Vorwort
Korruption hat einen heimtückisch zerstörerischen Effekt, der sie zu einem der drängendsten Probleme unserer Zeit macht: Sie führt zu Verschwendung öffentlicher Mittel, verschärft wirtschaftliche und gesellschaftliche Ungleichheiten, verstärkt Unzufriedenheit und politische Polarisierung und untergräbt das Vertrauen in unsere Institutionen. Herkömmliche Lösungsansätze – mehr Vorschriften, eine bessere Compliance und eine härtere Durchsetzung – waren bislang nur bedingt erfolgreich. Eine strategische und nachhaltige Antwort auf Korruption muss deshalb Integrität im öffentlichen Leben heißen.
Für Integrität in der öffentlichen Verwaltung ist in erster Linie der Staat verantwortlich. Um Korruption wirksam zu bekämpfen, muss das Denken in festen Zuständigkeitsbereichen jedoch überwunden werden: Integrität ist nicht nur Aufgabe der nationalen Regierung, sondern muss alle staatlichen Ebenen erfassen – bis hin zu den Kommunen, wo Integrität aus nächster Nähe erlebt wird. Nicht nur in der Politik und der Verwaltung braucht es Integritätsarbeit, sondern auch in Unternehmen, in Organisationen der Zivilgesellschaft und auf individueller Ebene.
Weil Integrität im öffentlichen Leben nur durch einen ressortübergreifenden und gesamtgesellschaftlichen Ansatz zu erreichen ist, verabschiedete die OECD 2017 die Empfehlung zu Integrität im öffentlichen Leben. Darin skizzierte sie die Vision einer Integritätsstrategie für den öffentlichen Dienst, bei der der Fokus nicht mehr auf Ad-hoc-Integritätsmaßnahmen, sondern auf einem kontextabhängigen und risikobasierten Konzept liegt, dessen Grundgedanke eine Kultur der Integrität ist. Das OECD-Handbuch Integrität im öffentlichen Leben zeigt nun konkrete Schritte für die praktische Umsetzung dieser Integritätsstrategie in der öffentlichen Verwaltung auf.
Das Handbuch ist mit seinen Leitlinien für den öffentlichen Dienst, für Unternehmen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Einzelpersonen ein wichtiger Baustein der Bemühungen der OECD, die Mitgliedsländer bei der Umsetzung nachhaltiger Integritätsreformen zu unterstützen. Das Handbuch wird durch die OECD Public Integrity Maturity Models ergänzt. Anhand dieser Modelle ist es möglich, den Reifegrad eines öffentlichen Integritätssystems zu messen und Vergleiche mit Standards guter Praxis anzustellen. Die Modelle zeigen zudem, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um auf diesem Gebiet zur Spitze aufzurücken. Demnächst wird das Handbuch durch die OECD Public Integrity Indicators ergänzt, die den Aufbau einer Evidenzgrundlage ermöglichen und den nationalen Dialog über notwendige Reformen fördern sollen. Darüber hinaus arbeitet die OECD an einem Public Integrity Toolkit mit anschaulichen Fallbeispielen zu bewährten Verfahren und konkreten Werkzeugen zur Unterstützung der Reformarbeit.
Das Handbuch entstand u. a. in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe hochrangiger Verantwortlicher für Integrität im öffentlichen Sektor, deren Mitglieder bewährte Verfahren und Umsetzungsinstrumente aus ihren jeweiligen Ländern einbrachten. Die Delegierten der Arbeitsgruppe Bestechungsfragen, der Arbeitsgruppe verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln und der Arbeitsgruppe Staatsbeteiligungen und Privatisierungen steuerten ihrerseits Kenntnisse und Beispiele zur Förderung von Integrität im Privatsektor bei.
Das Handbuch wurde am 12. März 2020 vom OECD-Ausschuss für öffentliche Governance im Schriftverfahren genehmigt und zur Veröffentlichung freigegeben.