4. Standards

Unter Integrität im öffentlichen Leben ist „die konsequente Ausrichtung und Befolgung von gemeinsamen ethischen Werten, Prinzipien und Normen zur Bewahrung des öffentlichen Interesses und dessen Bevorzugung gegenüber privaten Interessen im öffentlichen Sektor“ zu verstehen (OECD, 2017[1]). Anders formuliert geht es darum, das Richtige aus dem richtigen Grund richtig zu tun (Heywood et al., 2017[2]). Um zu wissen, was „richtig“ ist, sind eindeutige Standards erforderlich. Hohe Verhaltensmaßstäbe, die im Rechtsrahmen verankert sind, machen deutlich, welches Verhalten von öffentlich Bediensteten erwartet wird, und schaffen gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für ethisches Verhalten. Verhaltensstandards, die man lernen, verinnerlichen und durchsetzen kann, fördern außerdem ein gemeinsames Grundverständnis von ethischem Verhalten im öffentlichen Dienst und in der Bevölkerung.

In ihrer Empfehlung zu Integrität im öffentlichen Leben fordert die OECD die Länder auf, „hohe Verhaltensmaßstäbe für Beschäftigte [zu] setzen, insbesondere indem sie

  1. a) über Mindestanforderungen hinausgehen, dem öffentlichen Interesse Priorität einräumen, Werte des öffentlichen Dienstes befolgen und eine offene Kultur leben, die organisatorisches Lernen erleichtert und belohnt und zu Good Governance ermutigt,

  2. b) Integritätsstandards in das Rechtssystem und in organisatorische Maßnahmen mit einbeziehen (z. B. Verhaltenskodizes oder Ethikkodizes), um Erwartungen klar zu definieren und gegebenenfalls als Grundlage für disziplinarische, administrative, zivil- und/oder strafrechtliche Ermittlungen und Sanktionen dienen,

  3. c) eindeutige und verhältnismäßige Verfahren einrichten, um dabei zu helfen, Verstöße gegen öffentliche Integritätsstandards zu vermeiden und tatsächliche oder potenzielle Interessenkonflikte zu bewältigen,

  4. d) Werte und Standards des öffentlichen Sektors intern in den Organisationen des öffentlichen Sektors [...] kommunizieren und extern dem Privatsektor, der Zivilgesellschaft und Einzelpersonen [...] und diese Partner um die Einhaltung dieser Werte und Standards im Umgang mit Beschäftigten bitten“ (OECD, 2017[1]).

Standards dienen öffentlich Bediensteten als Informationsgrundlage und Richtschnur für die Ausübung ihrer Dienstpflichten. Es gibt verschiedene Instrumente und Mechanismen, um hohe Verhaltensstandards festzulegen und ihre Einhaltung zu garantieren. Damit die Standards in der Praxis greifen, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Es braucht einen Rechtsrahmen mit klar definierten und verbindlichen hohen Verhaltensstandards, die das öffentliche Interesse und die Einhaltung der Werte des öffentlichen Dienstes an oberste Stelle setzen.

  • Es braucht rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen und Strategien, in denen die Werte und Standards der Integrität fest verankert sind.

  • Es braucht eindeutige und verhältnismäßige Verfahren und Prozesse zur Vermeidung und Bewältigung von Situationen, in denen es ohne entsprechende Kontrolle zu Verstößen gegen öffentliche Integritätsstandards kommen könnte.

  • Es braucht interne und externe Kommunikationsmaßnahmen, um das Bewusstsein für die Werte und Standards des öffentlichen Dienstes zu schärfen.

Hohe Verhaltensstandards, die für alle öffentlich Bediensteten gelten und die das öffentliche Interesse an oberste Stelle setzen, sind ein Zeichen dafür, dass sich der Staat dem Gemeinwohl und der Schaffung einer Kultur des Dienstes an der Öffentlichkeit verpflichtet fühlt. Verhaltensstandards sind Ausdruck der Werte des öffentlichen Dienstes – und diese sind enorm wichtig für das Verhalten der Bediensteten. Werte spiegeln die Grundsätze und Erwartungen wider, die eine Gesellschaft im öffentlichen Leben für wichtig hält. Sie machen für alle öffentlichen Einrichtungen und Bediensteten aller Ebenen deutlich, welches Verhalten von ihnen erwartet wird. Solche Werte sind in den Standards der entsprechenden Rechts- und Verwaltungssysteme klar festgelegt, z. B. in Gesetzen und allgemeinen Vorschriften zum öffentlichen Dienst, aber auch in der Verfassung, in arbeitsrechtlichen Normen, in speziellen oder allgemeinen Dienstvorschriften oder im Verwaltungsverfahrensrecht.

Nicht nur einzelstaatliche, sondern auch internationale Standards sind für die Werte des öffentlichen Dienstes von Bedeutung. So sind nach Artikel 8 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) alle Vertragsstaaten verpflichtet, in Übereinstimmung mit den wesentlichen Grundsätzen ihres jeweiligen innerstaatlichen Rechts „die Integrität, Ehrlichkeit und Verantwortlichkeit in den Reihen ihrer Amtsträger“ zu fördern. In diesem Zusammenhang ist Integrität wie in der Einleitung zu diesem Kapitel definiert. Bei Ehrlichkeit geht es um die Konzepte von Ehre, Anständigkeit und Tugend, während Verantwortlichkeit die Verpflichtung bezeichnet, sich mit etwas zu befassen oder für etwas Verantwortung zu übernehmen (Bacio Terracino, 2019[3]).

In der Empfehlung zu Integrität im öffentlichen Leben werden die Länder dazu aufgerufen, über die Mindestanforderungen hinauszugehen und dem öffentlichen Interesse die oberste Priorität einzuräumen sowie eine offene Kultur zu leben, die das Lernen innerhalb einer Organisation erleichtert und belohnt und zu Good Governance ermutigt. Diese Begriffe werden an anderer Stelle näher erläutert (vgl. Kapitel 8 und 9). Sanktionen, die bei Nichteinhaltung bestimmter Anforderungen verhängt werden, können das Verhalten ebenfalls beeinflussen. Dennoch motivieren sie nur selten dazu, über kodifizierte Mindestanforderungen hinauszugehen (Wegner, S., J. Schöberlein und S. Biermann, 2013[4]). Anreizsysteme wie die Belohnung von Mitarbeiter*innen, die sich aktiv für Integrität einsetzen, können höhere Standards und ethisches Handeln fördern, indem sie an den Sinn für Moral und die Verantwortung der Einzelnen appellieren (Zúñiga, 2018[5]). So können nach und nach Veränderungen erzielt werden und höhere Standards kodifiziert werden.

Verhaltensstandards sind im Rechtssystem sowie in den Leitlinien der einzelnen Einrichtungen verankert. Damit werden die Grundlagen und Grenzen zulässigen Verhaltens abgesteckt. Eindeutige Standards schaffen außerdem einen gemeinsamen Rechenschaftsrahmen, z. B. indem Verstöße gegen öffentliche Integritätsstandards sanktioniert werden. Bislang richtete sich das Augenmerk vor allem auf die strafrechtliche Verfolgung von Korruption. Die erfolgreichsten rechtlichen und regulatorischen Rahmen und Strategien verbinden jedoch strafrechtliche Ansätze mit zivil- und verwaltungsrechtlichen Vorschriften sowie Verhaltens- und Ehrenkodizes, um Integritätswerte und -standards durchgängig zu integrieren.

Ein Integritätssystem setzt sich aus vielen verschiedenen Normen und Standards zusammen. Diese Rechtsrahmen und Strategien befassen sich u. a. mit Bestechung, Betrug, missbräuchlicher Einflussnahme, Geldwäsche, der Bewältigung und Prävention von Interessenkonflikten, dem Umgang mit Geschenken und Zuwendungen, der Offenlegung von Vermögenswerten sowie von vorherigen oder anschließenden Tätigkeiten in der freien Wirtschaft, dem Schutz von Whistleblower*innen, Integrität und Transparenz in der Lobbyarbeit und Parteien- sowie Wahlkampffinanzierung. Die Leitlinien zu diesen Standards können zwar von unterschiedlichen Einrichtungen erstellt und umgesetzt werden (vgl. Kapitel 2), entscheidend ist aber, dass sie in die rechtlichen und regulatorischen Gesamtkonzepte und Strategien einbezogen werden.

In den Mitgliedsländern der OECD sind Integritätsstandards für öffentlich Bedienstete einschließlich der Bestimmungen zu Ermittlungsverfahren und Sanktionen im Strafrecht verankert. Die strafrechtlichen Zuständigkeiten sind in den einzelstaatlichen Bestimmungen klar geregelt. Um die Wirksamkeit des Integritätssystems und seiner Durchsetzung zu gewährleisten, enthalten diese Bestimmungen Regeln zu Fachfunktionen, effektiven Ermittlungsverfahren, Maßnahmen für eine behördenübergreifende Zusammenarbeit, Zeugenschutz, zur Beweismittelerhebung und zur Beschlagnahme von Erträgen sowie zu verhältnismäßigen Sanktionen für folgende Straftaten:

  • aktive und passive Bestechung von Amtsträger*innen

  • missbräuchliche Einflussnahme

  • Unterschlagung, Veruntreuung oder sonstige unrechtmäßige Verwendung von Vermögensgegenständen durch eine*n Amtsträger*in

  • missbräuchliche Wahrnehmung von Aufgaben (Amtsmissbrauch)

  • unerlaubte (ungerechtfertigte) Bereicherung

  • Geldwäsche

  • Verschleierung von aus korrupten Handlungen entstandenen Vermögenswerten

  • Ausstellung oder Verwendung einer Rechnung oder eines Buchhaltungsbelegs mit falschen oder unvollständigen Angaben und rechtswidrig unterlassene Vornahme eines Zahlungsvermerks

  • Behinderung der Justiz

Da diese Kernnormen von wesentlicher Bedeutung für die nationalen Integritätssysteme sind, wurden sie auch auf internationaler Ebene anerkannt. Sie sind mittlerweile Teil verschiedener internationaler Übereinkommen, wie beispielsweise des Übereinkommens der OECD über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr, des Strafrechtsübereinkommens über Korruption des Europarats und des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption.

Das Zivilrecht ist ein wichtiges Instrument, um die Rechte des*der Einzelnen zu schützen und Opfer von Normenverstößen zu entschädigen. Als Ergänzung zum Strafrecht ermöglicht das Zivilrecht es privatwirtschaftlichen Unternehmen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und allen rechtsfähigen Personen, sich gegen Normenverstöße zu wehren.

Das innerstaatliche Zivilrecht beinhaltet wirksame Rechtsbehelfe für alle, die im Zuge einer Integritätsverletzung einen Schaden erleiden. Indem der Staat zivilrechtliche Mechanismen vorsieht, ermöglicht er es Geschädigten, ihre Rechte und Interessen zu verteidigen. Die Möglichkeit, Schadensersatz zu fordern, sollte allen Geschädigten offenstehen, und das sowohl für materielle Schäden und entgangenen Gewinn als auch für nicht monetäre Verluste. Das Recht, eine Schadensersatzklage anzustrengen, ist in den innerstaatlichen zivilrechtlichen Bestimmungen geregelt. Um für eine wirksame Umsetzung zu sorgen, sollten dabei alle Verfahren und Funktionen klar definiert sein. In manchen Fällen erfolgt die Entschädigung oder Rückerstattung erst nach Abschluss des entsprechenden Strafverfahrens. Unter bestimmten Umständen können straf- und zivilrechtliche Verfahren angestrengt werden, um einen Verstoß zu ahnden und für Abschreckung zu sorgen.

Zusätzlich zum Schadensersatz enthält das innerstaatliche Zivilrecht wichtige Integritätsbestimmungen zu folgenden Fragen:

  • Haftung öffentlich Bediensteter, einschließlich gesamtschuldnerische Haftung für Schäden, die durch mehrere Personen und durch dieselbe Handlung verursacht wurden, sowie Haftung des Staates für Verstöße, die von öffentlich Bediensteten begangen wurden

  • Mitverschulden in Verbindung mit der gesetzlichen Regelung, dass der Schadensersatz unter bestimmten Bedingungen verringert oder verweigert wird, falls die geschädigte Person zum Schaden beigetragen oder ihn vergrößert hat

  • Gültigkeit von Verträgen

  • Schutz von Whistleblower*innen

  • Klarheit und Richtigkeit der Rechnungslegung und Rechnungsprüfung

  • wirksame zivilrechtliche Verfahren zur Erhebung von Beweismaterial im Zusammenhang mit Korruption

  • richterliche Anordnungen zum Schutz der Vermögenswerte, die für die Vollstreckung des rechtskräftigen Urteils und zur Aufrechterhaltung des Status quo bis zur Aufklärung des strittigen Sachverhalts erforderlich sind

Als wesentliche Instrumente für juristische und natürliche Personen, sich gegen Integritätsverletzungen zur Wehr zu setzen und Schadensersatz oder eine Rückerstattung zu fordern (UNODC, 2010[6]), wurden zivilrechtliche Verfahren auch in internationalen Übereinkommen anerkannt und beispielsweise im Zivilrechtsübereinkommen über Korruption des Europarats und im Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption verankert.

Das einzelstaatliche Verwaltungsrecht regelt die Rechte und Pflichten der öffentlichen Verwaltung gegenüber der Öffentlichkeit. Bei Verstößen gegen Verhaltensstandards sind im Rahmen verwaltungsrechtlicher Strafen auch außergerichtliche Sanktionen wie Wirtschaftssanktionen oder Dienstenthebungen vorgesehen.

Sinn und Zweck des ethikbezogenen Verwaltungsrechts ist es, die Integrität einzelner Beamt*innen wie auch des gesamten öffentlichen Dienstes zu wahren und in den Einrichtungen für eine gute Verwaltungsführung zu sorgen. Die wesentlichen Normen und Prozesse des Verwaltungsrechts sollten folgende Punkte abdecken:

  • Normen: ein Beamtengesetz und die Pflichten des öffentlichen Dienstes, Informationsfreiheit, Transparenz von öffentlicher Auftragsvergabe, Parteienfinanzierung und Lobbyarbeit sowie Zugang zum Verwaltungsrecht

  • Prozesse: verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeiten und Strafen, interne Kontroll- und Aufsichtsmechanismen, Prävention und Bewältigung von Interessenkonflikten, Schutz von Whistleblowern und Beschwerdemanagement sowie Zuständigkeiten der Behörden in Bezug auf Verfahren (einschließlich der Überprüfung von Entscheidungen und Berufungen) und Strafen

Angesichts der starken Wirkung der verschiedenen Normen innerhalb des einzelstaatlichen verwaltungs-, zivil- und strafrechtlichen Gesamtrahmens haben viele Länder ihre Bedeutung nochmals unterstrichen, indem sie sie in internationalen Übereinkommen, Verträgen und Erklärungen verankert haben und sich dadurch noch stärker an sie gebunden haben.

Verhaltens- und Ehrenkodizes stellen die verschiedenen Rechts- und Regulierungsrahmen klar dar und sind ein hilfreiches Instrument der Verhaltenslenkung. In einem Verhaltenskodex wird beschrieben, welches Verhalten erwartet wird und welches Verhalten unzulässig ist, während in einem Ethik- bzw. Ehrenkodex die Grundsätze dargelegt sind, an denen sich Verhalten und Entscheidungen orientieren sollen. Die meisten nationalen Regulierungsrahmen enthalten Elemente beider Instrumente, d. h. einerseits eine Darstellung der Werte des öffentlichen Dienstes und gleichzeitig praktische Leitlinien für die Einhaltung der Verhaltensstandards und -grundsätze. Auf diese Weise können allgemeine Kernwerte formuliert und zugleich konkrete Orientierungshilfen gegeben werden, die die Amtsträger in ihrer täglichen Entscheidungsfindung unterstützen. Im australischen Public Service Act von 1999 werden die Kernwerte des öffentlichen Dienstes beispielsweise zunächst dargelegt und dann zu einem konkreten Verhaltenskodex ausgebaut. Ähnlich werden auch im Values and Ethics Code for the Public Service in Kanada beide Instrumente miteinander kombiniert. Neben der begrifflichen Abgrenzung der einzelnen Werte (einschließlich Integrität) enthält dieser Text ein Kapitel über „erwartete Verhaltensweisen“ zu den einzelnen Werten (Government of Canada, 2012[7]). Andernorts wurden die Kodizes in Verordnungen aufgenommen, die darlegen, wie die Werte in das tägliche Verhalten der Amtsträger*innen übersetzt werden können. Beispiele dafür sind etwa der koreanische Code of Conduct for Maintaining the Integrity of Public Officials und die New Zealand Standards of Integrity and Conduct und ihre jeweiligen Leitlinien (OECD, 2013[8]). Konkrete Beispiele aus der Praxis helfen dabei, allgemein formulierte Werte besser zu veranschaulichen und geben hilfreiche Hinweise dazu, wie Amtsträger*innen in bestimmten Situationen reagieren können.

Internationale Muster wie der Internationale Verhaltenskodex für Amtsträger1 oder der Musterverhaltenskodex des Europarates2 enthalten Leitlinien zu den häufigsten Themen, die in einem Verhaltenskodex behandelt werden. Dazu gehören insbesondere Interessenkonflikte, Geschenke und Gastfreundschaft, Meldepflichten bei Fehlverhalten, Bestechung und andere Formen der unzulässigen Einflussnahme, die Nutzung von bei öffentlichen Stellen gespeicherten Daten und Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Austritt aus dem öffentlichen Dienst. Tabelle 4.1 bietet einen Überblick über die häufigsten Pflichten und Verbote, die in den Verhaltenskodizes der OECD-Länder enthalten sind.

Ein Kodex ist einfach und klar formuliert, folgt einer logischen Struktur und ist mit allen anderen einschlägigen Dokumenten oder Rechtsvorschriften verknüpft, die Teil des breiteren Integritätssystems sind (Bacio Terracino, 2019[9]). Ein ausdrücklicher Verweis auf die formelle Zuständigkeitskette sowie auf vorhandene Schutzmechanismen im Fall einer Aufdeckung von Fehlverhalten ist ebenfalls empfehlenswert. Die Beteiligung von Interessengruppen in der Erstellungs- und Validierungsphase fördert ein gemeinsames Verständnis davon, welche Verhaltensstandards erwartet werden, stärkt das Verantwortungsgefühl für den Kodex und erhöht dessen Klarheit.

Neben einem allgemeinen Verhaltenskodex können Kodizes auch speziell auf bestimmte Bereiche oder Funktionen innerhalb der öffentlichen Verwaltung zugeschnitten werden. Insbesondere für risikobehaftete Bereiche wie das Beschaffungs- und Zollwesen sind maßgeschneiderte Verhaltenskodizes sinnvoll. In Kanada gibt es beispielsweise einen Kodex für Beschaffungsbeamt*innen, der an den Werte- und Ehrenkodex für den öffentlichen Dienst und die nationale Politik zur Vermeidung von Interessenkonflikten angelehnt ist, aber dennoch ein eigenständiges Dokument darstellt und regelmäßig aktualisiert wird (Government of Canada, 2019[10]). Auch für gewählte Amtsträger*innen und Justizbedienstete sind eigene Kodizes möglich, die auf die speziellen Funktionen, Pflichten und Aufgaben dieser Positionen zugeschnitten sind. Angesichts ihrer politischen Gestaltungsrolle könnte auch ein Ehren- und Verhaltenskodex für politische Berater*innen sinnvoll sein.

Da der Privatsektor an Entscheidungen und an der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen beteiligt sein kann, kann auch hier die Anwendung von Verhaltensstandards das Vertrauen in staatliche Entscheidungen und Geschäfte stärken. Der im Vereinigten Königreich geltende Supplier Code of Conduct zeigt, wie der Staat die Standards und Verhaltensweisen, die er von seinen Lieferanten erwartet, darstellen kann. Um das Vertrauen in öffentliche Entscheidungsprozesse zu stärken, ist in vielen Ländern auch ein Verhaltenskodex für Lobbyisten vorgesehen (vgl. Kapitel 13).

Um die Glaubwürdigkeit und Relevanz von Verhaltensstandards zu sichern, müssen Amtsträger*innen für ihre Einhaltung zur Rechenschaft gezogen werden können. In Kapitel 11 werden die wichtigsten Elemente eines wirksamen Disziplinarsystems aufgezeigt. Bei der Konzipierung der Standards ist u. a. zu überlegen, ob die Pflichten rechtlich und disziplinarisch bindend sein oder lediglich dazu dienen sollen, die Zielgruppe ethisch und moralisch von Verstößen abzuhalten. Für die Meldung und Aufklärung von Verhaltensverstößen sowie für das Monitoring der Einhaltung des Kodex sind sichere Verfahren und entsprechende Ressourcen nötig. Bei Standards mit rechtlich und disziplinarisch bindendem Charakter können klare und verhältnismäßige Verwaltungs- oder Disziplinarstrafen die Einhaltung von Integritätsstandards erhöhen. Eine Bestrafung kann sehr unterschiedlich geartet sein. Mögliche Formen sind:

  • Mahnungen und Verwarnungen (schriftlich oder mündlich)

  • finanzielle Nachteile (z. B. Bußgelder, Gehaltskürzungen)

  • Folgen für die gegenwärtige oder künftige Karriere (z. B. Degradierung, Versetzung)

  • Ausschluss aus dem öffentlichen Dienst, d. h. zuwiderhandelnde ehemalige Amtsträger*innen dürfen für einen bestimmten Zeitraum kein öffentliches Amt bekleiden

  • Dienstenthebung

Die Art der Strafe kann dabei von der Schwere des Verstoßes abhängen. Der australische Public Service Act von 1999 sieht für Verstöße gegen den Verhaltungskodex etwa verschiedene Verwaltungsstrafen vor, angefangen von Verwarnungen bis hin zur Amtsenthebung (Australian Government, 1999[11]).

Klarheit und Verhältnismäßigkeit erhöhen die Fairness, Akzeptanz und Wirksamkeit von Verfahren, mit denen Verstöße gegen öffentliche Integritätsstandards vermieden werden sollen. Damit Amtsträger*innen wissen, wie sie sich verhalten sollen, was sie gegebenenfalls wem und wann melden sollen und welche Strafen sie bei Verstößen gegen geltende Standards und Vorschriften erwarten, müssen sie zunächst die Verfahren richtig verstehen. Gelten für bestimmte Funktionskategorien (gewählte bzw. ernannte Amtsträger*innen, Kabinettsmitglieder usw.) oder Bereiche (öffentliche Auftragsvergabe, Steuern, Zollwesen usw.) beispielsweise je eigene Verfahrensschritte, Erwartungen und Anforderungen, so müssen diese Unterschiede ausdrücklich dargelegt werden. Amtsträger*innen eine Orientierungshilfe, Trainings oder Schulungen zu den Verfahren zu bieten – sei es über eine Hotline, ein Infoheft, eine Website oder eine spezielle Funktion, Stelle oder Einrichtung –, führt zu mehr Klarheit und einer besseren Verbreitung der Standards und Verfahren.

Verhältnismäßigkeit sorgt für eine höhere Passgenauigkeit der Verfahren entsprechend der Funktion, den potenziellen Risiken, der Seniorität sowie der Exponiertheit der betreffenden Amtsträger*innen gegenüber bestimmten Risiken. In der Praxis kann das für (gewählte oder nicht gewählte) hochrangige Amtsträger*innen und risikobehaftete Positionen zu strengeren Anforderungen führen, beispielsweise im Hinblick auf die öffentliche Offenlegung von Vermögenswerten und Interessen oder auch des Terminkalenders von Personen in staatlichen Führungspositionen.

Was konkret unter einem klaren und verhältnismäßigen Verfahren zu verstehen ist, soll hier am Beispiel der Bewältigung und Prävention von Interessenkonflikten erläutert werden. Zunächst gilt es den Begriff „Interessenkonflikt“ zu definieren. Nur so kann das Problem begriffen und verstanden werden, wie Interessenkonflikte erkannt, bewältigt und aufgelöst werden können (OECD, 2004[12]). Dafür kommen entweder ein deskriptiver (allgemeine Beschreibung eines Interessenkonflikts) oder ein präskriptiver Ansatz (Festlegung von Situationen, die als Verstoß gegen die Amtspflichten gelten) infrage.

Neben der begrifflichen Bestimmung von „Interessenkonflikt“ hängt die wirksame Anwendung eines entsprechenden Verfahrens auch davon ab, dass die Amtsträger*innen wissen, wie sie einen potenziellen oder tatsächlichen Interessenkonflikt erkennen. Da sich Interessenkonflikte nie gänzlich vermeiden lassen, ermöglicht eine ausgewogene Sichtweise auf die Amtspflichten einerseits und das Privatleben bzw. die privaten Interessen der Amtsträger*innen andererseits, inakzeptable Formen von Interessenkonflikten zu erkennen, sie zu vermeiden und sie der zuständigen Stelle (sei es dem*der Vorgesetzten, einem einschlägigen Referat oder Gremium) zu melden.

Die präzise Nennung von Zeitpunkten in der beruflichen Laufbahn der Bediensteten, an denen es besonders wichtig ist, Interessenkonflikte zu erkennen und zu melden, wie beispielsweise die Phasen vor oder nach ihrer Amtszeit oder vor Beginn eines neuen Projekts mit Akteuren aus der Privatwirtschaft, kann ebenfalls für mehr Klarheit sorgen. Da es allerdings im gesamten Arbeitsleben eines öffentlich Bediensteten zu Interessenkonflikten kommen kann, sollte sichergestellt werden, dass die geltenden Verfahren zur Meldung und Bewältigung von Interessenkonflikten in den Leitlinien genau aufgeführt sind. Die Verfahren zur Bewältigung oder Auflösung eines Interessenkonflikts sollten der Funktion angemessen sein und mindestens einen der folgenden Mechanismen umfassen:

  • Suspendierung (vorübergehend oder dauerhaft)

  • Rekusation oder Restriktion

  • Versetzung oder Umsetzung

  • Rücktritt (OECD, 2006[13])

Neben eindeutigen Vorschriften und Leitlinien braucht es außerdem Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen, um die Bediensteten über ihre Verantwortung im Umgang mit Interessenkonflikten zu belehren, sowie Sanktionen für den Fall eines mangelhaften Umgangs mit Interessenkonflikten (Bacio Terracino, 2019[3]).

Indem die Standards innerhalb der Organisation und gegenüber externen Akteuren kommuniziert werden, werden sie Teil der Organisationskultur. Unabhängig von der Kommunikationsmethode und den einzelnen Botschaften sollte dabei jedoch immer betont werden, dass die Standards nicht durch Kommunikation allein, sondern vielmehr durch konkretes Handeln umgesetzt werden (vgl. Kapitel 6 und 9).

Indem die Verhaltensstandards über verschiedene Kommunikationskanäle verbreitet werden, werden sie wahrscheinlich besser verstanden, sind leichter zugänglich und werden öfter herangezogen. Alle Bediensteten – einschließlich derjenigen, die erst seit Kurzem im Amt sind – sollten eine eigene Ausgabe des Verhaltenskodex erhalten oder unmittelbar auf diesen zugreifen können. Eine eigene Seite oder ein eigener Bereich im Intranet sind eine gute Möglichkeit, um alle Informationen rund um das Thema Verhaltensstandards an einem zentralen Ort abzulegen. Auf dem offiziellen Regierungsportal des Bundesstaats Queensland (Australien) finden sich im Bereich „Conduct and Performance“ z. B. relevante Strategiepapiere und Dokumente für Unternehmen, Richtlinien und Verfahren, aber auch interaktive Elemente, Feedbackkästen und häufig gestellte Fragen (FAQ).

Während Mitteilungen, Broschüren, Newsletter, Handbücher, Jahresberichte und Poster die Klassiker der Innenkommunikation sind, eignen sich auch Ansprachen, Vorträge und Einzelberatungen dafür, die Werte des öffentlichen Dienstes zu vermitteln. Auch Teamsitzungen, Fokusgruppen und informelle Gespräche beim Mittagessen oder bei bestimmten Anlässen bieten ein gutes Diskussionsforum. Verhaltensstandards können aber auch auf elektronischem Weg vermittelt werden, z. B. über das Intranet, Blogs, Podcasts, Chatrooms, Videokonferenzen, Instant-Messaging-Systeme und Quiztools. Diese einprägsamen Formate können auf die elektronischen (und insbesondere mobilen) Geräte der Bediensteten zugeschnitten und so programmiert werden, dass sie nach einer bestimmten Zeit abgespielt bzw. wiederholt werden.

Die interne Kommunikation von Verhaltensstandards ist zwar wichtig, aber nicht genug. Da die öffentliche Verwaltung an vielen Stellen mit der Gesellschaft in Berührung kommt, können Sensibilisierungskampagnen unter der Mitwirkung von Einzelpersonen, Organisationen der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und privatwirtschaftlichen Unternehmen die Verbreitung der Werte und Standards des öffentlichen Dienstes voranbringen. Sensibilisierung, Bildung und Beratung haben in der Außenkommunikation der Standards einen hohen Stellenwert.

Das häufigste Instrument, um Fragen der Integrität im öffentlichen Leben zu erklären, sind Sensibilisierungskampagnen. Ihr Schwerpunkt liegt meist auf einem bestimmten Problem, worüber eine bestimmte Zielgruppe aufgeklärt werden soll. Dabei können verschiedene Kanäle bespielt werden, von traditionellen Medien (Rundfunk, Fernsehen, Print) bis hin zu Social Media (YouTube, Twitter, Facebook usw.) oder einer Kombination aus beiden, je nach Ziel und Zielgruppe.

Bildung ist ein wichtiges Instrument, um die junge Generation an Integritätsstandards und -normen heranzuführen. Partnerschaften mit Bildungsakteuren sind deshalb eine gute Möglichkeit, um die Standards in die Gesellschaft zu tragen und dort zu verbreiten. Bei der Bildungsarbeit zu Integrität im öffentlichen Leben geht es darum, Schüler*innen der Primar- und Sekundarstufen zu ethisch korrektem Verhalten zu inspirieren und sie mit dem Wissen und den Kompetenzen auszustatten, Normenverstöße zu vermeiden. Neben Frontalunterricht bieten vor allem auch praktische Erfahrungen eine gute Möglichkeit, die Integritätskompetenz der nächsten Generation zu schärfen. Hier bieten sich z. B. Integritätsprojekte an, bei denen die Schüler*innen „echte“ öffentliche Prozesse gemeinsam beobachten (vgl. Kapitel 5, Kasten 5.4).

Um Integritätsstandards nach außen hin bekannt zu machen, ist darüber hinaus auch die Institutionalisierung der Akteursbeteiligung wichtig. Konkret bedeutet das, dass neue Integritätspolitiken verpflichtend mit den betroffenen Akteuren abgestimmt werden müssen und sie in die Entwicklung, Aktualisierung und Umsetzung des öffentlichen Integritätssystems einbezogen werden müssen (vgl. Kapitel 5, Kasten 5.6). Um die Akteursbeteiligung transparent zu halten, muss öffentlich dokumentiert werden, wer genau konsultiert wurde, was von den Befragten beigesteuert wurde und inwiefern darauf eingegangen wurde. Im Regulierungsbereich hat die Einbeziehung betroffener Akteure in die Ausarbeitung von Vorschriften dazu geführt, dass diese besser eingehalten und akzeptiert wurden. In Kapitel 13 wird näher darauf eingegangen, wie die Beteiligung von Akteuren, Integrität und politische Entscheidungsprozesse zusammenhängen.

Durch ihren engen Kontakt mit Amtsträger*innen spielen auch Dritte und Partnerorganisationen bei der Verbreitung und dem Schutz der Werte und Standards des öffentlichen Dienstes eine wichtige Rolle. Es sollte deshalb klar kommuniziert werden, dass alle, die an der Erbringung öffentlicher Leistungen beteiligt sind (einschließlich Drittanbieter), die hohen Verhaltensstandards des öffentlichen Dienstes einhalten müssen. Diese Erwartung kann vor einer möglichen Beauftragung in einem klar formulierten Schriftstück festgehalten werden. Werden die Werte des öffentlichen Dienstes nicht unmissverständlich in den Vertragsdokumenten verankert und fehlt es an klaren Leitlinien, so ist es unwahrscheinlich, dass die Leistungserbringer überhaupt wissen, dass diese Standards für sie gelten und wie sie sich verhalten sollen, um die Erwartungen zu erfüllen (Committee on Standards in Public Life, 2014[14]). Auch Gesetze, die die Lobbyarbeit oder das Verhältnis zwischen Verwaltung und Öffentlichkeit regeln, können externe Akteure und Einzelpersonen dazu verpflichten, die Werte und Standards des öffentlichen Dienstes im Kontakt mit Behörden und Amtsträger*innen einzuhalten. Auch Verhaltenskodizes für Lobbyisten und besondere Richtlinien und Bestimmungen für Auftragnehmer*innen sind eine gute Möglichkeit, um öffentliche Standards und erwartete Verhaltensweisen im Umgang mit Amtsträger*innen klar zu kommunizieren.

Ein gesamtgesellschaftlicher Ansatz und die Verpflichtung zur Einhaltung der Standards tragen dazu bei, dass sie im Alltag umgesetzt werden. Damit die Werte und Standards von allen verstanden und flächendeckend angewandt werden, müssen sie unbedingt innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes verbreitet werden. Zu erkennen und immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass nicht nur Amtsträger*innen und Behörden für den Aufbau einer Integritätskultur im öffentlichen Leben verantwortlich sind, sondern dass auch Einzelpersonen, die Wissenschaft, die Zivilgesellschaft und die Privatwirtschaft eine wichtige Rolle dabei spielen, ist von zentraler Bedeutung. In Kapitel 5 wird näher auf diese verschiedenen Aspekte der Sensibilisierung, Bildung und Einbeziehung verschiedener Akteure eingegangen.

Viele Herausforderungen hängen hauptsächlich vom lokalen oder nationalen Kontext ab, in dem eine Einrichtung tätig ist. Dennoch gibt es einige häufige Fallstricke, die das Festlegen hoher Verhaltensstandards in der Verwaltung erschweren. Die wichtigsten werden nachstehend erläutert.

Standards und Leitlinien für ethisches Verhalten werden häufig von einer Verpflichtung auf übergeordnete Werte abgeleitet (OECD, 2018[15]). Diese Werte sind eine wichtige Richtschnur für Entscheidungen und das Handeln im Alltag. Gibt es zu viele davon, schlägt der Effekt jedoch ins Gegenteil um, denn die Bediensteten können sich die vielen Werte nicht merken. Der menschliche „Arbeitsspeicher“ ist nämlich begrenzt. Wird die Liste der Werte hingegen auf sieben (± zwei) beschränkt, wirkt sich das positiv auf ihr Verständnis und ihre Umsetzung aus (siehe Kasten 4.1).

Die Vorbildfunktion von Führungskräften ist eine der wichtigsten Möglichkeiten, um für hohe Verhaltensstandards zu werben und sie zu verbreiten. Aus der Theorie des sozialen Lernens wissen wir, dass der Mensch durch Beobachtung, Nachahmung und über Vorbilder von anderen lernt und unethisch handelnde Führungskräfte der Hauptgrund für unethisches Verhalten sind (Hanna, R., V. Crittenden und W. Crittenden, 2013[16]). Sind die Mitarbeiter*innen nicht motiviert, sichtbar engagierten Führungskräften zu folgen, führen auch die besten Verhaltenskodizes, Prozesse und Integritätsstrukturen nicht zum gewünschten Ergebnis. Für nähere Ausführungen zum Engagement und zur Vorbildfunktion hochrangiger Amtsträger*innen siehe Kapitel 1 und 6.

Im Lauf der Zeit wurden verschiedene Standards und Verfahren zur Bewältigung, Prävention und Aufdeckung von Interessenkonflikten entwickelt. Teilweise sind die Bediensteten danach verpflichtet, ihre Vermögenswerte und/oder Interessen jährlich gegenüber ihrem Arbeitgeber oder einer zentralen Stelle oder Kommission offenzulegen, die für das Monitoring des Offenlegungsprozesses zuständig ist. Angesichts knapper Ressourcen stellt die Menge der (von einem Großteil oder gar allen Bediensteten) eingereichten Erklärungen jedoch eine Herausforderung dar und ist für die Prävention von Interessenkonflikten nicht unbedingt wirksam. Die Erfahrung aus den letzten Jahrzehnten zeigt, dass für eine wirksame Umsetzung der Verfahren zur Bewältigung von Interessenkonflikten die folgenden drei Punkte entscheidend sind: Erstens müssen die Kategorien erklärungspflichtiger Amtsträger*innen genau definiert werden und im Rahmen eines entsprechenden Prüfmechanismus kontrolliert werden, zweitens muss der Umfang der offenzulegenden Daten genau definiert werden und drittens müssen nicht vertrauliche Daten öffentlich zugänglich gemacht werden (Bacio Terracino, 2019[9]).

Bei der Gestaltung der Maßnahmen zur Prävention, Erkennung und Bewältigung von (tatsächlichen und potenziellen) Interessenkonflikten ist unbedingt auf eindeutige und verhältnismäßige Verfahren zu achten. Nur so kann ihre wirksame Umsetzung sichergestellt werden. Insbesondere sollte dabei auf Folgendes geachtet werden:

  • Es sollten klare Verfahrensziele im Hinblick auf Transparenz, die Prävention von Interessenkonflikten und/oder die Überprüfung der Richtigkeit der offengelegten Informationen festgelegt werden.

  • Es sollte genau festgelegt werden, welche Angaben wem gegenüber offengelegt werden müssen.

  • Je nach Funktion und Risikogefährdung der Bediensteten sollte sorgfältig ermittelt werden, welche Kategorien von Amtsträger*innen Informationen offenlegen sollen.

  • Es sollte festgelegt werden, inwieweit die von den Amtsträger*innen dieser Kategorien offengelegten Informationen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen.

  • Die Häufigkeit der Erklärungen sowie die Mittel und Ressourcen für das Monitoring des Offenlegungssystems sollten angepasst werden.

  • Den Bediensteten sollten Leitlinien zum Verfahren und zu den offenzulegenden Informationen an die Hand gegeben werden.

  • Es sollten angemessene Strafen für Verstöße festgelegt werden.

Frankreich war das erste Land, das 2013 einen Mechanismus zur Prävention von Interessenkonflikten hochrangiger Amtsträger*innen einführte. Nach dem mehrstufigen System gelten für jede Kategorie von Bediensteten unterschiedliche Vorgaben für die Offenlegung und Veröffentlichung ihres Vermögens und ihrer Interessen (Kasten 4.2).

Eindeutige und verhältnismäßige Verfahren zur Vermeidung von Interessenkonflikten erfordern klare Mandate und eine angemessene personelle, technische und finanzielle Ausstattung, damit die verantwortlichen Mitarbeiter*innen ihre Aufgaben erfüllen können. Damit Interessenkonflikte wirksam vermieden werden, braucht es geeignete Garantien, die das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachten. Andernfalls verlieren die Offenlegungs- und Überprüfungssysteme möglicherweise die nötige Relevanz und Glaubwürdigkeit, um bei der Vermeidung von Interessenkonflikten eine Rolle zu spielen.

Literaturverzeichnis

[11] Australian Government (1999), Public Service Act 1999, https://www.legislation.gov.au/Details/C2019C00057 (Abruf: 24. Januar 2020).

[3] Bacio Terracino, J. (2019), “Article 7: Public sector”, in The United Nations Convention against Corruption: A Commentary, C. Rose, M. Kubiciel und O. Landwehr (Hrsg.), Oxford University Press, Oxford.

[9] Bacio Terracino, J. (2019), “Article 8. Codes of conduct for public officials”, in The United Nations Convention against Corruption: A Commentary, C. Rose, M. Kubiciel und O. Landwehr (Hrsg.), Oxford University Press, Oxford.

[14] Committee on Standards in Public Life (2014), Ethical standards for providers of public services, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/336942/CSPL_EthicalStandards_web.pdf.

[10] Government of Canada (2019), “Code of Conduct for Procurement”, https://www.tpsgc-pwgsc.gc.ca/app-acq/cndt-cndct/contexte-context-eng.html (Abruf: 18. November 2019).

[7] Government of Canada (2012), “Values and Ethics Code for the Public Sector”, https://www.tbs-sct.gc.ca/pol/doc-eng.aspx?id=25049 (Abruf: 18. November 2019).

[16] Hanna, R., V. Crittenden und W. Crittenden (2013), “Social Learning Theory: A Multicultural Study of Influences on Ethical Behavior”, Journal of Marketing Education, Vol. 35/1, S. 18-25, https://doi.org/10.1177/0273475312474279.

[17] HATVP (o. J.), “Prevent Conflict of Interest”, Haute Autorité pour la transparence de la vie publique, Paris, https://www.hatvp.fr/en/high-authority/ethics-of-publics-officials/list/#prevent-conflict-of-interest-rp (Abruf: 18. November 2019).

[2] Heywood, P. et al. (2017), Integrity and Integrity Management in Public Life, University of Birmingham, https://research.birmingham.ac.uk/portal/files/42921002/D11_4_FINAL_combined.pdf.

[15] OECD (2018), Behavioural Insights for Public Integrity: Harnessing the Human Factor to Counter Corruption, OECD Public Governance Reviews, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/9789264297067-en.

[1] OECD (2017), OECD-Empfehlung des Rats zu Integrität im öffentlichen Leben, OECD, Paris, https://www.oecd.org/gov/ethics/recommendation-public-integrity.

[8] OECD (2013), OECD Integrity Review of Italy: Reinforcing Public Sector Integrity, Restoring Trust for Sustainable Growth, OECD Public Governance Reviews, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/9789264193819-en.

[13] OECD (2006), OECD-Leitlinien für die Behandlung von Interessenkonflikten im öffentlichen Dienst, OECD Publishing, Paris, https://doi.org/10.1787/9789264065147-de.

[12] OECD (2004), Managing Conflict of Interest in the Public Service: OECD Guidelines and Country Experiences, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/9789264104938-en.

[6] UNODC (2010), Travaux Préparatoires of the negotiations for the elaboration of the United Nations Convention against Corruption, Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung, Wien, http://www.unodc.org/documents/treaties/UNCAC/Publications/Travaux/Travaux_Preparatoires_-_UNCAC_E.pdf.

[4] Wegner, S., J. Schöberlein und S. Biermann (2013), Motivating Business to Counter Corruption: A Practitioner Handbook on Anti-Corruption Incentives and Sanctions, Humboldt-Viadrina School of Governance, https://www.governance-platform.org/wp-content/uploads/2016/11/HVSG_ACIS_PractitionerHandbook_20131121.pdf.

[5] Zúñiga, N. (2018), “Behavioural changes against corruption”, U4 Helpdesk Answer, No. 2018/11, U4 Anti-Corruption Resource Centre, Bergen, https://knowledgehub.transparency.org/assets/uploads/helpdesk/behavioural-changes-against-corruption-2018.pdf.

Anmerkungen

← 1. VN-Generalversammlung, „Action against corruption”, UNGAOR, 51. Sitzung, UN Doc A/Res/51/59 (28. Januar 1997).

← 2. Europarat, Empfehlung des Ministerkomitees an die Mitgliedstaaten zu Verhaltenskodizes für Amtsträger (Nr. R [2000] 10).

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