3. Ist die rechtliche Gleichstellung von LGBTI in den OECD-Ländern gewährleistet?

Einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen wurden in allen OECD-Ländern, in denen sie zuvor strafbar waren, legalisiert. Gleiches gilt für geschlechtsangleichende Maßnahmen und/oder Operationen für Transsexuelle. Die gleichgeschlechtliche Ehe dagegen wurde nur in der Hälfte der OECD-Länder landesweit legalisiert, und lediglich in einem Drittel der OECD-Länder kann das Geschlecht in amtlichen Dokumenten an die Geschlechtsidentität angepasst werden, ohne dass sich die betreffende Person einer Sterilisation, geschlechtsangleichenden Operation, Hormontherapie oder psychiatrischen Diagnose unterziehen muss. Es waren auch Rückschritte zu beobachten: Einige OECD-Länder haben ein Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe in der Verfassung verankert und in einigen anderen wird die Möglichkeit einer personenstandsrechtlichen Anerkennung als transgender infrage gestellt (OECD, 2019[1]).1 Außerdem werden die Rechte von Intersexuellen häufig missachtet.

Dieses Kapitel beleuchtet, inwieweit die OECD-Länder am 30. Juni 2019 über die für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen maßgeblichen Rechtsvorschriften verfügten. Es beruht auf einer Analyse der gesetzlichen Bestimmungen und Änderungen auf nationaler Ebene, die von der überwiegenden Mehrheit der in diesem Bericht berücksichtigten Länder geprüft wurde (33/35)2. Im Fokus dieser Analyse stand ein umfassender Katalog gesetzlicher Bestimmungen, der fast alle von den drei bekanntesten internationalen LGBTI-Gleichstellungsindizes als entscheidend erachteten gesetzlichen Bestimmungen umfasst und zugleich weitere wesentliche Aspekte berücksichtigt, denen in diesen Indizes nicht Rechnung getragen wird (Kasten 3.1).

Abschnitt 3.1 befasst sich mit der Messung der rechtlichen Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen, definiert als der Anteil der in Kapitel 2 beschriebenen LGBTI-orientierten Bestimmungen, die bereits in Kraft sind. In Abschnitt 3.2 werden der Grad der rechtlichen Gleichstellung und die diesbezüglichen Entwicklungstrends im OECD-Raum und in den einzelnen Mitgliedsländern in den Blick genommen. Dabei wird insbesondere der Zusammenhang zwischen der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI und ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz, der Gleichstellung der Geschlechter und der wirtschaftlichen Entwicklung beleuchtet. Abschnitt 3.3 beschäftigt sich mit der Frage, wie die rechtliche Gleichstellung von LGBTI verbessert werden könnte. Dazu wird für die einzelnen Länder eine realistische Abfolge weiterer Schritte vorgeschlagen, die der aktuellen Situation im jeweiligen Land ebenso Rechnung trägt wie der Umsetzbarkeit der übrigen Gleichstellungsbestimmungen, die in diesem Land noch nicht in Kraft sind. Darüber hinaus enthält Abschnitt 3.3 auch einen Leitfaden zum Beschluss einiger gesetzlicher Bestimmungen zur Sicherung der Rechte und Chancen von LGBTI, der sich an bewährten Praktiken aus OECD- und Nicht-OECD-Ländern orientiert.

Gemessen wird die rechtliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen anhand des Anteils der in Kapitel 2 beschriebenen Bestimmungen, die in den OECD-Ländern in Kraft sind. In Abschnitt 3.1.1 wird zunächst der Fragebogen zu gesetzlichen Bestimmungen und sonstigen Maßnahmen zur Gleichstellung von LGBTI präsentiert, mit dem die rechtliche Gleichstellung gemessen wurde. In Abschnitt 3.1.2 wird dann erläutert, wie die Antworten im Fragebogen ausgewertet wurden, um die rechtliche Gleichstellung von LGBTI zu ermitteln.

Der OECD-Fragebogen zu gesetzlichen Bestimmungen und sonstigen Maßnahmen zur Gleichstellung von LGBTI wurde auf Anfrage von zwölf Mitgliedsländern3 für die Zwecke dieses Berichts entwickelt. Diese Länder hatten einen Handlungsaufruf unterzeichnet, in dem die OECD u. a. aufgefordert wurde zu untersuchen, inwieweit die Gleichbehandlung sexueller und geschlechtlicher Minderheiten in den Mitgliedsländern durch gesetzliche Bestimmungen und andere Maßnahmen gewährleistet ist. Gegenstand des Fragebogens war, ob die in Kapitel 2 beschriebenen Bestimmungen am 30. Juni 2019 in den OECD-Ländern in Kraft waren sowie gegebenenfalls seit wann. Zur Erhebung dieser Informationen führte die OECD eine Analyse der nationalen gesetzlichen Bestimmungen und Änderungen durch, die von der überwiegenden Mehrheit der in diesem Bericht berücksichtigten Länder geprüft wurde (33/35).4

Der Fragebogen gliedert sich ebenso wie die Beschreibung der LGBTI-orientierten Bestimmungen in Kapitel 2 in zwei Abschnitte. Im ersten Abschnitt stehen die allgemeinen Bestimmungen im Fokus, die für die Teilhabe von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen insgesamt maßgeblich sind. Der zweite Abschnitt bezieht sich auf gruppenspezifische Bestimmungen, die die besonderen Teilhabehindernisse beseitigen sollen, mit denen sich Teile der LGBTI-Population konfrontiert sehen. Er besteht aus zwei Teilabschnitten, einem zu LGB-spezifischen Bestimmungen und einem zu TI-spezifischen Bestimmungen.

Wie Abbildung 3.2 zeigt, werden bei den allgemeinen, LGB-spezifischen und TI-spezifischen Bestimmungen jeweils fünf Teilbereiche unterschieden:

  • Bei den allgemeinen Bestimmungen: 1. Schutz von LGBTI vor Diskriminierung, 2. Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte von LGBTI, 3. Schutz von LGBTI vor Gewalt, 4. Schutz im Ausland verfolgter LGBTI-Geflüchteter und 5. für LGBTI zuständige Gleichstellungsstellen, Ombudsstellen oder Menschenrechtskommissionen

  • Bei den gruppenspezifischen Bestimmungen:

    • in der Unterkategorie LGB-spezifische Bestimmungen: 1. Gleichbehandlung einvernehmlicher gleich- und verschiedengeschlechtlicher sexueller Handlungen, 2. Verbot von Konversionstherapien, 3. rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, 4. gleiche Adoptionsrechte und 5. gleicher Zugang zu künstlicher Befruchtung

    • in der Unterkategorie TI-spezifische Bestimmungen: 1. keine Einstufung von Transsexualität als psychische Erkrankung in nationalen klinischen Klassifikationen, 2. personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts, 3. keine medizinischen Auflagen für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts, 4. nichtbinäre Geschlechtsoption in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren und 5. Aufschub medizinisch nicht notwendiger geschlechtsnormierender Behandlungen oder chirurgischer Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen

Die Fragen zu diesen 15 (3x5) Teilbereichen sind in Anhang 3.B angegeben.

Der Grad der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI wurde anhand der Antworten im OECD-Fragebogen zu gesetzlichen Bestimmungen und sonstigen Maßnahmen zur Gleichstellung von LGBTI ermittelt. Dies sei im Folgenden am Beispiel des Teilbereichs „Schutz von LGBTI vor Gewalt“ veranschaulicht. Wie Anhang 3.B verdeutlicht, würde eine Anwendung internationaler Menschenrechtsstandards auf diesen Bereich den Beschluss von sechs gesetzlichen Bestimmungen erforderlich machen: drei zum Schutz von LGBTI vor Hassverbrechen (aufgrund der sexuellen Orientierung von LGB-Personen, der Geschlechtsidentität von Transgender und der Geschlechtsmerkmale von Intersexuellen) sowie drei zum Schutz von LGBTI vor Hassreden (auch hier jeweils bezogen auf LGB-Personen, Transgender und Intersexuelle). Nehmen wir an, dass in einem Land Hassverbrechen und Hassreden, die sich eindeutig auf die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität beziehen, strafbar sind und/oder in der nationalen Gesetzgebung als erschwerender Umstand gewertet werden, es aber in Bezug auf die Geschlechtsmerkmale keine derartige Bestimmung gibt. In diesem Fall entspräche die rechtliche Gleichstellung von LGBTI im Teilbereich „Schutz von LGBTI vor Gewalt“ dem Wert 2/3, da vier von sechs erforderlichen Bestimmungen in Kraft sind.

Hat man die rechtliche Gleichstellung von LGBTI für alle 15 Teilbereiche des Fragebogens ermittelt, kann für die einzelnen Kategorien gesetzlicher Bestimmungen der arithmetische Mittelwert berechnet werden. Dabei gilt:

  • Die rechtliche Gleichstellung von LGBTI in der Kategorie „allgemeine Bestimmungen" entspricht dem arithmetischen Mittel der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI in jedem der fünf Teilbereiche dieser Kategorie.

  • Die rechtliche Gleichstellung von LGBTI in der Kategorie „gruppenspezifische Bestimmungen" entspricht dem arithmetischen Mittel der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI in jedem der zehn Teilbereiche dieser Kategorie. Für die entsprechenden Unterkategorien kann die rechtliche Gleichstellung ebenfalls ermittelt werden. In diesem Fall gilt:

    • Die rechtliche Gleichstellung von LGBTI in der Unterkategorie „LGB-spezifische Bestimmungen" entspricht dem arithmetischen Mittel der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI in jedem der fünf Teilbereiche dieser Unterkategorie.

    • Die rechtliche Gleichstellung von LGBTI in der Unterkategorie „TI-spezifische Bestimmungen" entspricht dem arithmetischen Mittel der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI in jedem der fünf Teilbereiche dieser Unterkategorie.

Anschließend kann die rechtliche Gleichstellung von LGBTI für die allgemeinen und gruppenspezifischen Bestimmungen insgesamt berechnet werden. Dazu muss lediglich das arithmetische Mittel der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI in diesen beiden Kategorien bestimmt werden. Da sowohl die allgemeinen als auch die gruppenspezifischen Bestimmungen für die Gleichstellung von LGBTI von grundlegender Bedeutung sind, werden beide Kategorien bei der Berechnung des Mittelwerts gleich gewichtet. Das heißt, dass jeder der fünf Teilbereiche der allgemeinen Bestimmungen ein Gewicht von 10 % und jeder der zehn Teilbereiche der gruppenspezifischen Bestimmungen ein Gewicht von 5 % erhält (Kasten 3.2).

In mehreren föderalen Staaten bzw. Ländern mit dezentralen Regierungs- und Verwaltungssystemen sind einige der im OECD-Fragebogen berücksichtigten Aspekte ausschließlich auf subnationaler Ebene geregelt.5 Dies gilt für Australien, Belgien, Kanada, Mexiko, Österreich, Spanien, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. In solchen Fällen wurde erhoben, ob die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherung der Rechte und Chancen von LGBTI in den vier bevölkerungsreichsten Landesteilen in Kraft sind. Dabei galt:

  • Ist die betreffende Bestimmung in keinem dieser vier Landesteile in Kraft, wird unterstellt, dass es sie im betreffenden Land nicht gibt.

  • Ist die betreffende Bestimmung in einem, zwei oder drei dieser vier Landesteile in Kraft, wird unterstellt, dass sie in 25 %, 50 % bzw. 75 % des Landes in Kraft ist.

  • Ist die betreffende Bestimmung in allen vier Landesteilen in Kraft, wird unterstellt, dass sie landesweit gilt.

Eine Fokussierung auf die vier bevölkerungsreichsten Landesteile hat den Vorteil, dass damit in den meisten Ländern, in denen LGBTI-Belange auf subnationaler Ebene geregelt sind, die gesamte oder ein Großteil der Bevölkerung erfasst wird. So entfallen auf

  • New South Wales, Victoria, Queensland und Western Australia 85 % der Bevölkerung Australiens,

  • Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und die Steiermark 71 % der Bevölkerung Österreichs,

  • die Region Brüssel-Hauptstadt, Flandern und Wallonien 100 % der Bevölkerung Belgiens,

  • Ontario, Quebec, British Columbia und Alberta 85 % der Bevölkerung Kanadas,

  • Andalusien, Katalonien, die Autonome Gemeinschaft Madrid und Valencia 60 % der Bevölkerung Spaniens,

  • England, Nordirland, Schottland und Wales 100 % der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs.

Die einzigen Ausnahmen sind Mexiko und die Vereinigten Staaten: Auf den Bundesstaat Mexiko, Mexiko-Stadt, Veracruz und Jalisco entfallen insgesamt lediglich 35 % der mexikanischen Bevölkerung, und Kalifornien, Texas, Florida und New York stellen zusammen nur 33 % der US-amerikanischen Bevölkerung. Trotzdem sind die vier bevölkerungsreichsten Gliedstaaten in beiden Fällen offenbar repräsentativ für den Grad der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI auf Landesebene. Gleichgeschlechtliche Ehen beispielsweise waren am 30. Juni 2019 in zwei der vier bevölkerungsreichsten Gliedstaaten Mexikos legal. Auf Landesebene traf dies auf einen ähnlich hohen Anteil zu (18 von 32). Analog dazu liegen dem Movement Advancement Project6 zufolge zwei der vier bevölkerungsreichsten US-Bundesstaaten im Hinblick auf die Umsetzung von gesetzlichen Bestimmungen und sonstigen Maßnahmen zur Gleichstellung von LGBTI über dem US-Durchschnitt – ein ebenso hoher Anteil wie auf Bundesebene (25 von 50).

Abschnitt 3.2 beleuchtet den Grad und die Entwicklungstrends der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI im OECD-Raum (Abschnitt 3.2.1) und in den einzelnen Mitgliedsländern (Abschnitt 3.2.2). Im letzten Teil (Abschnitt 3.2.3) wird untersucht, wie die rechtliche Gleichstellung von LGBTI mit Indikatoren der gesellschaftlichen Gleichstellung und der wirtschaftlichen Entwicklung korreliert.

Die OECD-Länder haben erst etwas mehr als die Hälfte des Wegs zur vollen rechtlichen Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen zurückgelegt – 2019 waren es 53 %. Es wurden jedoch große Fortschritte erzielt. Ende der 1970er Jahre waren weniger als 10 % der für die Gleichstellung von LGBTI maßgeblichen Bestimmungen in Kraft. Dieser Anteil hat sich seither fast um das Sechsfache erhöht. Die größten Fortschritte wurden in den letzten zwanzig Jahren verzeichnet, was sowohl der Verabschiedung allgemeiner als auch gruppenspezifischer Bestimmungen zu verdanken war (Abbildung 3.1).

Abbildung 3.2 enthält ergänzende Informationen. Sie zeigt den Grad der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI im Jahr 2019 in den 15 im OECD-Fragebogen behandelten Teilbereichen sowie die Veränderung im Zeitraum 1999-20197 (wegen einer detaillierten Analyse des Grads und der Entwicklungstrends der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI in den einzelnen Teilbereichen im OECD-Raum und in den einzelnen Mitgliedsländern vgl. Anhang 3.C).

Aus Abbildung 3.2 ist ersichtlich, dass der Teilbereich „Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte von LGBTI“ 2019 am stärksten zur rechtlichen Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen beigetragen hat. Im OECD-Raum gibt es keine gesetzlichen Bestimmungen, die das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sexueller und geschlechtlicher Minderheiten ausdrücklich einschränken. Gleichgestellt sind LGBTI-Personen in Bezug auf die bürgerlichen Freiheitsrechte allerdings noch lange nicht, und es gilt, wachsam zu bleiben, um Rückschritte zu verhindern. So gab es im OECD-Raum z. B. Versuche, Gesetze zum Verbot „homosexueller Propaganda“ zu verabschieden, obwohl solche Gesetze von internationalen Menschenrechtsorganisationen aufs Schärfste verurteilt werden, da sie, wie in Kapitel 2 erörtert, die freie Meinungsäußerung in Bezug auf LGBTI-Themen einschränken. Außerdem wurde in einigen Ländern die Organisation friedlicher öffentlicher LGBTI-Veranstaltungen wie Pride-Events erschwert und die Anmeldung, Tätigkeit oder Finanzierung von Vereinigungen zum Schutz der Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen behindert (wegen näherer Einzelheiten vgl. Anhang 3.D).

Abbildung 3.2 zeigt auch, dass die OECD-Länder im Zeitraum 1999-2019 in folgenden fünf Teilbereichen große Fortschritte erzielten:8

  • Für LGBTI zuständige Gleichstellungsstellen, Ombudsstellen oder Menschenrechtskommissionen: Über eine Menschenrechtsinstitution, die den Auftrag hat, Opfer von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung zu unterstützen, verfügten 2019 z. B. 29 OECD-Länder, im Vergleich zu 6 Ländern im Jahr 1999.

  • Schutz im Ausland verfolgter LGBTI-Geflüchteter: 2019 erkannten beispielsweise 24 Länder Verfolgung (bzw. begründete Furcht vor Verfolgung) aufgrund der sexuellen Orientierung als legitimen Asylgrund an, 1999 waren es 4 OECD-Länder.

  • Schutz von LGBTI vor Diskriminierung: Diskriminierung in der Arbeitswelt aufgrund der sexuellen Orientierung war 2019 z. B. in 32 OECD-Ländern verboten,1999 nur in 11 OECD-Ländern.

  • Gleiche Adoptionsrechte: 2019 war in 20 OECD-Ländern sowohl die Stiefkind- bzw. Sukzessivadoption als auch die gemeinsame Adoption in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zulässig, 1999 war dies lediglich in einem OECD-Land der Fall.

  • Rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften: Gleichgeschlechtliche Ehen waren 2019 in 20 OECD-Ländern (zumindest in einigen Landesteilen) zulässig, 1999 dagegen in keinem OECD-Land.

Die allgemeinen und die gruppenspezifischen Bestimmungen tragen fast in gleichem Maße zur Verbesserung der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI bei, die OECD-Länder sind in Bezug auf die gruppenspezifischen Bestimmungen allerdings weniger aktiv. Abbildung 3.3 schlüsselt die gruppenspezifischen Bestimmungen in LGB-spezifische und TI-spezifische Bestimmungen auf und zeigt deren Entwicklung im Zeitverlauf. Dabei wird deutlich, dass es nach wie vor zu wenige gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Rechte von Transgender und Intersexuellen gibt. So waren 2019 zwar 59 % der LGB-spezifischen Bestimmungen in Kraft, aber nur 38 % der für die Gleichstellung von Transgender und Intersexuellen relevanten Bestimmungen. In den letzten zehn Jahren haben die OECD-Länder diesbezüglich jedoch aufgeholt und mehr TI-spezifische Bestimmungen verabschiedet. Besonders große Fortschritte wurden im OECD-Raum im Hinblick auf die Entpathologisierung bei der personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts erzielt. 2019 konnten Transgender in 15 OECD-Ländern (zumindest in einigen Landesteilen) ihr personenstandsrechtliches Geschlecht (Geschlechtsangabe, Vorname) in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren ändern lassen, ohne medizinische Auflagen erfüllen zu müssen. 2009 war in keinem OECD-Land eine personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts ohne vorhergehende Sterilisierung, geschlechtsangleichende Operation und/oder Behandlung bzw. psychiatrische Diagnose möglich.

Beim Grad der rechtlichen Gleichstellung sind im Ländervergleich beträchtliche Unterschiede zu erkennen. Die entsprechenden Werte liegen zwischen 25 % in den diesbezüglich am wenigsten aktiven Ländern – Japan, Türkei und Korea – und 79 % in den aktivsten – Kanada, Portugal und Frankreich (Abbildung 3.4). Dieses Gefälle ist in erster Linie auf die Kategorie "gruppenspezifische Bestimmungen" zurückzuführen, in der Kanada (78 %) einen fast achtmal so hohen Wert aufweist wie Litauen (10 %). In den Unterkategorien „LGB-spezifische Bestimmungen" und „TI-spezifische Bestimmungen" ist die Abweichung im Ländervergleich dagegen ähnlich (Abbildung 3.5). In Spanien sind fast alle für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen maßgeblichen Bestimmungen in Kraft (95 %), gegenüber lediglich 20 % in Korea, Lettland und Litauen. In Dänemark wiederum sind rd. drei Viertel (73 %) der für die Gleichstellung von Transgender und Intersexuellen erforderlichen Bestimmungen in Kraft, im Vergleich zu bloß 20 % in knapp einem Drittel der OECD-Länder9. In Litauen wurde bislang keine der TI-spezifischen Bestimmungen beschlossen.

2019 waren die EU-Länder unter den OECD-Ländern mit überdurchschnittlicher rechtlicher LGBTI-Gleichstellung überrepräsentiert.10 Zurückzuführen ist dies auf den strikten Normenrahmen zur Gleichstellung von LGBTI, der von den EU-Institutionen vorgegeben wurde (Kapitel 2 ). So hatten 2019 alle EU-Mitgliedsländer die Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf umgesetzt, die – u. a. – Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung untersagt (während nur drei Viertel der OECD-Länder, die nicht Mitglied der EU sind, über eine solche Bestimmung verfügten). Außerdem erkennen mehr als 80 % der EU-Mitgliedsländer Verfolgung (bzw. eine begründete Furcht vor Verfolgung) aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität im Einklang mit Richtlinie 2011/95/EU als legitimen Asylgrund an (aber nur eine Minderheit der OECD-Länder, die nicht Mitglied der EU sind).

Basierend auf dem Grad der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI und den diesbezüglichen Entwicklungstrends lassen sich die OECD-Länder in drei Gruppen einteilen (Kasten 3.3). Dabei sind im Ländervergleich zwar beträchtliche Unterschiede festzustellen, es machen jedoch alle OECD-Länder Fortschritte (Abbildung 3.4). Am größten waren die Fortschritte in Portugal (+63 Prozentpunkte, Anstieg von 13 % auf 76 %), am geringsten in der Türkei (+5 Prozentpunkte, Anstieg von 18 % auf 23 %).

Die Ergebnisse sind durch eine hohe Pfadabhängigkeit gekennzeichnet. Das heißt, dass Länder, die 1999 über (bzw. unter) dem OECD-Durchschnitt lagen, 2019 ebenfalls häufiger Werte über (bzw. unter) dem Durchschnitt aufwiesen: Für 13 der 20 Länder, die 2019 über dem OECD-Durchschnitt lagen, galt dies bereits 1999,11 und 13 der 15 Länder, die 2019 unter dem OECD-Durchschnitt lagen, wiesen bereits 1999 unterdurchschnittliche Ergebnisse auf.12

Die früheren Ergebnisse der OECD-Länder in Bezug auf die rechtliche Gleichstellung von LGBTI lassen jedoch nur begrenzt auf die gegenwärtige Situation schließen. Zwischen 1999 und 2019 waren sowohl positive als auch negative Entwicklungen zu beobachten. Sieben Länder, die 1999 unter dem OECD-Durchschnitt lagen, konnten 2019 überdurchschnittliche Ergebnisse vorweisen: Belgien, Finnland, Griechenland, Österreich, Portugal, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten. Portugal und das Vereinigte Königreich machten im Zeitraum 1999-2019 wirklich spektakuläre Fortschritte: Portugal verbesserte sich bei der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI um 63 Prozentpunkte (von 7 Prozentpunkten unter dem OECD-Durchschnitt im Jahr 1999 auf 23 Prozentpunkte über dem OECD-Durchschnitt 2019) und das Vereinigte Königreich um 55 Prozentpunkte (von 16 Prozentpunkten unter dem OECD-Durchschnitt im Jahr 1999 auf 6 Prozentpunkte über dem OECD-Durchschnitt 2019). Im Gegensatz dazu sind zwei Länder – Israel und die Schweiz – 2019 unter den Durchschnitt abgerutscht, obwohl sie 1999 noch über dem OECD-Durchschnitt lagen. Ihre Ergebnisse haben sich deutlich verschlechtert: Israel lag 1999 6 Prozentpunkte über dem OECD-Durchschnitt, 2019 aber 21 Prozentpunkte darunter. Die Schweiz wiederum wies 1999 noch 2 Prozentpunkte mehr auf als der OECD-Durchschnitt, 2019 jedoch 22 Prozentpunkte weniger. Diese Verschlechterung ist allerdings nicht auf Rückschritte zurückzuführen, sondern dem im Vergleich zu anderen OECD-Ländern deutlich langsameren Fortschrittstempo geschuldet.

In einigen Ländern, die knapp über oder unter dem OECD-Durchschnitt zu verorten sind, sind Entwicklungstrends zu beobachten, die darauf hindeuten, dass sich ihre Position im Verhältnis zum Durchschnitt in naher Zukunft – zum Besseren oder Schlechteren – verändern könnte. Slowenien folgt einem positiven Trend und steht kurz davor, sich über den Durchschnittswert zu verbessern. In diesem Land hat sich der Grad der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI von 15 % im Jahr 1999 auf 49 % im Jahr 2019 erhöht, womit das Land nur noch 4 Prozentpunkte unter dem OECD-Durchschnitt (52 %) liegt. Dänemark und Neuseeland hingegen laufen Gefahr, unter den Durchschnitt abzurutschen. Diese beiden Länder haben in Bezug auf die rechtliche Gleichstellung von LGBTI zwar durchweg besser abgeschnitten als der OECD-Durchschnitt, ihr relativer Vorsprung schrumpft jedoch: 1999 lagen sie noch 11-12 Prozentpunkte über dem OECD-Durchschnitt, 2019 nur noch 4-5 Prozentpunkte.

Abschnitt 3.2.3 beleuchtet den Zusammenhang zwischen der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI und zwei Indikatoren der gesellschaftlichen Gleichstellung: 1. der gesellschaftlichen Akzeptanz von LGBTI und 2. der Gleichstellung der Geschlechter. Außerdem wird der Zusammenhang zwischen der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI und der wirtschaftlichen Entwicklung untersucht.

Länder, in denen sexuelle und geschlechtliche Minderheiten eher akzeptiert werden, verabschieden mit höherer Wahrscheinlichkeit gesetzliche Bestimmungen zur Sicherung der Chancen und Rechte von LGBTI. Die Daten zeigen jedoch auch, dass gesetzliche Änderungen zugunsten von LGBTI Veränderungen der Einstellungen gegenüber dieser Population nach sich ziehen. Menschen sehen Gesetzesänderungen als Ausdruck veränderter gesellschaftlicher Normen und sind vielfach bereit, sich diesem Wandel anzupassen (Tankard, M. und E. Paluck, 2017[2]). In den europäischen Ländern etwa, in denen gleichgeschlechtliche Ehen zulässig sind, nahm die Akzeptanz von Homosexualität wesentlich rascher zu, nachdem Maßnahmen zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen ergriffen worden waren (Aksoy et al., 2020[3]). In den US-Bundesstaaten wiederum führte die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe zu einem Anstieg der Erwerbstätigkeit von Personen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben. Grund dafür war eine positivere Einstellung gegenüber Homosexualität und ein dementsprechender Rückgang der Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen (Sansone, 2019[4]).

Abbildung 3.6 und Abbildung 3.7 lassen einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen der rechtlichen Gleichstellung und der Akzeptanz von LGBTI erkennen. Eine Verbesserung der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI vom Durchschnittswert der drei diesbezüglich am schlechtesten abschneidenden OECD-Länder (Türkei, Japan und Korea) auf den Durchschnittswert der drei am besten abschneidenden Länder (Kanada, Portugal und Frankreich) von 25 % auf 79 % geht mit folgenden Entwicklungen einher:

  • einer Verbesserung um 2,5 Punkte auf einer 10-Punkte-Skala zur Messung der Akzeptanz von Homosexualität, von 3 auf 5,5 Punkte (Abbildung 3.6, linker Teil)

  • einem fast 200%igen Anstieg des Anteils der Befragten, die ihre Wohngegend als angenehmes Lebensumfeld für Lesben und Schwule betrachten, von 28 % auf 75 % (Abbildung 3.6, rechter Teil)13

  • einem mehr als 25%igen Anstieg des Anteils der Befragten, die Transgender akzeptieren, von 34 % auf 43 % (Abbildung 3.7)14

  • einem mehr als 50%igen Anstieg des Anteils der Befragten, die Intersexuelle akzeptieren, von 28% auf 43 % (Abbildung 3.7, rechter Teil)15

Sowohl die Ausgrenzung von LGBTI als auch die traditionellen Geschlechternormen wurzeln in dem Irrglauben, dass 1. Menschen stets mit einem von nur zwei möglichen biologischen Geschlechtern (männlich oder weiblich) geboren werden, das perfekt zu ihrer Geschlechtsidentität passt, 2. Männer sich sexuell eindeutig zu Frauen und Frauen eindeutig zu Männern hingezogen fühlen und 3. die Rollen von Männern und Frauen in verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften biologisch determiniert sind. Dies deutet auf eine starke Korrelation zwischen der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI und der Gleichstellung der Geschlechter hin.

Abbildung 3.8 lässt in der Tat einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI und der Geschlechtergleichstellung erkennen. Eine Verbesserung der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI vom Durchschnittswert der drei diesbezüglich am schlechtesten abschneidenden OECD-Länder (25 %) auf den Durchschnittswert der drei am besten abschneidenden Länder (79 %) geht mit folgenden Entwicklungen einher:

  • Verbesserung um 1 Punkt auf einer 4-Punkte-Skala zur Messung der Akzeptanz der Gleichstellung der Geschlechter, von 2 auf 3 (Abbildung 3.8, linker Teil oben)

  • Anstieg des Frauenanteils in den Parlamenten um mehr als 100 %, von 15 % auf 34 % (Abbildung 3.8, rechter Teil oben)

  • Anstieg der Frauenerwerbsbeteiligung um ein Drittel, von 64 % auf 85 % (Abbildung 3.8, linker Teil unten)

  • Rückgang des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen um 30 %, von 22 % auf 15 % (Abbildung 3.8, rechter Teil unten)

Wirtschaftliche Entwicklung begünstigt Bildung (Chevalier et al., 2013[5]) und damit auch die rechtliche Gleichstellung von LGBTI. Bildung ist in der Tat ein wesentlicher Erklärungsfaktor für die bei den Einstellungen gegenüber sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten zu beobachtenden Unterschiede. Auf einer 10-Punkte-Skala zur Messung der Akzeptanz von Homosexualität weisen Hochschulabsolvent*innen einen um 2 Punkte höheren Wert auf (6,1) als Personen, die höchstens einen Abschluss der Sekundarbereich I haben (4,1) (OECD, 2019[1]). Dies könnte z. T. auf die Korrelation zwischen Bildung und komplexem Denken zurückzuführen sein, das mit einer höheren Toleranz gegenüber Nonkonformität einhergeht (Ohlander, J., J. Batalova und J. Treas, 2005[6]).

Die rechtliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen erhöht wiederum die Wirtschaftsleistung, da dadurch die enormen Kosten der Diskriminierung von LGBTI-Personen eingedämmt werden (Carcillo, S. und M.-A. Valfort, 2018[7]). Die Diskriminierung von LGBTI führt zu einer geringeren Nachfrage nach LGBTI auf dem Arbeitsmarkt, was sich negativ auf deren Verdienst und Beschäftigungszugang auswirkt und sexuelle und geschlechtliche Minderheiten in Beschäftigungen mit geringeren Qualifikationsanforderungen drängt. Dies wird durch Effekte aufseiten des Arbeitskräfteangebots verstärkt. Durch die niedrigeren Löhne sinken nämlich auch die Arbeitsanreize. Die bedingt durch die Diskriminierung geringere Arbeitskräftenachfrage hat außerdem negative Auswirkungen auf die Produktivität von LGBTI-Personen, die weniger in Bildung und lebenslanges Lernen investieren, da sie davon ausgehen, dass sich ihre Bildungsinvestitionen weniger lohnen. Diese Abwärtsspirale führt letztendlich zu Produktionseinbußen, was sich wiederum in den öffentlichen Finanzen niederschlägt: Bei einem geringeren Produktions- und Lohnniveau sinken die staatlichen Einnahmen aus Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Sozialversicherungsabgaben. Durch die Diskriminierung beim Zugang zu Beschäftigung steigen jedoch zugleich die öffentlichen Ausgaben für Arbeitslosenleistungen und Sozialtransfers für jene, die diskriminiert werden.

Diese unmittelbaren negativen Diskriminierungsfolgen machen jedoch nur einen Bruchteil der schädlichen Effekte aus, die von einer Ausgrenzung von LGBTI-Personen auf dem Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft ausgehen. Repräsentative Erhebungsdaten lassen darauf schließen, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle häufig psychischen Belastungen ausgesetzt sind, die – zumindest teilweise – von Stigmatisierung herrühren (OECD, 2019[1]). Sexuelle und geschlechtliche Minderheiten leben meist in einem sozialen Umfeld, in dem die Mehrheit lediglich Heterosexualität und Cisgender-Identität, also eine Übereinstimmung zwischen dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht und der Geschlechtsidentität, als „normal“ betrachtet. Daher sind LGBTI einem erhöhten Stress ausgesetzt, mit dem Heterosexuelle und Cisgender-Personen nicht konfrontiert sind, dem sogenannten Minderheitenstress (Meyer, 2003[8]). Minderheitenstress ist erwiesenermaßen mit schweren Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit verbunden und hat Angstzustände, Depressionen, Selbstmordgedanken, Drogenkonsum und Drogenmissbrauch zur Folge. So verzeichneten z. B. die US-Bundesstaaten, in denen gleichgeschlechtliche Ehen bereits vor deren Legalisierung durch den Supreme Court im Jahr 2015 möglich waren, einen wesentlich stärkeren Rückgang der Zahl der Selbstmordversuche von LGB- und heterosexuellen Jugendlichen als die übrigen Bundesstaaten – eine Entwicklung, die vor der Umsetzung LGB-orientierter Maßnahmen nicht zu beobachten war. Unter Jugendlichen, die sich selbst als lesbisch, schwul oder bisexuell bezeichnen, ging die Zahl der Selbstmordversuche durch die Zulassung der gleichgeschlechtlichen Ehe Schätzungen zufolge insgesamt um fast 15 % zurück (Raifman et al., 2017[9]). Ein schlechter psychischer Gesundheitszustand kann auch zu Beeinträchtigungen der physischen Gesundheit führen, da dadurch andere Pathologien wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt werden. Die diskriminierungsbedingten Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen höhlen das Kompetenzangebot eines Landes weiter aus und belasten zudem die öffentlichen Finanzen, da sie beträchtliche Sozial- und Gesundheitsausgaben erforderlich machen, um den Folgen der Ausgrenzung von LGBTI-Personen entgegenzuwirken. 

Dementsprechend ist in Abbildung 3.9 auch ein positiver Zusammenhang zwischen der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI und der wirtschaftlichen Entwicklung zu erkennen. Eine Verbesserung der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI vom Durchschnittswert der drei diesbezüglich am schlechtesten abschneidenden OECD-Länder auf den Durchschnittswert der drei am besten abschneidenden Länder geht mit einem Anstieg des realen Pro-Kopf-BIP um rd. 3 200 USD einher.

Um mögliche weitere Schritte für die einzelnen OECD-Länder aufzuzeigen, muss die aktuelle Situation im jeweiligen Land ebenso berücksichtigt werden wie die Umsetzbarkeit der Gleichstellungsbestimmungen, die dort noch nicht in Kraft sind. Eine einfache Möglichkeit, die Umsetzbarkeit von Bestimmungen zugunsten von LGBTI zu beurteilen, besteht darin zu untersuchen, wie verbreitet diese Bestimmungen in den drei in Kasten 3.3 beschriebenen OECD-Ländergruppen sind. Auf diese Art lassen sich mehrere Kategorien unterscheiden:

  • Leicht umsetzbare Bestimmungen: gesetzliche Bestimmungen, die in allen Ländergruppen, einschließlich der Länder mit schwachen Ergebnissen, von einer Mehrheit verabschiedet wurden

  • Mittelschwer umsetzbare Bestimmungen: gesetzliche Bestimmungen, die nur in den Ländergruppen mit mittleren und guten Ergebnissen von einer Mehrheit verabschiedet wurden

  • Schwer umsetzbare Bestimmungen: gesetzliche Bestimmungen, die nur in der Ländergruppe mit guten Ergebnissen von einer Mehrheit verabschiedet wurden

  • Wegweisende Bestimmungen: gesetzliche Bestimmungen, die in allen Ländergruppen, einschließlich der Länder mit guten Ergebnissen, nur von einer Minderheit verabschiedet wurden

Aus diesen Kategorien ergibt sich für die einzelnen Länder eine realistische Abfolge weiterer Schritte. Um einen Fortschrittsstillstand oder, was noch schlimmer wäre, ein Abrutschen in eine Gruppe mit schwächeren Ergebnissen zu vermeiden, müsste jedes Land zunächst die übrigen gesetzlichen Bestimmungen beschließen, die in der Mehrheit der Länder mit vergleichbaren oder (gegebenenfalls) schlechteren Ergebnissen bereits in Kraft sind. Anschließend müssten die gesetzlichen Bestimmungen verabschiedet werden, die in der Mehrheit der Länder mit besseren Ergebnissen bereits in Kraft sind, wobei sich die Länder zunächst an der unmittelbar übergeordneten Gruppe orientieren sollten. Bei einer solchen Herangehensweise hätten Länder mit schwachen Ergebnissen vier Schritte umzusetzen, Länder mit mittleren Ergebnissen drei und Länder mit guten Ergebnissen zwei (Kasten 3.4).

Diese Schrittfolge dient natürlich nur als Orientierungshilfe. Es steht den Ländern frei, alle gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherung der Rechte und Chancen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen, die bislang noch nicht in Kraft sind, gleichzeitig oder in der von ihnen gewünschten Reihenfolge zu beschließen. Für Länder, die die rechtliche Gleichstellung von LGBTI gestaffelt und kontrolliert verbessern möchten, könnte es jedoch hilfreich sein, sich an der vorgeschlagenen Schrittfolge zu orientieren. Um den Ländern bei der praktischen Umsetzung eventueller weiterer Schritte zu helfen, wurden die gesetzlichen Bestimmungen der vier oben genannten Kategorien in Abschnitt 3.3.1 einzeln aufgelistet. Abschnitt 3.3.2 enthält darüber hinaus einen Leitfaden zum Beschluss einiger dieser Bestimmungen, der sich auf bewährte Praktiken aus OECD- und Nicht-OECD-Ländern stützt.

An der Verbreitung der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen zugunsten von LGBTI in den drei Ländergruppen ist zu erkennen, welche der Bestimmungen leicht, mittelschwer und schwer umsetzbar bzw. wegweisend sind. Aus Tabelle 3.1 ist ersichtlich, dass die Umsetzbarkeit der Bestimmungen in hohem Maße davon abhängt, auf welche Teile der LGBTI-Population sie sich beziehen. Während gesetzliche Bestimmungen zur Gleichstellung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen in den Kategorien leicht und mittelschwer umsetzbare Bestimmungen überrepräsentiert sind, sind die meisten gesetzlichen Bestimmungen zur Gleichstellung von Transgender und Intersexuellen den schwer umsetzbaren und wegweisenden Bestimmungen zuzuordnen. Dies bestätigt eine wichtige Erkenntnis aus Abschnitt 3.2.1: Bei den TI-spezifischen Bestimmungen besteht im OECD-Raum Nachholbedarf. Tabelle 3.1 zeigt zudem, dass selbst gut abschneidende Länder von einer vollen rechtlichen Gleichstellung von LGBTI noch weit entfernt sind. Mehrere dieser Länder haben nach wie vor nicht alle leicht und mittelschwer umsetzbaren Bestimmungen verabschiedet. Außerdem wurden viele der wegweisenden Bestimmungen bislang nur in wenigen Ländern umgesetzt. Zwei davon sind im OECD-Raum besonders selten: gesetzliche Bestimmungen zu Hassverbrechen und Hassreden in Bezug auf Geschlechtsmerkmale sowie Verbote von Konversionstherapien. Erstere sind lediglich in einem OECD-Land (Kanada) landesweit in Kraft, Letztere wurden bislang nur in sehr wenigen OECD-Ländern und nur auf subnationaler Ebene beschlossen (wegen näherer Einzelheiten vgl. Anhang 3.C). Es ist wichtig, dass die am besten abschneidenden Länder weiterhin Führungsstärke unter Beweis stellen und wegweisende Bestimmungen verabschieden, damit diese allmählich zum Standard werden.

Damit die gesetzlichen Bestimmungen zugunsten von LGBTI erfolgreich umgesetzt werden können, müssen sie mit den bestehenden Rechtsvorschriften vereinbar sein und einen umfassenden Schutz aller LGBTI-Personen gewährleisten. Eine Analyse der gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherung der Rechte und Chancen von LGBTI in den OECD-Ländern zeigte, dass diese Voraussetzungen nicht immer gegeben sind. Dies gilt insbesondere für Bestimmungen in folgenden fünf Teilbereichen: 1. keine Kriminalisierung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen; 2. Verbot von Konversionstherapien; 3. keine medizinischen Auflagen für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts; 4. nichtbinäre Geschlechtsoption in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren und 5. Aufschub medizinisch nicht notwendiger geschlechtsnormierender Behandlungen oder chirurgischer Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen.

Einvernehmliche homosexuelle Handlungen sind in allen OECD-Ländern legal. Dies steht in deutlichem Kontrast zur weltweiten Rechtslage: In 68 Ländern werden einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen nach wie vor strafrechtlich verfolgt, darunter 8 Länder, in denen dafür die Todesstrafe verhängt wird bzw. verhängt werden kann (Iran, Mauretanien, Nigeria, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan, Vereinigte Arabische Emirate und Jemen) (ILGA World, 2019[10]). Konkurrierende Rechtsvorschriften, die im Widerspruch zur Legalisierung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher sexueller Handlungen stehen, gibt es im OECD-Raum im Grunde nicht. Die einzigen Ausnahmen stellen Korea und die Türkei dar, wo bekennende Schwule, Lesben und Bisexuelle vom Militärdienst ausgeschlossen sind.

In Korea sieht Art. 92-6 des Militärstrafrechts aus dem Jahr 1962 vor, dass Personen, die mit Angehörigen der Streitkräfte Analverkehr haben oder andere „unsittliche“ Handlungen begehen, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren zu bestrafen sind. Das koreanische Militär beruft sich auf diesen Artikel, um homosexuelle Handlungen zwischen Soldaten zu ahnden, und zwar unabhängig davon, ob diese Handlungen einvernehmlich sind und in- oder außerhalb militärischer Anlagen erfolgen (Human Rights Watch, 2019[11]). Die Rechtmäßigkeit des im Militärstrafrecht verankerten Verbots von homosexuellem Verkehr unter Soldaten wurde vom Verfassungsgericht erst 2016 mit 5 zu 4 Stimmen bestätigt.

In der Türkei wird in der Gesundheitsverordnung der Streitkräfte Homosexualität als „psychosexuelle“ Erkrankung definiert und Homosexuelle werden als wehrdienstuntauglich eingestuft (Europäische Kommission, 2009[12]). Trotzdem sind alle Männer mit türkischer Staatsangehörigkeit im Alter zwischen 18 und 41 Jahren wehrpflichtig. Jene, die im Lauf des einjährigen Wehrdiensts als Homosexuelle geoutet werden, sind nicht berechtigt, ihren Wehrdienst weiter abzuleisten. Sie erhalten statt einer Wehrdienstbescheinigung eine Bescheinigung ihrer Entlassung wegen Homosexualität (umgangssprachlich als „rosa Bescheinigung“ bekannt). Diese „rosa Bescheinigung“ können Homosexuelle auch „beantragen“, um vom Wehrdienst befreit zu werden. Dazu müssen sie sich einer Reihe psychologischer Beurteilungen unterziehen, die Persönlichkeitstests und Gespräche mit den Wehrpflichtigen und ihren Familien umfassen. Eine „rosa Bescheinigung“ ist mit einer erheblichen gesellschaftlichen Stigmatisierung verbunden. Dieses Stigma haftet Betroffenen u. U. ihr ganzes Leben lang an und geht mit einer massiven Beeinträchtigung der Beschäftigungschancen einher, da Arbeitgeber*innen in der Regel einen Nachweis fordern, dass die Bewerber*innen bzw. Beschäftigten ihren Militärdienst abgeleistet haben.

Verfechter eines Ausschlusses bekennender Schwuler, Lesben und Bisexueller vom Wehrdienst argumentieren für gewöhnlich, dass durch deren Zulassung der zentrale Grundsatz untergraben würde, dass Soldat*innen nicht von ihrer Aufgabe abgelenkt werden dürfen. Belegen lassen sich solche Argumente allerdings nicht. Mehrere Studien untersuchten, welche Auswirkungen eine uneingeschränkte Zulassung von LGBTI-Personen zum Militärdienst hat (wie dies z. B. in Australien, Deutschland, Israel, Italien, Kanada, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich der Fall ist) und keine gelangte zu dem Schluss, dass dadurch die Kampfkraft militärischer Einheiten beeinträchtigt wird (Rostker et al., 2011[13]). Die Erkenntnis, dass eine Zulassung von LGBTI-Personen die Effektivität der Streitkräfte nicht gefährdet, führte in den Vereinigten Staaten 2011 zur Aufhebung der „Don‘t Ask, Don‘t-Tell"-Regelung (Kasten 3.5). Ein Ausschluss bekennender Schwuler, Lesben und Bisexueller vom Militärdienst verstößt grundsätzlich gegen das Recht auf Gleichbehandlung und das Recht auf Freiheit von Diskriminierung und stellt außerdem eine Verletzung des Rechts auf Achtung der Privatsphäre dar, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 1999 in zwei Fällen urteilte (Kasten 3.6).

Verbote von Konversionstherapien gibt es bislang kaum, die Zahl der in Vorbereitung befindlichen bzw. diskutierten Gesetzentwürfe, die ein solches Verbot auf nationaler Ebene vorsehen, ist jedoch sprunghaft angestiegen. Dies gilt insbesondere für Australien, Deutschland, Frankreich, Irland, Kanada, Österreich, Neuseeland, die Niederlande, Polen und die Schweiz. Dieser Trend ist großenteils darauf zurückzuführen, dass internationale Menschenrechtsakteure größeren Druck auf ihre Mitgliedsländer ausüben, gegen Ansätze vorzugehen, die auf eine Änderung der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität von Menschen abzielen (Kapitel 2). Die wachsende Zahl von Berichten, die Formen, Verbreitung und Folgen von Konversionstherapien für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender auf nationaler Ebene beleuchten, hat ebenfalls dazu beigetragen, dass dieses Thema bei der Debatte über die Rechte von LGBTI mittlerweile ganz oben auf der Agenda steht. Diese Berichte zeigen, dass Konversionstherapien für LGBTI-Personen Schaden anrichten und dass sie nach wie vor weitverbreitet sind. In Australien beispielsweise lehnen alle Gesundheitsbehörden Therapien, bei denen Homosexualität als psychische Störung betrachtet wird oder eine Änderung der sexuellen Orientierung von Menschen erreicht werden soll, ausdrücklich ab. Ein Bericht aus dem Jahr 2018 lässt jedoch darauf schließen, dass in diesem Land immer noch bis zu 10 % der LGBTI-Population von gesundheitsgefährdenden Konversionstherapien betroffen sein könnten, wobei solche Therapien von mindestens zehn in Australien und Neuseeland ansässigen Einrichtungen angeboten werden (Jones et al., 2018[14]). Eine Erhebung aus dem Jahr 2018 über mögliche weitere Schritte zur Verbesserung der Gleichstellung von LGBTI ergab dementsprechend, dass lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Australier*innen ein landesweites Verbot von Konversionstherapien für LGBTI als oberste Priorität betrachten (Just.Equal und Pflag Australia, 2018[15]).

Gesetzliche Bestimmungen zu Konversionstherapien stehen u. U. in einem Spannungsverhältnis zur Religionsfreiheit, was die Umsetzung solcher Bestimmungen erschweren kann. Malta ist weltweit das einzige Land, in dem Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle gesetzlich umfassend vor Konversionstherapien geschützt sind. Die entsprechenden Bestimmungen zielen sowohl auf Fachkräfte (z. B. staatlich zugelassene Ärzt*innen und Psycholog*innen) als auch auf Laien (z. B. religiöse Vereinigungen) ab (Kasten 3.7). Die in anderen Ländern bestehenden Verbote von Konversionstherapien beschränken sich auf Fachkräfte, es sei denn, Laien erhalten für eine entsprechende „Behandlung“ ein Entgelt. In diesem Fall können sie für einen Verstoß gegen Verbraucherschutzbestimmungen verurteilt werden, da sie für eine Dienstleistung werben, die sie nicht erbringen können (falsche Werbung).16

Malta könnte den OECD-Ländern, in denen es bislang kein landesweites Verbot von Konversionstherapien gibt, als Vorbild dienen. Die OECD-Länder, in denen bereits Verbote von Konversionstherapien auf subnationaler Ebene in Kraft sind, könnten ergänzende Maßnahmen in Erwägung ziehen, um gegen Laien vorzugehen, die kostenlos Konversionstherapien an Minderjährigen durchführen, wie z. B. religiöse Vereinigungen. Eine Möglichkeit bestünde z. B. darin, religiöse LGBT-Verbände zu stärken, die sich an Jugendliche wenden, die von legalen Konversionstherapien LGBT-feindlicher religiöser Gruppen betroffen sein könnten. Ein solcher ganzheitlicher Ansatz ist von entscheidender Bedeutung, damit jugendlichen LGBTI signalisiert wird, dass der Staat auf ihrer Seite ist und für ihr Recht einsteht, so zu sein, wie sie sind.

In 14 OECD-Ländern ist eine personenstandsrechtliche Änderung des Geschlechts in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren rechtlich möglich und unterliegt keinen medizinischen Auflagen. In 9 dieser Länder basiert das Verfahren auf dem Prinzip der Selbstbestimmung, d. h., dass die Erklärung der Betroffenen für die personenstandsrechtliche Anerkennung ihres empfundenen Geschlechts nicht durch Dritte, wie z. B. Sachverständige oder Richter, geprüft werden muss. Dies gilt für Belgien, Chile, Dänemark, Irland, Island, Mexiko (Mexiko-Stadt), die Niederlande, Norwegen und Portugal.17

Die übrigen fünf Länder, die bei der personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts ausdrücklich auf Entmedikalisierung setzen, orientieren sich dagegen nicht an diesem bewährten Verfahren, sondern sehen eine Überprüfung durch Dritte vor. Damit droht erneut eine Medikalisierung, da sich die Antragsteller*innen dadurch u. U. veranlasst sehen, ihrem Antrag medizinische Gutachten beizulegen, um ihre Chancen auf Bewilligung zu erhöhen. In Deutschland wurden 2011, im Anschluss an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, Sterilisierung und geschlechtsangleichende Operationen als Voraussetzungen für eine personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts aus dem Transsexuellengesetz gestrichen. Trotzdem sind nach wie vor Gutachten von zwei Sachverständigen erforderlich, die insbesondere Stellung dazu nehmen müssen, ob davon auszugehen ist, dass sich das Geschlechtszugehörigkeitsempfinden der Antragsteller*innen künftig nicht mehr ändern wird. In Frankreich, Griechenland, Luxemburg und den Vereinigten Staaten (Kalifornien) ist bei einem Gericht oder einer anderen Behörde ein Antrag einzureichen, in dem die Antragsteller*innen einen wie auch immer gearteten Nachweis erbringen müssen, dass sie als Person leben und bekannt sind, die nicht dem auf ihrer Geburtsurkunde angegebenen Geschlecht angehört. In den entsprechenden Bestimmungen ist zwar ausdrücklich festgehalten, dass die Tatsache, dass keine medizinische Behandlung, Operation oder Sterilisation durchgeführt wurde, einer personenstandsrechtlichen Änderung des Geschlechts nicht im Weg stehen kann, solche Maßnahmen erhöhen jedoch die Glaubwürdigkeit eines Antrags und helfen dabei, die zuständigen Richter*innen und andere Dritte, die der Änderung zustimmen müssen, zu überzeugen.18

Um eine neuerliche De-facto-Medikalisierung zu vermeiden, sollten OECD-Länder, die eine vollständige Entmedikalisierung anstreben, bei der personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts von Interventionen Dritter absehen und sich stattdessen auf das Prinzip der Selbstbestimmung stützen. Best-Practice-Beispiele, wie man falschen Vorstellungen in Bezug auf das Prinzip der Selbstbestimmung entgegenwirken kann, damit derartige gesetzliche Bestimmungen von der Öffentlichkeit mitgetragen werden, werden in Kapitel 4 beschrieben.

In acht OECD-Ländern wurde, zumindest in einigen Landesteilen, in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren eine nichtbinäre Geschlechtsoption eingeführt, und zwar in Australien (New South Wales19), Deutschland, Island, Kanada (Alberta, British Columbia und Ontario)20, den Niederlanden, Neuseeland, Österreich und den Vereinigten Staaten (Kalifornien und New York City).

In den meisten dieser Länder (Deutschland, Neuseeland, den Niederlanden und Österreich) ist die nichtbinäre Geschlechtsoption Intersexuellen vorbehalten. Damit allen betroffenen Personen Rechnung getragen wird, ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, dass diese Option auch nichtbinären Transgender geboten wird, d. h. Transgender, die sich selbst weder als Frau noch als Mann betrachten oder sich beiden Geschlechtern zugehörig fühlen. In Alberta (2018), British Columbia (2018), Island (2019), Kalifornien (2019), New South Wales (2014), New York City (2018), und Ontario (2018) ist dies bereits der Fall.

Nur in zwei OECD-Ländern sind, zumindest in einigen Landesteilen, Gesetze in Kraft, die medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Behandlungen oder Operationen an intersexuellen Minderjährigen ausdrücklich verbieten. Dies gilt für Portugal, wo Gesetz Nr. 38/2018 das Recht auf Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität und des Geschlechtsausdrucks sowie auf Schutz der Geschlechtsmerkmale gewährleistet, und für Spanien, wo in mehreren autonomen Regionen Gesetze zu „Rechten, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung von LGBTI-Personen“ verabschiedet wurden, die auch der Situation von intersexuellen Minderjährigen Rechnung tragen. Diese Bestimmungen sind jedoch nicht so eindeutig und umfassend wie die Gesetzgebung Maltas, die Menschenrechtsakteure als vorbildlich betrachten (Kasten 3.8). Nicht alle dieser Gesetze verbieten z. B. medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Behandlungen oder Operationen an Minderjährigen, die aufgeschoben werden könnten, bis diese in der Lage sind, selbst zu entscheiden und in voller Sachkenntnis ihre Einwilligung zu geben. Einige Bestimmungen sehen vielmehr vor, dass derartige Maßnahmen ergriffen werden können, sobald die Geschlechtsidentität intersexueller Minderjähriger „eindeutig zutage tritt“. Was genau dies bedeutet, bleibt allerdings unklar. Außerdem ist nicht geklärt, inwieweit die Entwicklung der Geschlechtsidentität mit der Fähigkeit einhergeht, in voller Sachkenntnis einzuwilligen.

Ländern, die nicht bereit sind, medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Behandlungen oder Operationen bei intersexuellen Minderjährigen gesetzlich zu verbieten, stehen mehrere Alternativen offen, die, wie Anhang 3.C belegt, bei der Berechnung der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI angemessen berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit besteht z. B. darin, Leitlinien zu veröffentlichen, die Ärzt*innen dazu anhalten, von nichtkonsensuellen geschlechtsnormierenden chirurgischen Eingriffen bei intersexuellen Minderjährigen abzusehen. Wichtig sind auch vorbereitende Maßnahmen, die darauf abzielen, Unterstützung für Leitlinien und Gesetze zum Verbot derartiger medizinischer Eingriffe zu gewinnen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Hierzu zählen u. a.: 1. Studien über Behandlungen intersexueller Minderjähriger, um aufzuzeigen, wie häufig medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Behandlungen und Operationen bei intersexuellen Minderjährigen ohne deren Einwilligung durchgeführt werden; 2. Maßnahmen zur Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Intersexuellen, um den gesellschaftlichen Druck zur binären Geschlechtszuweisung bei Neugeborenen zu mindern; 3. Konsultationen mit allen Beteiligten, insbesondere den Intersexuellen sowie deren Eltern und Ärzt*innen, um einen Konsens über Empfehlungen zu erzielen, die als Ausgangspunkt für einen landesweit einheitlichen, menschenrechtsorientierten Ansatz für Entscheidungen über medizinische Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen dienen können.

Fast ein Drittel der OECD-Länder (14) bemüht sich aktiv um einen Aufschub medizinisch nicht notwendiger geschlechtsnormierender Behandlungen bzw. Operationen bei intersexuellen Minderjährigen.

  • Sechs Länder haben Leitlinien veröffentlicht, in denen Ärzt*innen angehalten werden, von derartigen medizinischen Eingriffen abzusehen. In der Schweiz wurden diese Leitlinien von der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin erarbeitet, in Chile, Dänemark, Israel und Mexiko vom Gesundheitsministerium und in Österreich vom Verfassungsgerichtshof.

  • Acht Länder haben vorbereitende Maßnahmen ergriffen, um Unterstützung für geplante Leitlinien oder Gesetze zum Verbot ohne Einwilligung erfolgender, nicht notwendiger medizinischer Eingriffe bei intersexuellen Jugendlichen zu gewinnen:

    • In Deutschland, Finnland, Frankreich und im Vereinigten Königreich wurden Studien über Behandlungen intersexueller Jugendlicher durchgeführt.

    • Luxemburg startete 2018 die landesweite Aufklärungskampagne „Weiblich? Männlich? Intergeschlechtlich? Seien wir aufgeschlossen“, um die gesellschaftliche Akzeptanz intersexueller Menschen zu erhöhen und damit den auf den Betroffenen lastenden Druck zu verringern, sich im binären Geschlechtersystem von männlich und weiblich zu verorten (Kasten 3.9).

      • In Australien, Neuseeland und den Niederlanden fanden umfassende Konsultationen mit betroffenen Gruppen statt.

Literaturverzeichnis

[3] Aksoy, C. et al. (2020), “Do laws shape attitudes? Evidence from same-sex relationship recognition policies in Europe”, European Economic Review, Vol. 124, https://doi.org/10.1016/j.euroecorev.2020.103399.

[26] Amnesty International (2018), Weathering the Storm. Defending human rights in Turkey’s climate of fear, Amnesty International, London, https://www.amnesty.org/download/Documents/EUR4482002018ENGLISH.PDF.

[17] Cámara de Diputados de Chile (2009), Deroga el artículo 365 del Código Penal igualando derechos de las personas, al margen de su orientación sexual, https://www.camara.cl/pley/pley_detalle.aspx?prmID=7081&prmBoletin=6685-07 (Abruf: 4. Dezember 2019).

[7] Carcillo, S. und M.-A. Valfort (2018), Les discriminations au travail : Femmes, ethnicité, religion, âge, apparence, LGBT, Presses de Sciences Po, Paris.

[5] Chevalier, A. et al. (2013), “The impact of parental income and education on the schooling of their children”, IZA Journal of Labor Economics, Vol. 2/1, https://doi.org/10.1186/2193-8997-2-8.

[24] Civil Liberties Union for Europe (2017), “Poland Seizes Control of Civil Society Funding”, https://www.liberties.eu/en/news/poland-ngo-law-funding/13783 (Abruf: 4. Dezember2019).

[12] Europäische Kommission (2009), Turkey 2009 Progress Report, SEC(2009)1334, https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=SEC:2009:1334:FIN:EN:PDF.

[23] Europäisches Parlament (2017), Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. November 2017 zur Lage der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Polen (2017/2931(RSP)), https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2017-0442_DE.pdf.

[20] Europäisches Parlament (2009), Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. September 2009 zu dem litauischen Gesetz zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen, https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-7-2009-0019_DE.pdf.

[11] Human Rights Watch (2019), “Repealing Article 92-6 of the Republic of Korea’s Military Criminal Act”, HRW Amicus Brief, https://www.hrw.org/sites/default/files/supporting_resources/hrw_southkorea_amicusbrief_march2019.pdf.

[10] ILGA World (2019), State-Sponsored Homophobia, International Lesbian, Gay, Bisexual and Trans and Intersex Association, Genf, https://ilga.org/downloads/ILGA_World_State_Sponsored_Homophobia_report_global_legislation_overview_update_December_2019.pdf.

[22] ILGA-Europe (2019), Annual Review of the Human Rights Situation of Lesbian, Gay, Bisexual, Trans, and Intersex People in Poland covering the period of January to December 2018, The European Region of the International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association, Brüssel, https://www.ilga-europe.org/sites/default/files/poland.pdf.

[14] Jones, T. et al. (2018), Preventing Harm, Promoting Justice. Responding to LGBT conversion therapy in Australia, GLHV@ARCSHS und Human Rights Law Centre, Melbourne, https://www.hrlc.org.au/s/LGBT-conversion-therapy-in-Australia-v2.pdf.

[15] Just.Equal und Pflag Australia (2018), National LGBTIQ Survey: Future Priorities, https://drive.google.com/file/d/0By3DdgT9hS6WVDE0TWx0amc5dE1seHFqaEN4Z2xtaU1kR3lV/view (Abruf: 4. Dezember 2019).

[19] Messina, R. and S. D’Amore (2018), “Adoption by Lesbians and Gay Men in Europe: Challenges and Barriers on the Journey to Adoption”, Adoption Quarterly, Vol. 21/2, pp. 59-81, https://doi.org/10.1080/10926755.2018.1427641.

[8] Meyer, I. (2003), “Prejudice, social stress, and mental health in lesbian, gay, and bisexual populations: Conceptual issues and research evidence.”, Psychological Bulletin, Vol. 129/5, S. 674-697, https://doi.org/10.1037/0033-2909.129.5.674.

[1] OECD (2019), Society at a Glance 2019: OECD Social Indicators, OECD Publishing, Paris, https://dx.doi.org/10.1787/soc_glance-2019-en.

[6] Ohlander, J., J. Batalova und J. Treas (2005), “Explaining educational influences on attitudes toward homosexual relations”, Social Science Research, Vol. 34/4, S. 781-799, https://doi.org/10.1016/j.ssresearch.2004.12.004.

[18] OutRight Action International (2019), Harmful Treatment. The Global Reach of So-Called Conversion Therapy, OutRight Action International, New York, NY, https://outrightinternational.org/sites/default/files/ConversionFINAL_1.pdf.

[25] Parlamentarische Versammlung des Europarates (2018), Turkey must restore the right to freedom of expression and assembly to LGBTI persons, schriftliche Erklärung, Nr. 650, 9. Mai, http://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=24775&lang=en.

[16] Parlamentarische Versammlung des Europarates (2017), Resolution 2191 on Promoting the human rights of and eliminating discrimination against intersex people, https://assembly.coe.int/nw/xml/XRef/Xref-XML2HTML-en.asp?fileid=24232&lang=en.

[9] Raifman, J. et al. (2017), “Difference-in-Differences Analysis of the Association Between State Same-Sex Marriage Policies and Adolescent Suicide Attempts”, JAMA Pediatrics, Vol. 171/4, S. 350-356, https://doi.org/10.1001/jamapediatrics.2016.4529.

[13] Rostker, B. et al. (2011), RAND Review: Vol. 35, No. 1, Spring 2011, RAND Corporation, https://doi.org/10.7249/cp22-2011-04.

[4] Sansone, D. (2019), “Pink work: Same-sex marriage, employment and discrimination”, Journal of Public Economics, Vol. 180, https://doi.org/10.1016/j.jpubeco.2019.104086.

[2] Tankard, M. und E. Paluck (2017), “The Effect of a Supreme Court Decision Regarding Gay Marriage on Social Norms and Personal Attitudes”, Psychological Science, Vol. 28/9, S. 1334-1344, https://doi.org/10.1177/0956797617709594.

[21] VN-Ausschuss für Menschenrechte (2016), Concluding observations on the third periodic report of Lithuania, CCPR/C/LTU/CO/3/Add.2, https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G16/025/32/pdf/G1602532.pdf?OpenElement.

Die drei bekanntesten internationalen Indizes zur Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen sind: 1. der State-Sponsored Homophobia Index der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA), 2. der Trans Rights Europe & Central Asia Index von Transgender Europe und 3. der Rainbow Index von ILGA-Europe, dem europäischen Regionalverband der ILGA.

Die 1978 gegründete International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA) ist ein weltweiter Dachverband von 1 614 NRO aus 158 Ländern, der sich für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen einsetzt. Die ILGA unterstützt LGBTI mit Lobbyarbeit, Forschungsinitiativen und Graswurzelpartnerschaften.

Seit 2006 veröffentlicht der Dachverband im Jahresrhythmus den State-Sponsored Homophobia Index. Der State-Sponsored Homophobia Report 2019 bietet globale, regionale und nationale Analysen zu drei Dimensionen, die jeweils mehrere Teilbereiche umfassen:

  • Kriminalisierung und Einschränkungen: Entkriminalisierung von einvernehmlichem homosexuellem Geschlechtsverkehr und anderen einvernehmlichen homosexuellen Handlungen; rechtliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Bezug auf das Thema sexuelle Orientierung; rechtliche Einschränkungen im Hinblick auf die Registrierung und Tätigkeit zivilgesellschaftlicher Organisationen, die sich mit dem Thema sexuelle Orientierung befassen (d. h. der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit)

  • Schutz: Verfassungsrechtlicher Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung; umfassende Bestimmungen zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung; Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung im Erwerbsleben; Strafbarkeit von Verbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung (d. h. Hassverbrechen); Verbot von Anstiftung zu Hass, Gewalt oder Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung (d. h. Hassreden); Verbot sogenannter Konversionstherapien

  • Anerkennung: gleichgeschlechtliche Ehe; Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften (z. B. eingetragene Lebenspartnerschaften); gemeinschaftliche Adoption in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften; Stiefkindadoption in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften

Wegen weiterer Informationen vgl. https://ilga.org/state-sponsored-homophobia-report.

Der 2005 gegründete internationale Dachverband Transgender Europe, in dem 112 NRO aus 44 Ländern vertreten sind, engagiert sich für die Rechte von Transgender. Seit 2013 legt Transgender Europe alljährlich den Trans Rights Europe & Central Asia Index vor, der die rechtliche Gleichstellung transgeschlechtlicher Personen in 53 europäischen und zentralasiatischen Ländern beleuchtet.

2019 deckte der Trans Rights Europe & Central Asia Index sechs Dimensionen ab, die jeweils mehrere Teilbereiche umfassen:

  • Personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts: Verfahren für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts; Namensänderung; Anpassung des Geschlechtseintrags in amtlichen Dokumenten an die Geschlechtsidentität; Prinzip der Selbstbestimmung; keine Diagnose einer „Geschlechtsidentitätsstörung“ erforderlich; keine Zwangsbehandlung; keine Zwangsoperation; keine Zwangssterilisierung; keine Zwangsscheidung; keine Altersbeschränkung (Zugang Minderjähriger); Anerkennung nichtbinärer Geschlechtsidentitäten

  • Asyl: Gesetzliche Bestimmungen in Bezug auf internationalen Schutz aufgrund der Geschlechtsidentität; Richtlinien/andere positive Maßnahmen

  • Durch Vorurteile motivierte Reden/Gewalt: Gesetzliche Bestimmungen zu Hassverbrechen; gesetzliche Bestimmungen zu Hassreden; Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass

  • Nichtdiskriminierung: Beschäftigung; Gesundheit; Bildung; Waren und Dienstleistungen; Konversionstherapien; andere Lebensbereiche; Gleichstellungsbeauftragte; Aktionsplan zur Gleichstellung; Gesetze (Schutzbestimmungen in Bezug auf den Geschlechtsausdruck)

  • Gesundheit: Gesundheitsversorgung; Entpathologisierung; Verbot von Konversionstherapien

  • Familienrechte: Anerkennung der Elternschaft

Wegen näherer Einzelheiten vgl. https://tgeu.org/trans-rights-europe-central-asia-map-index-2019/.

Vier Aspekte des Trans Rights Europe & Central Asia Index werden in den in Kapitel 2 beschriebenen Bestimmungen zur Sicherung der Rechte und Chancen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen nur implizit abgedeckt: 1. das Recht transgeschlechtlicher Personen auf Anpassung des Vornamens an das personenstandsrechtliche Geschlecht (worauf im TI-spezifischen Teilbereich „personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts“ implizit Bezug genommen wird); 2. keine Zwangsscheidung für eine personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts (worauf im LGB-spezifischen Teilbereich „rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften“ implizit Bezug genommen wird); 3. Verbot von Konversionstherapien zur „Behandlung“ von Transgender (worauf im LGB-spezifischen Teilbereich „Verbot von Konversionstherapien“ implizit Bezug genommen wird); 4. Anerkennung von Trans-Elternschaft, d. h., dass das personenstandsrechtliche Geschlecht der Eltern in der Geburtsurkunde des Kinders ausgewiesen wird, sodass Transfrauen als „Mutter“, Transmänner als „Vater“ und Transgender mit nichtbinärer Geschlechtsidentität als „Elternteil“ angeführt werden (worauf in den TI-spezifischen Teilbereichen „personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts“ und „nichtbinäre Geschlechtsoption in Geburtsurkunden“ implizit Bezug genommen wird).

In der 1996 gegründeten ILGA-Europe sind Verbände aus den 47 Mitgliedsländern des Europarats, Belarus und dem Kosovo vertreten. Die ILGA-Europe setzt sich für den Beschluss gesetzlicher Bestimmungen und anderer Maßnahmen zur Stärkung der Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen ein, überwacht sie und nimmt Einfluss darauf. Der Dachverband arbeitet mit europäischen Staaten und mehreren europäischen Einrichtungen zusammen.

Seit 2009 veröffentlicht die ILGA alljährlich den Rainbow Index. 2019 deckte dieser Index sechs Dimensionen ab, die jeweils mehrere Teilbereiche umfassen:

  • Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung: Bestimmungen zum Schutz aufgrund von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und Geschlechtsmerkmalen in der Verfassung sowie in Bezug auf die Bereiche Erwerbsleben, Waren und Dienstleistungen, Bildung und Gesundheit (einschließlich Konversionstherapien); Gleichstellungsbeauftragte; Aktionsplan zur Gleichstellung; gesetzliche Bestimmungen zum Geschlechtsausdruck und zu Blutspenden

  • Familie: Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Ehen; eingetragene Lebenspartnerschaften mit eheähnlichen Rechten; eingetragene Lebenspartnerschaften mit eingeschränkten Rechten; Lebensgemeinschaft; keine verfassungsrechtlichen Einschränkungen in Bezug auf die Ehe; gemeinschaftliche Adoption; Stiefkindadoption; automatische Anerkennung des zweiten Elternteils; künstliche Insemination für Paare; künstliche Insemination für Alleinstehende; Anerkennung von Trans-Elternschaft

  • Hassverbrechen und Hassreden: gesetzliche Bestimmungen zu Hassverbrechen, gesetzliche Bestimmungen zu Hassreden sowie andere Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität; gesetzliche Bestimmungen zu Hassverbrechen und andere Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass gegen Intersexuelle

  • Personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts und körperliche Unversehrtheit: gesetzliche Maßnahmen; administrative Verfahren; Namensänderung; keine Altersbeschränkung für Namensänderungen; Prinzip der Selbstbestimmung; keine Diagnose einer „Geschlechtsidentitätsstörung“/kein psychologisches Gutachten erforderlich; keine Zwangsbehandlung; keine Zwangsoperation; keine Zwangssterilisierung; keine Zwangsscheidung; keine Altersbeschränkung; Verbot medizinischer Eingriffe bevor intersexuelle Kinder in voller Sachkenntnis einwilligen können; Entpathologisierung

  • Zivilgesellschaftlicher Raum: öffentliche Veranstaltungen ohne staatliche Behinderung der Versammlungsfreiheit; öffentliche Veranstaltungen ohne ausreichenden Schutz; keine Beeinträchtigung der Tätigkeit von Verbänden durch staatliche Behinderung der Vereinigungsfreiheit; keine Gefährdung von LGBTI-Menschenrechtsaktivisten; keine gesetzlichen Einschränkungen in Bezug auf Drittmittel; keine gesetzlichen Einschränkungen der Meinungsfreiheit

  • Asyl: Gesetze, Richtlinien oder andere positive Maßnahmen zu sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität und Intersexualität

Wegen weiterer Informationen vgl. https://rainbow-europe.org/.

Anhand von insgesamt 25 Fragen wird ermittelt, ob die in Kapitel 2 beschriebenen allgemeinen Bestimmungen in den OECD-Ländern in Kraft sind.

In drei Abschnitten mit jeweils drei Fragen wird darauf eingegangen, inwiefern LGBTI in den Mitgliedsländern Schutz vor Diskriminierung genießen.

Da das „Recht auf Arbeit [...], welches das Recht jedes einzelnen auf die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte oder angenommene Arbeit zu verdienen, umfasst“, im Mittelpunkt der Internationalen Charta der Menschenrechte steht, wird im ersten Fragenabschnitt ermittelt, ob die Diskriminierung von LGBTI-Personen in der Arbeitswelt ausdrücklich untersagt ist:

  • Ist Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt nach nationalem Recht ausdrücklich untersagt?

  • Ist Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität in der Arbeitswelt nach nationalem Recht ausdrücklich untersagt?

  • Ist Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsmerkmale und/oder aufgrund von Intersexualität in der Arbeitswelt nach nationalem Recht ausdrücklich untersagt?

Im zweiten Fragenabschnitt wird darüber hinaus ermittelt, ob die Diskriminierung von LGBTI-Personen in einer Reihe von Bereichen jenseits der Arbeitswelt in den Mitgliedsländern ausdrücklich untersagt ist (namentlich beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, insbesondere Wohnraum, Bildung, Gesundheits- und Sozialleistungen sowie Sozialhilfe).

  • Ist Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in verschiedenen Bereichen nach nationalem Recht ausdrücklich untersagt?

  • Ist Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität in verschiedenen Bereichen nach nationalem Recht ausdrücklich untersagt?

  • Ist Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsmerkmale und/oder aufgrund von Intersexualität in verschiedenen Bereichen nach nationalem Recht ausdrücklich untersagt?

Im dritten Fragenabschnitt wird stärker in die Tiefe gegangen, indem untersucht wird, ob Diskriminierung von LGBTI-Personen in der Verfassung, in der die grundlegendsten Rechtsprinzipien jedes Landes verankert sind, ausdrücklich untersagt ist:

  • Ist Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in der Verfassung ausdrücklich untersagt?

  • Ist Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität in der Verfassung ausdrücklich untersagt?

  • Ist Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsmerkmale und/oder aufgrund von Intersexualität in der Verfassung ausdrücklich untersagt?

Auf den Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte von LGBTI in den Mitgliedsländern wird anhand der folgenden drei Fragen eingegangen:

  • Trifft es zu, dass es im nationalen Recht keine spezifischen gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf die Kommunikation über LGBTI-Themen (z. B. in Form von Maßnahmen zur Bekämpfung von Propaganda) gibt?

  • Trifft es zu, dass es im nationalen Recht keine spezifischen gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf die friedliche Versammlung von LGBTI (z. B. in Form von Hindernissen für die Organisation öffentlicher LGBTI-Veranstaltungen) gibt?

  • Trifft es zu, dass es im nationalen Recht keine spezifischen gesetzlichen Bestimmungen in Bezug auf die Vereinigung von LGBTI (z. B. in Form von Hindernissen für die Eintragung oder Finanzierung von LGBTI-Vereinen) gibt?

Auf den Schutz von LGBTI vor Gewalt in den Mitgliedsländern wird in zwei Abschnitten eingegangen. Im ersten Abschnitt wird ermittelt, ob LGBTI vor Hassverbrechen geschützt werden:

  • Sind Hassverbrechen aufgrund der sexuellen Orientierung im nationalen Recht ausdrücklich unter Strafe gestellt und/oder als erschwerender Umstand anerkannt?

  • Sind Hassverbrechen aufgrund der Geschlechtsidentität im nationalen Recht ausdrücklich unter Strafe gestellt und/oder als erschwerender Umstand anerkannt?

  • Sind Hassverbrechen aufgrund der Geschlechtsmerkmale und/oder aufgrund von Intersexualität im nationalen Recht ausdrücklich unter Strafe gestellt und/oder als erschwerender Umstand anerkannt?

Im zweiten Abschnitt wird ermittelt, ob LGBTI in den Mitgliedstaaten vor Hassreden geschützt sind:

  • Sind Hassreden aufgrund der sexuellen Orientierung im nationalen Recht ausdrücklich unter Strafe gestellt und/oder als erschwerender Umstand anerkannt?

  • Sind Hassreden aufgrund der Geschlechtsidentität im nationalen Recht ausdrücklich unter Strafe gestellt und/oder als erschwerender Umstand anerkannt?

  • Sind Hassreden aufgrund der Geschlechtsmerkmale und/oder aufgrund von Intersexualität im nationalen Recht ausdrücklich unter Strafe gestellt und/oder als erschwerender Umstand anerkannt?

Auf den Schutz im Ausland verfolgter LGBTI-Geflüchteter in den Mitgliedsländern wird anhand folgender drei Fragen eingegangen:

  • Wird die Verfolgung (oder begründete Furcht vor Verfolgung) aufgrund der sexuellen Orientierung im nationalen Recht und/oder im Rahmen der öffentlich angekündigten Maßnahmen als Asylgrund anerkannt?

  • Wird die Verfolgung (oder begründete Furcht vor Verfolgung) aufgrund der Geschlechtsidentität im nationalen Recht und/oder im Rahmen der öffentlich angekündigten Maßnahmen als Asylgrund anerkannt?

  • Wird die Verfolgung (oder begründete Furcht vor Verfolgung) aufgrund der Geschlechtsmerkmale und/oder aufgrund von Intersexualität im nationalen Recht und/oder im Rahmen der öffentlich angekündigten Maßnahmen als Asylgrund anerkannt?

Ob es in den Mitgliedsländern LGBTI-orientierte Gleichstellungsstellen, Ombudsstellen oder Menschenrechtskommissionen gibt, wird anhand der folgenden drei Fragen ermittelt:

  • Ist eine Gleichstellungsstelle, Ombudsstelle oder Menschenrechtskommission auf nationaler Ebene ausdrücklich damit betraut, Opfer von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung zu unterstützen?

  • Ist eine Gleichstellungsstelle, Ombudsstelle oder Menschenrechtskommission auf nationaler Ebene ausdrücklich damit betraut, Opfer von Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität zu unterstützen?

  • Ist eine Gleichstellungsstelle, Ombudsstelle oder Menschenrechtskommission auf nationaler Ebene ausdrücklich damit betraut, Opfer von Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsmerkmale und/oder aufgrund von Intersexualität zu unterstützen?

Anhand von 16 Fragen wird ermittelt, ob die in Kapitel 2 beschriebenen gruppenspezifischen Bestimmungen in den OECD-Ländern in Kraft sind.

Der Teil des Fragebogens, in dem LGB-spezifische Bestimmungen in den Mitgliedsländern ermittelt werden, umfasst elf Fragen.

Gleichbehandlung einvernehmlicher gleich- und verschiedengeschlechtlicher sexueller Handlungen

Inwiefern einvernehmliche gleich- und verschiedengeschlechtliche sexuelle Handlungen gleichbehandelt werden, wird anhand der folgenden beiden Fragen ermittelt:

  • Sind einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen legal?

  • Sofern einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen legal sind, gilt für einvernehmliche gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche sexuelle Handlungen dasselbe Mindestalter?

Verbot von Konversionstherapien

Die Politik der Mitgliedsländer in Bezug auf Konversionstherapien wird durch folgende Frage ermittelt: „Sind Konversionstherapien bei Minderjährigen untersagt? (Der Begriff „Konversionstherapien“ bezieht sich auf Praktiken, die Homo- oder Bisexuelle zu Heterosexuellen machen sollen.)“

Rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften

Auf die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wird anhand der folgenden drei Fragen eingegangen:

  • Sind gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften oder De-facto-Partnerschaften legal? (Der Begriff „Lebensgemeinschaft oder De-facto-Partnerschaft“ bezieht sich auf ein Rechtsinstitut, dessen Geltungsbereich weniger umfassend ist als bei einer eingetragenen/zivilen/häuslichen Partnerschaft oder Zivilunion und damit der Ehe. Mit „legal“ ist gemeint, dass gleichgeschlechtliche Paare in einer Lebensgemeinschaft oder De-facto-Partnerschaft zumindest einen Teil der Rechte erhalten, die verschiedengeschlechtliche Paare in einer Lebensgemeinschaft oder De-facto-Partnerschaft genießen.)

  • Sind eingetragene/zivile/häusliche Partnerschaften oder Zivilunionen für gleichgeschlechtliche Paare legal? (Der Begriff eingetragene/zivile/häusliche Partnerschaft oder Zivilunion beschreibt ein weiterreichendes Rechtsinstitut als eine Lebensgemeinschaft, die der Ehe ähnelt, aber nicht entspricht.)

  • Ist die gleichgeschlechtliche Ehe legal?

Gleiche Adoptionsrechte

Inwiefern verschiedengeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Paare gleiche Adoptionsrechte haben, wird anhand der folgenden beiden Fragen ermittelt:

  • Ist die gemeinschaftliche Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare legal? (Der Begriff „gemeinschaftliche Adoption“ bezieht sich auf ein Verfahren, bei dem 1. jede Rechtsbeziehung zwischen einem Kind und seinen leiblichen Eltern erlischt und 2. die adoptierenden Partner*innen die beiden rechtlichen Eltern des Kindes werden.)

  • Falls eine*r der Partner*innen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft das Sorgerecht für ein Kind hat, kann der*die andere Partner*in dieses Kind annehmen (Stiefkind- bzw. Sukzessivadoption), sofern kein zweiter sorgeberechtigter Elternteil eingetragen ist?

Gleicher Zugang zu künstlicher Befruchtung

Inwiefern verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare gleichen Zugang zu künstlicher Befruchtung haben, wird anhand der folgenden drei Fragen ermittelt:

  • Sind gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Paare im Hinblick auf den Zugang zu künstlicher Befruchtung mittels Insemination (Samenspende) oder In-vitro-Fertilisation (Samen- oder Eizellenspende) gleichgestellt?

  • Wenn ein*e Partner*in legal durch künstliche Insemination oder In-vitro-Fertilisation ein Kind zur Welt bringt, kann der*die andere Partner*in ohne Adoption zweiter sorgeberechtigter Elternteil werden (d. h. erfolgt eine automatische Anerkennung des zweiten Elternteils)? (Antworten Sie bitte mit N/A, wenn gleichgeschlechtliche Partner*innen keinen Zugang zu künstlicher Befruchtung haben.)

  • Erfolgt eine Gleichbehandlung gleichgeschlechtlicher und verschiedengeschlechtlicher Paare beim Zugang zur Leihmutterschaft, d. h. zu einer Form der künstlichen Befruchtung, bei der eine Frau (Leihmutter) in ihrem Uterus ein Kind für eine andere Person austrägt?

Der Teil des Fragebogens, in dem auf TI-spezifische Bestimmungen in den Mitgliedsländern eingegangen wird, umfasst fünf Fragen.

Keine Einstufung von Transsexualität als psychische Erkrankung in nationalen klinischen Klassifikationen

Auf diesen Teilbereich wird anhand folgender Frage eingegangen: „Ist Transgeschlechtlichkeit in der nationalen klinischen Klassifikation aus der Liste psychischer Störungen gestrichen?“

Personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts

Auf diesen Teilbereich wird anhand folgender Frage eingegangen: „Besteht die Möglichkeit, das personenstandsrechtliche Geschlecht (z. B. Geburtseintrag, Sozialversicherungsnummer) zu ändern? (Mit „personenstandsrechtliches Geschlecht“ sind die Elemente gemeint, aus denen das Geschlecht einer Person hervorgeht. In der Regel sind dies sein*ihr Geburtsgeschlecht und der Vorname.)“

Keine medizinischen Auflagen für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts

Auf diesen Teilbereich wird anhand folgender Frage eingegangen: „Trifft es zu, dass die Änderung des personenstandsrechtlichen Geschlechts keinen medizinischen Auflagen unterliegt (Sterilisierung, geschlechtsangleichende operative Eingriffe oder Behandlungen, insbesondere solche, die eine dauernde Fortpflanzungsunfähigkeit herbeiführen, und/oder psychiatrische Gutachten)? (Wenn keine Möglichkeit besteht, das personenstandsrechtliche Geschlecht zu ändern, antworten Sie bitte mit N/A.)“

Nichtbinäre Geschlechtsoption in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren

Auf diesen Teilbereich wird anhand folgender Frage eingegangen: „Besteht zusätzlich zu „männlich“ und „weiblich“ die Möglichkeit einer nichtbinären Geschlechtsangabe in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren?“

Aufschub medizinisch nicht notwendiger geschlechtsnormierender Behandlungen oder chirurgischer Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen

Auf diesen Teilbereich wird anhand folgender Frage eingegangen: „Wurden – abgesehen von der Einführung einer nichtbinären Geschlechtsangabe – wesentliche Maßnahmen ergriffen, um dafür zu sorgen, dass medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Behandlungen und chirurgische Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen so lange aufgeschoben werden, bis sie in voller Sachkenntnis ihre Einwilligung geben können (z. B. Sensibilisierungskampagnen zum Thema Intersexualität, Studien über Behandlungen intersexueller Minderjähriger, Leitlinien für medizinisches Fachpersonal, gesetzliches Verbot kosmetischer geschlechtsnormierender Behandlungen oder operativer Eingriffe bei Minderjährigen usw.)?“

Von den in Kapitel 2 beschriebenen allgemeinen Bestimmungen sind 2019 im Durchschnitt 57 % in Kraft (Abbildung 3.C.1). Es gibt in den OECD-Ländern zwar kein Gesetz, das die bürgerlichen Freiheitsrechte von LGBTI ausdrücklich einschränkt – von den gesetzlichen Bestimmungen, die auf ihren Schutz vor Hassverbrechen und Hassreden abzielen, wurde jedoch nur ein Drittel verabschiedet. Dennoch haben die OECD-Länder seit 1999 große Fortschritte erzielt. Damals war nicht einmal ein Viertel der allgemeinen Bestimmungen in Kraft, die für die Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen insgesamt maßgeblich sind. Vor allem in folgenden Bereichen wurden Fortschritte erzielt: Schaffung einer für LGBTI zuständigen Menschenrechtsinstitution, Schutz von LGBTI-Asylsuchenden und Schutz von LGBTI vor Diskriminierung.

Um LGBTI vor Diskriminierung zu schützen, sind neun gesetzliche Bestimmungen erforderlich (Anhang 3.B):

  • drei zum ausdrücklichen Schutz von LGBTI vor Diskriminierung am Arbeitsmarkt (d. h. je eine Bestimmung, die die Diskriminierung von LGB aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, von Transgender aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und von Intersexuellen aufgrund der Geschlechtsmerkmale untersagt)

  • drei zum ausdrücklichen Schutz von LGBTI vor Diskriminierung in verschiedenen anderen Bereichen – in der Regel beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, insbesondere Wohnraum, Bildung, Gesundheits- und Sozialleistungen sowie Sozialhilfe (auch hier wiederum je eine Bestimmung zum Schutz von LGB, von Transgender und von Intersexuellen)

  • drei zur ausdrücklichen Verankerung des Schutzes von LGB, Transgender und Intersexuellen in der Verfassung

Von diesen neun gesetzlichen Bestimmungen sind in den OECD-Ländern Stand 2019 40 % (nahezu vier) in Kraft, gegenüber 8 % (ungefähr eine) im Jahr 1999. Lediglich drei OECD-Länder (Japan, Schweiz und Türkei) bieten LGBTI keinen ausdrücklichen Rechtsschutz vor Diskriminierung (Tabelle 3.C.1). Im Gegensatz dazu verbietet eine große Mehrheit der Länder Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in der Arbeitswelt (32 Länder) und in verschiedenen anderen Bereichen (30 Länder). Die Mehrheit (22 Länder) schützt darüber hinaus Transgender ausdrücklich vor Diskriminierung in diesen Bereichen. Allerdings zielt nur eine geringe Minderheit (9 Länder) darauf ab, Intersexuelle ausdrücklich vor unfairer Behandlung in der Arbeitswelt und darüber hinaus zu schützen. Die Zahl der OECD-Länder, die LGBTI verfassungsrechtlichen Schutz vor Diskriminierung bieten, ist sogar noch geringer (5 Länder), und sofern dieser Schutz überhaupt besteht, wird dabei auf die sexuelle Orientierung abgezielt, aber nicht auf die Geschlechtsidentität oder die Geschlechtsmerkmale.

Gemäß der Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats von 2017 nimmt der ausdrückliche Schutz von Intersexuellen vor Diskriminierung zwei Formen an (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2017[16]):

  • Einige Länder – Australien, Griechenland, Island, die Niederlande, Portugal und Spanien – haben „Intersexualität“ oder „Geschlechtsmerkmale“ als spezifischen Verbotsgrund in Antidiskriminierungsbestimmungen aufgenommen.

  • In anderen – Deutschland, Finnland und Kanada – ist in den Antidiskriminierungsbestimmungen ausdrücklich angegeben, dass sich der Schutz vor Diskriminierung aufgrund eines vorliegenden Merkmals, z. B. „Geschlecht“ oder „Geschlechtsidentität und Geschlechtsausdruck“, auch auf Intersexuelle erstreckt.

In der Europäischen Union (EU) wurden Anfang der 2000er Jahre Bestimmungen verabschiedet, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verbieten. Die EU-Mitgliedstaaten wurden durch die sogenannte „Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf“ (Richtlinie 2000/78/EG) dazu verpflichtet, Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung zumindest in der Arbeitswelt ausdrücklich zu untersagen. Dementsprechend haben alle OECD-Länder, die auch der EU angehören, entsprechende Gesetze verabschiedet. Außerhalb der EU wurde die Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Bisexuellen erstmals 1977 in Québec ausdrücklich verboten (gefolgt von Norwegen im Jahr 1981). Das letzte Verbot wurde 2012 in Chile erlassen. Die Verabschiedung von Antidiskriminierungsgesetzen, die Transgender und Intersexuelle ausdrücklich schützen, erfolgte erst in jüngerer Zeit seit Mitte der 2010er Jahre. Die Diskriminierung von Transgender wurde 1999 im Vereinigten Königreich erstmals verboten, während Antidiskriminierungsbestimmungen zum Schutz von Intersexuellen erstmals 2006 in Deutschland verabschiedet wurden. Als letztes OECD-Land verabschiedeten die Niederlande 2019 Bestimmungen, mit denen die Diskriminierung beider Personengruppen ausdrücklich untersagt wurde.

Stand 2019 schränkt kein OECD-Land ausdrücklich das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sexueller oder geschlechtlicher Minderheiten ein. Das nationale Recht enthält keine Bestimmungen, die die Kommunikation über LGBTI-Themen einschränken (z. B. Gesetze gegen „homosexuelle Propaganda“) oder die Organisation öffentlicher LGBTI-Veranstaltungen bzw. die Eintragung oder Finanzierung von LGBTI-Vereinen behindern.

Der Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte von LGBTI war in den meisten OECD-Ländern bereits vor zwanzig Jahren gewährleistet, außer im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten. In diesen Ländern wurde die Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sexueller und geschlechtlicher Minderheiten erst 2003 gesetzlich vollkommen anerkannt, als Paragraf 28 des Local Government Act, der die bewusste Förderung von Homosexualität durch kommunale Einrichtungen untersagte, vollständig aufgehoben wurde (Vereinigtes Königreich) bzw. als der Oberste Gerichtshof die „Sodomiegesetze“ im Fall Lawrence gegen Texas außer Kraft setzte (Vereinigte Staaten).

Allerdings bedarf es ständiger Wachsamkeit, um Rückschritte zu vermeiden, wie in (Anhang 3.D) dargelegt.

Um LGBTI vor Gewalt zu schützen, sind sechs gesetzliche Bestimmungen erforderlich (Anhang 3.B):

  • drei zum ausdrücklichen Schutz von LGBTI vor Hassverbrechen (d. h. je eine Bestimmung, die Gewalt gegen LGB aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, gegen Transgender aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und gegen Intersexuelle aufgrund der Geschlechtsmerkmale untersagt)

  • drei zum ausdrücklichen Schutz von LGBTI vor Hassreden (wiederum je eine zum Schutz von LGB, von Transgender und von Intersexuellen)

Von diesen sechs gesetzlichen Bestimmungen sind Stand 2019 in den OECD-Ländern 33 % (d. h. zwei) in Kraft, gegenüber 6 % im Jahr 1999. Aus Tabelle 3.C.2 geht hervor, dass ein Viertel der OECD-Länder LGBTI keinen ausdrücklichen Rechtsschutz vor Gewalt gewährt (Deutschland, Italien, Japan, Korea, Lettland, Polen, Schweiz, Tschechische Republik und Türkei). In anderen wurden Gesetze gegen Hassverbrechen und/oder Hassreden verabschiedet, um LGB (26 Länder), Transgender (14 Länder) und Intersexuelle (5 Länder, namentlich Australien, Griechenland, Kanada, Spanien und Vereinigtes Königreich) ausdrücklich zu schützen.

Seit Mitte der 2000er Jahre fällt die sexuelle Orientierung in den Anwendungsbereich gesetzlicher Bestimmungen gegen Hassverbrechen und/oder Hassreden, rd. 10 Jahre länger als die Geschlechtsidentität bzw. Geschlechtsmerkmale. In mehreren Ländern wurden entsprechende Rechtsvorschriften in Reaktion auf Morde verabschiedet, die durch die tatsächliche oder mutmaßliche Zugehörigkeit der Opfer zur LGBTI-Community motiviert waren. Dies war in den Vereinigten Staaten der Fall, wo der 2009 in Kraft getretene Hate Crimes Prevention Act nach Matthew Shepard und James Byrd Jr. benannt wurde, die beide 1998 ermordet wurden. Matthew Shepard war ein amerikanischer Student, der verprügelt, gefoltert und zum Sterben zurückgelassen wurde, weil er schwul war; der Afroamerikaner James Byrd Jr. wiederum wurde von zwei weißen Rechtsextremisten an einen Transporter gebunden und hinterhergeschleift, wobei ihm schließlich der Kopf abgeschlagen wurde. Mit dem Hate Crimes Prevention Act wird das seit 1969 auf Bundesebene bestehende Gesetz gegen Hassverbrechen in den Vereinigten Staaten erweitert. Insbesondere werden 1. Verbrechen einbezogen, die durch die tatsächliche oder wahrgenommene sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität des Opfers motiviert sind, und 2. Hassverbrechen im Zusammenhang mit der ethnischen Herkunft, Hautfarbe, Religion oder dem Herkunftsland des Opfers unabhängig von der Frage erfasst, ob das Opfer während des Verbrechens einer bundesrechtlich geschützten Tätigkeit, wie beispielsweise Teilnahme an Wahlen oder Schulbesuch, nachging. Auch in Chile wurde nach dem Tod des 25-jährigen Daniel Zamudio, der 2012 verprügelt und stundenlang gefoltert wurde, nachdem seine Angreifer erfahren hatten, dass er schwul war, noch im selben Jahr ein Gesetz gegen Hassverbrechen verabschiedet, um LGB und Transgender zu schützen.

Um LGBTI zu schützen, die vor Verfolgung im Ausland flüchten, sind drei gesetzliche Bestimmungen erforderlich, die die Verfolgung (oder begründete Furcht vor Verfolgung) aufgrund von sexueller Orientierung, geschlechtlicher Identität oder Geschlechtsmerkmalen als Asylgrund anerkennen (eine Bestimmung pro Merkmal) – vgl. Anhang 3.B.

Von diesen drei gesetzlichen Bestimmungen sind in den OECD-Ländern Stand 2019 48 % in Kraft, gegenüber 5 % im Jahr 1999. Aus Tabelle 3.C.3 geht hervor, dass ein Drittel der OECD-Länder LGBTI-Asylsuchenden keinen ausdrücklichen Schutz gewährt (Chile, Dänemark, Estland, Israel, Japan, Korea, Mexiko, Neuseeland, Schweiz, Tschechische Republik, Türkei). In anderen wird lesbischen, schwulen und bisexuellen Asylsuchenden (24 Länder), asylsuchenden Transgender (21 Länder) und in geringerem Maße asylsuchenden Intersexuellen (5 Länder, namentlich Australien, Finnland, Frankreich, Kanada und Norwegen) ausdrücklich Schutz gewährt.

Die gesetzlichen Bestimmungen und Maßnahmen im Bereich der Zuwanderung zugunsten von LGBTI stammen aus jüngerer Zeit. Die Gesetze wurden im Durchschnitt in den folgenden Jahren verabschiedet: 2008 (sexuelle Orientierung), 2012 (geschlechtliche Identität) und 2015 (Geschlechtsmerkmale).

Um eine für LGBTI zuständige Menschenrechtsinstitution zu schaffen, sind drei gesetzliche Bestimmungen erforderlich, die diese Institution ausdrücklich damit betrauen, Opfern von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität und Geschlechtsmerkmale zu helfen und die Gleichstellung dieser Personengruppen zu fördern (eine Bestimmung pro Merkmal) – vgl. Anhang 3.B.

Von diesen drei gesetzlichen Bestimmungen sind in den OECD-Ländern Stand 2019 63 % (d. h. nahezu zwei) in Kraft, gegenüber 5 % im Jahr 1999. Für LGBTI zuständige Gleichstellungsstellen, Ombudsstellen oder Menschenrechtskommissionen gibt es in der Regel in den OECD-Ländern, in denen Gesetze gegen Diskriminierung in Kraft sind, die sexuelle bzw. geschlechtliche Minderheiten ausdrücklich schützen (Tabelle 3.C.4). In den gesetzlichen Antidiskriminierungsbestimmungen werden nämlich in der Regel eine oder mehrere Stellen benannt oder eingerichtet, die in den von den Bestimmungen abgedeckten Bereichen Gleichstellung fördern und Diskriminierung bekämpfen. Diese gesetzlichen Bestimmungen enthalten Vorgaben bezüglich des Aufbaus und der Zusammensetzung der Stellen sowie eine Beschreibung ihrer Aufgaben; außerdem werden ihnen die für die Ausführung dieser Aufgaben nötigen Befugnisse übertragen.

Es gibt jedoch Ausnahmen. In keinem der OECD-Länder, in denen keine gesetzlichen Bestimmungen gegen die Diskriminierung von LGBTI existieren, gibt es eine für LGBTI zuständige Menschenrechtsinstitution. Drei der 32 Länder, in denen entsprechende Gesetze in Kraft sind (Chile, Israel und Spanien), verbinden diese jedoch nicht mit der Schaffung einer für LGBTI zuständigen Gleichstellungsstelle, Ombudsstelle oder Menschenrechtskommission. In den verbleibenden 29 OECD-Ländern gehen die Aufgaben der für LGBTI zuständigen Menschenrechtsinstitutionen häufig über die LGBTI-orientierten gesetzlichen Bestimmungen zur Bekämpfung von Diskriminierung hinaus. Ein solches breiteres Aufgabenspektrum ist in acht OECD-Ländern zu finden: Estland, Frankreich, Italien, Korea, Luxemburg, Mexiko, Neuseeland und Polen. In Frankreich beispielsweise sind Intersexuelle nicht ausdrücklich in den gesetzlichen Bestimmungen zur Diskriminierungsbekämpfung genannt, gehören jedoch zu den Gruppen, die von der nationalen Menschenrechtsinstitution ausdrücklich unterstützt werden.

Von den in Kapitel 2 beschriebenen allgemeinen Bestimmungen waren 2019 im Durchschnitt 59 % in Kraft, gegenüber 23 % im Jahr 1999 (Abbildung 3.C.2). Einvernehmliche verschiedengeschlechtliche und gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen werden zwar in allen OECD-Ländern nach nationalem Recht (nahezu) gleichbehandelt, Konversionstherapien sind jedoch nur in drei von ihnen verboten. In folgenden Bereichen wurden außerordentliche Fortschritte erzielt: rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, gleiche Adoptionsrechte sowie gleicher Zugang zu künstlicher Befruchtung für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare.

Zwei Arten von Gesetzen verstoßen gegen die Gleichbehandlung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher und verschiedengeschlechtlicher sexueller Handlungen: solche, die einvernehmliche homosexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen, und solche, die für gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen ein höheres Mindestalter vorsehen als für verschiedengeschlechtliche. In allen 35 in diesem Bericht berücksichtigten OECD-Ländern wurden beide Arten von Gesetzen aufgehoben (oder wurden in einigen Fällen nie verabschiedet), mit Ausnahme eines Landes. In Chile wurde 1999 zwar der Abschnitt von Artikel 365 des Strafgesetzbuchs aufgehoben, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, er enthält jedoch nach wie vor eine Bestimmung, die ein anderes Mindestalter für homosexuelle Handlungen vorsieht (18 Jahre) als für heterosexuelle Handlungen (14 Jahre). Gegenwärtig wird über den Entwurf eines Gesetzes beraten, das Artikel 365 vollständig aufheben und damit das Mindestalter unabhängig von der sexuellen Orientierung angleichen würde (Cámara de Diputados de Chile, 2009[17]).

In Tabelle 3.C.5 ist dargestellt, wo und wann 1. einvernehmliche homosexuelle Handlungen in Ländern, in denen sie früher ausdrücklich untersagt waren, entkriminalisiert wurden, und 2. das Mindestalter für einvernehmliche homo- und heterosexuelle Handlungen vereinheitlicht wurde. In vier Ländern (Italien, Korea, Mexiko und Türkei) standen einvernehmliche homosexuelle Handlungen nie ausdrücklich unter Strafe. In den meisten Ländern, in denen solche Handlungen früher gesetzlich verboten waren, erfolgte ab 1970 die Entkriminalisierung, auch wenn der Zeitpunkt von einem Land zum anderen erheblich variierte. Frankreich war das erste Land weltweit, das einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen legalisierte. Vor der französischen Revolution waren homosexuelle Beziehungen eine schwere Straftat. Jean Diot und Bruno Lenoir waren die letzten Homosexuellen, die – am 6. Juli 1750 – zur Strafe bei lebendigem Leibe verbrannt wurden. Durch die Französische Revolution wurde Homosexualität dadurch entkriminalisiert, dass das Strafgesetzbuch von 1791 keine Bestimmungen zu privat unterhaltenen gleichgeschlechtlichen Beziehungen enthielt. Die Vereinigten Staaten waren das letzte OECD-Land, in dem Homosexualität landesweit legalisiert wurde. Dies geschah als Folge von Lawrence gegen Texas (2003), einer Bürgerrechtsklage, die schließlich zu einem wegweisenden Urteil des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten führte. In diesem Fall setzte der Gerichtshof das in Texas geltende „Sodomiegesetz“ und im Zuge dessen auch entsprechende Gesetze in 13 anderen Bundesstaaten außer Kraft, wodurch gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten in allen Bundesstaaten und Territorien der Vereinigten Staaten legalisiert wurden.

In den OECD-Ländern wurde das Mindestalter für einvernehmliche gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche sexuelle Handlungen dreißig bis vierzig Jahre nach der Entkriminalisierung der Homosexualität angeglichen. Kanada war das letzte OECD-Land, das eine Angleichung des Mindestalters vornahm. Bis 2019 betrug das Mindestalter für Analverkehr laut Artikel 159 des Strafgesetzbuchs 18 Jahre, wohingegen das Mindestalter für andere sexuelle Handlungen bei 16 Jahren lag. Dieser Artikel wurde am 30. Juni 2019 aufgehoben, nachdem ihn bereits mehrere Gerichte auf Provinzebene in früheren Jahren unabhängig voneinander als verfassungswidrig erklärt hatten.

Keines der vier Länder, die Konversionstherapien bei Minderjährigen auf ihrem gesamten Staatsgebiet untersagen, namentlich Brasilien, Ecuador, Malta und Taiwan, gehört der OECD an21 (OutRight Action International, 2019[18]). Allerdings sind Konversionstherapien bei Minderjährigen in drei OECD-Ländern zumindest in einigen Landesteilen verboten. Dies ist der Fall in:

  • zwei der vier bevölkerungsreichsten Provinzen in Kanada: in Ontario seit 2015 und in British Columbia (Vancouver) seit 201822

  • drei der vier bevölkerungsreichsten Regionen Spaniens: in der Autonomen Gemeinschaft Madrid seit 2016, in Andalusien seit 2018 und in Valencia seit 2019

  • zwei der vier bevölkerungsreichsten Bundesstaaten in den Vereinigten Staaten: in Kalifornien seit 2013 und in New York seit 2019 – seit dem 30. Juni 2019 haben zudem weitere 14 US-Bundesstaaten ein Verbot von Konversionstherapien bei Minderjährigen erlassen23

Die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften kann drei verschiedene Formen annehmen. Die Bandbreite reicht dabei von der grundlegenden (De-facto-Partnerschaft oder Lebensgemeinschaft gleichgeschlechtlicher Paare) über die weitergehende (zivile/eingetragene/häusliche Partnerschaft oder Zivilunion gleichgeschlechtlicher Paare) bis hin zur vollumfänglichen Anerkennung (gleichgeschlechtliche Ehe). Die rechtliche Gleichstellung von LGBTI im Hinblick auf den Teilbereich „Rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften“ wird daher folgendermaßen berechnet:

  • Sie entspricht 0, wenn das Land keinerlei gleichgeschlechtliche Partnerschaft anerkennt.

  • Sie entspricht 1/3, wenn das Land nur De-facto-Partnerschaften oder Lebensgemeinschaften gleichgeschlechtlicher Paare anerkennt.

  • Sie entspricht 2/3, wenn das Land nur eingetragene/zivile/häusliche Partnerschaften oder Zivilunionen gleichgeschlechtlicher Paare anerkennt.

  • Sie entspricht 1, wenn das Land die gleichgeschlechtliche Ehe anerkennt.

Die rechtliche Gleichstellung von LGBTI im Hinblick auf den Teilbereich „Rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften“ betrug 2019 71 %, gegenüber 15 % im Jahr 1999. Diese Entwicklung zeigt, dass große Fortschritte erzielt wurden (Tabelle 3.C.6). Gleichgeschlechtliche Paare konnten Stand 2019 in 20 OECD-Ländern (zumindest in einigen Landesteilen) die Ehe eingehen, 1999 dagegen in keinem OECD-Land. Die Niederlande waren das erste Land, in dem die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt wurde (2001). In den meisten anderen Ländern wurden erst nach 2010 Gesetze zur Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe verabschiedet. Neun weitere OECD-Länder haben außerdem entweder eine grundlegende oder eine weitergehende Form der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft eingeführt. Zwanzig Jahre zuvor traf dies nur auf ein einziges Land – Israel24 – zu. Überhaupt nicht anerkannt werden gleichgeschlechtliche Partnerschaften lediglich in sechs OECD-Ländern (Japan, Korea, Lettland, Litauen, Slowakische Republik und Türkei). Mit Ausnahme der Türkei wird die Ehe in der Verfassung dieser Länder ausdrücklich als Bund zwischen einem Mann und einer Frau definiert.

In allen OECD-Ländern genießen verschiedengeschlechtliche Paare Adoptionsrechte. Damit sind sie berechtigt, gemeinsam ein Kind zu adoptieren (gemeinschaftliche Adoption) oder das Kind des*der Partner*in zu adoptieren (Stiefkindadoption) (Kapitel 2). Gleiche Adoptionsrechte für verschiedengeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Paare bedeutet daher Folgendes:

  • Falls einer*eine der Partner*innen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft das Sorgerecht für ein Kind hat, kann der*die andere Partner*in dieses Kind annehmen (Stiefkind- bzw. Sukzessivadoption), sofern kein zweiter sorgeberechtigter Elternteil eingetragen ist.

  • Gleichgeschlechtliche Partner*innen sind berechtigt, gemeinsam ein Kind zu adoptieren (d. h. gleichgeschlechtliche Paare können eine gemeinschaftliche Adoption vornehmen, bei der 1. die Rechtsbeziehung zwischen dem Kind und seinen leiblichen Eltern erlischt und 2. die adoptierenden gleichgeschlechtlichen Partner*innen die beiden sorgeberechtigten Eltern des Kindes werden.)

Von diesen beiden gesetzlichen Bestimmungen sind in den OECD-Ländern Stand 2019 61 % (d. h. ungefähr eine) in Kraft, gegenüber 4 % im Jahr 1999. In 11 OECD-Ländern haben gleichgeschlechtliche Paare zwar kein Adoptionsrecht, in 24 haben sie jedoch die Möglichkeit der Stiefkind- bzw. Sukzessivadoption und in 20 OECD-Ländern ist eine gemeinsame Adoption möglich (Tabelle 3.C.7). Bei Letzteren handelt es sich um diejenigen, die die gleichgeschlechtliche Ehe eingeführt haben. Dies könnte jedoch vor allem Ausdruck des starken Engagements dieser Länder für die Rechte von Lesben, Schwulen und Bisexuellen sein und muss nicht bedeuten, dass die gleichgeschlechtliche Ehe Voraussetzung für ein gemeinsames Adoptionsrecht ist. Tatsächlich beschränkt sich das Recht auf gemeinsame Adoption nur in wenigen Ländern auf verheiratete verschiedengeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Paare (namentlich in Deutschland, Finnland, Frankreich und Luxemburg).

Trotz dieser Zusage gleicht das Adoptionsverfahren für gleichgeschlechtliche Paare in diesen Ländern immer noch einem Hindernislauf, bei dem verglichen mit adoptionswilligen Paaren unterschiedlichen Geschlechts einzigartige zusätzliche Herausforderungen hinzukommen (Kasten 3.C.1).

Gleicher Zugang zu künstlicher Befruchtung bzw. zur Reproduktionsmedizin für verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare bedeutet, dass

  • gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Paare im Hinblick auf den Zugang zu künstlicher Befruchtung mittels Insemination (Samenspende) oder In-vitro-Fertilisation (Samen- und/ oder Eizellenspende) gleichgestellt sind,

  • sofern Insemination oder In-vitro-Fertilisation sowohl für verschiedengeschlechtliche als auch für gleichgeschlechtliche Paare rechtlich möglich ist, die gleichgeschlechtliche Partnerin automatisch als zweiter sorgeberechtigter Elternteil anerkannt wird, ebenso wie der männliche Partner einer Frau, die dank künstlicher Befruchtung ein Kind austrägt (d. h. automatische Anerkennung des zweiten Elternteils für gleichgeschlechtliche Paare),

  • gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Paare im Hinblick auf den Zugang zu Leihmutterschaft gleichbehandelt werden.

Von diesen drei gesetzlichen Bestimmungen sind in den OECD-Ländern Stand 2019 61 % (d. h. rund zwei) in Kraft, gegenüber 14 % im Jahr 1999. Trotz dieser Fortschritte sind die OECD-Länder, die gleichgeschlechtliche und verschiedengeschlechtliche Paare beim Zugang zu künstlicher Befruchtung vollkommen gleichbehandeln, in der Minderheit (16 Länder) (Tabelle 3.C.8). Damit ist die Gleichbehandlung in Bezug auf folgende Aspekte gemeint: 1. Zugang zu künstlicher Befruchtung mittels Insemination oder In-vitro-Fertilisation, 2. automatische Anerkennung des zweiten Elternteils, wenn künstliche Befruchtung mittels Insemination oder In-vitro-Fertilisation rechtlich gestattet ist, 3. Zugang zur Leihmutterschaft. In vier Ländern ist die Gleichstellung in Bezug auf zwei dieser drei Aspekte gegeben und in neun Ländern nur in Bezug auf einen. In sechs Ländern sind gleichgeschlechtliche Paare beim Zugang zu reproduktionsmedizinischen Verfahren in jeder Hinsicht benachteiligt: Griechenland, Korea, Lettland, Litauen, Tschechische Republik und Polen.

Von den 21 Ländern, die gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare beim Zugang zu künstlicher Befruchtung mittels Insemination oder In-vitro-Fertilisation gleichbehandeln, erfolgt diese Gleichbehandlung in nur einem Land – der Türkei – durch Versagung des Zugangs zu künstlicher Befruchtung sowohl für verschieden- als auch für gleichgeschlechtliche Paare (demgegenüber erfolgt die Gleichstellung in den anderen zwanzig Ländern durch Gewährung des Zugangs zu diesen Verfahren für beide Partnerschaftsformen). In der Türkei ist Hilfe von Dritten bei der künstlichen Befruchtung, d. h. der Einsatz von Ei- oder Samenspenden oder Leihmutterschaft, seit 1987 – als die erste Verordnung zur künstlichen Befruchtung in der Türkei veröffentlicht wurde (Satzung der Zentren für künstliche Befruchtung – Amtsblatt Nr. 19551) – streng verboten.

Im Hinblick auf die Leihmutterschaft ist die Lage umgekehrt: In den meisten Ländern, in denen verschiedengeschlechtliche und gleichgeschlechtliche Paare gleichbehandelt werden, erfolgt dies in Form der Untersagung der Leihmutterschaft für beide Partnerschaftsformen (16 der 27 Länder, in denen Gleichbehandlung beim Zugang zu Leihmutterschaft herrscht). Lediglich in vier Ländern ist die Leihmutterschaft sowohl für verschiedengeschlechtliche als auch für gleichgeschlechtliche Paare rechtlich gestattet: in Kanada, im Vereinigten Königreich sowie in einigen Landesteilen Australiens und der Vereinigten Staaten. In diesen Ländern bezieht sich die Erlaubnis in der Regel auf die altruistische Leihmutterschaft, bei der es keine finanzielle Vergütung für die Leihmutter jenseits der Erstattung der medizinischen Versorgungskosten und anderen angemessenen schwangerschaftsbezogenen Ausgaben gibt. Kommerzielle Leihmutterschaft bleibt im Großen und Ganzen ausdrücklich verboten, außer in Kalifornien und Texas (Vereinigte Staaten) sowie in Queensland (Australien). In einer dritten Ländergruppe ist die Gleichbehandlung verschiedengeschlechtlicher und gleichgeschlechtlicher Paare formal gewährleistet, wenn zwei Bedingungen erfüllt werden: 1. die altruistische Leihmutterschaft ist nicht ausdrücklich untersagt; 2. die gemeinsame Adoption durch gleichgeschlechtliche Partner*innen ist gesetzlich gestattet. Das fehlende gesetzliche Verbot der Leihmutterschaft bedeutet grundsätzlich, dass die Wunscheltern das Sorgerecht für das Kind erhalten können, aber nur, wenn die Leihmutter ihr Sorgerecht abgibt und die Wunscheltern das Kind gemeinsam adoptieren – somit besteht keine Möglichkeit, das Sorgerecht der Leihmutter automatisch oder durch einen einfachen „Elternschaftsbeschluss“ aufzuheben, wie es in Ländern der Fall ist, in denen die Leihmutterschaft explizit gestattet ist. Die Möglichkeit der gemeinsamen Adoption durch gleichgeschlechtliche Partner*innen stellt in einem Kontext, in dem die Leihmutterschaft nicht ausdrücklich untersagt ist, jedoch sicher, dass gleichgeschlechtliche Partner*innen genauso wie verschiedengeschlechtliche Partner*innen mittels der Dienste einer Leihmutter Eltern werden können. Zu dieser dritten Gruppe gehören sieben OECD-Länder: Belgien, Irland, Luxemburg, Mexiko (Mexiko-Stadt), Neuseeland, die Niederlande und Schweden.

Und zu guter Letzt wird in den meisten der 21 Länder, in denen künstliche Befruchtung mittels Insemination oder In-vitro-Fertilisation sowohl für verschiedengeschlechtliche als auch für gleichgeschlechtliche Paare gestattet (bzw. nicht ausdrücklich untersagt) ist, der*die gleichgeschlechtliche Partner*in automatisch als zweiter Elternteil anerkannt. Die fünf Ausnahmen hiervon bilden Chile, Deutschland, Israel, Luxemburg und Mexiko.

Von den in Kapitel 2 beschriebenen TI-spezifischen Bestimmungen waren 2019 im Schnitt nur 38 % in Kraft, gegenüber 10 % im Jahr 1999 (Abbildung 3.C.3). Eine Änderung der Geschlechtsangabe in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren transgeschlechtlicher Personen war 2019 in fast allen OECD-Ländern möglich, 1999 dagegen in weniger als der Hälfte der OECD-Länder. Große Fortschritte wurden auch im Hinblick auf die Streichung der medizinischen Auflagen in den gesetzlichen Bestimmungen zur personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts erzielt, zumal vor 20 Jahren noch alle diesbezüglichen Bestimmungen medizinische Auflagen vorsahen. Was die Nichteinstufung von Transsexualität als psychische Erkrankung in nationalen klinischen Klassifikationen, die Einführung einer nichtbinären Geschlechtsoption in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren und den Aufschub medizinisch nicht notwendiger geschlechtsnormierender Behandlungen und Operationen bei intersexuellen Minderjährigen betrifft, waren dagegen kaum Verbesserungen zu beobachten.

Eine Entpathologisierung von Transsexualität setzt drei Maßnahmen voraus: 1. Transsexualität in nationalen klinischen Klassifikationen nicht als psychische Erkrankung einzustufen; 2. Transgender eine Änderung der Geschlechtsangabe in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren zu ermöglichen; und 3. die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts nicht an medizinische Auflagen zu knüpfen.

Abbildung 3.C.3 zeigt Folgendes:

  • Im Teilbereich „keine Einstufung von Transsexualität als psychische Erkrankung in nationalen klinischen Klassifikationen“ belief sich der Grad der rechtlichen Gleichstellung 2019 auf 14 %. Das heißt, dass Transsexualität nur in fünf OECD-Ländern in der nationalen klinischen Klassifikation von der Liste psychischer Erkrankungen gestrichen wurde (1999 war dies in keinem OECD-Land der Fall).

  • Bei der „personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts“ lag der entsprechende Wert 2019 bei 95 %. Das bedeutet, dass Transgender in der überwiegenden Mehrheit der OECD-Länder (34 von 35) – zumindest in einigen Landesteilen – die Geschlechtsangabe in ihrer Geburtsurkunde und anderen Identitätspapieren ändern lassen konnten (was 1999 lediglich in 17 Ländern möglich war).

  • Im Teilbereich „keine medizinischen Auflagen für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts“ belief sich der Grad der rechtlichen Gleichstellung 2019 auf 37 %. Die OECD-Länder, in denen dieses Verfahren – zumindest in einigen Landesteilen – keinen medizinischen Auflagen unterlag, waren also in der Minderheit (14 der 34 OECD-Länder, in denen eine personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts rechtlich möglich war; 1999 waren in allen Ländern medizinische Auflagen zu erfüllen).

Lediglich in fünf OECD-Ländern – in Dänemark, Frankreich, Kanada, Spanien und den Vereinigten Staaten – wurde Transsexualität tatsächlich entpathologisiert, d. h. dass alle der drei oben genannten Maßnahmen umgesetzt wurden, wenn auch nicht immer landesweit (Tabelle 3.C.9). In elf Ländern waren zwei der drei Voraussetzungen erfüllt, in 18 Ländern nur eine. In einem Land – Litauen – wurden keine Maßnahmen zur Entpathologisierung von Transsexualität ergriffen. Selbst Änderungen der Geschlechtsangabe in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren transgeschlechtlicher Personen sind dort rechtlich nicht vorgesehen. Ob und unter welchen Bedingungen eine Änderung gestattet wird, entscheiden Gerichte auf Einzelfallbasis, wenn transgeschlechtliche Personen einen entsprechenden Antrag stellen.25

In fünf OECD-Ländern wurde Transsexualität in der nationalen klinischen Klassifikation von der Liste psychischer Erkrankungen gestrichen.26 Frankreich war 2010 weltweit das erste Land, das diesen Schritt vollzog (Dekret Nr. 2010-125 vom 8. Februar 2010). Die Vereinigten Staaten zogen 2013 nach, als die Diagnose „Geschlechtsidentitätsstörung“ in der fünften Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5), dem von der American Psychiatric Association erstellten Klassifikationssystem der Psychiatrie, wegfiel. Zur Diagnose und Behandlung transgeschlechtlicher Personen, die unter der Diskrepanz zwischen ihrer Geschlechtsidentität und ihren körperlichen Geschlechtsmerkmalen leiden, wurde stattdessen der neue Begriff „Geschlechtsdysphorie“ eingeführt. Diese neue Diagnose trägt der Tatsache Rechnung, dass eine Nichtübereinstimmung von Geburtsgeschlecht und Geschlechtsidentität nicht unbedingt als psychische Erkrankung einzustufen ist. Damit verschiebt sich der Behandlungsfokus von der Heilung einer psychischen Störung auf die Bewältigung des durch die Nichtübereinstimmung verursachten Leidensdrucks. Im Jahr 2014 führte auch die Canadian Psychiatric Association das Klassifikationssystem DSM-5 ein. Das dänische Parlament wiederum stimmte 2016 dafür, im Alleingang zu handeln und die Diagnose Transidentität in der dänischen Klassifikation psychischer Erkrankungen zu streichen, da die Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Bezug auf eine Streichung von Transsexualität in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen auf sich warten ließ. Diese Änderung trat 2017 in Kraft. Auch mehrere autonome Regionen Spaniens, darunter die vier bevölkerungsreichsten, verabschiedeten ab Mitte der 2010er Jahre gesetzliche Bestimmungen zur „Gewährleistung der Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen“, die eine Bezugnahme auf Transsexualität als Erkrankung im Gesundheitssystem verbieten. Dieser Trend, Transsexualität in den nationalen klinischen Klassifikationen nicht mehr als psychische Störung einzustufen, dürfte sich in naher Zukunft verstärken. 2019 wurde von der Weltgesundheitsversammlung nämlich die 11. Ausgabe der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-11) verabschiedet, in der die Diagnose „Geschlechtsinkongruenz“ aus der Klassifikation psychischer Störungen gestrichen wurde. Wie schnell sie die ICD-11 einführen, steht den Mitgliedsländern allerdings frei.

In 34 der 35 in diesem Bericht berücksichtigten Länder ist zumindest in manchen Landesteilen eine Änderung der Geschlechtsangabe in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren rechtlich möglich. In der Mehrheit dieser Länder – 21 von 34 – unterliegt die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts zumindest in einigen Teilen des Landes medizinischen Auflagen: In fünf Ländern – Finnland, Japan, Korea, der Tschechischen Republik und der Türkei – wird ausdrücklich eine Sterilisation vorausgesetzt; in zehn Ländern – Australien, Israel, Italien, Lettland, Neuseeland, Polen, der Schweiz, der Slowakischen Republik, Slowenien und Spanien – sind geschlechtsangleichende Operationen und/oder Behandlungen, die u. U. sterilisierende Wirkung haben, Voraussetzung für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts; in sechs Ländern erfolgt eine personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts ausschließlich aufgrund einer psychiatrischen Diagnose bzw. aufgrund der Diagnose „Geschlechtsdysphorie“, und zwar in Estland, Kanada (alle Provinzen außer Alberta und Quebec, wo das Verfahren auf dem Prinzip der Selbstbestimmung beruht – vgl. Abschnitt 3.3.2), Österreich, Schweden, den meisten US-amerikanischen Bundesstaaten und im Vereinigten Königreich.

In den übrigen 13 Ländern unterliegt das Verfahren keinen medizinischen Auflagen. Dies ist in der Regel Änderungen der ursprünglichen Bestimmungen zur personenstandsrechtlichen Anerkennung des empfundenen Geschlechts zu verdanken, die großenteils nach 2015 auf Druck internationaler und regionaler Menschenrechtsakteure beschlossen wurden (vgl. Kapitel 2). Diese Änderungen wurden im Schnitt im Jahr 2017 verabschiedet, d. h. mehrere Jahrzehnte nach den ursprünglichen gesetzlichen Bestimmungen.

Im Teilbereich „nichtbinäre Geschlechtsoption in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren“ belief sich der Grad der rechtlichen Gleichstellung 2019 auf 19 %. Das bedeutet, dass acht OECD-Länder – zumindest in einigen Landesteilen – über eine nichtbinäre Option verfügten: Australien (New South Wales), Deutschland, Island, Kanada (Alberta, British Columbia und Ontario), Neuseeland, die Niederlande, Österreich und die Vereinigten Staaten (Kalifornien und New York City). 1999 war dies lediglich in zwei Ländern der Fall. In den meisten dieser Länder wurde die gesetzliche Bestimmung zur Schaffung einer nichtbinären Geschlechtsoption erst vor Kurzem bzw. nach 2015 verabschiedet.

In Deutschland, Neuseeland, den Niederlanden und Österreich ist die nichtbinäre Geschlechtsoption intersexuellen Personen vorbehalten. In Neuseeland und den Niederlanden kann seit 1995 auf Geburtsurkunden „Geschlecht unbestimmt“ bzw. „Geschlecht nicht bestimmbar“ angegeben werden, wenn das Geschlecht eines Neugeborenen nicht eindeutig ist.27 Deutschland und Österreich gehen einen Schritt weiter. Dort können seit 2018 bzw. 2019 alle Intersexuellen die nichtbinäre Geschlechtsoption „divers“ wählen. Intersexuelle Erwachsene, denen bei der Geburt das männliche oder das weibliche Geschlecht zugewiesen wurde, haben also die Möglichkeit, ihren Geschlechtseintrag entsprechend ändern zu lassen. In den übrigen Ländern steht die nichtbinäre Geschlechtsoption sowohl intersexuellen als auch nichtbinären transgeschlechtlichen Personen offen. In New South Wales (2014) ist dies die Option „nichtspezifisch“, in Alberta (2018), British Columbia (2018), Ontario (2018), Island (2019) und New York City (2018) „X“ und in Kalifornien (2019) „nichtbinär“.

Internationale Menschenrechtsakteure üben zunehmend Druck auf ihre Mitgliedsländer aus, medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Behandlungen und Operationen bei intersexuellen Minderjährigen aufzuschieben, bis diese in voller Sachkenntnis ihre Einwilligung geben können. Sie rufen die Länder dazu auf, solche Eingriffe zu verbieten.

Ein gesetzliches Verbot ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit. Die Länder können eine ganze Reihe von Maßnahmen ergreifen, um dieses Problem anzugehen. Eine Möglichkeit besteht z. B. darin, Leitlinien zu veröffentlichen, die Ärzt*innen dazu anhalten, von nichtkonsensuellen geschlechtsnormierenden chirurgischen Eingriffen bei intersexuellen Minderjährigen abzusehen. Wichtig sind insbesondere auch vorbereitende Maßnahmen, die darauf abzielen, Unterstützung für Leitlinien oder Gesetze zum Verbot derartiger medizinischer Eingriffe zu gewinnen, um deren Durchsetzung zu gewährleisten. Hierzu zählen u. a. 1. Studien über Behandlungen intersexueller Minderjähriger, um aufzuzeigen, wie häufig medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Behandlungen und Operationen bei intersexuellen Minderjährigen ohne deren Einwilligung durchgeführt werden; 2. Maßnahmen zur Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Intersexuellen, um den gesellschaftlichen Druck zur binären Geschlechtszuweisung bei Neugeborenen zu mindern; 3. Konsultationen mit allen Beteiligten, insbesondere den Intersexuellen sowie deren Eltern und Ärzt*innen, um einen Konsens über Empfehlungen zu erzielen, die als Ausgangspunkt für einen landesweit einheitlichen, menschenrechtsorientierten Ansatz für Entscheidungen über medizinische Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen dienen können.

Daher entspricht die rechtliche Gleichstellung im Teilbereich „Aufschub medizinisch nicht notwendiger geschlechtsnormierender Behandlungen und chirurgischer Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen“ dem Wert:

  • 0, wenn ein Land keine maßgeblichen Schritte in diese Richtung unternommen hat;

  • 1/3, wenn ein Land eine oder mehrere vorbereitende Maßnahmen ergriffen hat, um Unterstützung für Leitlinien oder Gesetze zum Verbot ohne Einwilligung erfolgender, nicht notwendiger medizinischer Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen zu mobilisieren;

  • 2/3, wenn ein Land Leitlinien veröffentlicht hat, die Ärzt*innen ausdrücklich dazu anhalten, von nichtkonsensuellen geschlechtsnormierenden Eingriffen bei intersexuellen Minderjährigen abzusehen;

  • 1, wenn ein Land gesetzliche Bestimmungen verabschiedet hat, die geschlechtsnormierende Behandlungen und Operationen an intersexuellen Minderjährigen ausdrücklich verbieten.

OECD-weit belief sich der Grad der rechtlichen Gleichstellung in diesem Teilbereich 2019 auf 24 %. Das heißt, dass intersexuelle Minderjährige im OECD-Raum bislang nur unzureichend geschützt sind. Im Schnitt sind die OECD-Länder zwischen Untätigkeit in Bezug auf dieses Thema und einem Engagement in Form einer oder mehrerer der oben genannten vorbereitenden Maßnahmen zu verorten.

16 OECD-Länder haben Maßnahmen ergriffen (Tabelle 3.C.10). Nur in zwei dieser Länder sind – zumindest in einigen Landesteilen – Gesetze in Kraft, die medizinisch nicht notwendige geschlechtsnormierende Behandlungen oder Operationen an intersexuellen Minderjährigen ausdrücklich verbieten, und zwar in Portugal und in Spanien.

In 3 der 35 in diesem Bericht berücksichtigten OECD-Länder sind die bürgerlichen Freiheitsrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen offenkundig in Gefahr:

  • In Litauen wurde das Gesetz zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen (2002) auf eine Art und Weise geändert, die unterschiedliche Auslegungen zulässt und damit Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Bezug auf LGBTI-Belange ermöglicht. Artikel 4 des Gesetzes sah ursprünglich ein Verbot öffentlicher Informationen vor, die die „körperliche, psychische oder moralische Entwicklung von Minderjährigen“ beeinträchtigen, einschließlich der „Anstiftung zu Diskriminierung aufgrund von Staatsangehörigkeit, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, Herkunft, Behinderung, sexueller Orientierung, Religion oder anderen Merkmalen“ (Art. 4-9). Im Jahr 2010 wurde Artikel 4 um zwei potenziell widersprüchliche Paragraphen erweitert. Einer davon steht im Einklang mit der ursprünglichen Intention des Gesetzes und verbietet Informationen, die Mobbing aufgrund der sexuellen Orientierung fördern (Art. 4(12)). Auf den zweiten Paragraphen trifft dies jedoch nicht zu. Eine erste Fassung mit dem ausdrücklichen Verbot einer Weitergabe für „homosexuelle, bisexuelle und polygame Beziehungen“ werbender Materialien an Minderjährige wurde nach Protesten des Europäischen Parlaments (Europäisches Parlament, 2009[20]) gestrichen. Ersetzt wurde sie durch ein Verbot von Informationen, die ein „anderes als das in der Verfassung und im Bürgerlichen Gesetzbuch Litauens verankerte Verständnis von Eheschließung und Familiengründung“ fördern (Art. 4(13)). In der Verfassung (Artikel 38) und im Bürgerlichen Gesetzbuch Litauens (Artikel 3.7 und 3.12) wird die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert, weswegen Menschenrechtsorganisationen diese neue gesetzliche Bestimmung als Bedrohung der bürgerlichen Freiheiten anprangerten. Seit der Gesetzesnovelle von 2010 gab es drei bemerkenswerte Fälle, in denen unter Berufung auf dieses Gesetz die Meinungsfreiheit untergraben wurde: 2013 berief sich das Amt des Inspektors für journalistische Ethik auf dieses Gesetz, um die Ausstrahlung eines Werbespots für die Vilnius Gay Pride 2013 auf das Spätabendprogramm zu beschränken und mit dem Hinweis „jugendgefährdende Inhalte“ zu versehen, da darin eine Person zu sehen war, die ein T-Shirt mit der Aufschrift „Für Familienvielfalt“ trug. Aus ähnlichen Gründen empfahl das Amt 2014, die Verbreitung eines von der litauischen Universität für Erziehungswissenschaften herausgegebenen Kinderbuchs mit dem Titel Gintarinė širdis („Bernsteinherz“) einzuschränken, da in zwei der darin enthaltenen Geschichten gleichgeschlechtliche Beziehungen thematisiert wurden. Das Amt ordnete eine Kennzeichnung des Buchs mit dem Hinweis „nicht für Kinder unter 14 Jahren geeignet“ an, worauf der Verkauf auf Initiative des Verlegers gestoppt wurde. Der dritte Fall betrifft Videoclips von Lietuvos gėjų lyga, einer Organisation, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender einsetzt. Obwohl die Videoclips keinen offenkundigen Sexualitätsbezug aufweisen, weigerte sich die staatliche Sendeanstalt 2013, sie auszustrahlen. 2014 zogen dann auch private Sendeanstalten nach.28 Die Lietuvos gėjų lyga legte in beiden Fällen Beschwerde ein. Das Amt des Inspektors für journalistische Ethik stufte die Videoclips jedes Mal als schädliche Information im Sinne des Gesetzes zum Schutz von Minderjährigen vor schädlichen Folgen öffentlicher Informationen ein (VN-Ausschuss für Menschenrechte, 2016[21]). Ein vor Kurzem gefälltes Urteil des litauischen Verfassungsgerichts könnte dieser Bedrohung der bürgerlichen Freiheitsrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen allerdings Einhalt gebieten: Im Januar 2019 befand das Verfassungsgericht, dass das in der Verfassung verankerte Konzept von Familie geschlechtsneutral sei und gleichgeschlechtlichen ausländischen Partner*innen litauischer Staatsbürger*innen daher eine Aufenthaltsgenehmigung zu gewähren sei, auch wenn gleichgeschlechtliche Partnerschaften in Litauen rechtlich nicht anerkannt sind.

  • In Polen wiederum ist die Meinungs- Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen bedroht. Eine besorgniserregende neue Entwicklung stellt die Ausrufung sogenannter „LGBT-freier Zonen“ dar, mit denen insbesondere Kommunal- und Regionalverwaltungen im Südosten des Landes im Jahresverlauf 2019 von sich Reden machten. Das Europäische Parlament nahm im Dezember 2019 eine Entschließung an, in der die mehr als 80 polnischen Gemeinden, Landkreise und Verwaltungsbezirke (sogenannte Woiwodschaften), die sich zu „LGBT-ideologiefreien Zonen“ erklärt hatten, mit Nachdruck verurteilt wurden. Ob diese Zonen juristisch durchsetzbar sind, ist nach wie vor unklar, die Verteilung von Aufklebern mit der Aufschrift „LGBT-freie Zone“ hat jedoch einem Klima von Hass und Gewalt gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender Vorschub geleistet. Neu ist dieses Phänomen allerdings nicht. So wurde z. B. im Jahr 2018 Anzeige erstattet, als beim Gleichstellungsmarsch in Częstochowa zwei Teilnehmer*innen mit einer mit dem weißen Adler des polnischen Staatswappens versehenen Regenbogenfahne gesichtet wurden. Der Minister für Inneres und Verwaltung kündigte daraufhin in den sozialen Medien eine Untersuchung an, um zu ermitteln, ob eine Verunglimpfung polnischer Symbole vorliege (ILGA-Europe, 2019[22]). Im Jahr 2016 verabschiedete das polnische Parlament eine Novelle zum Versammlungsgesetz, in der der Begriff „zyklische Versammlungen“ eingeführt wurde. Damit sind im Allgemeinen Feierlichkeiten zum Gedenken an bedeutende Ereignisse in der Geschichte des Landes und religiöse Versammlungen gemeint. Die Entscheidung, ob Versammlungen als zyklisch einzustufen sind oder nicht, obliegt laut dieser Gesetzesnovelle den Präfekten der Verwaltungsbezirke (den sogenannten Woiwode). Die Novelle sieht darüber hinaus vor, dass reguläre und zyklische Versammlungen nicht zur selben Zeit und am selben Ort abgehalten werden dürfen und „nichtzyklische“ Versammlungen gegebenenfalls zu untersagen sind. Das polnische Verfassungsgericht erklärte die Gesetzesänderung trotz Protesten vonseiten der polnischen Ombudsstelle und mehrerer Nichtregierungsorganisationen für verfassungskonform. Dies zog am 15. November 2017 eine Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in Polen nach sich. Darin äußerte das EU-Parlament Bedenken im Hinblick auf „das im Dezember 2016 geänderte Versammlungsgesetz, aufgrund dessen die Versammlungsfreiheit übermäßig eingeschränkt werden kann und in dem sogenannten regelmäßigen/zyklischen Versammlungen für patriotische, religiöse und historische Veranstaltungen Vorrang eingeräumt wird und die Möglichkeit des Verbots von Gegendemonstrationen durch die Behörden vorgesehen ist“. Das Europäische Parlament „fordert[e] die polnische Regierung auf, das Recht auf Versammlungsfreiheit zu achten und aus dem geltenden Gesetz über Versammlungsfreiheit die Bestimmungen zu streichen, wonach von der Regierung genehmigten regelmäßig stattfindenden Versammlungen Vorrang einzuräumen ist; [es] fordert[e] die Behörden auf, keine strafrechtlichen Sanktionen gegen Personen zu verhängen, die an friedlichen Versammlungen oder Gegendemonstrationen teilnehmen, und die gegen friedliche Demonstranten vorgebrachten Anschuldigungen fallenzulassen“ (Europäisches Parlament, 2017[23]). Im Jahr 2017 wurde außerdem ein Gesetz verabschiedet, das der Regierung die Kontrolle über die Mittelvergabe für NRO überträgt. Dazu wurde eine neue Behörde geschaffen, die entscheidet, welche NRO öffentliche Mittel erhalten. Geleitet wird diese Behörde von einem Vorstand, in dem Vertreter*innen von NRO in der Minderheit sind und alle übrigen Mitglieder von der Regierung ernannt werden. Dies ermöglicht es der Regierung, die Arbeit nichtregierungskonformer Organisationen erheblich zu behindern (Civil Liberties Union for Europe, 2017[24]).

  • Auch in der Türkei geraten die bürgerlichen Freiheiten unter Druck. Während des Ausnahmezustands 2017 erließ der Gouverneur von Ankara in der gleichnamigen Provinz für unbestimmte Zeit ein Verbot von LGBTI-bezogenen Veranstaltungen und begründete diese Diskriminierung mit „gesellschaftlichen Befindlichkeiten und Sensibilitäten“ und dem „Schutz der öffentlichen Gesundheit und Moral“ (Parlamentarische Versammlung des Europarates, 2018[25]). Obwohl der Ausnahmezustand im Juli 2018 endete, weigerte sich der Gouverneur, das Verbot aufzuheben. Das Verbot wurde 2018 vom 4. und vom 13. Verwaltungsgericht Ankaras bestätigt. Im April desselben Jahres brachte die in Ankara ansässige LGBTI-Nichtregierungsorganisation Kaos GL den Fall schließlich vor das Verfassungsgericht. Dieses entschied im April 2019, dass das Verbot rechtswidrig sei und die Rechte in grundsätzlicher, unspezifischer und unverhältnismäßiger Weise einschränke. Es verwies darauf, dass es Aufgabe des Staates sei, friedliche Versammlungen zu schützen und nicht einfach zu untersagen. Auch in Istanbul wurde die Organisation friedlicher öffentlicher LGBTI-Veranstaltungen maßgeblich erschwert. Die seit 2003 alljährlich stattfindende Gay Pride Istanbul wurde 2015 aufgrund von „Sicherheitsbedenken“ verboten. In den Jahren 2016, 2017, 2018 und 2019 wurde die Veranstaltung ebenfalls untersagt. LGBTI-Organisationen berichten außerdem über eine starke Zunahme von Einschüchterungsversuchen und Schikanen, mit denen gegen Einzelpersonen und gegen geplante Veranstaltungen für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen vorgegangen wird (Amnesty International, 2018[26]).

Anmerkungen

← 1. In Lettland wurde 2006 eine entsprechende Verfassungsänderung verabschiedet. Die Verfassung der Slowakischen Republik wiederum wurde 2014 um eine Definition der Ehe als Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau erweitert, was einem verfassungsrechtlichen Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe gleichkommt. Das US-amerikanische Department of Health and Human Services schlug einem der New York Times im Jahr 2018 zugespielten Dokument zufolge eine binäre rechtliche Definition von Geschlecht vor, der zufolge jeder Person ausschließlich aufgrund der bei der Geburt vorhandenen Geschlechtsorgane unabänderlich ein weibliches oder männliches Geschlecht zuzuweisen ist.

← 2. Die Begriffe „OECD-Länder“ und „Mitgliedsländer“ beziehen sich in diesem Kapitel auf 35 der 37 OECD-Länder, da sich Ungarn entschied, nicht an der Studie teilzunehmen, und Kolumbien der OECD noch nicht beigetreten war, als der Bericht in Angriff genommen wurde.

← 3. Australien, Chile, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Island, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die Schweiz und die Vereinigten Staaten.

← 4. Der OECD-Fragebogen zu gesetzlichen Bestimmungen und sonstigen Maßnahmen zur Gleichstellung von LGBTI wurde den zuständigen Ministerien in den 36 OECD-Mitgliedsländern im Juli 2019 vorausgefüllt zur Überprüfung vorgelegt (Kolumbien war der OECD zum damaligen Zeitpunkt noch nicht beigetreten). Bis Oktober 2019 hatten fast alle OECD-Mitgliedsländer diese Initiative ausdrücklich begrüßt und sich daran beteiligt. 32 Länder unterzogen die von der OECD vorausgefüllten Antworten einer genauen Überprüfung, wobei die meisten weitere wertvolle Informationen zur Verfügung stellten, die ein besseres Verständnis der nationalen gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherung der Rechte und Chancen von LGBTI-Personen ermöglichten. Im April 2020 wurde den OECD-Mitgliedsländern der Entwurf des Berichts zugesandt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihn zu überprüfen, zu korrigieren oder zu ergänzen. Insgesamt 15 Länder gaben der OECD ein detailliertes und konstruktives Feedback, das in dieser Publikation berücksichtigt wurde.

← 5. Bei Aspekten, die sowohl auf nationaler als auch auf subnationaler Ebene geregelt sind, lag der Fokus der Analyse auf der nationalen Ebene.

← 6. Der 2006 gegründete, unabhängige, gemeinnützige Thinktank Movement Advancement Project (MAP) führt rigorose Studien durch, um die Teilhabe von Minderheiten in den 50 US-Bundesstaaten zu messen. Zudem bietet er einen Überblick über die gesetzlichen Bestimmungen und sonstigen Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen in den einzelnen Bundesstaaten. Vgl. http://www.lgbtmap.org/.

← 7. Die im OECD-Fragebogen zu gesetzlichen Bestimmungen und sonstigen Maßnahmen zur Gleichstellung von LGBTI verwendeten Bezeichnungen der einzelnen Teilbereiche wurden in Abbildung 3.2 aus Platzgründen gekürzt, mit Ausnahme des Teilbereichs „personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts“ (TI-spezifische Bestimmungen). Bei den allgemeinen Bestimmungen wurden folgende Kurzformen verwendet: 1. „Schutz vor Diskriminierung“ für „Schutz von LGBTI vor Diskriminierung“; 2. „Schutz bürgerlicher Freiheitsrechte“ für „Schutz der bürgerlichen Freiheitsrechte von LGBTI“; 3. „Schutz vor Gewalt“ für „Schutz von LGBTI vor Gewalt“; 4. „Schutz vor Verfolgung im Ausland“ für „Schutz im Ausland verfolgter LGBTI-Geflüchteter“ und 5. „für LGBTI zuständige Menschenrechtsinstitution“ für „für LGBTI zuständige Gleichstellungsstellen, Ombudsstellen oder Menschenrechtskommissionen“. Bei den LGB-spezifischen Bestimmungen wurden folgende Kurzformen verwendet: 1. „keine Kriminalisierung“ für „Gleichbehandlung einvernehmlicher gleich- und verschiedengeschlechtlicher sexueller Handlungen“; 2. „keine Konversionstherapie“ für „Verbot von Konversionstherapien“; 3. „Anerkennung von Partnerschaften“ für „rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften“; 4. „Adoptionsrechte“ für „gleiche Adoptionsrechte“; und 5. „künstliche Befruchtung“ für „gleicher Zugang zu künstlicher Befruchtung“. Bei den TI-spezifischen Bestimmungen wurden folgende Kurzformen verwendet: 1. „klinische Klassifikation“ für „keine Einstufung von Transsexualität als psychische Erkrankung in nationalen klinischen Klassifikationen“; 2. „keine medizinischen Auflagen“ für „keine medizinischen Auflagen für die personenstandsrechtliche Anerkennung des empfundenen Geschlechts“; 3. „nichtbinäres Geschlecht“ für „nichtbinäre Geschlechtsoption in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren“; und 4. „keine geschlechtsnormierenden Behandlungen“ für „Aufschub medizinisch nicht notwendiger geschlechtsnormierender Behandlungen und chirurgischer Eingriffe bei intersexuellen Minderjährigen“.

← 8. Bei der Berechnung des Beitrags der einzelnen Teilbereiche zur Verbesserung der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI wurde ihr jeweiliges Gewicht berücksichtigt. Die rechtliche Gleichstellung im Teilbereich „für LGBTI zuständige Gleichstellungsstellen, Ombudsstellen oder Menschenrechtskommissionen“ beispielsweise verbesserte sich zwischen 1999 und 2019 um 58 Prozentpunkte. Da diesem Teilbereich ein Gewicht von 10 % zugewiesen wurde (und sich die rechtliche Gleichstellung von LGBTI insgesamt um 32 Prozentpunkte verbesserte), erklärt die Verbesserung in diesem Teilbereich (10 %*58)/32=18 % des Gesamtfortschritts bei der rechtlichen Gleichstellung von LGBTI.

← 9. Estland, Italien, Japan, Korea, Lettland, Polen, Schweden, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik und die Türkei.

← 10. Rund 60 % der 35 in diesem Bericht berücksichtigten OECD-Länder sind Mitglied der EU. Sie stellen jedoch 70 % der Länder mit überdurchschnittlicher rechtlicher Gleichstellung von LGBTI.

← 11. Australien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Irland, Island, Kanada, Luxemburg, Neuseeland, die Niederlande, Norwegen, Schweden und Spanien.

← 12. Chile, Estland, Italien, Japan, Korea, Lettland, Litauen, Mexiko, Polen, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik und die Türkei.

← 13. Neben Fragen zur Akzeptanz von Homosexualität und zur Wahrnehmung der gesellschaftlichen Akzeptanz von Lesben und Schwulen auf lokaler Ebene wird in bekannten internationalen und regionalen Erhebungen zur Messung der gesellschaftlichen Einstellungen gegenüber LGB-Personen noch auf eine dritte Frage zurückgegriffen. Gegenstand dieser Frage ist, ob es für die Befragten in Ordnung wäre, homosexuelle Nachbar*innen zu haben. Der Wortlaut der Frage ist in den einzelnen Erhebungen jedoch unterschiedlich. Der Americas Barometer ist die einzige Erhebung, in der sich die Frage ausdrücklich auf „Homosexuelle“ bezieht: Are you comfortable with homosexuals as neighbours? In anderen Erhebungen müssen die Befragten aus einer Liste, die u. a. die Items „Homosexuelle“ oder „Schwule“ umfasst, auswählen, wen sie nicht gern als Nachbar*innen hätten. Die Antworten auf diese Frage sind zudem schwer zu interpretieren. Werden die Items „Homosexuelle“ oder „Schwule“ nicht ausgewählt, wird dies als Akzeptanz homosexueller Nachbar*innen interpretiert. Eine Nicht-Auswahl könnte jedoch auch darauf zurückzuführen sein, dass die Befragten diese Items als Tabus betrachten, d. h. als Wörter, die mit einem Verbot belegt sind, weil sie Gegebenheiten benennen, die inakzeptabel erscheinen.

← 14. Für Korea liegen keine Informationen zur Höhe des Anteils der Befragten vor, die Transgender akzeptieren. Das bedeutet, dass der durchschnittliche Anteil der diesbezüglich am schlechtesten abschneidenden OECD-Länder nicht für drei, sondern für zwei Länder (Türkei und Japan) berechnet wurde.

← 15. Für Korea liegen keine Informationen zur Höhe des Anteils der Befragten vor, die Intersexuelle akzeptieren. Das bedeutet, dass der durchschnittliche Anteil in den diesbezüglich am schlechtesten abschneidenden OECD-Ländern nicht für drei, sondern für zwei Länder (Türkei und Japan) berechnet wurde.

← 16. Vgl. dazu z. B. den richtungsweisenden Prozess zu Bürgerrechten von LGBT Ferguson/JONAH, New Jersey Superior Court Nr. L-5473-12 (N.J. Super. Ct. Law. Div. 2015), in dem Geschworene in New Jersey einstimmig befanden, dass Konversionstherapien als Betrug von Verbrauchern zu betrachten sind.

← 17. In einigen dieser Länder kann von den Antragsteller*innen allerdings eine eidesstattliche Erklärung verlangt werden, aus der hervorgeht, dass sie 1. die feste und erklärte Absicht haben, das von ihnen bevorzugte Geschlecht für den Rest ihres Lebens beizubehalten, 2. die Konsequenzen ihres Antrags verstehen und 3. den Antrag freiwillig stellen. In einigen Fällen ist nach der Antragstellung eine Bedenkzeit von bis zu sechs Monaten vorgesehen, nach deren Ablauf die Antragsteller*innen, ihren Antrag nochmals bestätigen müssen. Alle oder manche dieser Auflagen müssen z. B. in Belgien, Dänemark und den Niederlanden erfüllt werden.

← 18. Wegen einer Kritik am entsprechenden Verfahren in Frankreich vgl. https://www.sos-homophobie.org/ article/decret-sur-le-changement-d-etat-civil-des-personnes-trans-est-encore-loin-du-changement-d.

← 19. Im Fall von föderalen Staaten, in denen LGBTI-Belange auf subnationaler Ebene geregelt sind, konzentriert sich dieser Bericht, wie bereits erläutert, auf die Situation in den vier bevölkerungsreichsten Gliedstaaten bzw. Landesteilen. Die übrigen Gliedstaaten bzw. Landesteile werden nicht berücksichtigt.

← 20. Neben der in diesen drei kanadischen Provinzen in Geburtsurkunden und anderen Identitätspapieren geschaffenen nichtbinären Geschlechtsoption wurde in Kanada im Juni 2019 zudem eine nichtbinäre Geschlechtsoption („X“ für „anderes Geschlecht) in Reisepässen, Staatsangehörigkeitsausweisen sowie in der Niederlassungserlaubnis eingeführt, um kanadische Staatsangehörige und Gebietsansässige anzuerkennen, die sich nicht ausschließlich dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugehörig fühlen.

← 21. In Brasilien verbietet die vom nationalen Psychologenverband verabschiedete Resolution 1/99 die „Pathologisierung homoerotischer Verhaltensweisen und Praktiken“ und ordnet an, dass alle zugelassenen Psycholog*innen „von Zwangsbehandlung oder unerwünschter Behandlung Homosexueller Abstand nehmen“. Zudem untersagt sie ihre Beteiligung an Veranstaltungen oder Dienstleistungen, bei denen eine „Heilung von der Homosexualität“ angeboten wird. Artikel 151 Absatz 3 des Strafgesetzbuchs von 2014 stellt in Ecuador jede Art von Folter (breit definiert) unter Strafe, die in der Absicht durchgeführt wird, die sexuelle Orientierung einer Person zu ändern. In Malta trat der Affirmation of Sexual Orientation, Gender Identity and Gender Expression Act 2016 in Kraft, der die Durchführung von Konversionstherapien durch Fachkräfte (Artikel 3.b) und Nicht-Fachkräfte (Artikel 3.a) untersagt. In Taiwan wiederum schickte das Ministerium für Gesundheit und Wohlfahrt 2018 ein Schreiben an alle örtlichen Gesundheitsbehörden, mit dem Konversionstherapien effektiv untersagt wurden.

← 22. Am 9. März 2020 legte der kanadische Justizminister dem Unterhaus den Gesetzentwurf C-8 über ein Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs (Konversionstherapie) zur ersten Lesung vor: https://www.parl.ca/LegisInfo/BillDetails.aspx?Language=E&billId=10686845&Parl=43&Ses=1&Mode=1&View=8. Außerdem haben in der Provinz Alberta die beiden Städte Edmonton (St Albert) und Calgary (2019 bzw. 2020) ein Konversionstherapieverbot erlassen.

← 23. Vgl. http://www.lgbtmap.org/equality-maps/conversion_therapy.

← 24. In Israel gibt es keine standesamtliche Trauung. Lediglich die religiösen Behörden können Trauungen durchführen. Damit müssen sich Paare, die sich für die Eheschließung entschieden haben, an eines der 15 für die Eheschließung zuständigen staatlich anerkannten religiösen Gerichte wenden. Die gleichgeschlechtliche Eheschließung ist jedoch an keinem dieser Gerichte möglich.

← 25. Gibt ein litauisches Gericht einem solchen Antrag statt, ist für die personenstandsrechtliche Änderung des Geschlechts allerdings weder eine Sterilisierung noch eine geschlechtsangleichende Operation und/oder Behandlung erforderlich.

← 26. Am 1. Januar 2020 kam mit Norwegen ein weiteres Land hinzu.

← 27. In Deutschland kann der Geschlechtseintrag bei intergeschlechtlichen Neugeborenen seit 2013 offengelassen werden, was auf eine Empfehlung des Deutschen Ethikrats zurückgeht. Diese Maßnahme wurde jedoch sowohl vom Bundesverfassungsgericht als auch von internationalen Akteuren kritisiert. Das Offenlassen des Geschlechtseintrags suggeriert nämlich, dass sich die betreffenden Personen als geschlechtslos begreifen. Tatsächlich verorten sie ihr eigenes Geschlecht aber jenseits der binären Geschlechterordnung.

← 28. Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=3rLit2Pc3Ig&feature=youtu.be.

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