Zusammenfassung

Die Coronapandemie hat nochmals deutlich gemacht, wie wichtig die staatliche Regelungstätigkeit ist. Und sie hat auch gezeigt, dass sich die Verfahren der Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften dringend ändern müssen. Die Pandemie ließ Lücken in der innerstaatlichen und internationalen Rechtsetzung zutage treten, die Menschenleben gekostet und Existenzgrundlagen zerstört haben. Krisensituationen machen erhebliche Anpassungen der Rechtsetzungsverfahren erforderlich. Teilweise führte dies jedoch zu Defiziten – hinsichtlich der Datenbasis, der Folgen- und Risikoanalyse, der Konsultation betroffener Akteure oder der Kooperation mit anderen Staaten. Dies zog hohe gesellschaftliche Kosten nach sich. So wuchs in der Coronakrise beispielsweise das Misstrauen von Teilen der Gesellschaft gegenüber dem Staat. Daher ist eine Kurskorrektur jetzt entscheidend, um aktuellen und künftigen Herausforderungen – insbesondere dem Klimawandel und sonstigen Umweltbedrohungen – zu begegnen, bei denen die Rechtsetzung wesentlichen Einfluss auf den Erfolg der ergriffenen Maßnahmen hat.

Corona hat vor Augen geführt, dass zur Bewältigung globaler Probleme globale Lösungen erforderlich sind. Die Regierungen mussten sich eingestehen, dass sie nicht im Alleingang handeln können: Ihre Regelungsentscheidungen haben Auswirkungen auf andere Länder und sind mehr oder minder ineffektiv, wenn sie nicht zwischenstaatlich abgestimmt werden. Die internationale Zusammenarbeit im Regulierungsbereich war während der gesamten Pandemiereaktion von zentraler Bedeutung und trug dazu bei, den Handel mit wichtigen Gütern wie Nahrungsmitteln und Medizinprodukten aufrechtzuerhalten. Die gemeinsame Reaktion auf die Krise veranschaulicht auch, dass die Länder die globalen Gemeingüter proaktiv verwalten müssen. Doch trotz des großenteils bestehenden Einvernehmens darüber, dass die innerstaatliche Rechtsetzung internationale Erwägungen berücksichtigen sollte, wird diese Erkenntnis nicht oft in die Praxis umgesetzt. Weniger als ein Fünftel der OECD-Mitglieder zieht bei der eigenen Regelungstätigkeit systematisch auch internationale Dimensionen in Betracht.

Um möglichst wirksam zu sein, müssen Rechtsvorschriften darüber hinaus potenziellen Risiken und Zielkonflikten Rechnung tragen. In Krisenzeiten ist dies besonders wichtig. Dennoch verfügen nur sieben OECD-Mitgliedsländer und die Europäische Union eigenen Angaben zufolge über eine Gesamtstrategie für risikobasierte Regulierung, die verlangt, dass bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften Risiken systematisch berücksichtigt werden. Allerdings gründeten selbst diese Länder ihre regulatorischen Entscheidungen während der Krise nicht immer auf evidenzgestützte Risikoanalysen.

Bei Regelungsvorhaben müssen sämtliche gesellschaftliche Folgen ganzheitlicher analysiert werden. Auch wenn inzwischen ein breiteres Spektrum von Gesetzesfolgen analysiert wird, klaffen immer noch Lücken, vor allem in Bereichen wie Geschlechtergleichstellung, Armutsbekämpfung und Innovationstätigkeit. Eine bessere Aufsicht ist von zentraler Bedeutung um sicherzustellen, dass sich Regelungsentscheidungen auf die besten verfügbaren Daten stützen, alle wesentlichen Folgen berücksichtigen und die gesellschaftliche Resilienz erhöhen. Die zuständigen staatlichen Stellen müssen zudem mit gesellschaftlichen Akteuren zusammenarbeiten, um die möglichen Auswirkungen auf sämtliche Teile der Bevölkerung besser abschätzen zu können. Dennoch informiert weniger als ein Viertel der OECD-Mitgliedsländer die Öffentlichkeit systematisch über Regelungsvorhaben.

Neue Technologien sind entscheidend, um soziale Gerechtigkeit zu fördern, Ungleichheiten zu bekämpfen und Vertrauen in das staatliche Handeln zu schaffen. Die Pandemie hat auch gezeigt, wie wichtig in Krisensituationen eine flexible Rechtsetzung und eine optimale Nutzung neuer Technologien sind. Technologische Innovationen haben bei der Bewältigung der aktuellen Krise eine entscheidende Rolle gespielt und werden dies auch weiterhin tun. Dennoch untersucht nur die Hälfte der OECD-Mitgliedsländer die Auswirkungen neuer Regelungen auf Innovationsprozesse. Die Regierungen müssen agilere, flexiblere und robustere Rechtsetzungsverfahren schaffen, um Innovationen zu fördern, die die Bewältigung der drängendsten sozialen und ökologischen Herausforderungen der Welt unterstützen, und dabei zugleich Gesundheit, Sicherheit, Privatsphäre und individuelle Freiheiten schützen.

Die staatliche Regelungstätigkeit hat während der Pandemie wesentlich zur Bereitstellung wichtiger Dienstleistungen beigetragen, und das häufig unter großem Zeitdruck. Wenn Entscheidungen rasch getroffen werden müssen, steigen die Risiken. Umso wichtiger sind dann Monitoring und Evaluierung. Dennoch veröffentlicht nur die Hälfte der staatlichen Regelungsinstanzen Informationen über die Qualität ihrer Verfahren. Mehr Investitionen in eine bessere Leistungsmessung und Berichterstattung sind entscheidend, damit diese Stellen für künftige Herausforderungen gut gerüstet sind.

Es wird viel zu selten geprüft, ob die getroffenen Regelungen auch in der Praxis und nicht nur auf dem Papier funktionieren. Weniger als ein Viertel der OECD-Mitgliedsländer kontrolliert systematisch, ob ihre Rechtsvorschriften ihren Zweck erfüllen. Zudem gibt es kaum Anreize, dies zu verbessern: In weniger als einem Drittel der OECD-Länder wurden Organe eingerichtet, die für die Prüfung der Qualität der Evaluierungen bestehender Rechtsvorschriften zuständig sind. Heute reicht es nicht mehr, Dinge einmal zu regeln und es dann dabei zu belassen. Stattdessen müssen anpassungsfähige, lernende Konzepte entwickelt werden. Außerdem hat die Pandemie schmerzlich vor Augen geführt, dass es generell an Vorausschau mangelt. Die Länder müssen in Kompetenzen und Kapazitäten investieren, die es ihnen erlauben, künftige Krisen besser vorherzusehen und ihre Folgen – von denen sozial Schwächere tendenziell stärker betroffen sind – zu mildern. Zudem müssen sie Risiken besser evaluieren, kommunizieren und steuern, u. a. indem sie systematischer überprüfen, ob bestehende Rechtsvorschriften noch dem neusten Daten- und wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechen.

Die Menschen betrachten Rechtsvorschriften mit größerer Wahrscheinlichkeit als gerecht, wenn sie in deren Ausarbeitung einbezogen werden und die Resultate dieser Konsultationen klar erläutert werden. Zu den Lehren aus der Corona-Pandemie gehört, dass die Menschen Vorschriften eher einhalten und sich seltener über sie beklagen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihre Stimme Gehör fand. Eine offene Debatte über die in einer Gesellschaft geltenden Regeln ist unerlässlich, um einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zu finden. Zudem schafft sie Vertrauen in das staatliche Handeln und erhöht dessen Transparenz. Öffentlichkeit, Unternehmen und Zivilgesellschaft können wichtige Informationen dazu beisteuern, wie sich bestimmte Regelungsvorhaben in der Praxis tatsächlich auswirken könnten. Zwar sind Konsultationen über Gesetzentwürfe im OECD-Raum inzwischen relativ üblich, doch nur in weniger als einem Viertel der OECD-Länder werden Bürger*innen und Unternehmen bereits in die Frühstadien der Gesetzesarbeit – wenn es z. B. darum geht, alternative Lösungen zu suchen – eingebunden. Dies ist jedoch genau die Phase, in der ihr Beitrag am stärksten dabei helfen kann, die geeignetste Option auszuwählen und sicherzustellen, dass die neuen Rechtsvorschriften praxistauglich sind. In drei Fünfteln der Fälle veröffentlichen die politisch Verantwortlichen zudem keine Antworten auf die Stellungnahmen, die während der Konsultationen eingegangen sind.

Disclaimers

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Die statistischen Daten für Israel wurden von den zuständigen israelischen Stellen bereitgestellt, die für sie verantwortlich zeichnen. Die Verwendung dieser Daten durch die OECD erfolgt unbeschadet des völkerrechtlichen Status der Golanhöhen, von Ost-Jerusalem und der israelischen Siedlungen im Westjordanland.

Anmerkung der Türkei:
Die Informationen zu „Zypern“ in diesem Dokument beziehen sich auf den südlichen Teil der Insel. Es existiert keine Instanz, die sowohl die türkische als auch die griechische Bevölkerung der Insel vertritt. Die Türkei erkennt die Türkische Republik Nordzypern (TRNZ) an. Bis im Rahmen der Vereinten Nationen eine dauerhafte und gerechte Lösung gefunden ist, wird sich die Türkei ihren Standpunkt in der „Zypernfrage“ vorbehalten.

Anmerkung aller in der OECD vertretenen EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Union: Die Republik Zypern wird von allen Mitgliedern der Vereinten Nationen mit Ausnahme der Türkei anerkannt. Die Informationen in diesem Dokument beziehen sich auf das Gebiet, das sich unter der tatsächlichen Kontrolle der Regierung der Republik Zypern befindet.

Übersetzung durch den Deutschen Übersetzungsdienst der OECD.

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