ändern lassen wollen. Zuvor mussten Transgender in den meisten Ländern für die rechtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität unverheiratet sein. Der dadurch gegebene De-facto-Scheidungszwang wurde in allen Ländern, die die gleichgeschlechtliche Ehe zulassen, inzwischen aufgehoben. In Ländern, die gleichgeschlechtliche Ehen nicht erlauben, besteht er weiterhin.

In Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Artikel 23 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, Artikel 9 der Charta der Grundrechte, Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 17 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention wird nicht nur das Recht zu heiraten anerkannt, sondern auch das Recht, eine Familie zu gründen. Eine Neuauslegung dieser Bestimmung soll sicherstellen, dass das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens für alle Menschen garantiert ist, auch für gleichgeschlechtliche Paare (OHCHR, 2018[59]). Diese Neuinterpretation setzt voraus, dass in der sexuellen Orientierung begründete diskriminierende Hindernisse beim Zugang zur Elternschaft beseitigt werden (OHCHR, 2016[13]).

Dies bedeutet zunächst, dass verschieden- und gleichgeschlechtlichen Paaren gleiche Adoptionsrechte garantiert werden (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2018[63]). Verschiedengeschlechtliche Paare genießen in allen Ländern Adoptionsrechte. Sie können entweder gemeinsam ein Kind adoptieren (gemeinschaftliche Adoption)35 oder der oder die eine Partner*in kann das Kind des oder der anderen adoptieren (Stiefkind- oder Sukzessivadoption). Eine Stiefkind- bzw. Sukzessivadoption liegt vor, wenn einer*eine der beiden Partner*innen das zweite rechtliche Elternteil des biologischen bzw. adoptierten Kindes seines*seiner Partner*in wird, ohne dass dieser*diese den rechtlichen Elternstatus verliert.36 Die Stiefkind- bzw. Sukzessivadoption ist für das Wohlbefinden der von beiden Partner*innen großgezogenen Kinder von entscheidender Bedeutung. Ohne Adoption werden die Kinder und der nicht rechtliche Elternteil Rechten beraubt, sollte der rechtliche Elternteil sterben. Dies kann auch im Fall einer Scheidung, Trennung oder unter anderen Umständen, die den rechtlichen Elternteil daran hindern, seinen elterlichen Pflichten nachzukommen, geschehen.

Eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare beim Zugang zu Adoptionsrechten wäre nur gerechtfertigt, wenn Kinder, die von gleichgeschlechtlichen Eltern großgezogen werden, im Vergleich zu Kindern benachteiligt sind, die bei verschiedengeschlechtlichen Eltern aufwachsen. Internationale Menschenrechtsakteure haben in der Tat immer wieder betont, dass es so etwas wie ein Recht auf ein Kind nicht gibt. Mit anderen Worten sollte die Adoption als ein Vorgang verstanden werden, „bei dem einem Kind eine Familie geschenkt wird und nicht einer Familie ein Kind“ (Pini und andere gegen Rumänien, 2004). Folglich hat das Wohl des Kindes immer Vorrang, wenn die Interessen des Kindes den Interessen der Partner*innen, die sich die Adoption wünschen, widerstreiten. Es gibt jedoch überzeugende empirische Belege dafür, dass es Kindern gleichgeschlechtlicher Eltern keinesfalls schlechter geht als solchen verschiedengeschlechtlicher. Im Gegenteil wird häufig beobachtet, dass diese Kinder bessere Bildungsergebnisse erzielen und gesünder sind (Kasten 2.9).

Im Einklang mit diesen Erkenntnissen haben internationale Menschenrechtsgerichte eine Reihe von Urteilen erlassen, die gleichgeschlechtlichen Paaren gleiche Elternrechte zuerkennen. In Europa hat dieser Trend bereits 1999 mit dem Fall Salgueiro da Silva Mouta gegen Portugal eingesetzt. In dieser Rechtssache ging es darum, dass der Beschwerdeführer, ein schwuler Mann, der mit einem anderen Mann zusammenlebte, von seiner Ex-Frau daran gehindert wurde, seine Tochter zu sehen – entgegen der Vereinbarung, die zwischen den beiden zum Zeitpunkt der Scheidung getroffen worden war. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied, dass es eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Familienlebens (Artikel 8) sowie des Diskriminierungsverbots (Artikel 14) gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention darstelle, wenn einem in einer homosexuellen Beziehung lebenden Elternteil das Sorge- und Besuchsrecht verweigert wird. In der Folgezeit wurden zwei ähnliche Urteile zum Adoptionsrecht gefällt. In der Rechtssache E. B. gegen Frankreich kam der Gerichtshof 2008 zu dem Schluss, dass die Ablehnung des Adoptionsgesuchs einer Frau, die mit einer anderen Frau zusammenlebt, eine mit der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbare Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung darstellt, da das französische Recht die Adoption durch Einzelpersonen (Einzeladoption) erlaubt. In der Beschwerdesache X und andere gegen Österreich 2013, entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Unmöglichkeit der Stiefkindadoption für unverheiratete gleichgeschlechtliche Paare in Ländern, in denen unverheirateten heterosexuellen Paaren dieses Recht gewährt wird, eine Verletzung des Diskriminierungsverbots darstellt.

Zur Beseitigung diskriminierender Einschränkungen beim Zugang zur Elternschaft müssen nicht nur gleiche Adoptionsrechte für gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Paare geschaffen werden. Erforderlich ist auch ein gleichberechtigter Zugang zur Reproduktionsmedizin (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2018[63]). In mehreren Ländern haben unfruchtbare verschiedengeschlechtliche Paare Zugang zu Kinderwunschtherapien wie künstlicher Befruchtung mittels Samenspende oder In-vitro-Fertilisation (mittels Samen- und/oder Eizellenspende). In einigen wenigen Ländern können unfruchtbare heterosexuelle Paare, in denen die Frau selbst keine Kinder austragen kann, auch eine Leihmutter beauftragen.37

Da es so etwas wie ein Recht auf ein Kind nicht gibt, liegt es im Ermessen jedes einzelnen Landes, die Nutzung der Reproduktionsmedizin zu gestatten oder nicht zu gestatten. Das in internationalen Menschenrechtsbestimmungen verankerte Prinzip der Nichtdiskriminierung verlangt indessen die Gleichbehandlung verschiedengeschlechtlicher und gleichgeschlechtlicher Paare beim Zugang zu diesen Techniken, solange nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, dass Kinder aus gleichgeschlechtlichen Familien schlechter gestellt sind als Kinder heterosexueller Eltern. Da aus empirischen Untersuchungen das Gegenteil hervorgeht (Kasten 2.9), sollte gleichgeschlechtlichen Paaren der Zugang zu künstlicher Befruchtung eröffnet werden, sobald er verschiedengeschlechtlichen Paare offensteht.

Des Weiteren setzt die Gleichbehandlung gleich- und verschiedengeschlechtlicher Paare beim Zugang zu künstlicher Befruchtung die diskriminierungsfreie automatische Anerkennung des*der anderen Partner*in als zweiter Elternteil voraus. Das bedeutet, dass der*die gleichgeschlechtliche Partner*in des Elternteils, der ein durch künstliche Besamung oder In-vitro-Fertilisation gezeugtes Kind zur Welt bringt, genauso wie der männliche Partner einer Frau, die dank künstlicher Befruchtung ein Kind bekommt, automatisch als zweiter rechtlicher Elternteil anerkannt werden sollte (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2018[63]).

Bestimmungen internationaler Menschenrechtsstandards, die die besonderen Hindernisse beseitigen sollen, denen sich Transgender und Intersexuelle gegenübersehen, dienen der Verwirklichung folgender drei Ziele: 1. Transgeschlechtlichkeit entpathologisieren, 2. eine nichtbinäre Geschlechtsoption in Geburtsregistereinträgen und anderen Identitätspapieren zulassen, um nichtbinären Transgender-Personen und Intersexuellen besser gerecht zu werden, 3. medizinisch unnötige geschlechtsnormierende Behandlungen oder Eingriffe an intersexuellen Minderjährigen so lange aufschieben, bis sie in voller Sachkenntnis ihre Einwilligung geben können.

2016 haben verschiedene Organe der Vereinten Nationen zusammen mit dem Menschenrechtskommissar des Europarats, der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte und der Afrikanischen Kommission der Menschenrechte und der Rechte der Völker eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, in der erneut daran erinnert wurde, dass Lesbisch-, Schwul-, Bisexuell- und Transsein „Teil der reichen Vielfalt der menschlichen Natur“ sei und dass die Pathologisierung von LGBTI-Erwachsenen und -Kindern, d. h. ihre Brandmarkung als krank aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, beendet werden sollte. In der gemeinsamen Erklärung wurde insbesondere tiefe Besorgnis darüber geäußert, dass Transgender-Kinder und -Erwachsene in internationalen und nationalen medizinischen Klassifikationen weiterhin pathologisiert werden (OHCHR et al., 2016[71]).

Zur Entpathologisierung von Transsexualität bzw. Transsein müssen in drei Bereichen Maßnahmen ergriffen werden: Als erstes muss dafür gesorgt werden, dass Transsexualität in den nationalen klinischen Klassifikationen nicht als psychische Störung eingestuft wird. Dies wurde erstmals offiziell in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Februar 2014 zum EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität gefordert. „Die Kommission sollte innerhalb der Weltgesundheitsorganisation weiterhin daran arbeiten, Störungen der Geschlechtsidentität von der Liste der psychischen Störungen und der Verhaltensstörungen zu streichen und in den Verhandlungen über die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) erwirken, dass diese nicht mehr als Krankheiten eingestuft werden (Europäisches Parlament, 2014[6]). 2019 verabschiedeten die Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation die 11. Revision der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11), mit der der Begriff „Geschlechtsinkongruenz“, der zuvor für Transidentitäten verwendet wurde, aus der Liste der psychischen Störungen gestrichen wurde. Die ICD-11 soll am 1. Januar 2022 in allen Ländern in Kraft treten. Es kann aber sein, dass diesem wichtigen Schritt hin zur Entpathologisierung von Transgeschlechtlichkeit auf nationaler Ebene keine bedeutenden Veränderungen folgen werden. Das Umsetzungsdatum ist nicht verbindlich, d. h. die Mitgliedsländer können sich mit der Anpassung ihrer nationalen Klassifikation an die ICD-11 auch mehr Zeit lassen.

Als zweites ergibt sich aus der Entpathologisierung von Transgeschlechtlichkeit, dass Transgender-Personen gestattet werden muss, ihr personenstandsrechtliches Geschlecht zu ändern (d. h. das Geburtsgeschlecht und die Vornamen, die das Geschlecht erkennen lassen). Da Transgeschlechtlichkeit keine psychische Störung ist, sollten Personen, deren Geschlechtsidentität nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht übereinstimmt, auch nicht psychiatrisch behandelt werden, um die eigene Geschlechtswahrnehmung dem biologischen Geschlecht anzupassen. Vielmehr sollten Transgender das Recht haben, ihre Identität auszuleben und folglich die Geschlechtsangabe in ihrem Geburtsregistereintrag und anderen Identitätspapieren zu ändern. Um ein Leben in Würde und Respekt führen zu können, ist es für Transgender-Personen unerlässlich, dass ihr personenstandsrechtliches Geschlecht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt. Ohne rechtliche Geschlechtsanerkennung können Transgender-Personen bei alltäglichen Erledigungen (wie z. B. beim Abholen eines Pakets bei der Post), beim Zugang zu Wohnraum, Bildung, Beschäftigung und Gesundheitsversorgung, beim Reisen (z. B. beim Einsteigen in ein Flugzeug) oder sogar beim Einreichen einer Belästigungsklage immer wieder in Situationen geraten, in denen sie Schikanen, unbegründeten Verdächtigungen und möglicherweise sogar Gewalt ausgesetzt sind. Die Notwendigkeit der personenstandsrechtlichen Anerkennung der Geschlechtsidentität von Transgender-Personen wurde von Menschenrechtsorganen bei verschiedenen Gelegenheiten betont. So kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte z. B. in der Rechtssache B. gegen Frankreich im Jahr 1992 zu dem Schluss, dass die unterbliebene rechtliche Anerkennung der neuen Geschlechtsidentität einer Transfrau eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privatlebens (Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention) darstellte. Laut Urteil des Gerichtshofs brachte die Weigerung, den Eintrag der Beschwerdeführerin im Personenstandsregister zu ändern, die Person „täglich in eine Situation, die nicht mit der Achtung ihres Privatlebens vereinbar ist“.

Als drittes beinhaltet die Entpathologisierung von Transgeschlechtlichkeit, dass Transgender ihr personenstandsrechtliches Geschlecht (Geschlechtsangabe, Vornamen) in Geburtsregistereinträgen und anderen Identitätspapieren ändern lassen können, ohne medizinische Auflagen erfüllen zu müssen. Da viele Länder Transgeschlechtlichkeit als Krankheit betrachten, knüpfen sie die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts an Bedingungen wie z. B. eine Sterilisation und/oder die Durchführung geschlechtsangleichender Operationen oder Behandlungen, die normalerweise zu Unfruchtbarkeit führen. In den meisten Ländern ist auch eine psychiatrische Diagnose erforderlich, die die „Krankheit“ der Transgender-Person bestätigt. 2018 verurteilte der Unabhängige VN-Sachverständige für den Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität aufs Schärfste, dass Transgender in Verfahren zur rechtlichen Geschlechtsanerkennung regelmäßig gezwungen werden, sich psychiatrischen Begutachtungen, ungewollten Operationen, Sterilisationen oder anderen unfreiwilligen medizinischen Eingriffen zu unterziehen, die häufig durch diskriminierende medizinische Klassifikationen gerechtfertigt werden (VN-Menschenrechtsrat, 2018[72]). Die Organe des Europarats setzen sich ähnlich stark für die Förderung der personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts auf der Basis der Selbstbestimmung ein. Dabei geht es um das Prinzip, dass Transgender für die Angabe ihrer Geschlechtsidentität zwecks Anerkennung keiner Validierung durch Dritte wie Expert*innen oder Richter*innen bedürfen (CoE Commissioner for Human Rights, 2009[73]; CoE Committee of Ministers, 2010[22]; Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2015[74]). 2017 kam der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zu dem Schluss, dass Zwangssterilisationen für die rechtliche Geschlechtsanerkennung eine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privatlebens) darstellen. Hierdurch wurden alle Mitgliedsländer des Europarats nachdrücklich aufgefordert, ihre gesetzlichen Bestimmungen und Praktiken mit diesem Urteil in Einklang zu bringen (A. P., Garçon und Nicot gegen Frankreich, 2017). Auch der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte formulierte in seiner richtungsweisenden Stellungnahme OC-24/17 detaillierte Schlussfolgerungen zur rechtlichen Geschlechtsanerkennung auf der Grundlage der Amerikanischen Konvention der Menschenrechte. Der Gerichtshof erklärte, dass die rechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts keine Operationen, Hormontherapien, Sterilisationen oder körperliche Veränderungen voraussetzen darf, da dies gegen das Recht des Einzelnen auf persönliche Integrität (Artikel 5), Schutz der Privatsphäre (Artikel 11) und persönliche Freiheit (Artikel 7) sowie gegen das Diskriminierungsverbot (Artikel 24) verstoßen würde. Des Weiteren forderte der Gerichtshof, dass die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts rasch erfolgen und erschwinglich sein muss und dass sie ausschließlich auf dem freien, in voller Sachkenntnis formulierten Wunsch des Antragstellenden beruhen muss, was Auflagen wie medizinische, psychologische oder psychiatrische Begutachtungen oder Zertifizierungen ausschließt (I/A Court, 2017[31]).

Natürlich ist der Zugang zu flexiblen Verfahren der rechtlichen Geschlechtsanerkennung auch für intersexuelle Menschen von entscheidender Bedeutung. Da kosmetische Genitaloperationen an Neugeborenen zur Geschlechtsnormierung immer noch weitverbreitet sind, kann es sein, dass sie eine Geschlechtsidentität entwickeln, die nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2015[74]).

Die Einteilung der Menschen in zwei Geschlechtskategorien – „w“ (weiblich) und „m“ (männlich) – und ihre Verankerung in den Personenstandsregistern und Identitätsdokumenten ist ein entscheidendes strukturierendes Element der Gesellschaft. Sie fußt jedoch auf der falschen Vorstellung, dass alle Menschen in die binären Geschlechtskategorien „männlich“ und „weiblich“ passen. Damit verstößt sie gegen die Menschenrechte von Personen, die nicht eindeutig diesen Kategorien zugeordnet werden können. Betroffen sind in erster Linie Intersexuelle, aber auch all jene Transgender, die sich selbst weder als Mann noch als Frau oder als Frau und Mann zugleich betrachten.

Internationale Menschenrechtsorgane betonen immer wieder, dass die Staaten verpflichtet sind, die Menschenrechte aller Personen mit nichtbinärer Geschlechtsidentität zu schützen, zu achten und zu gewährleisten. In seinem Bericht Living Free and Equal, fordert das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte die Länder nachdrücklich auf, Rechtsvorschriften zu erlassen, die die Anerkennung nichtbinärer Identitäten ermöglichen (OHCHR, 2016[13]). Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat zahlreiche Resolutionen zur rechtlichen Geschlechtsanerkennung auch nichtbinärer Personen verabschiedet. In der Resolution 2048 werden die Länder aufgefordert, für Personen, die dies wünschen, die Möglichkeit des Eintrags eines dritten Geschlechts in Identitätspapieren in Betracht zu ziehen. In der Resolution 2191 werden die Länder aufgefordert, sicherzustellen, dass überall dort, wo öffentliche Stellen Geschlechtsklassifikationen verwenden, verschiedene Optionen für alle Menschen verfügbar sind, auch für solche Intersexuelle, die sich weder als männlich noch als weiblich identifizieren (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2017[30]). Der Interamerikanische Gerichtshof erkennt in seiner Stellungnahme OC-24/17 ebenfalls an, dass sich einige Menschen selbst weder als weiblich noch als männlich oder als zugleich weiblich und männlich identifizieren und dass das Recht nichtbinärer Personen auf amtliche Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität in der Amerikanischen Konvention der Menschenrechte verankert ist (I/A Court, 2017[31]). In seiner Entschließung von 2019 zu den Rechten intersexueller Personen begrüßte das Europäische Parlament die Einrichtung „flexibler Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags [...], (einschließlich der Möglichkeit geschlechtsneutraler Namen)“ (Europäisches Parlament, 2019[28]).

Die Zulassung einer nichtbinären Geschlechtsoption in Geburtsurkunden ist ein bedeutender weiterer Garant für die Wahrung der Menschenrechte intersexueller Personen. Indem sie den Druck zur Einordnung intersexueller Babys als männlich oder weiblich mindern, tragen solche gesetzlichen Bestimmungen dazu bei, die vermeintliche medizinische Notwendigkeit folgenschwerer geschlechtsnormierender Behandlungen oder Eingriffe zu reduzieren – eine Thematik, die im folgenden Abschnitt ausführlicher erörtert wird (FRA, 2015[1]).

Auch wenn die Transgeschlechtlichkeit in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten ICD-11 von der Liste der psychischen Störungen gestrichen wurde, gelten Variationen der Geschlechtsmerkmale weiterhin als „Störungen der Geschlechtsentwicklung“ und damit als Pathologien (CoE Commissioner for Human Rights, 2019[75]). Dabei werden selbst gesundheitlich unbedenkliche Variationen der Geschlechtsmerkmale, die keine Gefahr für das Leben intersexueller Neugeborener darstellen, als Situationen betrachtet, die einen Eingriff zur „Aufhebung der Ambiguität“ bedürfen, damit das Kind klar als weiblich oder männlich ausgewiesen werden kann.

Laut einer Erhebung aus dem Jahr 2015, die von der EU-Grundrechteagentur veröffentlicht wurde, sind medizinisch nicht notwendige „geschlechtsnormierende“ Operationen an intersexuellen Säuglingen und Kindern weitverbreitet. Sie werden in mindestens 21 EU-Mitgliedsländern durchgeführt (FRA, 2015[1]). Diese eigentlich nur kosmetischen Interventionen an gesunden Körpern werden von medizinischen Fachkräften dennoch häufig als „medizinisch erforderlich“ dargestellt. Als Begründung wird angeführt, dass solche Eingriffe für die psychosoziale Entwicklung der Kinder wichtig sind, weil sie sonst wegen ihrer Nichtkonformität mit dem binären Mann-Frau-Schema stigmatisiert würden. Die von internationalen Menschenrechtsakteuren gesammelten Daten zeigen jedoch, dass geschlechtsnormierende Operationen häufig einen enormen körperlichen und seelischen Leidensdruck auslösen. Dieser Leidensdruck ist oft deutlich größer als die Stigmatisierung, zu der es kommen kann, wenn die äußeren Geschlechtsorgane nicht „normal“ genug aussehen, um nach den gängigen gesellschaftlichen und medizinischen Vorstellungen klar als weiblich oder männlich eingestuft werden zu können.

Solche Operationen sind häufig sehr invasiv und machen zahlreiche Nachbehandlungen erforderlich. Sie können zu hormonellen Problemen sowie zu Nabenschmerzen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr führen. Eines der Probleme ist, dass die Entscheidung häufiger zugunsten des weiblichen Geschlechts ausfällt und eine Vaginoplastik durchgeführt wird – einfach, weil eine funktionale Vagina leichter zu konstruieren ist als ein funktionaler Penis. Diese Verfahren zur Feminisierung haben sich jedoch als traumatisierend erwiesen. Der Europäische Kommissar für Menschenrechte schreibt dazu: „Wenn dieser Eingriff in früher Kindheit ausgeführt wird, muss die Neo-Vagina mit Hilfe eines Dilators offen gehalten werden, was bedeutet, dass der Dilator üblicherweise in regelmäßigen Abständen von der Mutter des Kindes eingeführt werden muss. Diese Prozedur wiederholt sich die ganze Kindheit über. Intergeschlechtliche Menschen betonen, dass dies äußerst schmerzvoll und vergleichbar mit einer Art Vergewaltigung gewesen sei. Die Prozedur muss möglicherweise in späteren Lebensabschnitten fortgeführt werden [...]“ (CoE Commissioner for Human Rights, 2017[41]).

Die negativen Folgen geschlechtsnormierender Operationen werden dadurch verstärkt, dass sie irreversibel sind: Wenn sich die Geschlechtsidentität des Kindes nicht im Einklang mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht entwickelt, kann kein „Gegenmittel“ angeboten werden. Die Möglichkeit einer Divergenz zwischen der Geschlechtsidentität und dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht wurde von Ärzt*innen lange bestritten, die sich damit der Theorie von John Money anschlossen (Kasten 2.10). Es gibt jedoch nicht genügend Belege dafür, dass sich die Geschlechtsidentität entsprechend dem Geburtsgeschlecht entwickelt, wenn einem intersexuellen Kind ein bestimmtes Geschlecht zugewiesen wird und es mit diesem Geschlecht aufgezogen wird. Unter einer Stichprobe von 272 intersexuellen Menschen in Australien beispielsweise identifizierten sich 8 % selbst als transgender. Dieser Prozentsatz liegt deutlich über den höchsten Schätzwerten des Anteils der Transgender-Personen auf der Basis repräsentativer nationaler Daten (0,6 %). Dies deutet darauf hin, dass intersexuellen Kindern bei der Geburt deutlich häufiger das falsche Geschlecht zugewiesen wird als angenommen (Jones et al., 2016[76]; Flores et al., 2016[77]; OECD, 2019[2]).

Die Auffassung, dass medizinische und chirurgische Behandlungen intersexueller Minderjähriger sowohl für die Gesellschaft als auch für die Betroffenen notwendig und wünschenswert sind, wird zunehmend infrage gestellt. Seit der Veröffentlichung der Stellungnahme der Schweizer Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) im Jahr 2012 haben zahlreiche Ärzt*innen ihre Einstellung gegenüber intersexuellen Menschen geändert. Die NEK äußert sich eindeutig: „Ein irreversibler geschlechtsbestimmender Eingriff, der mit körperlichen und seelischen Schäden verbunden ist, kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Familie, die Schule oder das soziale Umfeld Schwierigkeiten haben, das Kind in seinem natürlich gegebenen Körper anzunehmen“. Sie empfiehlt daher, dass alle irreversiblen geschlechtszuweisenden Behandlungsentscheidungen aufgeschoben und erst dann getroffen werden sollten, „wenn die zu behandelnde Person selbst darüber entscheiden kann“. Dies könne nur dann nicht gelten, wenn ein dringender medizinischer Eingriff erforderlich sei, um schwere Schäden an Körper und Gesundheit abzuwenden. Nach Ansicht der Kommission erlangt ein Kind diese Fähigkeit im Alter von 10 bis 14 Jahren. Kinder sollten aber selbst vor diesem Alter die Möglichkeit bekommen, sich in altersgerechter Weise am Entscheidungsverfahren zu beteiligen. Die NEK hebt auch die Notwendigkeit hervor, die Integrität des Kindes zu schützen. „Eine psychosoziale Beratung und Begleitung sollte allen betroffenen Kindern und Eltern persönlich durch Fachpersonen kostenfrei angeboten werden“ (NEK-CNE, 2012[78]).

Diese Vorgehensweise wird auch von internationalen Menschenrechtsakteuren nachdrücklich befürwortet. Sie sind einhellig der Ansicht, dass medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Behandlungen oder Operationen an intersexuellen Minderjährigen 1. Folter und anderen grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen oder Strafen und 2. einer Verletzung des Rechts auf Privatleben gleichkommen. Am bedeutendsten ist in diesem Zusammenhang die gemeinsame Erklärung, die sieben Organisationen der Vereinten Nationen, darunter das OHCHR und die Weltgesundheitsorganisation, herausgegeben haben. In den Handlungsempfehlungen dieses Texts werden die Länder nachdrücklich aufgefordert, „Rechtsgarantien für eine vollständige, freie und fundierte Entscheidungsfindung sowie die Abschaffung erzwungener, ungewollter und auf andere Weise unfreiwilliger Sterilisationen einzuführen und diesbezügliche Gesetze, Vorschriften und Maßnahmen zu prüfen und zu novellieren bzw. zu schaffen“. In der Erklärung heißt es weiter, dass eine Behandlung aufgeschoben werden solle, wenn sie medizinisch nicht unbedingt notwendig ist, d. h. das physische Wohlbefinden einer intersexuellen Person nicht in Gefahr ist, bis die Person über die erforderliche Reife verfügt, um sich an einer fundierten Entscheidungsfindung zu beteiligen und ihr Einverständnis zu geben (OHCHR et al., 2014[79]). Außerdem fordert das Hohe Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte in seinem Bericht über empfehlenswerte Vorgehensweisen bei der Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität die Mitgliedsländer nachdrücklich auf, medizinisch nicht notwendige Eingriffe an intersexuellen Kindern zu verbieten (OHCHR, 2015[12]). Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat ihrerseits zwei richtungsweisende Beschlüsse verabschiedet. In der Resolution 1952 werden die Länder aufgefordert sicherzustellen, dass kein Kind unnötigen medizinischen oder chirurgischen Eingriffen unterzogen wird, sofern diese für die Gesundheit des Kindes nicht unerlässlich sind. Es wird an sie appelliert, zum Wohl des Kindes seine körperliche Unversehrtheit, Autonomie und Selbstbestimmung zu garantieren und intersexuellen Kindern und ihren Familien angemessene Beratung und Unterstützung zukommen zu lassen (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2013[80]). In der Resolution 2191 werden die Mitgliedsländer expliziter aufgefordert, medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Operationen, Sterilisationen und andere Behandlungen an intersexuellen Kindern zu verbieten, die ohne deren in voller Sachkenntnis erteilte Einwilligung durchgeführt werden (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2017[30]). Die Generalversammlung der Organisation Amerikanischer Staaten hat ihrerseits zahlreiche Resolutionen verabschiedet, in denen die Mitgliedsländer allgemein aufgefordert werden, intersexuelle Menschen durch gesetzliche Bestimmungen und Maßnahmen zu schützen, die sicherstellen, dass die medizinischen Praktiken mit den Menschenrechtsstandards in Einklang stehen (OAS-Generalversammlung, 2013[81]; OAS-Generalversammlung, 2016[82]; 2017[83]; 2018[84]). Der Interamerikanische Gerichtshof empfiehlt in seinem Bericht zur Anerkennung von LGBTI den Mitgliedstaaten ausdrücklich, unnötige medizinische Interventionen zu verbieten, die ohne die freiwillige, vorherige und in voller Sachkenntnis erteilte Einwilligung der betroffenen intersexuellen Person durchgeführt werden. In diesem Bericht und im Bericht des IACHR über Gewalt gegenüber LGBTI-Personen wird die Auffassung vertreten, dass derartige chirurgische Eingriffe an intersexuellen Kindern aufgeschoben werden sollten, bis diese selbst ihre Einwilligung geben können (IACHR, 2015[26]; IACHR, 2018[27]). Das Europäische Parlament schließlich „verurteilt genitalnormalisierende Behandlungen und Operationen auf das Schärfste“, „begrüßt Gesetze zum Verbot von Operationen (wie in Malta und Portugal)“ und „fordert die anderen Mitgliedstaaten auf, möglichst bald ähnliche Rechtsvorschriften zu erlassen“, wie in seiner richtungsweisenden Entschließung zu den Rechten intersexueller Personen von 2019 zu lesen ist.

Literaturverzeichnis

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[45] ARTICLE 19 (2012), Prohibiting incitement to discrimination, hostility or violence, ARTICLE 19, London, https://www.article19.org/data/files/medialibrary/3548/ARTICLE-19-policy-on-prohibition-to-incitement.pdf.

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[51] CoE Commissioner for Human Rights (2011), “Stellungnahme des Kommissars für Menschenrechte über nationale Strukturen zur Förderung der Gleichstellung”, 21. März, Straßburg, https://rm.coe.int/stellungnahme-des-kommissars-fur-menschenrechte-uber-nationale-struktu/16806da5fb.

[73] CoE Commissioner for Human Rights (2009), “Human Rights and Gender Identity”, Issue Paper, https://rm.coe.int/ref/CommDH/IssuePaper(2009)2.

[22] CoE Committee of Ministers (2010), Recommendation CM/Rec(2010)5 of the Committee of Ministers to member states on measures to combat discrimination on grounds of sexual orientation or gender identity, https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectID=09000016805cf40a.

[32] Donald, A. und E. Howard (2015), “The right to freedom of religion or belief and its intersection with other rights”, Forschungspapier für ILGA-Europe, https://www.ilga-europe.org/sites/default/files/Attachments/the_right_to_freedom_of_religion_or_belief_and_its_intersection_with_other_rights__0.pdf.

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[28] Europäisches Parlament (2019), Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2019 zu den Rechten intersexueller Personen (2018/2878(RSP)), http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2019-0128_DE.pdf.

[56] Europäisches Parlament (2019), Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Januar 2019 zur Lage der Grundrechte in der Europäischen Union 2017 (2018/2103(INI)), http://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2019-0032_DE.pdf.

[6] Europäisches Parlament (2014), Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Februar 2014 zu dem EU-Fahrplan zur Bekämpfung von Homophobie und Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität (2013/2183(INI)), https://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?reference=P7-TA-2014-0062&type=TA&language=DE&format=PDF&redirect.

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[78] NEK-CNE (2012), “Zum Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung. Ethische Fragen zur «Intersexualität»”, Stellungnahme, Nr. 20/2012, Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin, Bern, https://www.nek-cne.admin.ch/inhalte/Themen/Stellungnahmen/NEK_Intersexualitaet_De.pdf.

[84] OAS-Generalversammlung (2018), Promotion and Protection of Human Rights, AG/RES. 2928 (XLVIII-O/18), Organisation Amerikanischer Staaten, Washington, D.C., http://www.oas.org/en/sla/dil/docs/AG-RES_2928_XLVIII-O-18.pdf.

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[25] OAS-Generalversammlung (2008), Human Rights, Sexual Orientation and Gender Identity, AG/RES. 2435 (XXXVIII-O/08), Proceedings Volume 1, S. 287, Organisation Amerikanischer Staaten, Washington, D.C., http://www.oas.org/consejo/GENERAL%20ASSEMBLY/Documents/ag04269e06.doc.

[2] OECD (2019), Society at a Glance 2019: OECD Social Indicators, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/soc_glance-2019-en.

[59] OHCHR (2018), “Article 16: Right to Marry and to Found a Family”, Teil der Artikelserie "30 Articles on the 30 Articles" zum 70. Jahrestag der Menschenrechtserklärung, Hohes Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Genf, https://www.standup4humanrights.org/layout/files/30on30/UDHR70-30on30-article16-eng.pdf.

[13] OHCHR (2016), Living Free and Equal. What states are doing to tackle violence and discrimination against lesbian, gay, bisexual, transgender and intersex people, Hohes Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Genf, https://www.ohchr.org/Documents/Publications/LivingFreeAndEqual.pdf.

[12] OHCHR (2015), Discrimination and violence against individuals based on their sexual orientation and gender identity, Hohes Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Genf, https://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/HRC/29/23&referer=/english/&Lang=E.

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[10] OHCHR (2012), Born Free and Equal. Sexual Orientation and Gender Identity in International Human Rights Law, Hohes Kommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Genf, https://www.ohchr.org/Documents/Publications/BornFreeAndEqualLowRes.pdf.

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[30] Parlamentarische Versammlung des Europarates (2017), Resolution 2191 on Promoting the human rights of and eliminating discrimination against intersex people, https://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=24232&lang=en.

[74] Parlamentarische Versammlung des Europarates (2015), Resolution 2048 on Discrimination against transgender people in Europe, https://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-EN.asp?fileid=21736.

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[80] Parlamentarische Versammlung des Europarates (2013), Resolution 1952 on Children’s right to physical integrity, http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=20174.

[23] Parlamentarische Versammlung des Europarates (2010), Resolution 1728 on the Discrimination on the basis of sexual orientation and gender identity, http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=17853&lang=en.

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[21] Parlamentarische Versammlung des Europarates (2000), Recommendation 1474 on the Situation of lesbians and gays in Council of Europe member states, http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=16829&lang=en.

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[58] VN-Ausschuss für Menschenrechte (2003), Young vs. Australia 1999, Views – Communication No. 941/2000, CCPR/C/78/D/941/2000, https://undocs.org/CCPR/C/78/D/941/2000.

[29] VN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (2009), Allgemeine Bemerkung Nr. 20 über Nichtdiskriminierung bei den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten (Artikel 2 Absatz 2 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte), E/C.12/GC/20, https://www.un.org/Depts/german/wiso/e-c12-gc-20.pdf.

[18] VN-Generalsekretär (2018), “Secretary-General’s video message to the Ministerial Level meeting of the UN LGBTI Core Group”, Statement, 25. September, https://www.un.org/sg/en/content/sg/statement/2018-09-25/secretary-generals-video-message-ministerial-level-meeting-un-lgbti.

[15] VN-Generalsekretär (2015), “Secretary-General’s remarks at the High Level LGBT Core Group Event ’Leaving No-One Behind: Equality & Inclusion in the Post-2015 Development Agenda’”, Statement, 29. September, https://www.un.org/sg/en/content/sg/statement/2015-09-29/secretary-generals-remarks-high-level-lgbt-core-group-event-leaving.

[37] VN-Generalversammlung (2016), Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression, A/71/373, https://undocs.org/A/71/373.

[50] VN-Generalversammlung (1993), “Nationale Institutionen zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte, Resolution A/RES/48/134”, in Resolutionen und Beschlüsse der achtundvierzigsten Tagung der Generalversammlung, Band I, S. 280-283, https://www.un.org/Depts/german/gv-48/a-48-49-bd1.pdf.

[72] VN-Menschenrechtsrat (2018), Report of the Independent Expert on protection against violence and discrimination based on sexual orientation and gender identity, A/HRC/38/43, https://undocs.org/A/HRC/38/43.

[16] VN-Menschenrechtsrat (2016), Resolution on Protection against violence and discrimination based on sexual orientation and gender identity, A/HRC/RES/32/2, https://undocs.org/en/A/HRC/RES/32/2.

[11] VN-Menschenrechtsrat (2014), Resolution on Human rights, sexual orientation and gender identity, A/HRC/RES/27/32, https://undocs.org/en/A/HRC/RES/27/32.

[8] VN-Menschenrechtsrat (2011), Resolution on Human rights, sexual orientation and gender identity, A/HRC/RES/17/19, https://undocs.org/en/A/HRC/RES/17/19.

[17] VN-Sicherheitsrat (2016), “Security Council Press Statement on Terrorist Attack in Orlando, Florida”, Pressemitteilung, 13. Juni, https://www.un.org/press/en/2016/sc12399.doc.htm (Abruf: 25. November 2019).

[34] VN-Sonderberichterstatter über Religions- und Weltanschauungsfreiheit (2017), Special Rapporteur’s Compilation of Articles on Freedom of religion or belief and Sexuality, https://www.ohchr.org/Documents/Issues/Religion/ArticlesCompilationForbAndSexuality.pdf.

[66] Watkins, C. (2018), “School Progress Among Children of Same-Sex Couples”, Demography, Vol. 55/3, S. 799-821, https://doi.org/10.1007/s13524-018-0678-3.

Anmerkungen

← 1. So erzählt beispielsweise der kanadische intersexuelle Dramatiker und Filmemacher Alec Butler, der als Mädchen geboren wurde und aufwuchs, wie sich sein Leben im Alter von zwölf Jahren schlagartig veränderte, als bei ihm sowohl Periode als auch Bartwuchs einsetzten. Vgl. https://www.bbc.com /news/magazine-36092431 (Abruf: 24. Oktober 2019).

← 2. Der Katalog dieser gesetzlichen Bestimmungen ist breit gefasst. Er deckt den Großteil der Gesetzesmaßnahmen ab, die in den Yogyakarta-Prinzipien gefordert werden. Dieser wegweisende Katalog von Grundsätzen wurde 2007 und 2017 von internationalen Menschenrechtsexpert*innen ausgearbeitet, um Diskriminierungen von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität zu verhindern. Mitgewirkt haben dabei Vertreter*innen der Internationalen Juristenkommission (ICJ), des Internationalen Diensts für Menschenrechte (ISHR) sowie anderer Menschenrechtsakteure aus 25 Ländern mit unterschiedlichstem Hintergrund. Verantwortlicher Berichterstatter für die Yogyakarta-Prinzipien war der irische Menschenrechtsexperte Michael O’Flaherty, gegenwärtig Direktor der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, die mit der Erhebung und Analyse von Daten zu den Grundrechten beauftragt ist.

← 3. Nur fünf OECD-Länder gehören keinem regionalen System zum Schutz der Menschenrechte an und unterliegen daher nur den Regeln der Vereinten Nationen auf diesem Gebiet: Israel und die vier im Asien-Pazifik-Raum gelegenen OECD-Länder (Australien, Japan, Korea und Neuseeland).

← 4. Die Gründung der Europäischen Union (EU) erfolgte 1993 mit Inkrafttreten des Maastricht-Vertrags. Es handelt sich um eine politische und wirtschaftliche Union mit 28 Mitgliedstaaten. Ihre Strukturen umfassen den Europäischen Rat, die Europäische Kommission, das Europäische Parlament, den Rat der Europäischen Union und den Gerichtshof der Europäischen Union (auch als Europäischer Gerichtshof bezeichnet). Der Europäische Rat hat keine Gesetzgebungsbefugnisse, legt aber die allgemeine politische Ausrichtung und die politischen Prioritäten der Europäischen Union fest. Die Europäische Kommission schlägt neue Gesetze vor. Das gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union als Gesetzgeber agierende Europäische Parlament ist befugt, Gesetzentwürfe zu verabschieden bzw. zu ändern, Maßnahmen zu verhandeln und über den Haushalt der Europäischen Union zu bestimmen. Der Europäische Gerichtshof gewährleistet die einheitliche Anwendung des EU-Rechts und schlichtet Streitigkeiten zwischen den Institutionen und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie zwischen natürlichen oder juristischen Personen und den EU-Institutionen.

← 5. Bei diesen 19 Mitgliedstaaten handelte es sich um Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Portugal, Schweden, Slowenien, Spanien, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich und Zypern.

← 6. Die Vereinten Nationen (VN) sind eine 1945 gegründete zwischenstaatliche Organisation mit inzwischen 193 Mitgliedstaaten. Ihre Aufgabe ist es, die dringendsten Probleme anzugehen, denen sich die Menschheit gegenübersieht. Hierzu zählt insbesondere der Schutz der Menschenrechte. Die Vereinten Nationen verfügen über fünf Hauptorgane. Dies sind 1. die Generalversammlung, eine beratende Versammlung aller VN-Mitgliedstaaten, die an Staaten gerichtete nichtverbindliche Resolutionen verabschiedet und dem Sicherheitsrat Vorschläge unterbreitet, 2. der Sicherheitsrat, der für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zuständig ist und verbindliche Resolutionen verabschieden kann, 3. der Wirtschafts- und Sozialrat, in dessen Aufgabenbereich die Zusammenarbeit zwischen den Staaten in wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten fällt, 4. der Internationale Gerichtshof, der über Streitigkeiten zwischen Staaten entscheidet, die sich seiner Zuständigkeit unterwerfen, und 5. das Sekretariat als Verwaltungszentrum der VN, das Berichte und Studien für die Generalversammlung und den Sicherheitsrat verfasst.

← 7. Mit der Ratifizierung haben sich die OECD-Länder verpflichtet, allen Menschen die in diesen Instrumenten verankerten Rechte zuzusichern, und vereinbart, dass diese Rechte vor nationalen oder internationalen Gerichten geltend gemacht werden können.

← 8. Der Europarat ist eine zwischenstaatliche Organisation, die 1949 mit dem Ziel gegründet wurde, Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Europa zu fördern. 47 Staaten gehören ihm an.

← 9. Vgl. auch das Hintergrunddokument unter folgendem Link: https://rm.coe.int/discrimination-on-grounds-of-sexual-orientation-and-gender-identity-in/16809079e2.

← 10. Die Organisation Amerikanischer Staaten ist eine 1948 gegründete zwischenstaatliche Organisation, die die Solidarität und Zusammenarbeit zwischen ihren 35 Mitgliedsländern – darunter Chile, Kanada, Mexiko und die Vereinigten Staaten – zum Ziel hat.

← 11. Die Vereinigten Staaten haben die Amerikanische Menschenrechtskonvention zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert, wohingegen Kanada die Konvention weder unterzeichnet noch ratifiziert hat.

← 12. Die grundlegenden Menschenrechtsinstrumente der Vereinten Nationen, des Europarats und der Organisation Amerikanischer Staaten fordern die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, Benachteiligungen aufgrund einer Reihe geschützter Merkmale zu verbieten. Genauer gesagt: 1. Artikel 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte lautet: „Jeder hat Anspruch auf alle in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten, ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.“ Eine ähnliche Auflistung geschützter Diskriminierungskategorien findet sich in einigen der zentralen internationalen Menschenrechtsverträge, die auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte folgten – insbesondere im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Artikel 7 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gewährleistet außerdem ein eigenständiges Recht auf Schutz vor Diskriminierung, das ohne Bezugnahme auf ein anderes Schutzrecht geltend gemacht werden kann: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung.“ 2. Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention lautet: „Der Genuss der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.“ Des Weiteren enthält Artikel 1 des Protokolls Nr. 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention, das 2005 in Kraft trat, ein allgemeines Diskriminierungsverbot und erweitert damit den Schutz über den „Genuss der in [der] Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten“ hinaus. Im Wortlaut heißt es in Artikel 1 des Protokolls Nr. 12: „Der Genuss eines jeden gesetzlich niedergelegten Rechtes ist ohne Diskriminierung [...] zu gewährleisten“, und „Niemand darf von einer Behörde diskriminiert werden, insbesondere nicht aus einem [dieser] Gründe.“ Artikel 1 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention bekräftigt: „Die Vertragsstaaten dieser Konvention verpflichten sich, die Rechte und Freiheiten zu respektieren, die hierin anerkannt sind, und die freie und vollständige Ausübung dieser Rechte und Freiheiten durch alle Personen sicherzustellen, die ihrer Gerichtsbarkeit unterliegen, ohne Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder anderer Meinung, nationaler oder sozialer Herkunft, wirtschaftlichem Status, Geburt oder einem anderen sozialen Umstand.“ Zusätzlich sichert Artikel 24 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention ein eigenständiges Recht auf Nichtdiskriminierung: „Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich. Daher haben sie ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz.“

← 13. Fredin gegen Sweden, 12033/86, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 18. Februar 1991, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-57651.

← 14. Identoba und andere gegen Georgien, 73235/12, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 12. Mai 2015, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-154400. In diesem Urteil stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erstmals klar, dass Transgender-Personen gemäß Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention vor Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität geschützt sind. Der EGMR hat in mehreren Urteilen festgestellt, dass die sexuelle Orientierung unter das Diskriminierungsverbot in der Kategorie „sonstiger Status“ gemäß Artikel 14 der Konvention fällt. Erstmals geschah dies im Fall Salgueiro da Silva Mouta gegen Portugal, in dem sich der EGMR zu dem Schluss gezwungen sah, dass „es eine Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung des Klägers gab und dieses Konzept zweifelsohne unter Artikel 14 der Konvention fällt.“ (Salgueiro da Silva Mouta gegen Portugal, 33290/96, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 21. Dezember 1999, http://hudoc.echr.coe.int/tur?i=001-58404).

← 15. Dies ist besonders in Fällen relevant, in denen Staatsbedienstete oder Anbieter*innen von Waren und Dienstleistungen entsprechende Anträge stellen. In anderen Situationen kann es hingegen weniger kostspielig sein, die Antidiskriminierungsbestimmungen nicht einzuhalten, als das Recht auf Religions- oder Glaubensfreiheit einzuschränken, z. B. wenn es um innere Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft geht (wie etwa Entscheidungen über die Einstellung von Geistlichen).

← 16. Auf diese Prinzipien gründet sich eine umfangreiche Rechtsprechung, die den Medien einen nahezu absoluten Schutz ihrer Meinungsfreiheit gewährt. Dieses Privileg greift vor allem dann, wenn die Medien Informationen über Politiker*innen oder hochrangige Amtsträger*innen verbreiten, insbesondere im Zusammenhang mit öffentlichen Debatten oder Angelegenheiten von öffentlichem Interesse (z. B. während Wahlkampagnen).

← 17. Vgl. http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/docs/CaseLaw/CCPR-C-106-D-1932-2010.doc.

← 18. Bayev und andere gegen Russland, 67667/09, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 20. Juni 2017, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-174422.

← 19. Ganz im Gegenteil, in der Fachliteratur mehren sich überzeugende Befunde dafür, dass die Einschränkung von Äußerungen zugunsten der Rechte von LGBTI zu höheren Selbstmordraten unter LGBTI führt, vor allem bei Jugendlichen (OECD, 2019[2]).

← 20. Die Europäische Kommission für Demokratie durch Recht, die sogenannte „Venedig-Kommission“, ist ein Beratungsgremium des Europarats. Sie setzt sich aus unabhängigen Experten auf dem Gebiet des Verfassungsrechts zusammen.

← 21. Alekseyev gegen Russland, 4916/07, 25924/08 und 14599/09, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 11. April 2011, http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-101257.

← 22. Zhdanov und andere gegen Russland, 12200/08, 35949/11 und 58282/12, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 16. Juli 2019, http://hudoc.echr.coe.int/fre?i=002-12561.

← 23. In der Europäischen Menschenrechtskonvention werden die Staaten nicht in gleicher Weise wie in Artikel 20(2) des ICCPR verpflichtet, entsprechende Meinungsäußerungen zu verbieten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch anerkannt, dass bestimmte Formen schädlicher Meinungsäußerung notwendigerweise eingeschränkt werden müssen, um den Zielen der Konvention insgesamt gerecht zu werden. So stellte er fest, dass es in einer demokratischen Gesellschaft grundsätzlich als notwendig erachtet werden kann, alle auf Intoleranz (einschließlich religiöser Intoleranz) zurückzuführende Formen der Meinungsäußerung zu ahnden oder sogar zu verhindern, in denen Hass verbreitet, gefördert oder gerechtfertigt bzw. zu Hass aufgerufen wird, sofern alle auferlegten „formalen Auflagen“, „Bedingungen“, „Einschränkungen“ oder „Strafen“ in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten legitimen Ziel stehen (Erbakan gegen Türkei, No. 59405/00, 6. Juni 2006, Abs. 56). Artikel 13(5) der Amerikanischen Konvention der Menschenrechte verpflichtet die Staaten ausdrücklich, „jede Kriegspropanda und jede Befürwortung von nationalem, rassischem oder religiösem Hass, die eine Anstiftung zu gesetzloser Gewalt oder ähnlichen Aktionen gegen eine Person oder Gruppe von Personen aus gleich welchem Grund, einschließlich Rasse, Hautfarbe, Religion, Sprache oder nationaler Herkunft, darstellt“ [...] als „strafbare Handlung“ zu betrachten.

← 24. Article 19 ist eine britische Menschenrechtsorganisationen, die 1987 mit dem Auftrag gegründet wurde, die Meinungsfreiheit weltweit zu verteidigen und zu fördern. Sie ist nach Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte benannt, in dem das Recht auf freie Meinungsäußerung verankert ist.

← 25. Artikel 22 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention greift Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf: 7. Jeder hat das Recht, in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung des betreffenden Staates sowie internationalen Übereinkommen in einem anderen Land Asyl zu suchen und zu genießen, wenn er wegen politischer Straftaten oder damit zusammenhängender gewöhnlicher Verbrechen verfolgt wird. 8. In keinem Fall darf ein Ausländer in ein Land abgeschoben oder zurückgeführt werden, unabhängig davon, ob es sich um sein Herkunftsland handelt oder nicht, wenn die Gefahr besteht, dass sein Recht auf Leben oder seine persönliche Freiheit in diesem Land aufgrund seiner Rasse, Staatsangehörigkeit, Religion, seines gesellschaftlichen Status oder seiner politischen Meinung verletzt wird.

← 26. Eine Person wird zu einem Asylsuchenden, wenn sie einen formellen Antrag auf Bleiberecht in einem anderen Land stellt. Sie behält diesen Status, bis das Antragsverfahren abgeschlossen ist. Sie wird zu einem „Asylberechtigten“, wenn dem Antrag stattgegeben und ihr Asyl gewährt wurde.

← 27. Vgl. https://equineteurope.org/.

← 28. In den meisten jüngeren Urteilen und Rechtsvorschriften wird der Begriff „Konversionstherapie“ auch im Zusammenhang mit Versuchen verwendet, die geschlechtliche Identität von Transgender-Personen dahingehend zu verändern, dass sie Cisgender werden.

← 29. Vgl. https://www.lawsandfamilies.eu/.

← 30. Karner gegen Österreich, 40016/98, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 24. Oktober 2003, unter: http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-61263.

← 31. P. B. und J. S. gegen Österreich, 18984/02, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 22. Oktober 2010, unter: http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-100042.

← 32. Valliatanos und andere gegen Griechenland, 29381/09 und 32684/09, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 7. November 2013, unter: http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-128294.

← 33. Oliari und andere gegen Italien, 18766/11 und 36030/11, Europarat: Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 21. Oktober 2015, unter: http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-156265.

← 34. In Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es: „Heiratsfähige Männer und Frauen haben ohne jede Beschränkung auf Grund der Rasse, der Staatsangehörigkeit oder der Religion das Recht, zu heiraten und eine Familie zu gründen“. In Artikel 23 des Internationalen Pakts über bürgerliche Rechte steht: „Das Recht von Mann und Frau, im heiratsfähigen Alter eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, wird anerkannt“. Des Weiteren bekräftigt Artikel 12 der Europäischen Menschenrechtskonvention: „Männer und Frauen im heiratsfähigen Alter haben das Recht, nach den innerstaatlichen Gesetzen, welche die Ausübung dieses Rechts regeln, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen.“

← 35. In diesem Bericht wird unter gemeinschaftlicher Adoption ein Verfahren verstanden, in dem 1. sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen einem Kind und seinen leiblichen Eltern erlöschen und 2. die adoptierenden Partner*innen die beiden rechtlichen Elternteile des Kindes werden.

← 36. In diesem Bericht wird unter Stiefkind- oder Sukzessivadoption die sogenannte „Volladoption oder starke Adoption“ verstanden, bei der der*die eine Partner*in das leibliche oder adoptierte Kind seines*ihrer Partner*in annimmt und damit der zweite rechtliche Elternteil wird. Einige Länder erkennen eine zweite Form der Stiefkind- oder Sukzessivadoption an, die sogenannte „unvollständige oder schwache Adoption“. Eine einfache oder unvollständige Stiefkind- oder Sukzessivadoption liegt vor, wenn 1. bereits zwei recht¬liche Elternteile vorhanden sind (einer*eine der beiden Partner*innen und eine Person außerhalb des Paars – z. B. der*die ehemalige Ehegatte*in) und 2. die Zahl der rechtlichen Elternteile auf zwei begrenzt ist (was in den meisten Ländern die Regel ist). In diesem Fallt erhält der*die Partner*in, der*die das leibliche oder adoptierte Kind des*der anderen adoptiert, ein gesetzliches Sorgerecht, wird aber kein recht¬liches Elternteil. Japan ist eine Ausnahme. In Japan gibt es die Möglichkeit einer rechtlichen Elternschaft von mehr als zwei Personen. Dies bedeutet, dass eine Stiefkind- oder Sukzessivadoption dort immer eine Volladoption bezeichnet.

← 37. Die Leihmutterschaft ist eine Abmachung, der oft ein rechtlicher Vertrag zugrunde liegt, bei der sich eine Frau (die Leihmutter) bereit erklärt, schwanger zu werden und ein Kind für eine bzw. zwei andere Personen auszutragen, die sich dieses Kind wünschen und die seine Eltern sein werden. Es kann sich um eine „traditionelle“ Leihmutterschaft handeln, bei der die Leihmutter durch intrauterine Insemination (IUI) künstlich befruchtet wird. Es kann sich aber auch um eine „gestationelle“ Leihmutterschaft handeln, bei der ein durch In-vitro-Fertilisation erzeugter Embryo in die Leihmutter eingepflanzt wird.

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